Montag, 30. September 2024

Verzögerung und Substantiierungsanforderung im selbständigen Beweisverfahren

Im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens erließ das zuständige Landgericht (LG) am 22.01.2024 einen Beschluss, mit dessen Ziffer 1 sie den Antrag der Antragstellerin (AS), in Ansehung ihrer Einwendungen gegen dessen Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen einen Ortstermin anzuordnen, zurückwies; es hatte statt dessen die Anhörung des Sachverständigen gem. §§ 492 Abs. 1 iVm. 411 Abs. 3 ZPO angeordnet. Die dagegen von der AS eingelegte sofortige Beschwerde sah das das Beschwerdegericht (OLG) als unstatthaft und damit unzulässig an. Es habe sich um eine verfahrensleitende Entscheidung und damit Zwischenentscheidung des LG nach §§ 492 Abs. 1m 411 Abs. 3 ZPO gehandelt, welche grundsätzlich nicht isoliert anfechtbar sei. Nur wenn diese Zwischenentscheidung bleibend einen rechtlichen Nachteil der Partei zur Folge habe, der sich im weiteren Verfahren nicht oder nicht mehr vollständig beheben lassen würde, sei die Beschwerde zulässig. Dafür sei hier nichts ersichtlich. Zudem sei der Antrag auf Anberaumung eines Ortstermins anstelle der Anhörung des Sachverständigen auch in der Sache nicht begründet, da es im Ermessen des Tatrichters läge, in welcher geeigneten Weise er seiner Pflicht zur Sachaufklärung nachkommen würde § 411 Abs. 3 ZPO; BGH, Urteil vom 16.04.2013 - VI ZR 44/12 -). Das Landgericht habe überzeugend seine Ermessungserwägungen dargelegt, ohne dass Ermessensfehler erkennbar wären.

Statthaft sei die sofortige Beschwerde zu Ziffer 2 des Beschlusses, mit der das LG den Sachverständigen angewiesen hatte, Fenster (die Gegenstand des ursprünglichen Antrages waren) nunmehr doch nicht zu begutachten. Der Sache nach habe es sich hier um eine Entscheidung über die nicht vollständige Ausführung des ursprünglichen Beweisbeschlusses gehandelt, gegen den die sofortige Beschwerde nach §§ 567 Abs. 1 Nr. 2, 490 Abs. 1 ZPO statthaft sei. Hintergrund war, dass zunächst der Zugang zu der streitbefangenen Wohnung nicht zugänglich war, was in die Risikosphäre der AS falle. Auch könne ein Beweismittel nur benutzt werden, wann nach der freien Überzeugung des Gerichts das Verfahren nicht verzögere, wobei der Verzögerungsbegriff des § 296 ZPO gelte. Damit sei zu bedenken, ob durch zumutbare prozessleitende Maßnahmen eine Verzögerung noch aufgefangen werden könne. Alleine die abstrakte Überlegung des LG, die Beweisaufnahme sie bereits weit fortgeschritten, sei nicht ausreichend, von einer entsprechenden Beweisaufnahme abzusehen. Der Termin zur mündlichen Anhörung des Sachverständigen sei erst im April 2024, weshalb es geboten gewesen wäre darauf hinzuwirken, dass noch vor diesem Termin einen Ortstermin zum Fenster abhalten könne.

