Montag, 18. Juni 2018

Mieterhöhungsreigen und die verfassungsrechtlich unzulässige Überraschungsentscheidung zur Annahme eines konkludenten Verzichts


Die Beklagte des Ausgangsverfahrens und Beschwerdeführerin (BF) hatte mehrere Mieterhöhungen kurz hintereinander geltend gemacht. Zunächst erhob die BF eine Duldungsklage gegen die Klägerin zur Duldung von Modernisierungsmaßnahmen. Die Parteien schlossen einen Vergleich, worauf die Klägerin eine Berufung gegen ein der Klage stattgebendes Urteil zurücknahm. Nach Durchführung der Arbeiten verlangte die BF eine Mieterhöhung unter Bezugnahme auf Vergleichswohnungen (§ 558 BGB) und legte dabei die Ausstattung der Wohnung im modernisierten Zustand zugrunde. Die Klägerin stimmte dem zu. Ca. zehn Monate später machte die BF eine Modernisierungserhöhung nach § 559 Abs. 1 BGB (a.F.) geltend, der die Klägerin widersprach. Die BF reduzierte daraufhin den Betrag dergestalt, dass dieser einschließlich der bereits erfolgten Mieterhöhung nach § 559 BGB und der bereits erfolgten Modernisierungserhöhung den Betrag nicht überschreitet. Die Klägerin zahlte den rrhöhten Betrag unter Vorbehalt der Rückforderung und erhob insoweit auch Rückzahlungsklage und beantragte die Feststellung, die Modernisierungserhöhung nicht zu schulden.

Das Amtsgericht gab der Zahlungsklage statt und wies die Feststellungsklage zurück. Auf die Berufung beider Parteien hat das Landgericht auch dem Feststellungsantrag der Klägerin stattgegeben und die Berufung der BF zurückgewiesen. Eine von der BF erhobene Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs wurde vom Landgericht als unzulässig zurückgewiesen. Die von der Klägerin gegen die landgerichtliche Entscheidungen eingelegte Verfassungsbeschwerde war erfolgreich und führte zur Aufhebung derselben und Zurückverweisung an das Landgericht.

Nach Ansicht des BVerfG wurde das rechtliche Gehör (Art. 103 GG) der BF durch das Landgericht verletzt. U.a. enthalte Art 103 Abs. 1 GG den Schutz vor Überraschungsentscheidungen (BVerfGE 107, 395m 410). Da den Beteiligten Gelegenheit zu geben sei, sich zu dem maßgeblichen Sachverhalt, Rechtsauffassungen und Beweisergebnissen vor dem Erlass eines Urteils zu äußern, setzt dies voraus, dass für sie auch bei Anwendung einer zu verlangenden Sorgfalt erkannt werden kann, auf welche Vortrag es für die Entscheidung ankomme könne. Wenn das Gericht auf einen bestimmten rechtlichen Gesichtspunkt abstelle ohne vorher auf diesen hinzuweisen, könne dies der Verhinderung eines Vortrages zur Rechtslage gleichkommen und eine Verletzung rechtlichen Gehörs darstellen. Dies sei vorliegend der Fall gewesen.

Das Landgericht habe eine Verzichtserklärung und einen Erlassvertrag angenommen. Damit hätten die Parteien nicht rechnen müssen, da es weder von ihnen noch vom Amts- oder Landgericht angesprochen wurde. Ein möglicher Verzicht auf eine Mieterhöhung durch die BF sei weder zwischen den Parteien jemals erörtert noch in der mündlichen Verhandlung in Erwägung gezogen worden. Eine Annahme eines Verzichts durch die BFH habe auch nicht derart nahe gelegen, dass sich die BF aus Gründen prozessualer Vorsorge dazu hätte äußern müssen. Durch Unterlassen des damit gebotenen rechtlichen Hinweises durch das Landgericht sei der BF damit die Möglichkeit zur Stellungnahme abgeschnitten worden.

