Die Antragstellerin (AS), die nach ihrer Darstellung Kosmetikprodukte als Onlinehändlerin vertrieb, war eine in der britischen Rechtsform einer Limited betriebene Gesellschaft, wollte im Rahmen einer einstweiligen Verfügung eine kartellrechtliche Untersagung gegen einen Konkurrenten erwirken. Der Antrag wurde vom Landgericht als unbegründet zurückgewiesen. Auf die Berufung wurde der Antrag als unzulässig zurückgewiesen. In beiden Instanzen wurde von der fehlenden Parteifähigkeit der AS ausgegangen.
Um klagen zu können, bedarf es der Parteifähigkeit nach § 50 Abs. 1 ZPO, die Land- und Oberlandesgericht der Klägerin absprachen. Die Parteifähigkeit ist gem. § 56 ZPO von Amts wegen untr freier Beweiswürdigung zu prüfen. Dabei ging das OLG davon aus, dass die AS ihre Parteifähigkeit mit dem Vollzug des Austritts des vereinigten Königsreichs aus der EU gem. Art. 50 EUV nah Ablauf der Übergangsfrist zum 31.12.2020 (Brexit), und damit vor der Antragstellung im vorliegenden Verfahren, verloren habe. Dies begründete das OLG damit, dass der tatsächliche Verwaltungssitz der AS in Deutschland sei.
Grundsätzlich würde gegenüber Drittstaaten wegen dem weder im sekundär anzuwendenden Regelungen des Unionsrechts noch im deutschen Recht enthaltenen Kollisionsregeln für Gesellschaften und juristische Personen die Sitztheorie Anwendung finden. Unter Sitz sei der tatsächliche Verwaltungssitz zu verstehen. Dieser sei an dem Ort, an dem die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt würden (BGH, Urteil vom 21.03.1986 - V ZR 10/85 -). Die AS habe nicht belegt, dass ihr tatsächlicher Veraltungssitz in Großbritannien – und nicht, wie von der Antragsgegnerin behauptet – in Berlin sei. Es sei von der AS eine abstrakte steuerrechtliche Aussage ohne konkreten Bezug zu der AS vorgelegt worden, nach der britische Unternehmen ohne Sitz, Geschäftsleitung oder Zweigniederlassung in Deutschland sich nach § 13b Abs. 7 UstG registrieren lassen müssten, weshalb sich zu einem Sitz in Großbritannien daraus nichts ergäbe. Auch eine weiter von ihr vorgelegte Unterlage sage nichts zu einem tatsächlichen Verwaltungssitz in Großbritannien aus; sie enthalte nur eine Bestätigung einer britischen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die nicht weiter geprüfte Umsätze der AS enthalte. Beide vorgelegten Unterlagen würden zudem als Anschrift der AS zudem die Anschrift der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft enthalten, was nach lebensnaher Betrachtung die Vermutung zulasse, dass dort eine Umsetzung von Leitungsentscheidungen nicht stattfinde. Auch eine weitere Unterlage enthalte lediglich Angaben zu Buchhaltung und Steuerangelegenheiten, bei denen es sich lediglich um sekundäre Verwaltungstätigkeiten handeln würde. Ein verweis auf das Impressum der Webseite der AS ergäbe auch nichts zugunsten der AS, da dort auch nicht für eine Umsetzung der Leitungsentscheidungen in Großbritannien ersichtlich sei, vielmehr sogar eine Postfachadresse in Berlin angegeben worden sei.
Sei damit deutsches recht anzuwenden, sei der numerus clausus der Gesellschaftsformen zu beachten. Das deutsche Recht kenne die Gesellschaftsform der britischen Limited nicht, weshalb diese in Deutschland nicht rechtsfähig sei. Allerdings ei sie nach der sogenannten milden Form der Sitztheorie nicht als rechtliches Nullum zu behandeln, sondern je nach tatsächlicher Ausgestaltung als GbR, OHG oder – wie hier – bei nur einer Gesellschafterin als einzelkaufmännisches Unternehmen (BGH, Urteil vom 27.10.2008 - II ZR 158/06 -), was die volle persönliche Haftung zur Folge habe.