Ferner hatte es das LG unter Ziffer 3 des Beschlusses abgelehnt, eine sachverständige Begutachtung weiterer Wohnungen der AS durchzuführen. Dabei würde es sich um eine teilweise Zurückweisung des Antrages auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens handeln, weshalb eine sofortige Beschwerde dagegen statthaft sei. Gleichwohl habe das LG zu Recht den Antrag der AS als unzulässig behandelt. Ein selbständiges Beweisverfahren sei nach § 485 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO u.a. im Hinblick auf den Zustand einer Sache möglich. Allerdings dürften nicht pauschal Mängel an einem Bauteil eines Gebäudes behauptet werden. Auch nach der sogen. Symptomtheorie genüge es nicht, ohne jegliche Qualifizierung von Mängeln der Sache zu sprechen. Ein Ausforschungsbeweis im Sinne einer erstmaligen Bestandsaufnahme sei im selbständigen Beweisverfahren nicht zu erheben. Den, wenn auch minimalen Anforderungen an die Substantiierung im selbständigen Beweisverfahren nach § 487 Nr. 2 ZPO würde dann nicht genügt, wenn der Antragsteller in lediglich formelhafter und pauschaler Weise Tatsachenbehauptungen aufstelle, ohne diese zu dem zu Grunde liegenden Sachverhalt in Beziehung zu setzen (BGH, Beschluss vom 10.11.2015 - VI ZB 11/15 -). Auch in der Beschwerdeschrift habe die AS lediglich die Individualisierung der Wohnungen vorgenommen, aber keine näheren Angaben zu den angeblichen Mängeln der Fenster in der Wohnung gemacht.

Hansetisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 15.02.2024 - 4 W 15/24 -

Freitag, 27. September 2024

Verletzung rechtlichen Gehörs: Urteilsgrundlage Kenntnisse des Gerichts aus einem Vorprozess

Die Beklagten hatten von der Klägerin Räume zum Betrieb eines Shisha-Cafés angemietet (Mietvertrag vom 06.09.2018). Die Beklagten erklärten am 10.09.2018 nach Abschluss des Mietvertrages mit anwaltlichen Schreiben die Anfechtung des Mietvertrags. Die Klägerin kündigte mit Schreiben vom 24.10.2018 das Mietverhältnis wegen Zahlungsverzugs fristlos und forderte die Beklagten zur Räumung und Herausgabe der Schlüssel auf; zu einer Schlüsselrückgabe kam es nicht. Mit rechtskräftigen Urteil des Landgerichts vom 20.04.2020 stellte dieses fest, dass die Anfechtung des Mietvertrages durch die Beklagten wegen arglistiger Täuschung wirksam gewesen sei.

Mit ihrer Klage in 2021 forderte die Klägerin die Zahlung eines Betrages, der der Miete für den Zeitraum Oktober 2018 bis Juni 2019 entsprach. Die Klage wurde vom Landgericht abgewiesen. Das Oberlandesgericht erhob im Rahmen der von der Klägerin eingelegten Berufung Beweis zu der beklagtenseits behaupteten versuchten Schlüsselübergabe und wies sodann die Berufung zurück. Dagegen legte die Klägerin Nichtzulassungsbeschwerde ein, mit der sie die Zulassung der Revision begehrte.

Der BGH beschloss nach § 544 Abs. 9 ZPO die Revision zuzulassen und hob gleichzeitig die Aufhebung des Urteils des OLG und Zurückverweisung des Rechtstreits an das OLG. Nach § 544 Abs. 9 ZPO kann der BGH verfahren, wenn das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers in rechtserheblicher Weise verletzt hat.

Diese Verletzung des rechtlichen Gehörs nahm der BGH an:

Das OLG habe zwar festgesellt, dass die Beklagten mir ihrer Rückgebeverpflichtung in Verzug gekommen seien, da sie die Schlüssel nicht zurückgegeben hätten. Auch könne ein verzugsbedingter kausaler Schaden der Klägerin dadurch entstanden sein, da sie als Zwischenmieterin weiter zur Zahlung der Miete an die Vermieterin verpflichtet gewesen sei. Aber die Klägerin habe nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme endgültig in einem Telefonat mit dem Zeugen F. die die angebotene Rückgabe der Schlüssel abgelehnt. Der Zeuge F. habe auch als vertretungsberechtigt für die Klägerin angesehen werden können (wenn er auch nicht Geschäftsführer gewesen sei), da er der maßgebliche Gesprächspartner auf Seiten der Klägerin gewesen sei, wie sich aus dem Vorprozess ergebe.