Seitens der BF sei auch dargelegt worden, dass die Entscheidung des Landgerichts auf der Gehörsverletzung beruhe. So habe die BF dargelegt, was sie bei einem Hinweis vorgetragen hätte: Nach der Rechtsprechung des BGH seien an einen Verzichtswillen strenge Anforderungen zu stellen und dieser müsse unmissverständlich sein.  Zwar könne für einen unmissverständlichen Verzichtswillen sprechen, wenn in einer Situation erheblicher Unsicherheit seitens der gegnerischen Partei eine „substantielle Gegenleistung“ erfolgt sei. Vorliegend sei aber kein Raum für ein Entgegenkommen der BF gewesen, die die BF bereits anlässlich der ersten Modernisierungsvereinbarung der Klägerin entgegen gekommen sei. Damit sei diese Mieterhöhung seither auch nicht im Streit gewesen und es habe keine erhebliche Unsicherheit vorgelegen noch eine substantielle Gegenleistung bei der Zustimmung zur Mieterhöhung. Auch der Umstand, dass das Mieterhöhungsbegehren nach § 559 BGB a.F. erst zehn Monate später erfolgte ließe nicht auf einen stillschweigenden Verzicht im Zusammenhang mit dem Begehren nach § 559 BGB deuten, da zum Zeitpunkt des Begehrens nach § 558 BGB das Verlangen nach § 559 BGB a.F. mangels Kenntnis der konkreten Modernisierungskosten noch nicht hätte wirksam geltend gemacht werden können.

Vor diesem Hintergrund spräche nach Auffassung des BVerfG vieles dafür, dass das Landgericht bei Kenntnisnahme eine anderweitige Entscheidung getroffen hätte, da ihm mit Blick auf die in der Rechtsprechung entwickelten Anforderungen  (so BGH, Urteil vom 10.06.2015 - VIII ZR 99/14 -) die Annahme eines schlüssig erklärten Verzichts auf das Recht zur Modernisierungserhöhung (abgeleitet aus der Erhöhung nach § 559 BGB) versperrt geblieben wäre. Vor diesem Hintergrund wäre es auf die Rechtsfrage des Verhältnisses von § 558 BGB zu § 559 BGB angekommen, die noch nicht höchstrichterlich geklärt sei und bezüglich der das Landgericht auch die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung, jedenfalls aber zur Fortbildung des Rechts hätte zulassen müssen.

Das BVerfG weist noch darauf hin, dass ein Verstoß gegen Art. 103 GG auch noch im verfahren selbst geheilt werden könne. Allerdings sei dies hier nicht der Fall. Insbesondere habe das Landgericht im Rahmen der Anhörungsrüge diese wegen Unzulässigkeit zurückgewiesen, weshalb schon von daher eine Heilung in diesem Verfahren nicht möglich sei.

BVerfG, Kammerbeschluss vom 05.03.2018 - 1 BvR 1011/17 -


Tenor

Das Urteil des Landgerichts Berlin vom 16. Juli 2015 - 67 S 130/15 - verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem grundrechtsgleichen Recht aus Artikel 103 Absatz 1 des Grundgesetzes. Das Urteil wird aufgehoben und die Sache an eine andere Zivilkammer des Landgerichts Berlin zurückverwiesen. Der Beschluss des Landgerichts vom 15. September 2015 - 67 S 130/15 - wird damit gegenstandslos.
Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.
Das Land Berlin hat der Beschwerdeführerin ihre notwendigen Auslagen zu erstatten.
Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Verfassungsbeschwerdeverfahren auf 25.000 € (in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