Auch das Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich vom 24.12.2020 ändere daran nichts. Dieses regele den Zugang britischer Unternehmen zum Binnenmarkt. Es gewähre keine Rechtsposition, die der Niederlassungsfreiheit in der Ausprägung der EuGH-Rechtsprechung zur freien Wahl von Sitz und anwendbaren Gesellschaftsrecht gleichkomme. In einem Vorlageaufhebungsbeschluss vom 16.02.2021 - II ZB 25/17 – habe der BGH klar ausgeführt, dass die Niederlassungsfreiheit (nach der eine Gesellschaft aus einem EU-Land in einem anderen EU-Land ihren Verwaltungssitz haben könne) voraussetze, dass der Staat, nach dessen Recht die Gesellschaft gegründet worden sei, zum Zeitpunkt ihrer Inanspruchnahme der Niederlassungsfreiheit Mitgliedsstaat der EU sei.
OLG München, Urteil vom
05.08.2021 – 29 U 2411/21 Kart -
Aus den Gründen:
Tenor
I. Die Berufung
der Antragstellerin gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 23.04.2021,
Az. 37 O 3787/21, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das Urteil
abgeändert und wie folgt neu gefasst wird:
1. Der Antrag
auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird als unzulässig zurückgewiesen.
2. Die Kosten
des Rechtsstreits in erster Instanz trägt die Direktorin der Antragstellerin,
Frau ….
II. Die Kosten
des Berufungsverfahrens trägt die Direktorin der Antragstellerin, Frau ….
Gründe
I.
Die
Antragstellerin macht im Wege eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen
Verfügung einen kartellrechtlichen Unterlassungsanspruch wegen einer
Preisbindung für Kosmetikprodukte geltend.
Die
Antragsgegnerin zu 1) vertreibt über ein selektives Vertriebssystem mit Hilfe
sogenannter Depositäre kosmetische Produkte unter anderem in Deutschland. Die
Antragsgegnerin zu 2) ist die Geschäftsführerin der Antragsgegnerin zu 1).
Die
Antragstellerin behauptet, eine Onlinehändlerin für Kosmetikwaren zu sein.
Im Februar 2021
brachte die Antragsgegnerin zu 1) eine Produktserie namens „…“ auf den Markt,
wobei für acht Produkte für einen Zeitraum von vier Monaten zwischen dem
15.02.2021 und dem 14.06.2021 eine Preisbindung gemäß Ziffer IV 7. der zwischen
den Depositären und der Antragsgegnerin zu 1) geschlossenen Depotverträge (Anlage
AG 3) gelten sollte (Anlage ASt 1).
Das Landgericht
München I hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung durch Urteil
vom 23.04.2021, Az. 37 O 3787/21 (Bl. 71/81 d.A.), zurückgewiesen.
Hinsichtlich
der tatsächlichen Feststellungen wird auf das Urteil des Landgerichts München I
vom 23.04.2021 Bezug genommen.
Die
Antragstellerin greift das Urteil mit ihrer Berufung an und verfolgt ihren
Verfügungsantrag weiter.
Im Übrigen wird
von einem Tatbestand nach §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1
Satz 1, 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO abgesehen.
II.
Die Berufung
der Antragstellerin ist unbegründet.
1. Der
Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist unzulässig, insbesondere
ist die Antragstellerin mangels Rechtsfähigkeit nicht parteifähig im Sinne von
§ 50 Abs. 1 ZPO.
a) Die
Voraussetzungen der Parteifähigkeit sind gemäß § 56 ZPO von Amts wegen, in
jeder Lage des Verfahrens und in jedem Rechtszug zu prüfen. Die objektive
Beweislast für ihre Parteifähigkeit trägt die ein Sachurteil begehrende
Antragstellerin (vgl. BGH NJW 1996, 1059). Es gilt das Freibeweisverfahren (BGH
NJW 2000, 290).
b) Die
Antragstellerin hatte ihre Rechtsfähigkeit bereits mit Vollzug des Austritts
des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union gemäß Art. 50 EUV
mit Ablauf der Übergangsfrist am 31.12.2020 (sog. Brexit), also bereits vor
Antragstellung am 22.03.2021, verloren, weil davon auszugehen ist, dass sich
ihr tatsächlicher Verwaltungssitz in Deutschland befindet.
