Wer bei Fälligkeit einer
Forderung und Verzug (sei es durch Mahnung oder zulässige Frist nach § 286 Abs.
2 Nr. 1 BGB) nicht zahlt, wird häufig vor einer Zahlungsklage des Gläubigers
eine anwaltliche Mahnung erhalten, deren Kosten der Gläubiger ersetzt haben
will. Kann er diese aber in jedem Fall begehren ?
Der BGH musste sich mit der Frage der Erstattungsfähigkeit vorgerichtlicher Anwaltsgebühren befassen. Dem lag der Erwerb eines Diesel-Fahrzeuges durch den Kläger zugrunde, der durch anwaltliches Schreiben die Beklagte Zug-um-Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs zur Erstattung des Kaufpreises aufforderte. Nach fruchtlosen Ablauf der dort gesetzten Frist erhob er Klage, mit der er u.a. die vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von € 1.171,67 (in Form eines Freistellungsantrages) geltend machte. Während des Landgericht der Klage im Wesentlichen stattgab, hat das Berufungsgericht – unter Zulassung der Revision – die Klage in Bezug auf die Anwaltsgebühren abgewiesen. Die Revision wurde vom BGH zurückgewiesen.
Der BGH wies darauf hin, dass es sich bei den geltend gemachten Rechtsanwaltskosten um einen Schadensersatzanspruch handele, der in erster Linie Sache des nach § 287 BBGB besonders frei gestellten Tatrichters sei und von daher nur dahingehend geprüft werden könne, ob dieser Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt habe, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt habe.
Ob und inwieweit der dem Geschädigten zustehende Schadensersatzanspruch auch die Rechtsanwaltskosten erfasse müsse unter Beachtung des Unterschiedes zwischen dem Innenverhältnisses des Rechtsanwalts zu seinem Mandanten (Geschädigten) und des Außenverhältnisses zwischen Geschädigten zum Schädiger entschieden werden. Voraussetzung sei stets, dass im Innenverhältnis ein Anspruch des Rechtsanwalts gegen seinen Mandanten auf Zahlung der Gebühren bestehe und im Außenverhältnis mit Rücksicht auf seine spezielle Situation die konkrete anwaltliche Tätigkeit erforderlich und zweckmäßig war (BGH, Urteil vom 22.01.2019 - VI ZR 403/17 -). Ob eine vorgerichtliche anwaltliche Zahlungsaufforderung eine Geschäftsgebühr des Rechtsanwalts nach Nr. 2300 VV RVG auslöse oder als lediglich vorbereitende Tätigkeit nach § 19 Abs. 1S. 2 Nr. 1 RVG zum Rechtszug und daher mit der prozessualen Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG abgegolten sei, gehöre dem Innenverhältnis an und sei von Art und Umfang des erteilten Mandats abhängig. Sei der unbedingte Auftrag zur gerichtlichen Geltendmachung erteilt, würden bereits Vorbereitungsmaßnahmen diese Gebühr auslösen, auch wenn der Rechtsanwalt zunächst nur außergerichtlich tätig würde. In diesem Fall sei kein Raum für die Gebühr nach Nr. 2300 VV RVG. Nur wen sich der Auftrag an den Rechtsanwalt auf die die außergerichtliche Tätigkeit beschränke oder der Prozessauftrag nur unter der aufschiebenden Bedingung der erfolglosen außergerichtlichen Tätigkeit beziehe, entstehe die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG.
Dies sei vom Landgericht im Rahmen des § 287 ZPO berücksichtigt worden. Es habe ausgeführt, der Kläger habe nicht schlüssig dargelegt, seinen Rechtsanwalt lediglich mit der außergerichtlichen Vertretung beauftragt zu haben oder einen nur bedingten Prozessauftrag erteilt zu haben. Grundlage war das vorgelegtes außergerichtliches Schreiben des Rechtsanwalts, in dem er darauf hinwies, dass für den Fall, dass nicht innerhalb der Frist gezahlt würde oder kein angemessenes Vergleichsangebot erfolge, Klage erhoben würde. Dies sei ein Indiz gegen die Behauptung, es sei nur ein Mandat zur außergerichtlichen Vertretung oder nur ein bedingter Prozessauftrag erteilt worden. Zwar ließe sich aus der nach außen gerichteten Tätigkeit des Rechtsanwalts und der dort vorgenommenen Klageandrohung nicht ohne Weiteres darauf schließen, dass er diese Tätigkeit im Rahmen eines ihm bereits unbedingt erteilten Klageauftrages ausübte oder ihm im Innenverhältnis tatsächlich zunächst nur eine Vertretungs- und kein (unbedingter) Prozessauftrag erteilt worden sei. Diese Unsicherheit gehe aber zu Lasten des Klägers, der darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen habe, dass er seinen Anwalt einen Auftrag zur außergerichtlichen Vertretung erteilt habe.