Die Verfassungsbeschwerde betrifft zivilgerichtliche Entscheidungen, die ein Mieterhöhungsbegehren nach Modernisierung der Mietwohnung zum Gegenstand haben.
1. Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin eines Wohn- und Geschäftshauses in Berlin-Mitte. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens (im Folgenden: Klägerin) ist Mieterin einer in dem Haus gelegenen Wohnung und wurde in einem Vorprozess zur Duldung von Modernisierungsmaßnahmen verurteilt. Daraufhin schlossen die Parteien am 3./6. September 2010 eine Modernisierungsvereinbarung, woraufhin die Klägerin ihre zunächst eingelegte Berufung zurücknahm. Die Arbeiten wurden in der Folgezeit durchgeführt und spätestens am 28. Oktober 2010 beendet. Im unmittelbaren Anschluss daran verlangte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 29. Oktober 2010 unter Bezugnahme auf sechs im selben Anwesen liegende Vergleichswohnungen die Zustimmung der Klägerin zu einer Erhöhung der monatlichen Miete auf die ortsübliche Vergleichsmiete (§ 558 BGB). Dabei legte sie die Ausstattung der Wohnung im modernisierten Zustand zugrunde. Die Klägerin stimmte dem Erhöhungsverlangen zu und zahlte ab November 2010 die um 37,32 € erhöhte Miete.
Etwa zehn Monate später machte die Beschwerdeführerin beginnend ab Mai 2012 eine Modernisierungsmieterhöhung (§ 559 Abs. 1 BGB in der vom 1. Januar 2002 bis 30. April 2013 gültigen Fassung, im Folgenden: a.F.) um monatlich 116,53 € geltend. Dem widersprach die Klägerin. Die Beschwerdeführerin reduzierte daraufhin den Betrag auf 79,21 €, so dass die bereits erfolgte Mieterhöhung nach § 558 BGB und die zuletzt begehrte Modernisierungsmieterhöhung zusammen einen Betrag von 116,53 € ausmachten. Die Klägerin zahlte die erhöhte Miete nur unter dem Vorbehalt der Rückforderung. Den bis Juli 2014 vorbehaltlich gezahlten Erhöhungsbetrag von 2.138,67 € (für 27 Monate) forderte sie in dem der Verfassungsbeschwerde zugrunde liegenden Ausgangsverfahren zurück. Außerdem beantragte sie festzustellen, dass sie der Beschwerdeführerin keinen "Modernisierungszuschlag" schulde.
Durch mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenem Urteil vom 10. März 2015 gab das Amtsgericht dem Zahlungsantrag statt und wies die Feststellungsklage ab. Es sei zwar zulässig, kumulativ nach § 558 und § 559 BGB vorzugehen. Dies dürfe aber nicht dazu führen, dass die Modernisierung doppelt berücksichtigt werde. Eine Modernisierungsmieterhöhung sei daher vorliegend ausgeschlossen, weil bereits zuvor auf der Grundlage des modernisierten Zustands eine Erhöhung auf die ortsübliche Vergleichsmiete verlangt worden sei. Der Klägerin stehe daher der geltend gemachte Rückzahlungsanspruch zu. Ihre Feststellungsklage sei dagegen unzulässig, weil kein Feststellungsinteresse im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO bestehe.
Gegen das Urteil des Amtsgerichts legten beide Parteien Berufung ein. Mit angegriffenem Urteil vom 16. Juli 2015 gab das Landgericht unter Zurückweisung der Berufung der Beschwerdeführerin auch dem Feststellungsantrag der Klägerin und damit der Klage insgesamt statt.
Das Mieterhöhungsschreiben vom 29. Oktober 2010 sei aus Sicht eines verständigen Mieters so zu verstehen, dass die Beschwerdeführerin sämtliche aus der Modernisierung herrührenden Rechte geltend gemacht und auf weitergehende (Mieterhöhungs-) Ansprüche habe verzichten wollen. Die Beschwerdeführerin habe unmittelbar nach Abschluss der Modernisierungsmaßnahmen gestützt auf § 558 Abs. 1 Satz 1 BGB die Miete erhöht, ohne die Möglichkeit einer späteren zusätzlichen Erhöhung nach § 559 Abs. 1 BGB a.F. auch nur zu erwähnen oder sie sich vorzubehalten. Für die Frage einer konkludenten vollständigen Abgeltung im Wege des Teilverzichts sei zwar auch von Bedeutung, ob sich einer der Vertragspartner zu einer "substantiellen Gegenleistung" verpflichtet habe und ob die Einigung in einer Situation erheblicher Unsicherheit für beide Parteien erfolgt sei. Dies sei vorliegend aber der Fall, denn die Beschwerdeführerin habe vor dem Hintergrund der nach Art und Umfang "bis heute" streitigen Auseinandersetzungen über die Duldung der Modernisierung auf Grundlage des neuen Ausstattungszustands und der streitigen Rechtsauffassung zum Verhältnis der § 558 und § 559 BGB die Zustimmung zu einer Mieterhöhung verlangt. Die Beschwerdeführerin müsse daher ihr im Schreiben vom 29. Oktober 2010 zu Tage getretenes Verhalten nach Treu und Glauben gegen sich gelten lassen, denn sie habe zugewartet und, obwohl ihr dies bereits spätestens zum Zeitpunkt dieses Schreibens möglich gewesen sei, über einen Zeitraum von zehn Monaten keine Modernisierungsmieterhöhung geltend gemacht. Durch den Verzicht sei ein Erlassvertrag im Sinne von § 397 Abs. 1 BGB zustande gekommen, den die Klägerin - ebenfalls konkludent - angenommen habe.