Grundsätzlich
findet gegenüber Drittstaaten wegen der weder im sekundären Unionsrecht (vgl.
Art. 1 Abs. 2 lit. f) Rom I-VO und Art. 1 Abs. 2 lit. d)
Rom II-VO) noch im autonomen deutschen Recht (vgl. Art. 7 bis 10 EGBGB)
enthaltenen Kollisionsregeln für Gesellschaften und juristische Personen
aufgrund gewohnheitsrechtlicher Geltung die sogenannte Sitztheorie Anwendung.
Danach ist auf eine Gesellschaft das Recht des Staates anzuwenden, das am Sitz
der Gesellschaft gilt. Unter Sitz ist dabei der tatsächliche Verwaltungssitz zu
verstehen. Dieser befindet sich an dem Ort, an dem die grundlegenden
Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende
Geschäftsführungsakte umgesetzt werden (sog. Sandrock’sche-Formel, vgl. BGHZ
97, 269, 272).
Die
Antragstellerin hat aufgrund der im Wege des Freibeweises zu würdigenden
Glaubhaftmachungsmittel nicht zu belegen vermocht, dass sich ihr tatsächlicher
Verwaltungssitz in Großbritannien und damit nicht – wie von der Antragsgegnerin
vorgetragen – in Berlin und folglich in Deutschland befindet. Bei
entsprechender Würdigung der seitens der Antragstellerin im Termin vom
05.08.2021 vorgelegten Unterlagen (Anlagen zum Protokoll, hinter Bl. 142/147
d.A., entsprechend der Nummerierung in einem anderen Verfahren als „Anlage B6“
und „Anlage B7“ bezeichnet sowie ein mit „Invoice“ überschriebenes Dokument)
lässt sich die im Verfügungsverfahren notwendige überwiegende
Wahrscheinlichkeit für einen tatsächlichen Verwaltungssitz in Großbritannien
für den Senat nicht erkennen:
Die „Anlage B6“
enthält lediglich eine abstrakte steuerrechtliche Aussage ohne konkreten Bezug
zur hiesigen Antragstellerin dahingehend, dass sich britische Unternehmen ohne
Sitz, Geschäftsleitung oder Zweigniederlassung in Deutschland steuerlich nach § 13b
Abs. 7 UStG registrieren müssten und hierfür das Finanzamt Hannover-Nord
zuständig sei. Über die konkreten tatsächlichen Verhältnisse bei der
Antragstellerin im Hinblick darauf, ob die grundlegenden Entscheidungen der
Unternehmensleitung in Großbritannien in laufende Geschäftsführungsakte
umgesetzt werden, lässt sich diesem Schreiben einer deutschen
Steuerberatungsgesellschaft nichts entnehmen.
Auch die
„Anlage B7“ sagt über die faktischen Voraussetzungen für einen tatsächlichen
Verwaltungssitz in Großbritannien nichts aus, sondern enthält nur eine
Bestätigung einer britischen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, welche nicht
weiter geprüften Umsätze die Antragstellerin ausweislich ihrer Bücher für das
am 31.12.2019 endende Jahr gemacht hat. Die „Anlage B7“ spricht ebenso wie die
nachfolgende „Invoice“ vom 05.08.2021 eher gegen einen tatsächlichen
Verwaltungssitz der Antragstellerin in Großbritannien, weil ihre
Geschäftsanschrift mit der Adresse der beiden aus „Anlage B7“ und der „Invoice“
ersichtlichen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften identisch ist, was bei
lebensnaher Betrachtung die Vermutung zulassen dürfte, dass dort eine Umsetzung
von Leitungsentscheidungen gerade nicht stattfindet, sondern vielmehr von den
Wirtschaftsprüfungsgesellschaften im Rahmen einer entsprechenden Dienstleistung
der Schein eines Unternehmenssitzes aufrechterhalten wird, indem Post
entgegengengenommen und bearbeitet wird.
