Wie bereits das LAG Berlin-Brandenburg in seiner hier besprochenen Entscheidung vom 28.03.2018 - 23
Sa 2/18 - musste sich das LAG München mit der Auslegung der Klausel in § 11
Abs. 1 Fu-TV/LSV auseinandersetzen. Dabei ging es um in beiden Fällen um die
Frage, ob die Klausel dahingehend zu interpretieren sei, dass der ehemalige
Arbeitnehmer nach Eintritt in den Vorruhestand in einem Alter zwischen dem 50
Lebensjahr und vor Vollendung des 55 Lebensjahres 75% der Bezugsgröße
(Urlaubsvergütung) als Vorruhestandsgeld erhält, mit Vollendung des 55.
Lebensjahres 85% erhält, oder Regelung nur für das Alter des Beginns des
jeweiligen Vorruhestandes gilt, also ein Arbeitnehmer, der vor Vollendung des
55. Lebensjahres in den Vorruhestand geht, einheitlich bis zur Rente 75%,
einer, der mit vollendeten 55. Lebensjahr in den Vorruhestand geht, 85% erhält.
Wie schon das LAG Berlin-Brandenburg aaO. entscheid das LAG München, dass für
die jeweilige Bezugsgröße das Alter bei Eintritt in den Vorruhestand
entscheidend sei.
Das LAG stellt darauf ab, dass
für die Auslegung von Tarifverträgen die Auslegung von Gesetzen geltenden
Rechts gilt, wonach zunächst vom Wortlaut auszugehen sei und bei nicht
eindeutigen Wortlaut der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien zu
berücksichtigen sei, soweit er in den tariflichen Normen keinen Niederschlag
gefunden habe. Ferner sei auf den Gesamtzusammenhang des Tarifvertrages
abzustellen. Weitere Kriterien, wie Entstehungsgeschichte und ggf. auch
praktische Tarifausübung und Praktikabilität könnten berücksichtigt werden.
Die Regelung in § 11 Fu-TV/LSV
sei aus dem Wortlaut heraus deutlich. Danach richtet sich die Höhe nach dem
Lebensalter des Beschäftigten bei Antragstellung. Der Tarifvertrag würde deutlich
und konsequent zwischen Beschäftigten und Vorruhestandsgeldbeziehern differenzieren.
Im Tarifvertrag würde außer in § 11 Abs. 2 und Abs. 3 (in denen von
Vorruhestandsgeödbeziehern gesprochen wird) nur von Beschäftigten gesprochen.
Berücksichtige man den Umstand, dass der Tarifvertrag die Rechtsstellung der
Arbeitnehmer regelt, die in einem aktiven Arbeitsverhältnis stünden und deren
Arbeitsverhältnis von Änderungen der Organisationsstrukturen (Fusionen)
betroffen wären (§ 1), sei daraus zu schließen, dass der Begriff Beschäftigter
auf den aktiven Arbeitnehmer abstelle. Daraus sei z schließen, dass mit dem
Begriff des Beschäftigten in § 11 Abs. 1
ein Beschäftigter gemeitn sei, der zum Zeitpunkt der Beendigung des
Beschäftigungsverhältnisses ein bestimmtes Alter erreicht haben müsse, um einen
bestimmten Prozentsatz an Urlaubsvergütung als Vorruhestandsgeld zu erhalten. §
11 Abs. 2 und Abs. 3 würden ersichtlich den ehemaligen Beschäftigten betreffen,
der dort mit Vorruhestandgeldbezieher benannt worden sei.
Auch die Systematik der
Regelungen spreche für diese Auslegung. Der Satz zur Höhe des
Vorruhestandsgeldes in Abhängigkeit zur Urlaubsvergütung würde ohne Leerzeile
o.ä. dem ersten Satz folgen und sei mithin vom ersten Satz nicht getrennt. Der
zweite Satz lege die Vorruhestandsgeldvergütung in zwei bzw. drei Alternativen
dar. Im zweiten Spiegelstrich, mit dem die Vergütung mit 85% für Beschäftigtee
ab dem vollendeten 55. Lebensjahr benannt sei, sei auch geregelt, dass für
Schwerbehinderte bereits ab dem 50. Lebensjahr diese Regelung gelten würde.
Andernfalls wäre anders formuliert worden.
Auch Sinn und Zweck der Regelung
sprächen für eine lineare Zahlung ohne Erhöhung. Die von Organisationsänderungen
betroffenen Arbeitnehmer sollten gesichert werden. Oberstes Ziel sei die
Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses. Es sollten weitestgehend
betriebsbedingte Kündigungen vermieden werden. Der Arbeitnehmer könne seine
Chancen abwägen und eine finanzielle Absicherung über den Vorruhestand sichern.
Dabei sie zu berücksichtigen, dass jüngeren Arbeitnehmern im Regelfall leichter
zu kündigen sei als älteren. Auch hätten jüngere Arbeitnehmer eher die
Möglichkeit, eine Zusatzverdienstmöglichkeit zu finden. Berücksichtige man,
dass die Arbeitgeberseite Interesse daran habe, Arbeitsverhältnisse durch eine
Vorruhestandsvereinbarung zu ersetzen und einer Verpflichtung zur 199%-igen
Zahlung des Arbeitsentgelts zu entgehen, sollte das Vorruhestandsgeld niedriger
sein, aber attraktiv genug den Vorruhestand zu wählen, wovon bei 75% der
Urlaubsvergütung auszugehen sie.
LAG München, Urteil vom 09.06.2018 - 10 Sa 2/18 -