Da von einem Verzicht auf eine Modernisierungsmieterhöhung nach § 559 Abs. 1 BGB a.F. auszugehen sei, bedürfe das im Einzelnen streitige und höchstrichterlich ungeklärte Verhältnis von § 558 und § 559 BGB keiner abschließenden Entscheidung, weshalb auch die Revision zum Bundesgerichtshof nicht zuzulassen sei.
Gegen diese Entscheidung erhob die Beschwerdeführerin Anhörungsrüge nach § 321a ZPO, mit der sie beanstandete, dass die Annahme eines stillschweigend geschlossenen Erlassvertrags eine unzulässige Überraschungsentscheidung sei. Dieser Gesichtspunkt sei weder in erster Instanz noch im Berufungsrechtszug erörtert worden, sondern erstmals im Urteil des Landgerichts zur Sprache gekommen. Wenn die Beschwerdeführerin auf eine solche rechtliche Bewertung ihres Verhaltens hingewiesen worden wäre, hätte sie unter anderem vorgebracht, dass sie niemals auf eine Modernisierungsmieterhöhung habe verzichten wollen und die gegenteilige Auslegung ihres Schreibens vom 29. Oktober 2010 auch ihrer objektiven Interessenlage widerspreche. Insbesondere sei sie zum Zeitpunkt ihres ersten Mieterhöhungsverlangens noch gar nicht in der Lage gewesen, nach § 559 Abs. 1 BGB a.F. vorzugehen, weil amtliche Bescheinigungen und Rechnungen noch nicht vorgelegen hätten, um die Modernisierungskosten abschließend zu beziffern.
Mit durch die Verfassungsbeschwerde angegriffenem Beschluss vom 15. September 2015 verwarf das Landgericht die Anhörungsrüge der Beschwerdeführerin als unzulässig. Die Beschwerdeführerin habe eine entscheidungserhebliche Gehörsverletzung entsprechend den Anforderungen des § 321a Abs. 2 Satz 5 in Verbindung mit § 321a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO nicht dargelegt. Eine Gehörsverletzung liege auch nicht vor.
2. Mit ihrer fristgerecht erhobenen Verfassungsbeschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin gegen die vorgenannten Entscheidungen. Sie rügt die Verletzung ihrer Rechte aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG durch das Urteil des Amtsgerichts sowie eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 3 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 1 GG durch die landgerichtlichen Entscheidungen.
Das Landgericht habe eine unzulässige Überraschungsentscheidung gefällt und dadurch gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstoßen. Auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter habe mit der Annahme eines Erlassvertrags nicht rechnen brauchen, weil diese fernliegend sei und den in Rechtsprechung und Lehre geklärten Anforderungen an das Zustandekommen von Erlassverträgen durch konkludentes Verhalten des Gläubigers widerspreche. Auf einen gerichtlichen Hinweis, dass die Annahme eines solchen Vertrages in Betracht komme, hätte die Beschwerdeführerin tatsächlich und rechtlich weiter vorgetragen. Die Annahme eines Erlassvertrages sei überdies grob falsch, abwegig und unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt haltbar. Das Landgericht sei in willkürlicher Weise davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführerin eine Modernisierungsmieterhöhung spätestens zum 29. Oktober 2010 möglich gewesen sei.
Der die Anhörungsrüge verwerfende Beschluss verletze die Beschwerdeführerin erneut in ihrem grundrechtsgleichen Recht auf rechtliches Gehör. Das Landgericht habe ihr Rügevorbringen weder zur Kenntnis genommen noch sich damit auseinandergesetzt.
3. Zu der Verfassungsbeschwerde haben der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs, der Verband "Haus & Grund", die Klägerin des Ausgangverfahrens, der Deutsche Mieterbund, der Deutsche Anwaltverein sowie die Bundesrechtsanwaltskammer Stellung genommen. Der Senator für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung des Landes Berlin hatte Gelegenheit zur Stellungnahme; er hat von dieser aber abgesehen. Die Akten des Ausgangsverfahrens lagen der Kammer vor.