Aus der – erst
auf den Tag der mündlichen Verhandlung datierenden und dem
Antragstellervertreter offenbar während der Sitzung elektronisch übermittelten
– „Invoice“ selbst lässt sich wiederum für die Voraussetzungen eines
tatsächlichen Verwaltungssitzes nach der Sandrock’schen- Formel nichts
ableiten, da sie lediglich zwei Rechnungsposten betreffend beim Companies House
einzureichende Buchhaltungsunterlagen sowie eine Körperschaftssteuererklärung
enthält. Für die Umsetzung von Leitungsentscheidungen der Gesellschaft in
Großbritannien ist daraus nichts ersichtlich, da sekundäre
Verwaltungstätigkeiten wie die Erledigung der Buchhaltung oder der
Steuerangelegenheiten grundsätzlich nicht ausreichen (vgl. LG Essen NJW 1995,
1500, 1501).
Schließlich
waren auch die protokollierten Ausführungen des Antragstellervertreters im
Termin vom 05.08.2021 (Bl. 142/147 d.A.) nicht geeignet, die Voraussetzungen
für einen tatsächlichen Verwaltungssitz in Großbritannien zu belegen. Der
Verweis auf die Anlage AG 13 war insofern unbehilflich, als es sich dabei um
das Impressum der Webseite der Antragstellerin handelt, aus dem für die tatsächliche
Umsetzung von Leitungsentscheidungen auf dem Gebiet Großbritanniens nichts
ersichtlich ist, sondern wo vielmehr nur die Berliner Postfachadresse der
Antragstellerin aufscheint.
Unergiebig sind
insoweit auch die Einlassungen, dass es ein Büro in den USA und im Vereinigten
Königreich gebe, die Produkte im Wege des Drop Shipping vertrieben würden, die
Gesellschaft komplett in England steuerlich veranlagt werde, ein Unternehmen
dort besteuert werde, wo es seinen Sitz habe, § 4 Abs. 3 GewO die
Voraussetzungen für eine Niederlassung in Deutschland definiere, eine
allgemeingültige Definition für eine Niederlassung nicht existiere und die
Voraussetzungen von § 4 Abs. 3 GewO für die Antragstellerin in
Deutschland nicht vorlägen. Nach dem oben Gesagten ist für die Frage des
tatsächlichen Verwaltungssitzes allein die zitierte Sand- rock‘sche-Formel
maßgeblich, die auf die Umsetzung von Leitungsentscheidungen im maßgeblichen
Staatsgebiet abstellt. Ein Rückgriff auf britisches oder deutsches Steuerrecht
oder deutsches Gewerberecht verbietet sich, weil steuerliche oder
gewerberechtliche Definitionen des Sachrechts keinen Schluss auf die im Rahmen
einer Kollisionsnorm maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse zulassen, wo bei
der Antragstellerin die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung
effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden.
Im Ergebnis ist
daher auf die Antragstellerin nach der Sitztheorie das Recht des Landes
anzuwenden, das am tatsächlichen Verwaltungssitz gilt, mithin – aufgrund der
nicht erfüllten Glaubhaftmachungslast für einen tatsächlichen Verwaltungssitz
in Großbritannien – deutsches Recht. Da im deutschen Gesellschaftsrecht der
sogenannte numerus clausus der Gesellschaftsformen gilt und das deutsche Recht
die Gesellschaftsform der britischen Limited nicht kennt, ist sie nicht als
solche rechtsfähig. Nach der sogenannten milden Form der Sitztheorie ist sie
allerdings nicht als rechtliches Nullum zu behandeln, sondern je nach
tatsächlicher Ausgestaltung als GbR, OHG oder – wie vorliegend – bei nur einer
Gesellschafterin als einzelkaufmännisches Unternehmen (BGH NJW 2009, 289 Rn. 23
– Trabrennbahn) mit der Konsequenz der vollen persönlichen Haftung.
