Die Beklagte des
Ausgangsverfahrens und Beschwerdeführerin (BF) hatte mehrere Mieterhöhungen
kurz hintereinander geltend gemacht. Zunächst erhob die BF eine Duldungsklage
gegen die Klägerin zur Duldung von Modernisierungsmaßnahmen. Die Parteien
schlossen einen Vergleich, worauf die Klägerin eine Berufung gegen ein der Klage
stattgebendes Urteil zurücknahm. Nach Durchführung der Arbeiten verlangte die
BF eine Mieterhöhung unter Bezugnahme auf Vergleichswohnungen (§ 558 BGB) und
legte dabei die Ausstattung der Wohnung im modernisierten Zustand zugrunde. Die
Klägerin stimmte dem zu. Ca. zehn Monate später machte die BF eine
Modernisierungserhöhung nach § 559 Abs. 1 BGB (a.F.) geltend, der die Klägerin
widersprach. Die BF reduzierte daraufhin den Betrag dergestalt, dass dieser
einschließlich der bereits erfolgten Mieterhöhung nach § 559 BGB und der
bereits erfolgten Modernisierungserhöhung den Betrag nicht überschreitet. Die
Klägerin zahlte den rrhöhten Betrag unter Vorbehalt der Rückforderung und erhob
insoweit auch Rückzahlungsklage und beantragte die Feststellung, die
Modernisierungserhöhung nicht zu schulden.
Das Amtsgericht gab der Zahlungsklage statt und wies die Feststellungsklage zurück. Auf die Berufung
beider Parteien hat das Landgericht auch dem Feststellungsantrag der Klägerin
stattgegeben und die Berufung der BF zurückgewiesen. Eine von der BF erhobene
Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs wurde vom Landgericht als unzulässig
zurückgewiesen. Die von der Klägerin gegen die landgerichtliche Entscheidungen
eingelegte Verfassungsbeschwerde war erfolgreich und führte zur Aufhebung
derselben und Zurückverweisung an das Landgericht.
Nach Ansicht des BVerfG wurde das
rechtliche Gehör (Art. 103 GG) der BF durch das Landgericht verletzt. U.a.
enthalte Art 103 Abs. 1 GG den Schutz vor Überraschungsentscheidungen (BVerfGE
107, 395m 410). Da den Beteiligten Gelegenheit zu geben sei, sich zu dem
maßgeblichen Sachverhalt, Rechtsauffassungen und Beweisergebnissen vor dem
Erlass eines Urteils zu äußern, setzt dies voraus, dass für sie auch bei
Anwendung einer zu verlangenden Sorgfalt erkannt werden kann, auf welche
Vortrag es für die Entscheidung ankomme könne. Wenn das Gericht auf einen
bestimmten rechtlichen Gesichtspunkt abstelle ohne vorher auf diesen
hinzuweisen, könne dies der Verhinderung eines Vortrages zur Rechtslage
gleichkommen und eine Verletzung rechtlichen Gehörs darstellen. Dies sei vorliegend
der Fall gewesen.
Das Landgericht habe eine
Verzichtserklärung und einen Erlassvertrag angenommen. Damit hätten die
Parteien nicht rechnen müssen, da es weder von ihnen noch vom Amts- oder Landgericht
angesprochen wurde. Ein möglicher Verzicht auf eine Mieterhöhung durch die BF
sei weder zwischen den Parteien jemals erörtert noch in der mündlichen
Verhandlung in Erwägung gezogen worden. Eine Annahme eines Verzichts durch die
BFH habe auch nicht derart nahe gelegen, dass sich die BF aus Gründen
prozessualer Vorsorge dazu hätte äußern müssen. Durch Unterlassen des damit
gebotenen rechtlichen Hinweises durch das Landgericht sei der BF damit die
Möglichkeit zur Stellungnahme abgeschnitten worden.
Seitens der BF sei auch dargelegt
worden, dass die Entscheidung des Landgerichts auf der Gehörsverletzung beruhe.
So habe die BF dargelegt, was sie bei einem Hinweis vorgetragen hätte: Nach der
Rechtsprechung des BGH seien an einen Verzichtswillen strenge Anforderungen zu
stellen und dieser müsse unmissverständlich sein. Zwar könne für einen unmissverständlichen
Verzichtswillen sprechen, wenn in einer Situation erheblicher Unsicherheit
seitens der gegnerischen Partei eine „substantielle Gegenleistung“ erfolgt sei.
Vorliegend sei aber kein Raum für ein Entgegenkommen der BF gewesen, die die BF
bereits anlässlich der ersten Modernisierungsvereinbarung der Klägerin entgegen
gekommen sei. Damit sei diese Mieterhöhung seither auch nicht im Streit gewesen
und es habe keine erhebliche Unsicherheit vorgelegen noch eine substantielle
Gegenleistung bei der Zustimmung zur Mieterhöhung. Auch der Umstand, dass das
Mieterhöhungsbegehren nach § 559 BGB a.F. erst zehn Monate später erfolgte
ließe nicht auf einen stillschweigenden Verzicht im Zusammenhang mit dem
Begehren nach § 559 BGB deuten, da zum Zeitpunkt des Begehrens nach § 558 BGB das
Verlangen nach § 559 BGB a.F. mangels Kenntnis der konkreten
Modernisierungskosten noch nicht hätte wirksam geltend gemacht werden können.
Vor diesem Hintergrund spräche
nach Auffassung des BVerfG vieles dafür, dass das Landgericht bei Kenntnisnahme
eine anderweitige Entscheidung getroffen hätte, da ihm mit Blick auf die in der
Rechtsprechung entwickelten Anforderungen (so BGH, Urteil vom 10.06.2015 - VIII ZR 99/14
-) die Annahme eines schlüssig erklärten Verzichts auf das Recht zur Modernisierungserhöhung
(abgeleitet aus der Erhöhung nach § 559 BGB) versperrt geblieben wäre. Vor
diesem Hintergrund wäre es auf die Rechtsfrage des Verhältnisses von § 558 BGB
zu § 559 BGB angekommen, die noch nicht höchstrichterlich geklärt sei und
bezüglich der das Landgericht auch die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung,
jedenfalls aber zur Fortbildung des Rechts hätte zulassen müssen.
Das BVerfG weist noch darauf hin,
dass ein Verstoß gegen Art. 103 GG auch noch im verfahren selbst geheilt werden
könne. Allerdings sei dies hier nicht der Fall. Insbesondere habe das
Landgericht im Rahmen der Anhörungsrüge diese wegen Unzulässigkeit
zurückgewiesen, weshalb schon von daher eine Heilung in diesem Verfahren nicht möglich
sei.
BVerfG, Kammerbeschluss vom 05.03.2018 - 1 BvR 1011/17 -