II.
Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung gemäß § 93c Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen vor, soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Landgerichts vom 16. Juli 2015 richtet. Die für die Verfassungsbeschwerde maßgeblichen Rechtsfragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden (vgl. BVerfGE 86, 133 <144 ff.>). Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist im dargelegten Umfang zur Durchsetzung des Anspruchs der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde ist insoweit zulässig und offensichtlich begründet.
1. Das Urteil des Landgerichts verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG.
a) Das Gebot rechtlichen Gehörs gewährt den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens ein Recht darauf, im Verfahren zu Wort zu kommen, Anträge zu stellen und Ausführungen zu dem in Rede stehenden Sachverhalt, den Beweisergebnissen sowie zur Rechtslage zu machen (vgl. BVerfGE 83, 24 <35>; 86, 133 <144>; stRspr). Darüber hinaus enthält Art. 103 Abs. 1 GG als weitergehende Garantie den Schutz vor Überraschungsentscheidungen (vgl. BVerfGE 107, 395 <410>; BVerfGK 14, 455 <456>; stRspr). Da die Beteiligten gemäß Art. 103 Abs. 1 GG Gelegenheit erhalten sollen, sich zu dem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt, den Beweisergebnissen und den Rechtsauffassungen vor Erlass der Entscheidung zu äußern, setzt eine den verfassungsrechtlichen Ansprüchen genügende Gewährung rechtlichen Gehörs voraus, dass die Verfahrensbeteiligten bei Anwendung der von ihnen zu verlangenden Sorgfalt zu erkennen vermögen, auf welchen Vortrag es für die Entscheidung ankommen kann (vgl. BVerfGE 84, 188 <190>; 86, 133 <144 f.>). Es kann daher der Verhinderung eines Vortrags zur Rechtslage gleichkommen, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis auf einen bestimmten rechtlichen Gesichtspunkt abstellt. Dabei statuiert Art. 103 Abs. 1 GG zwar keine allgemeine Frage- und Aufklärungspflicht des Gerichts (vgl. BVerfGE 66, 116 <147>; 84, 188 <190>). Die Parteien eines Zivilprozesses müssen, auch wenn die Rechtslage umstritten oder problematisch ist, grundsätzlich alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und ihren Vortrag darauf einstellen (vgl. BVerfGE 86, 133 <145>; 98, 218 <263>). Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG ist aber dann anzunehmen, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis Anforderungen an den Sachvortrag stellt oder auf rechtliche Gesichtspunkte abstellt, mit denen eine gewissenhafte und kundige Partei auch unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen braucht (vgl. BVerfGE 84, 188 <190>; 86, 133 <144 f.>; 98, 218 <263>; stRspr).
b) Nach diesen Maßstäben verletzt das Urteil des Landgerichts die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Art. 103 Abs. 1 GG.
aa) Die Annahme einer Verzichtserklärung und eines Erlassvertrages stellt eine Überraschungsentscheidung dar, mit der die Parteien nach dem Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchten. Ein möglicher Verzicht der Beschwerdeführerin war weder im Vorfeld von den Parteien erörtert noch vom Gericht in der mündlichen Verhandlung in Erwägung gezogen worden. Auch im erstinstanzlichen Urteil ist dieser Gesichtspunkt nicht zur Sprache gekommen. Die Annahme eines Verzichts lag auch nicht derart nahe, dass die Beschwerdeführerin dazu aus Gründen prozessualer Vorsorge oder unter Berücksichtigung des Gebots des sichersten Weges vorsorglich hätte vortragen müssen, um möglicherweise andernfalls drohenden Rechtsnachteilen zuvorzukommen.
Durch das Unterlassen eines entsprechenden rechtlichen Hinweises hat das Landgericht der Beschwerdeführerin die Möglichkeit abgeschnitten, zur Frage der Annahme eines Verzichtswillens in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vorzutragen.
bb) Die Entscheidung des Landgerichts beruht auch auf diesem Gehörsverstoß. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Entscheidung bei Gewährung rechtlichen Gehörs anders ausgefallen wäre.
