Es ist (leider) nicht die
Ausnahme sondern die Regel, dass Gerichte (Richter) unabhängig davon, ob es
sich um einen Termin als frühen ersten Termin oder nach einem schriftlichen
Vorverfahren, nach einem Richterwechsel oder im berufungsverfahren handelt, nicht
vor dem jeweiligen Termin die Parteien auf nach ihrer Ansicht wesentliche Gesichtspunkte
hinweisen, die offenbar übersehen wurden (Fall des § 139 ZPO), sondern erst im
Termin. So auch hier:
Der Beklagte, selbst
Rechtsanwalt, zahlte restlichen Werklohn in Höhe von € 37.424,58 nicht, wobei
der Umfang de Auftrages zwischen den Parteien streitig war und eine Abnahme der
Werkleistung durch den Beklagten nicht erfolgt war. Der Beklagte berief sich
wegen seiner Ansicht nach mangelhafter Leistungen auf ein
Zurückbehaltungsrecht. In der mündlichen Verhandlung wies das Landgericht den Beklagten
darauf hin, dass sein Vortrag zu Mängeln und Gegenrechten bisher unzureichend
und unsubstantiiert sei. Der beklagte beantragte nach diesem Hinweis keinen
Schriftsatznachlass zum möglichen weiteren Vortrag auf den Hinweis. Das Landgericht
gab mit einem am Schluss der mündlichen verkündeten
Urteil der Klage statt. Die dagegen vom Beklagten eingelegte Berufung wird das
OLG mit Beschluss (nach entsprechenden Hinweis) gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurück.
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten zum BGH war im Wesentlichen
erfolgreich und führte zur Aufhebung des Beschlusses des OLG und
Zurückverweisung des Rechtsstreits an das OLG.
Der Beklagte hatte sowohl noch im
erstinstanzlichen Verfahren (allerdings nach Urteilsverkündung und vor dessen
Zustellung) als auch im Berufungsverfahren in Ansehung des Hinweises des Landgerichts
in der mündlichen Verhandlung ergänzend
vorgetragen. Das OLG wies diesen Vortrag nach § 531 Abs. 2 S. 1 ZPO
zurück. Diese Zurückweisung, so der BGH, beruhe auf einer unrichtigen Anwendung der Norm. Das Gebot der
Gewährung rechtlichen Gehörs gebiete dem Berufungsgericht, Vortrag zuzulassen,
wenn eine unzulängliche Verfahrensleitung oder Verletzung der richterlichen
Hinweispflicht (§ 139 ZPO) das Ausbleiben von Vorbringen oder Beweisanträgen
erstinstanzlich (mit) verhindert habe. Wird erstinstanzlich wesentlicher Vortrag
einer Partei als unsubstantiiert zurückgewiesen oder die Partei als beweisfällig angesehen, ohne
dass ein erforderlicher Hinweis erfolgt sei, käme die Anwendung des § 531 Abs.
1 S. 1 Nr. 2 ZPO in diesem Fall einer Verhinderung des Vortrages zu
entscheidungserheblichen Punkten gleich und damit einem Verstoß gegen das rechtliche Gehör
nach Art. 103 GG.
Vorliegend sei das Landgericht
seiner Hinweispflicht nach § 139 ZPO nicht ausreichend nachgekommen. Die
Hinweise hätten grundsätzlich so rechtzeitig zu erfolgen, dass die Partei
Gelegenheit habe, ihre Prozessführung darauf einzustellen, § 139 Abs. 4 ZPO. Bei
einem Hinweis erst in der mündlichen Verhandlung und damit entgegen § 139 Abs.
4 ZPO müsse der Partei genügend Zeit zur
Reaktion gegeben werden. Kann sich die Partei ersichtlich im Termin nicht äußern,
müsse das Gericht (geht es nichts ins schriftliche Verfahren über) auch ohne
Antrag auf Schriftsatznachlass (der in § 139 Abs. 5 ZPO vorgesehen ist) die
mündliche Verhandlung vertagen. Ein Unterlassen stellt sich als Verstoß gegen
den Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 GG dar.
Vorliegend beruhe die
Entscheidung des OLG auch auf diesem Verfahrensfehler, da nicht auszuschließen
ist, dass das OLG bei Beachtung des zunächst nach mündlicher Verhandlung und
wiederholt im Berufungsverfahren erfolgte
Vortrages als Reaktion auf die Hinweise vom Landgericht in der Sache
anders entschieden hätte.
BGH, Beschluss vom 11.04.2018 - VII ZR 177/17 -