c)
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin folgt etwas anderes nicht daraus,
dass aufgrund des Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen
Union und dem Vereinigten Königreich vom 24.12.2020 (ABl. L 444/2020 vom
31.12.2020) auf Gesellschaften aus Großbritannien weiterhin die
Gründungstheorie anzuwenden sein soll, mit der Konsequenz der fort- bestehenden
Rechts- und Parteifähigkeit trotz tatsächlichem Verwaltungssitz auf dem Gebiet
der Europäischen Union wie unter der Geltung der Niederlassungsfreiheit gemäß
Art. 49, 54 AEUV. Das Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der EU
und Großbritannien, das insbesondere den Zugang britischer Unternehmen zum
Binnenmarkt regelt, gewährt keine Rechtsposition, die der
Niederlassungsfreiheit in der Ausprägung der EuGH-Rechtsprechung zur freien
Wahl von Sitz und anwendbarem Gesellschaftsrecht gleichkommt. Das zeigt
insbesondere der Vorlageaufhebungsbeschluss des BGH vom 16.02.2021 – II ZB
25/17, in dem er unzweideutig davon ausging, dass die Niederlassungsfreiheit
voraussetzt, dass der Staat, nach dessen Recht die Gesellschaft gegründet
wurde, im Zeitpunkt der Inanspruchnahme der Niederlassungsfreiheit durch die
Gesellschaft ein Mitgliedstaat der Europäischen Union ist (NZG 2021, 702 Rn. 11
ff.). Hätte sich an der Rechtslage durch den Brexit nichts geändert, wären die
Vorlagefragen des BGH an den EuGH unverändert entscheidungserheblich gewesen.
Das Handels-
und Kooperationsabkommen enthält keine Vorschriften, die ausdrücklich und
unmittelbar die Niederlassungsfreiheit gewähren. Soweit in der Literatur aus
Vorschriften wie den Artikeln SERVIN 2.2 (b), SERVIN 2.3 und SERVIN 2.4 des
Abkommens über Investitionsfreiheit und Marktzugang teilweise abgeleitet wird,
dass nach dem Recht des Vereinigten Königreichs gegründete Gesellschaften
weiterhin in den Genuss der Niederlassungsfreiheit kommen würden (Schmidt, EuZW
2021, 613, 615 ff.; Zwirlein-Forschner, IPRax 2021, 357, 360 f.), ist dem nicht
zu folgen. Nach diesen Vorschriften gewähren die Vertragsparteien den
Unternehmen gegenseitig Marktzugang, Inländerbehandlung und Meistbegünstigung. Die
Bestimmungen enthalten jedoch nur Regelungen zum Verkehr mit Handelsgütern und
Dienstleistungen sowie zum freien Kapitalverkehr und zu Investitionen, von
denen die Niederlassungsfreiheit zu unterscheiden ist. Für den
diskriminierungsfreien Zugang zum Markt für Waren, Dienstleistungen und Kapital
ist die Niederlassungsfreiheit nicht erforderlich. Aus dem Anhang SERVIN-1
Nr. 10 ergibt sich zudem, dass die Parteien des Abkommens die
Niederlassungsfreiheit gerade nicht in Bezug nehmen oder vereinbaren wollten
(„Zur Klarstellung sei angemerkt, dass für die Union mit der Verpflichtung zur
Inländerbehandlung nicht die Anforderung verbunden ist, die Behandlung auf (…)
juristische Personen des Vereinigten Königreichs auszudehnen, die in einem
Mitgliedstaat aufgrund des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen
Union (…) folgenden Personen gewährt wird: (…) (ii) nach dem Recht eines
anderen Mitgliedstaats (…) gegründeten (…) juristischen Personen, die (…) ihre
Hauptverwaltung (…) in der Union haben.“; vgl. Schollmeyer, NZG 2021, 692,
693).
Im Ergebnis ist
der Verfügungsantrag von einer nicht (mehr) existierenden juristischen Person
erhoben worden und war deshalb mangels Rechts- und Parteifähigkeit der
Antragstellerin nach
§ 50
Abs. 1 ZPO von Anfang an unzulässig. Dem ist in der Berufungsinstanz nicht
durch die Verwerfung der Berufung, sondern durch die Abänderung des Ersturteils
und die Zurückweisung des Verfügungsantrags als unzulässig zu begegnen, da ein
Sachurteil nicht hätte ergehen können (vgl. BGHZ 143, 122, 126 f.).
2. Die Entscheidung
über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1Z PO.
Die Kosten sind der vormaligen gesetzlichen Vertreterin der Antragstellerin,
Frau …, aufzuerlegen, da sie das unzulässige Verfahren veranlasst hat (BGH
BeckRS 2010, 17612 Rn. 16; BeckOK ZPO/Jaspersen, 41. Ed.1.7.2021,§91,Rn.53). Eine
Entscheidung über die Revisionszulassung unterbleibt wegen §542 Abs. 2 Satz 1
ZPO.
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