Art. 103 Abs. 1 GG gewähre den Parteien ein Recht darauf, dass sie Gelegenheit erhalten müssten, im Prozess zu Wort zu kommen und das nur die Tatsachen und Beweismittel verwertet werden. zu denen auch Stellung bezogen werden könne. Indem das OLG unter Bezugnahme auf den Vorprozess feststellte, der Zeuge F. sei maßgeblicher Ansprechpartner auf Seiten der Klägerin, ohne der Klägerin zuvor die Möglichkeit im anhängenden Verfahren zu geben, dazu Stellung zu nehmen, sei dieses Recht verletzt worden. So seien hier im Verfahren weder das im Vorprozess ergangene Urteil noch andere Schriftstücke aus diesem Verfahren vorgelegt worden, noch sei die Beiziehung der Akte des Vorprozesses angeregt oder beantragt worden. Selbst wenn es sich um eine gerichtskundige Tatsache gehandelt haben sollte, dürfe ein Gericht wegen Art. 103 Abs. 1 GG diese Tatsache nicht seiner Entscheidung zugrunde legen, ohne den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme zu gewähren (BVerfG, Beschluss vom 17.09.2020 - 2 BvR 1605/26 -).

Für die prozessuale Folge der Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung ist neben der Verletzung des rechtlichen Gehörs auch erforderlich, dass das Urteil darauf beruht. Dies bejahte der BGH, da nicht ausgeschlossen werden könne, dass bei Vermeidung dieses Verstoßes ein Schadensersatzanspruch der Klägerin wegen Verzugs gem. §§ 280 Abs. 1 und 2m 286 BGB bejaht und der Klage damit stattgegeben worden wäre.

BGH, Beschluss vom 29.11.2023 - XII ZR 36/23 -

Mittwoch, 25. September 2024

eGbR : Muss der/ein Gesellschaftszweck bei der Registeranmeldung angegeben werden ?

Muss der oder ein Gesellschaftszweck bei der Anmeldung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) in das Gesellschaftsregisterangegeben werden ? Das Registergericht bejahte dies und erließ ein entsprechende Zwischenverfügung, da die Beteiligten lediglich den Namen der Gesellschaft, den Sitz, die inländische Geschäftsanschrift, die Gesellschafter mit Geburtsdaten und Wohnorten, die jeweilige Vertretungsbefugnis und die Versicherung, dass die Gesellschaft noch nicht im Handels- oder Partnerschaftsregister angemeldet sei, bei der Anmeldung angaben. Die dagegen eingelegte Beschwerde war erfolgreich.

Ein Erfordernis zur Angabe des Gesellschaftszwecks als Voraussetzung der Eintragung der GbR als eGbR in das Gesellschaftsregister bestünde nicht. Weder ergäbe sich die Notwendigkeit aus dem Wortlaut der normierten Voraussetzungen noch aus deren Entstehungsgeschichte, und auch der Amtsermittlungsgrundsatz des § 26 FamFG rechtfertige es nicht, die Eintragung von dieser Mitteilung abhängig zu machen.

Die Voraussetzungen der Eintragung regele § 707 BGB. In § 707 Abs. 2 seien die Angaben, die die Anmeldung enthalten müsse, festgestellt, weitere Bestimmungen seien in § 3 GesRV enthalten. In § 3 Abs. 1 S. 1 GesRV sei normiert, dass in der Anmeldung zum Gesellschaftsregister auch der Gesellschaftszweck angegeben werden soll, soweit er sich nicht aus dem Namen der GbR ergäbe. Bei der GesRV handele es sich um eine Verordnung auf der Grundlage des § 387 Abs. 2 S. 1 FamFG.

Das OLG verweist darauf, dass es sich in § 3 Abs. 1 Nr. 1 GesRV um eine Sollbestimmung handelt. Dadurch würde zum Ausdruck gebracht, dass die Eintragung nicht von der Angabe des Gegenstandes der Gesellschaft abhängig gemacht werden könne (BR-Drs. 560/22, S. 15). Der Wortlaut spreche mithin gegen eine Pflichtangabe.

Ziel sei es gewesen, ein öffentliches Register zur Beseitigung bekannter Publizitätsdefizite der GbR – vor allem in Hinblick auf Identität der Gesellschaft, ihre Vertretungsverhältnisse und ihre Gesellschafter – einzurichten. Die Eintragung sie freiwillig (Anm.: allerdings für Änderungen im Grundbuch zwingend erforderlich) und nicht konstitutiv, was besage, dass jede Außengesellschaft unabhängig von ihrer Registrierung rechtsfähig sei. Die Registrierung biete den Vorteil der „Subjektpublizität“, mithin der sicheren Nachweisbarkeit von Existenz, Gesellschaftern und Vertretungsverhältnissen, was die Möglichkeit schaffe, durch Transparenz ein erhöhtes Vertrauen der Geschäftspartner zu erreichen. Weitere Anreize zur Registrierung seien dadurch geschaffen worden, dass der Erwerb und die Veräußerung registrierter Rechte, insbesondere von Grundstücken und Gesellschaftsanteilen an registrierten Gesellschaften, der eingetragenen GbR vorbehalten sei. Die Registeranmeldung gem. § 707 Abs. 2 BGB sei den bei der Handelsregisteranmeldung einer offenen Handelsgesellschaft geltenden Vorgaben des § 106 Abs. 2 HGB nachgebildet (Begründung Regierungsentwurf, BT-Drs. 19/27635, S. 129). Die einzutragenden Tatsachen seien wie bei den Personengesellschaften auf die Umstände beschränkt, die für die Existenz, Vertretungs- und Haftungsverhältnisse der Gesellschaft von bedeutender Rolle seien, weshalb insbesondere der Gesellschaftszweck nicht eingetragen werden müsse (BT-Drs. 19, 27635, S. 129). Die Aufzählungen in § 707 Abs. 2 BGB seien ebenso zwingend wie abschließend, es gelte der Grundsatz des Spiegelbilds zwischen Anmeldungs- und Eintragungsinhalt.

Auch aus der Entstehungsgeschichte des § 3 Abs. 1 GesRV ergäbe sich nichts anderes. Diese Norm sei § 24 Abs. 4 HRV nachgebildet worden, wonach das Registergericht im Rahmen des Anmelde- und Eintragungsverfahrens darauf hinwirken soll, dass die Angabe des Unternehmensgegenstandes erfolgt, ergäbe sich dieser nicht aus der Firma (also dem Namen der Gesellschaft) selbst. Nachem allerdings § 34 HRV a.F. durch das Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (DiRUG) vom 05.07.2021 entfallen sei, würde das Erfordernis bei Personenhandelsgesellschaften für weitgehend obsolet angesehen; § 24 Abs. 4 HRV habe seinen Sinn weitgehend verloren. Damit könne die Angabe des Gesellschaftsgegenstandes auch nicht als Eintragungsvoraussetzungen angenommen werden.

Der Amtsermittlungsgrundsatz, § 26 FamFG,  rechtfertige ohne besondere Umstände nicht das Verlangen zur Angabe des Gesellschaftszwecks für die Eintragung in das Register. Zwar schränke § 3 GesVR die Pflicht zur Amtsermittlung nicht ein. EEs könne aus Sicht des Registergerichts geboten sein, weitere Ermittlungen anzustellen, um den Rechtsverkehr vor Missbräuchen oder gesetzeswidrigen Verwendungen der Gesellschaftsform der GbR zu schützen. Das Prüfungsrecht bestünde aber nicht voraussetzungslos. Das Registergericht habe die Pflicht, darüber zu wachen, dass Eintragungen im Handelsregister den gesetzlichen Erfordernissen und der tatsächlichen Rechtlage entsprechen. Bei deklaratorischen Eintragungen bestünde die Amtsermittlungspflicht nach §§ 26, 382 FamFG aber nur, wenn die formalen Mindestanforderungen für die Eintragung nicht erfüllt seien oder wenn begründete Zweifel an der Wirksamkeit der zur Eintragung angemeldeten Erklärungen oder an der Richtigkeit der mitgeteilten Tatsachen bestünden. Eine lediglich allgemeine Möglichkeit eines Missbrauchs reiche nicht aus, um jenseits der gesetzlich für die Anmeldung normierten Pflichtangaben ein Prüfungsrecht auszulösen. Im Falle der deklaratorischen Eintragung sei das Registergericht daher grundsätzlich der Prüfung enthoben, ob die angemeldete Tatsache richtig sei. Nur bei begründeten Zweifeln, dass die ordnungsgemäße Anmeldung richtig ist, sei das Registergericht zur Aufklärung des wahren Sachverhalts gem. § 26 FamFG berechtigt und verpflichtet.

Ein sich regelmäßig aus dem Gegenstand der Gesellschaft ergebendes konstituierendes Merkmal bestehe grundsätzlich bei zweckoffenen Gesellschaften bürgerlichen Rechts nicht. Dies unterscheide sie von den Personenhandelsgesellschaften, bei denen der Zweck auf den Betrieb eines Handelsgewerbes gerichtet sein müsse, was wiederum konstitutives Merkmal dieser Gesellschaftsform sei und damit Voraussetzung die eine Eintragung in das Handelsregister (BGH, Beschluss vom 15.07.2014 - II ZB 2/23 -).

Die in der Zwischenverfügung benannten Gründe für die Prüfung des Gegenstandes der Gesellschaft (so auf etwaige Gesetzes- oder Sittenwidrigkeit oder spezialgesetzliche Verbotstatbestände) seien lediglich allgemein gehalten. Konkrete Anhaltspunkte für deren Vorliegen seien weder aufgezeigt noch ersichtlich. Damit aber entsprach das Ersuchen nach den vom OLG dargelegten Grundsätzen nicht den gesetzlichen Anforderungen, weshalb die Zwischenverfügung keinen Bestand haben konnte.

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 02.08.2024 - 14 W 52/24 - (Wx)

Sonntag, 22. September 2024

Reparaturanspruch bei Defekt des nicht mitvermieteten Geschirrspülers

Die Klägerin mietete von der Beklagten eine Wohnung an, in der sich u.a. auch in der vorhandenen Einbauküche ein Geschirrspüler befand. Im Mietvertrag war (als Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 BGB [AGB], also nicht individuell vereinbart) eine Klausel aufgenommen, dass die technischen Geräte der Einbauküche „als nicht mitvermietet [gelten]“ (§ 2 Z. 2 Abs. 5 AVB).  Der Klage auf Instandhaltung durch die Beklagte wurde stattgegeben, die dagegen eingelegte Berufung sah das Landgericht in einem Hinweisbeschluss nach § 522 ZPO als offensichtlich unbegründet an.

Der Beklagte sei gemäß § 535 Abs. 1 S. 2 BGB verpflichtet, den defekten Geschirrspüler zu reparieren oder auszutauschen. Er sei zum Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses in der Wohnung vorhanden und funktionstüchtig gewesen, weshalb dies den vertraglich geschuldeten Zustand entspräche (BGH, Urteil vom 10.05.2006 - XII ZR 23/04 -). Dem würde auch die Klausel in § 2 Z. 2 Abs. 5 AVB nicht entgegenstehen.

Nach dem Wortlaut der Klausel würde diese keine Beschaffenheitsvereinbarung darstellen. Das verwandte Wort „gelten“ erweise sich als eine Einschränkung. Unklar bliebe, welche Rechtsfolgen sich aus der Klausel „als nicht als mietvermietet [gelten]“ ergeben sollen.

Auf Allgemeine Geschäftsbedingungen fände die Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB Anwendung, wonach Zweifel bei der Auslegung zu Lasten des Verwenders gehen würden.  Eine Unklarheit läge vor, wenn zwei oder mehr mögliche Bedeutungen in Betracht kämen, wobei bei der Auslegung nur theoretisch denkbare, praktisch aber fernliegende und bei dem fraglichen Geschäft typischerweise nicht ernstlich in Betracht kommende Auslegungen nicht zu berücksichtigen seien (BGH, Urteil vom 05.05.2022 – VII ZR 176/20 -).

Neben der Möglichkeit, dass sich die Beklagte von einer Instandsetzungspflicht freizeichnen wollte, wäre auch dankbar, dass für die benannten Gegenstände neben dem Grundmietzins kein gesonderter Mietzins geschuldet würde, dem Mieter aber die Gewährleistungsrechte nach §§ 535 ff BGB verbleiben sollten. Beide Auslegungsergebnisse seien vertretbar. Da es nicht darauf ankomme, ob die Auslegung  richtig sei, reiche dies zur Anwendung des § 305c Abs. 2 BGB und zur Auslegung im Wege der sogenannten kundenfreundlichsten Auslegung aus (BGH, Urteil vom 12.05.2016 - VII ZR 171/15 -).

Die Berufung wurde nach dem Hinweisbeschluss zurückgenommen.

Anmerkung: In vielen Mietverträgen lässt sich die Klausel finden, dass für namentlich benannte technische Geräte kein gesonderter Mietzins zu entrichten sei und im Falle eines Defekts der Mieter keinen Anspruch gegen den Vermieter auf Reparatur oder Austausch habe.

LG Berlin II, Hinweisbeschluss vom 30.06.2024 - 67 S 144/24 -

Freitag, 20. September 2024

Google und der Rechtsstaat: Die Firma im Handelsregister

Gestern habe ich unter dem Titel „Internet-Domain als Firmenname“ einen Beschluss des Kammergericht Berlin vom 13.05.2024 - 22 W 16/14 - dargelegt und im Wortlaut wiedergeben. Das Kammergericht vertritt danach (zutreffend) die Auffassung, dass der Firmenname (§ 18 HGB) nicht nur aus der Internet-Domain bestehen kann, da die Top-Level-Domain keine Unterscheidungskraft habe. Letztlich käme es mithin auf dem Bestandteil der Internet Domain vor der Top-Level-Domain an; handelt es sich dabei auch nur um einen Allerweltsnamen oder -begriff ohne Unterscheidungsmerkmal, kann die Internet-Domain nicht Formenname sein.

 

Was daran – so Goggle – störende „sensible Inhalte“ sein sollen, die die Vorschaltung einer Warnung rechtfertigen,  wird sicherlich ewig das Geheimnis dieses Internetriesen bleiben – der von Recht und Rechtssaat nicht viel weiß und wohl auch nicht viel versteht. Von Meinungsfreiheit scheint Google nichts zu halten: Kamm doch der Warnhinweis im Hinblick auf eine angebliche „Meldung“ bereits Sekunden nach der Einstellung.

 

Der Artikel kann ohne Warnung auf https://www.rechtsprechung-niehus.de/rechtsprechung/gesellschaftsrecht/firmierung-unter-einer-internet-domain/ gelesen werden.


Zwischenzeitlich hat Google die Seite wieder freigegeben. Der Beitrag ist im unten stehenden Post zu lesen.

Mittwoch, 18. September 2024

Internet-Domain als Firmenname

Die bereits im Handelsregister eingetragene beteiligte Aktengesellschaft änderte ihren Firmennamen und meldete (u.a.) die zum Handelsregister an. Das Registergericht beanstandete mit Zwischenverfügung die neu gewählte Firma „XXX.de AG“, da es an einer nach §§ 18,30 HGB notwendigen Individualisierung fehle. Dagegen legte die Beteiligte Beschwerde ein, der das Amtsgericht nicht abhalf. Die in der Sache statthafte Beschwerde wies das Kammergericht (KG) als Beschwerdegericht als unbegründet zurück.

Die Regelung des § 18 Abs. 1 HGB gelte nach § 6 HGB iVm. § 3 Abs. 1 AktG auch für die Firmenbildung einer Aktiengesellschaft. § 18 Abs. 1 HGB fordere eine Kennzeichnungseignung und Unterscheidungskraft, weshalb erforderlich sei, dass die gewählte Bezeichnung als Name verwandt werden könne und individualisierend wirken müsse; an der Unterscheidungskraft würde es fehlen, wenn ein „Allerweltsname“ genutzt würde als auch dann, wenn die Bezeichnung rein beschreibender Natur sei (wie z.B. bei Gattungsbezeichnungen). Beispielhaft führte das KG aus, dass damit der Bezeichnung Vertrieb.  de die Unterscheidungskraft fehle (was auch für die von der beteiligten verwandte Bezeichnung „XXX“ (die im veröffentlichen Beschluss nicht namentlich benannt wurde).

Vorliegend habe es sich um einen Internet-Domain gehandelt, die nach den Vergaberichtlinien der D. eG nur einmal vergeben würde. Daraus würde teilweise gefolgert, dass die Unterscheidungskraft aufgrund der durch die Top-Level-Domain (hier: de) hervorgerufenen Alleinstellung die Internet-Domain auch Namensfunktion für die Firma haben könne (so OLG Dresden, Beschluss vom 15.11.2010 - 13 W 890/10 -). Das aber greife zu kurz, da es nicht nur um die Verwendung einer Bezeichnung im Internet gehen würde (so auch OLG Frankfurt, Beschluss vom 13.10.2010 - 20 W 196/10 -; LG Köln, Beschluss vom 08.02.2008 - 88 T 04/08 -). § 18 Abs. 1 HGB verlange keine Alleinstellung in irgendeiner Richtung, vielmehr eine Kennzeichnungskraft im allgemeinen Geschäftsverkehr. Eine Firma (Anmerkung: Dies ist nach § 17 Abs. 1 HGB der Name des Kaufmanns, unter dem er seine Geschäfte betreibt) würde auch auf dem Geschäftspapier ( §§ 80 AktG, 37a HGB), in Verträgen, in der Werbung und zur Kennzeichnung von Geschäftsräumen verwandt. Die Firma solle vor allem eine Verwechslungsgefahr ausschließen, die im Internet (bei der Domain mit Top-Level-Domain) ausgeschlossen sein möge, nicht aber im Übrigen. So wäre eine Verwechslungsgefahr von „XXX.de AG“ zu einer „XXX.com AG“, die aufgrund ihrer Alleinstellung dann ebenfalls zulässig sein müsse, nicht gegeben, da die Top-Level-Domain in der Regel nicht prägend wahrgenommen würde.

Erst aus der notwendigen Kennzeichnungskraft der zulässig gewählten Firma folge die firmenrechtliche Alleinstellung (vgl. § 30 HGB). Hinzu käme das Freihaltungsbedürfnis bezüglich einer allgemein gehaltenen Bezeichnung, die die Bildung anderer Firmen nicht übermäßig beeinträchtigen dürfe. Dass hier die von der Beteiligten verwandte Bezeichnung Verkehrsgeltung habe, sei nicht geltend gemacht worden und auch nicht ersichtlich (Anmerkung: im Falle der Verkehrsgeltung käme es nicht mehr darauf an, ob es sich [auch] um eine Internetdomain handelt, selbst wenn der Bezeichnung die Top-Level-Domain angehangen wird).

Kammergericht Berlin, Beschluss vom 13.05.2024 - 22 W 16/24 -  

Sonntag, 15. September 2024

Kaskoentschädigung für Oldtimer – Höchstentschädigungsklausel

Der Kläger hatte bei der Beklagten eine Kaskoversicherung für seinen Oldtimer (mit einem Marktwert von € 36.450,00) abgeschlossen, der bei einem Brand in einer Tiefgarage erheblich beschädigt wurde (Totalschaden). Nach einem durch die Beklagte eingeholten Sachverständigengutachten hatte der Oldtimer einen Wiederbeschaffungswert von € 40.095,00.; im Rahmen eines vom Kläger durchgeführten selbständigen Beweisverfahrens soll sich nach dem dortigen Sachverständigengutachten der Wiederbeschaffungswert auf € 48.900,00 belaufen haben. Mit seiner Klage begehrte der Kläger die Differenz.

Dem Versicherungsverhältnis lagen u.a. die AKB und Sonderbedingungen Oldtimer zugrunde. Im Hinblick darauf wies das Landgericht die Klage ab. Die Beklagte habe bereits die zu zahlende Höchstentschädigung nach den Versicherungsbedingungen ausgeglichen. In den Sonderbedingungen Oldtimer sei unter Ziffer 2. ausgeführt:

„(1) Der Versicherer ersetzt in der Fahrzeugversicherung abweichend von § 13 Abs. 1 und Abs. 3 AKB einen Schaden bis zur Höhe des Marktwerts des Fahrzeugs und seiner Teile am Tag des Schadens.

(2) Die Höchstentschädigung in der Fahrzeugversicherung ist abweichend von § 13 Abs. 3 AKB durch den bei Vertragsschluss vereinbarten Marktwert des Fahrzeugs begrenzt (Versicherungssumme).

(3) Ist der Marktwert zum Schadenszeitpunkt infolge Wertsteigerung höher als die vereinbarte Versicherungssumme, beträgt die Höchstentschädigung bis zu 110 % der vereinbarten Versicherungssumme (beitragsfreie Vorsorgeversicherung)“.

Grundsätzlich sei danach für die zu zahlende Entschädigung der Marktwert des Fahrzeugs am Tag des Schadens zugrunde zu legen. Diese habe sich nach dem gerichtlichen Sachverständigengutachten auf € 48.900,00 belaufen (Wiederbeschaffungswert). Allerdings schränke Z. 2 Abs. 2 der Sonderbedingungen den Wiederbeschaffungswert durch Verweis auf eine Höchstentschädigung ein, die sich an dem Marktwert des Fahrzeugs ausrichte, der zwischen den Parteien (hier mit € 36.450,00) vereinbart worden sei. Nach Ziffer 2 Abs. 3 der Sonderbedingungen belaufe sich die Höchstentschädigung bis zu 110% des als Versicherungswert angenommenen Marktwertes.

Bei einem Marktwert von € 36.450,00 beträgt damit der Versicherungswert maximal € 40.095,00. Das Landgericht konstatierte, dass unabhängig davon, ob der Wert aus dem von der Beklagten eingeholten Gutachten oder aus dem Sachverständigengutachten zugrunde gelegt würde, es zwar zu einer Wertsteigerung des Oldtimers gekommen sei, die nach Z. 2 Abs. 3 der Sonderbedingungen zu berücksichtigen sei, deren Berücksichtigungsfähigkeit allerdings auf 10% über dem vereinbarten Marktwert begrenzt worden sei.

Damit aber habe die Beklagte mit Zahlung von € 40.095,00 die versicherungsvertraglich vereinbarte Leistung erbracht. Es sei eindeutig, dass nach den Versicherungsbedingungen der Wiederbeschaffungswert bzw. vereinbarte Marktwert zum Zeitpunkt des Abschlusses des Versicherungsvertrages zugrunde zu legen sei. Bei Wertsteigerungen habe der Versicherungsnehmer darauf zu achten, den Versicherungswert regelmäßig dem gestiegenen Marktpreis anzupassen.

LG Frankenthal, Urteil vom 17.01.2024 - 2 O 230/23 -