Aus der Verfassungsbeschwerde und der mitgeteilten Anhörungsrüge geht hinreichend hervor, was die Beschwerdeführerin bei ordnungsgemäßer Gewährung rechtlichen Gehörs vorgebracht hätte. So hat sie unter anderem ausgeführt, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs an das Vorliegen eines Verzichtswillens strenge Anforderungen zu stellen seien und der Verzichtswille unter Berücksichtigung sämtlicher Begleitumstände unmissverständlich sein müsse. Dabei könne für das Vorliegen eines unmissverständlichen Verzichtswillens zwar sprechen, wenn in einer Situation erheblicher Unsicherheit seitens der gegnerischen Partei eine "substantielle Gegenleistung" erfolgt sei. Vorliegend sei aber schon kein Raum für ein (weiteres) Entgegenkommen der Beschwerdeführerin gewesen, weil sie der Klägerin bereits bei Abschluss der Modernisierungsvereinbarung im September 2010 entgegenkommen war. Mit dieser Vereinbarung hätten sich die Parteien auch ausdrücklich über Art und Umfang der Modernisierungsmaßnahmen gütlich geeinigt. Entgegen der Annahme des Landgerichts habe daher im Hinblick auf die Modernisierungsmaßnahmen schon seit September 2010 zwischen den Parteien kein Streit mehr bestanden, weshalb insoweit auch weder eine "erhebliche Unsicherheit" vorgelegen habe noch die Zustimmung der Klägerin zur Mieterhöhung als "substantielle Gegenleistung" habe gewertet werden können. Auch aus dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin die Modernisierungsmieterhöhung nach § 559 BGB a.F. nicht sogleich erklärt, sondern zunächst zehn Monate zugewartet habe, könne nicht auf einen in dem Schreiben vom 29. Oktober 2010 enthaltenen stillschweigenden Verzicht geschlossen werden. Denn entgegen der Annahme des Landgerichts sei die Beschwerdeführerin zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht in der Lage gewesen, auf Grundlage von § 559 Abs. 1 BGB a.F. vorzugehen, weil ihr weder die exakten Modernisierungskosten bekannt gewesen seien noch sämtliche Rechnungen vorgelegen hätten. Eine Mieterhöhungserklärung setze aber voraus, dass die Arbeiten vollständig abgerechnet, die Richtigkeit der Rechnungen nachgeprüft und schließlich die gesamten Modernisierungskosten ermittelt worden seien. Dies nehme regelmäßig eine gewisse Zeit in Anspruch.
Danach spricht vieles dafür, dass dem Landgericht bei Gewährung rechtlichen Gehörs mit Blick auf die in der Rechtsprechung entwickelten Anforderungen (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni 2015 - VIII ZR 99/14 -, juris, Rn. 19) die Annahme eines schlüssig erklärten Verzichts auf das Recht zur Modernisierungsmieterhöhung und eines konkludent zustande gekommenen Erlassvertrags versperrt geblieben wäre. Infolgedessen hätte sich das Landgericht zu der höchstrichterlich noch nicht geklärten Rechtsfrage zum grundsätzlichen Verhältnis zwischen den § 558 und § 559 BGB verhalten und insoweit - wovon es selbst ausgegangen ist - wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache, jedenfalls aber zur Fortbildung des Rechts die Revision zulassen müssen.
cc) Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG kann zwar grundsätzlich durch das weitere Verfahren geheilt werden (vgl. BVerfGE 5, 22 <24>; 62, 392 <397>; 73, 322 <326 f.>). Eine derartige Heilung scheidet hier jedoch aus. Die Ausführungen des Landgerichts in seinem Beschluss vom 15. September 2015, mit dem es über die Anhörungsrüge entschieden hat, sind hierzu nicht geeignet. Eine Heilung kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil das Landgericht die Anhörungsrüge als unzulässig verworfen hat.
2. Angesichts des festgestellten Verstoßes des landgerichtlichen Urteils gegen Art. 103 Abs. 1 GG kann offen bleiben, ob die Verfassungsbeschwerde auch insoweit begründet ist, als die Beschwerdeführerin im Hinblick auf die Annahme eines Verzichtswillens eine Verletzung des Willkürverbots rügt. Ebenfalls kann offen bleiben, ob der die Anhörungsrüge verwerfende Beschluss des Landgerichts vom 15. September 2015 einen weiteren Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG begründet.

III.
1. Das Urteil des Landgerichts ist daher gemäß § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben und die Sache an eine andere Zivilkammer des Landgerichts zurückzuverweisen. Der die Anhörungsrüge verwerfende Beschluss des Landgerichts wird damit gegenstandslos.
2. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts richtet, wird sie nicht zur Entscheidung angenommen. Insoweit wird von einer Begründung nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
3. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG und den Grundsätzen für die Festsetzung des Gegenstandswerts im verfassungsgerichtlichen Verfahren (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>; BVerfGK 20, 336 <337 ff.>).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen