Die Beschwerdeführerin war eine als Testamentsvollstreckerin eingesetzte Aktiengesellschaft. Zu dem Nachlass gehörten auch Grundstücke. In einem notariellen Kaufvertrag über eines der Grundstücke bewilligten die gemeinsam vertretungsberechtigten Prokuristen der Beschwerdeführerin eine Auflassungsvormerkung für einen Käufer. In der Zwischenverfügung des Grundbuchamtes wies dieses darauf hin, dass die Prokuristen nicht zur Veräußerung oder Belastung von Grundstücken ermächtigt seien.
Die Zwischenverfügung war gem. § 18 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GBO veranlasst, wenn Hindernisse bestanden. Das Beschwerdegericht (das Kammergericht -KG-) führte aus, es sei nicht in der erforderlichen Form (§§ 29 Abs. 1, 32 GB) nachgewiesen worden, dass die Erklärungen der Prokuristen gemäß den Regelungen der § 164 Abs. 1 BGB, § 49 Abs. 1 HGB für und gegen die Beschwerdeführerin wirken könnten. Die Bewilligung der Vormerkung nach § 19 GBO, § 885 Abs. 1 S. 1 S. 1 Alt 2 BGB sei von § 49 Abs. 2 HGB nicht erfasst. Die Vormerkung sei ein Sicherungsmittel eigener Art, die eine Belastung des Grundstücks darstelle. Den Prokuristen sei eine besondere Befugnis zur Veräußerung und Belastung von Grundstücken nach § 49 Abs. 2 HGB (Immobilienklausel) nicht erteilt worden.
Bei der Beschränkung der Vertretungsmacht nach § 49 Abs. 2 HGB käme es nicht darauf an, ob der Kaufmann (hier die Aktengesellschaft) Eigentümer des Grundstücks sei. Die Beschränkung diene zwar dem Schutz des Kaufmanns in Ansehung der wirtschaftlichen Bedeutung von Grundstücksgeschäften. Dieser Schutzzweck treffe aber nicht nur eigene Grundstücke des Kaufmanns. Veräußere z.B. der Prokurist des Komplementärs ein Grundstück der Kommanditgesellschaft, könne dies auch wirtschaftliche Folgen für den Komplementär haben. Handele der Kaufmann als rechtsgeschäftlicher Vertreter eines Dritten oder – wie hier – infolge eines privaten Amtes (Testamentsvollstrecker), käme dem Grundstücksgeschäft infolge des Haftungsrisikos besondere Bedeutung zu. Aus einer Entscheidung des BGH vom 02.12.1991 - II ZB 13/91 -, ergangen zu einer Handelsregisteranmeldung durch einen Prokuristen folge nichts anderes.
Es bestünde auch kein praktisches Bedürfnis für eine teleologische Reduktion. Der Kaufmann könne den Prokuristen nach § 49 Abs. 2 HGB zur Veräußerung und Belastung von Grundstücken ermächtigen, dies evtl. eingeschränkt auf die der Testamentsvollstreckung unterliegenden Grundstücke, im Übrigen ihm eine besondere (Einzelfall-) Vollmacht erteilen.
KG, Beschluss vom 05.07.2021
- 1 W 26/21 -
Aus den Gründen:
Tenor
Die Beschwerde
der Beteiligten gegen die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Mitte vom 5. Januar
2021 zu Nr. 5 wird nach einem Wert von 5.000 € zurückgewiesen.
Die
Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligte
– eine Aktiengesellschaft – ist Testamentsvollstreckerin über den Nachlass der
2019 verstorbenen …, zu dem das im Beschlusseingang genannte Grundstück gehört.
In notarieller Verhandlung vom 12. August 2020 bewilligten … und … als
gemeinsam vertretungsberechtigte Prokuristen der Beteiligten die Eintragung
einer Auflassungsvormerkung in das Grundbuch.
Auf den
Eintragungsantrag hat das Grundbuchamt mit der angefochtenen Zwischenverfügung
beanstandet, die Prokuristen könnten die Beteiligte nicht vertreten, da sie
laut Handelsregister nicht zur Veräußerung oder Belastung von Grundstücken
ermächtigt seien. Nachdem der Vorstand der Beteiligten die Erklärungen vom 12.
August 2020 genehmigt hatte, ist die Vormerkung eingetragen worden. Die
Beteiligte verfolgt ihre Beschwerde mit dem Antrag weiter, festzustellen, dass
die Zwischenverfügung sie in ihren Rechten verletzt habe. Es bestehe Wiederholungsgefahr,
da in den Nachlass weitere Grundstücke fielen und beabsichtigt sei,
Veräußerungserklärungen durch Prokuristen abzugeben.
Wegen der
weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akten (Bl. 77 bis 161)
Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde
nach §§ 71 ff. GBO ist mit dem Ziel des § 62 Abs. 1 FamFG
zulässig (vgl. BGH, FGPrax 2017, 195). Das berechtigte Interesse an der
Feststellung ergibt sich gemäß § 62 Abs. 2 Nr. 1 FamFG aus der
für die Beteiligte bestehenden Wiederholungsgefahr.
Die Beschwerde
ist nicht begründet. Es liegt keine Rechtsverletzung vor, denn die
Zwischenverfügung war gemäß § 18 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GBO
veranlasst. Das aufgezeigte Hindernis bestand. Es war nicht in der
erforderlichen Form (§ 29 Abs. 1, § 32 GBO) nachgewiesen, dass
die Erklärungen der Prokuristen gemäß § 164 Abs. 1 BGB, § 49
Abs. 1 HGB für und gegen die Beteiligte wirken. Die Bewilligung der
Vormerkung (§ 19 GBO, § 885 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB) ist
nach § 49 Abs. 2 HGB nicht von der Prokura erfasst. Die Vormerkung, Sicherungsmittel
eigener Art, ist als Belastung des Grundstücks anzusehen (Staub/Joost, HGB, 5.
Aufl., § 49 Rn. 33; MünchKomm/Krebs, HGB, 5. Aufl., § 49 Rn. 45; vgl.
auch BGH, NJW 2014, 2431 Rn. 23 f.). Eine besondere Befugnis zur Veräußerung und
Belastung von Grundstücken nach § 49 Abs. 2 HGB
(„Immobiliarklausel“), die in das Handelsregister einzutragen wäre (KG, RJA 3,
231 ff.; BayObLG, NJW 1971, 810 f.), ist den Prokuristen nicht erteilt.
Die gesetzliche
Beschränkung der Vertretungsmacht nach § 49 Abs. 2 HGB besteht
unabhängig davon, ob der Kaufmann Eigentümer des Grundstücks ist (OLG Köln,
NJW-RR 2020, 530; LG Freiburg, BWNotZ 1992, 58; Staub/Joost, a.a.O., § 49
Rn. 31; a.A. OLG Hamm, DNotZ 2012, 230; LG Chemnitz, NotBZ 2008, 241;
MünchKomm/Krebs, a.a.O., § 49 Rn. 42). Zwar dient die Beschränkung nach
heutigem Verständnis (vgl. zu den überholten Erwägungen des historischen
Gesetzgebers KG, a.a.O., S. 232; Staub/Joost, a.a.O., § 49 Rn. 27;
MünchKomm/Krebs, a.a.O., § 49 Rn. 36) dem Schutz des Kaufmanns im Hinblick
auf die besondere wirtschaftliche Bedeutung, die Grundstücksgeschäften
regelmäßig zukommt. Dieser Gesichtspunkt greift aber nicht nur für Grundstücke,
die im Eigentum des Prinzipals stehen. Veräußert ein Prokurist des
Komplementärs Grundstücke der Kommanditgesellschaft, kann dies erhebliche
wirtschaftliche Folgen für den Komplementär haben. Auch soweit der Kaufmann als
rechtsgeschäftlicher Vertreter eines Dritten oder – wie hier – als Träger eines
privaten Amtes im eigenen Namen, aber mit Wirkung für einen Dritten handelt,
kommt Grundstücksgeschäften wegen des Haftungsrisikos besondere Bedeutung zu.
Aus dem Beschluss des Bundesgerichtshofs DNotZ 1992, 584 folgt nichts anderes.
Das Gesetz schließt den Prokuristen von der Vertretung bei Grundstücksgeschäften
aus, gleichgültig ob diese Grundlagengeschäfte sind (oder sein können).
Schließlich
besteht auch kein praktisches Bedürfnis für eine teleologische Reduktion. Der
Kaufmann hat die Möglichkeit, den Prokuristen gemäß § 49 Abs. 2 HGB
zur Veräußerung und Belastung von Grundstücken zu ermächtigen – ggf. nur,
soweit diese nicht in seinem Eigentum stehen, oder soweit der Kaufmann als
Testamentsvollstrecker handelt. Den Inhalt der Erweiterung kann der Kaufmann
bestimmen, sofern er dem Rahmen des § 49 Abs. 2 HGB und dem
Bestimmtheitsgrundsatz genügt. Es steht ihm ferner frei, dem Prokuristen
gesonderte (Einzelfall-)Vollmacht zu erteilen (Staub/Joost, a.a.O., § 49
Rn. 37, 45).
Die
Wertfestsetzung beruht auf § 36 Abs. 3, § 61 GNotKG. Die
Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen gemäß § 78
Abs. 2 S. 1 GBO vor.
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