BGH, Urteil vom 22.06.2021 -
VI ZR 353/20 -
Aus den Gründen:
Tenor
Die Revision
des Klägers gegen das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts
Karlsruhe in Freiburg vom 13. März 2020 wird zurückgewiesen.
Der Kläger
trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Von Rechts
wegen
Tatbestand
Der Kläger
nimmt die Beklagte, soweit für das Revisionsverfahren noch relevant, auf Ersatz
vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Anspruch.
Der Kläger
erwarb im Juli 2013 einen von der Beklagten hergestellten und mit einem
Dieselmotor des Typs EA189 ausgestatteten Pkw. Mit Rechtsanwaltsschreiben vom
13. November 2018 forderte er die Beklagte zur Erstattung des Kaufpreises
Zug-um-Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs auf. Nach fruchtlosem Fristablauf
erhob er in der Folge Klage, mit der er u.a. die Freistellung von
vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.171,67 € begehrte. Das
Landgericht hat der Klage im Hauptanspruch überwiegend stattgegeben und die
Beklagte im Übrigen u.a. antragsgemäß zur Freistellung von den vorgerichtlichen
Rechtsanwaltskosten verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das
Oberlandesgericht das landgerichtliche Urteil zum Hauptanspruch im Wesentlichen
bestätigt, im Freistellungsausspruch jedoch abgeändert und die Klage insoweit
abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der
Kläger seinen Freistellungsanspruch nunmehr in Höhe von 1.029,35 € weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Nach Auffassung
des Berufungsgerichts, dessen Urteil unter BeckRS 2020, 24946 veröffentlicht
ist, hat der Kläger nicht schlüssig dargetan, seinen Prozessbevollmächtigten
zunächst lediglich mit seiner außergerichtlichen Vertretung beauftragt oder ihm
einen nur bedingten Prozessauftrag erteilt zu haben. Das Aufforderungsschreiben
vom 13. November 2018, in dem darauf hingewiesen werde, dass Klage erhoben
werde, falls innerhalb gesetzter Frist keine Zahlung oder kein angemessenes
Vergleichsangebot eingehe, spreche dagegen, dass zunächst nur ein Mandat zur
außergerichtlichen Vertretung oder nur ein bedingter Prozessauftrag erteilt
worden sei.
II.
Diese
Erwägungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung stand.
1. Die
Bemessung der - hier in Gestalt der geltend gemachten vorgerichtlichen
Rechtsanwaltskosten allein noch in Rede stehenden - Höhe des
Schadensersatzanspruchs ist in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO
besonders frei gestellten Tatrichters. Sie ist revisionsrechtlich nur daraufhin
überprüfbar, ob der Tatrichter Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt,
wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung
unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (st. Rspr.; vgl. Senatsurteil vom 22.
Januar 2019 - VI ZR 403/17, juris 9 mwN).
Bei der
Beurteilung der Frage, ob und in welchem Umfang der dem Geschädigten zustehende
Schadensersatzanspruch auch die Erstattung von Rechtsanwaltskosten umfasst, ist
zwischen dem Innenverhältnis des Geschädigten zu dem für ihn tätigen
Rechtsanwalt und dem Außenverhältnis des Geschädigten zum Schädiger zu
unterscheiden. Voraussetzung für einen Erstattungsanspruch ist grundsätzlich,
dass der Geschädigte im Innenverhältnis zur Zahlung der in Rechnung gestellten
Kosten verpflichtet ist und die konkrete anwaltliche Tätigkeit im
Außenverhältnis aus der maßgeblichen Sicht des Geschädigten mit Rücksicht auf
seine spezielle Situation zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig
war (st. Rspr., vgl. zuletzt etwa Senatsurteil vom 22. Januar 2019 - VI ZR
403/17, juris 11 mwN).
Ob eine
vorprozessuale anwaltliche Zahlungsaufforderung eine Geschäftsgebühr nach
Nr. 2300 VV RVG auslöst oder als der Vorbereitung der Klage dienende Tätigkeit
nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 RVG zum Rechtszug gehört und
daher mit der Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG abgegolten ist, ist
eine Frage des Innenverhältnisses, nämlich der Art und des Umfangs des im
Einzelfall erteilten Mandats. Erteilt der Mandant den unbedingten Auftrag, im
gerichtlichen Verfahren tätig zu werden (vgl. Vorbemerkung 3 Abs. 1
Satz 1 VV RVG), lösen bereits Vorbereitungshandlungen die Gebühren für das
gerichtliche Verfahren aus, und zwar auch dann, wenn der Anwalt zunächst nur
außergerichtlich tätig wird. Für das Entstehen der Geschäftsgebühr nach
Nr. 2300 VV RVG ist dann kein Raum mehr. Anders liegt es, wenn sich der
Auftrag nur auf die außergerichtliche Tätigkeit des Anwalts beschränkt oder der
Prozessauftrag jedenfalls unter der aufschiebenden Bedingung erteilt wird, dass
zunächst vorzunehmende außergerichtliche Einigungsversuche erfolglos bleiben.
Ein lediglich (aufschiebend) bedingt für den Fall des Scheiterns des
vorgerichtlichen Mandats erteilter Prozessauftrag steht der Gebühr aus
Nr. 2300 VV RVG nicht entgegen (vgl. BGH, Urteile vom 15. August 2019 -
III ZR 205/17, NJW-RR 2019, 1332 Rn. 43; vom 19. Mai 2020 - KZR 70/17, NZKart
2020, 535 Rn. 44; jeweils mwN; vgl. weiter Hansens, zfs 2019, 703 ff.; Ebert in
Mayer/Kroiß, RVG, 8. Aufl., § 19 Rn. 14).
2. Diese
Grundsätze hat das Berufungsgericht in nicht zu beanstandender freier
tatrichterlicher Würdigung der Umstände des Einzelfalles beachtet, § 287
ZPO. Es hat ausgeführt, dass der Kläger nicht schlüssig dargetan habe, seinen
Prozessbevollmächtigten zunächst lediglich mit seiner außergerichtlichen
Vertretung beauftragt oder ihm einen nur bedingten Prozessauftrag erteilt zu
haben. Dass das Berufungsgericht entsprechenden Instanzvortrag des Klägers
übergangen hätte, macht die Revision nicht geltend. Das von dem Kläger
vorgelegte außergerichtliche Aufforderungsschreiben vom 13. November 2018 hat
das Berufungsgericht gewürdigt und den darin enthaltenen Hinweis, dass Klage
erhoben werde, falls innerhalb gesetzter Frist keine Zahlung oder kein
angemessenes Vergleichsangebot eingehe, als Indiz gegen die Behauptung
angesehen, es sei zunächst nur ein Mandat zur außergerichtlichen Vertretung
oder nur ein bedingter Prozessauftrag erteilt worden. Diese Würdigung lässt
jedenfalls einen Rechtsfehler nicht erkennen (vgl. Senatsurteil vom 1. Oktober
1968 - VI ZR 159/67, NJW 1968, 2334, 2335, juris Rn. 14 zur Indizwirkung einer
Klageandrohung im Rahmen von § 118 BRAGO). Zwar kann aus der nach außen
hin erkennbaren Tätigkeit eines Rechtsanwalts, auch wenn sie mit einer
Klageandrohung verbunden ist, nicht ohne Weiteres darauf geschlossen werden, ob
der Rechtsanwalt diese Tätigkeit im Rahmen eines ihm bereits erteilten - zumal
unbedingten - Klageauftrags ausgeübt hat oder ob dem Anwalt im maßgeblichen
Innenverhältnis bislang tatsächlich (lediglich) ein Vertretungsauftrag erteilt
worden ist. Doch geht die verbleibende Unsicherheit zu Lasten des Klägers, der
darzulegen und im Streitfall zu beweisen hat, dass er seinem Anwalt einen
Auftrag zur vorgerichtlichen Vertretung erteilt hat (vgl. Hansens, zfs 2019,
703).
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen