Problemkreise: Zahlung des Haftpflichtversicherers für beklagten
Schädiger an Gläubiger „ohne Anerkennung
einer Rechtspflicht und ohne Präjudiz dem Grunde und der Höhe nach sowie mit
dem Vorbehalt der Verrechnung bzw. Rückforderung“; erfolgte die Zahlung mit
Erfüllungswirkung ? Negative Feststellungsklage zum Rückforderungsvorbehalt: Begründetheit
der Klage gegen den Versicherungsnehmer und Zulässigkeit der Klage gegen den
Versicherungsnehmer (sogen. doppelrelevante Tatsache).
Die Klägerin,
eine gesetzliche Krankenversicherung, machte Regressansprüche gegen den Beklagten
Schuldner aufgrund eines Schadens ihres Versicherten gemäß § 116 SGB X geltend.
Im Berufungsverfahren war nur noch der vom Landgericht abgewiesene Klageantrag
zu 2. Streitgegenständlich, mit dem die
Klägerin festgestellt wissen wollte, dass ein Rückforderungsanspruch des
Beklagten im Hinblick auf eine von dessen Haftpflichtversicherung geleistete
Zahlung auf den geltend gemachten Schaden nicht bestünde. Hintergrund war, dass
der Haftpflichtversicherer im Rahmen der erfolgten Zahlung erklärte, dass die
Zahlung „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und ohne Präjudiz dem Grunde und
der Höhe nach sowie mit dem Vorbehalt der Verrechnung bzw. Rückforderung“
erfolge. Das Landgericht wies die Klage ab. Auf die Berufung der Klägerin hin
änderte das Oberlandesgericht (OLG) dahingehend ab, dass die Berufung mit der Maßgabe
zurückgewiesen würde, dass der Klageantrag zu 2. Unzulässig sei.
1. Zunächst
musste sich das OLG damit auseinandersetzen, dass die Zahlung wie auch der
Rückforderungsvorbehalt nicht vom Beklagten erfolgten, sondern von dessen
Haftpflichtversicherer.
Zwar bestünde
zwischen dem Beklagten und der Klägerin ein Rechtsverhältnis, da der Beklagte
Schuldner der Schadensersatzforderung des Versicherten der Klägerin sei und
diese Forderung im Hinblick auf die von der Klägerin erbrachten Leistungen auf
die Klägerin gem. § 116 SGB X übergegangen sei. Sollet der Beklagte die
Forderung zurückverlangen, würde auch bei der Klägerin ein Vermögensschaden in
dieser Höhe eintreten.
Allerdings fehle
es der Klägerin hier an einem Feststellungsinteresse gegenüber dem Beklagten,
welches bei der negativen Feststellungsklage (wie hier) erfordere, dass sich
der Beklagte der entsprechenden (Rück-) Forderung berühmen würde (diese also
für sich beanspruche). Fehle es daran
sei die negative Feststellungsklage unzulässig. Vorliegend aber habe die
Klägerin selbst nicht geltend gemacht, dass der Beklagte sich der Forderung
berühmen würde, vielmehr vorgetragen, dass sie befürchte, dessen
Haftpflichtversicherung könne die Zahlung zurückfordern.
2. Nur dann, wenn
die Zahlung keine Erfüllung bewirke, käme ein rechtlich anerkanntes Interesse
iSv. § 256 Abs. 1 ZPO an der begehrten Feststellung der Nichtberechtigung zur
Rückforderung in Betracht, da damit klargestellt würde, ob der von ihr geltend
gemachte Anspruch durch Erfüllung erloschen sei.
Der erklärte
Vorbehalt würde hier der Erfüllungswirkung nicht entgegenstehen. Zu
unterscheiden sei:
Wolle der
Schuldner lediglich dem Verständnis seiner Leistung als Anerkenntnis (§ 212
Abs. 1 Nr. 1 BGB) entgegentreten und die Wirkung des § 814 BGB (keine
Rückforderung bei Zahlung in Kenntnis der Nichtschuld) ausschließen und sich
mithin die Möglichkeit der Rückforderung nach § 812 BGB offenhalten, so würde
dies der Erfüllung nicht entgegenstehen (BGH, Urteil vom 24.11.2006 - LwZR 6/06
-); der Gläubiger habe nur einen Anspruch auf Erfüllung, nicht auf ein
Anerkenntnis des Bestehens der Forderung.
Leiste der
Schuldner in der Weise unter Vorbehalt, dass den Leistungsempfänger in einem
späteren Rückforderungsrechtsstreit auch die Beweislast für das Bestehen des
Anspruchs treffen solle, läge keine Erfüllung vor. Dies ist vor allem
anzunehmen, wenn der Schuldner während eines Rechtsstreits zur Abwendung der
Zwangsvollstreckung zahle und den Prozess gleichwohl fortsetzt, ferner dann,
wenn er vorgerichtlich leistet, dies aber nur zur Abwendung eines empfindlichen
Übels oder unter der Voraussetzung leiste, dass die Forderung zu Recht bestünde
(BGH aaO). In diesen Fällen bestünde ein
rechtliches Interesse an der negativen Feststellungsklage (OLG Saarbrücken,
Urteil vom 19.08.2003 - 3 U 109/03 -).
Der erklärte
Vorbehalt sei nach §§ 133, 157 BGB auszulegen. Im Zweifel sei davon auszugehen,
dass ein erfüllungsgeeigneter Vorbehalt gewollt sei, da dieser den Gläubiger
auch zur Annahme der Leistung zwinge (Erman BGB, 16. Aufl. § 362 Rn. 13 mwN.).
Das Schreiben
der Haftpflichtversicherung des Beklagten führe zum Ergebnis, dass dieses der
ersten Fallgruppe unterfalle. Mit der Formulierung „ohne Anerkennung einer
Rechtspflicht“ würde klargestellt, dass die Zahlung kein Anerkenntnis, auf
welches die beklagte auch keinen Anspruch habe, darstelle. Gleiches gelte für
die Formulierung „dem Grunde und der Höhe nach“. Ersichtlich habe der
Haftpflichtversicherer die Anerkenntniswirkung des § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB sowie
den Rückforderungsausschluss gem. § 814 BGB vermeiden wollen, was zulässig sei.
Es könne aus der Formulierung nicht geschlossen werden, dass die Beweislast für
den Bestand der Forderung der Klägerin aufgebürdet bleiben sollte. Ausgeschlossen
würden im Falle einer Rückforderung nur die Einwendungen des Anerkenntnisses
und das Wissen des fehlenden Rechtsgrundes, während die Darlegungs- und
Beweislast im Hinblick auf den mangelnden Bestand der Forderung bei dem
Schuldner verbliebe. Damit würde es vorliegend am Feststellungsinteresse der
Klägerin ermangeln.
3. Weiterhin
setzte sich das OLG damit auseinander, ob ein Feststellungsinteresse dann
anzunehmen wäre, wenn man entgegen dem obigen Ergebnis eine Erfüllungswirkung
verneinen und deshalb ein Feststellungsinteresse insoweit bejahen würde. Auch
in diesem Fall würde ein Feststellungsinteresse der Beklagten hier nicht
bestehen können, da der Beklagte für einen Rückforderungsanspruch nicht
aktivlegitimiert wäre und deshalb ein Feststellungsurteil nicht geeignet sei,
eine Rechtsunsicherheit und Gefahr der Rückforderung zu beseitigen.
Der
Rückforderungsanspruch würde entgegen der von der Klägerin vertretenen
Rechtsansicht nicht dem Beklagten, sondern dessen Haftpflichtversicherer
zustehen, der die Zahlung aufgrund des Versicherungsverhältnisses mit dem
Beklagten an die Klägerin erbracht habe. Es handele sich vorliegend nicht um
die Leistung des Beklagten mittels der Haftpflichtversicherung als Dritter (wie
in den Anweisungsfällen), sondern um die Zahlung der Haftpflichtversicherung an
den Gläubiger des Versicherungsnehmers als Dritte gem. § 267 BGB. In dieser
Konstellation stünde der Haftpflichtversicherung als leistende Dritte der
Kondiktionsanspruch zu. Leiste der Haftpflichtversicherer die Entschädigung an
den Gläubiger seines Versicherungsnehmers, um dessen Verpflichtung zu erfüllen,
könne er seine Leistung auch bei dem Gläubiger kondizieren, wenn diesem in
Wahrheit kein Anspruch zustünde (BGH, Urteil vom 28.11.1990 - XII ZR 130/89 -;
BGH, Urteil vom 29.02.2000 - VI ZR 47/99 -).
Es sei davon
auszugehen, dass - wie regelmäßig - der Beklagte als Versicherungsnehmer den Versicherungsfall
seiner Haftpflichtversicherung gemeldet hab, damit diese etwaige berechtigte
Ansprüche des Verletzten aufgrund Versicherungsvertrages für ihn erfüllt (Anm.:
Nach den Versicherungsbedingungen obliegt regelmäßig dem Haftpflichtversicherer
die Erfüllung berechtigter bzw. die
Abwehr nichtberechtigter Forderungen auf eigene Kosten). In der Schadensanzeige
läge keine Anweisung, nicht einmal im weitesten Sinne eine Weisung, die dem
Versicherungsnehmer auch nicht zustünde und an die auch der Versicherer nicht
zu befolgen bräuchte. Der Versicherer prüfe neben dem Deckungsverhältnis (also
Anspruch des Versicherungsnehmers aus einem Versicherungsvertrag gegen ihn)
auch die Berechtigung des gegen den Versicherungsnehmer geltend gemachten
Anspruch. Erst bei positiver Feststellung eines Anspruchs des Gläubigers
erfolge Zahlung auf die Schuld des Versicherungsnehmers (BGH, Urteil vom
28.11.1990 - XII ZR 130/89 -).
Gläubiger eines
Rückforderungsanspruchs, dessen Nichtbestehen die Klägerin festgestellt wissen
will, wäre mithin die Haftpflichtversicherung und nicht der Beklagte. Damit sei
die Klage gegen den Beklagten (auch) unbegründet.
4. Bei der Frage
der Anspruchsinhaberschaft handele es sich um eine sog. doppelrelevante
Tatsache, dessen Fehlen sowohl die Zulässigkeit in Form des
Feststellungsinteresses als auch die Begründetheit der Feststellungsklage betreffe.
Die doppelrelevante Tatsache müsse schlüssig vorgetragen werden, mithin das
Vorbringen in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sein, die gewünschte
Rechtsfolge herbeizuführen. Der Vortrag der Klägerin, der Beklagte sei aufgrund
der Zahlung seines Haftpflichtversicherers Inhaber eines etwaigen
Rückforderungsanspruchs und deshalb ein Feststellungsinteresse am Nichtbestehen
eines Rückforderungsanspruch bestünde, sei aber unschlüssig. Die
doppelrelevante Tatsache sei aber nicht nur zur Begründetheit sondern auch zur
Zulässigkeit relevant.
Das
Feststellungsinteresse fehle, da das angestrebte Urteil nicht geeignet sei, die
Gefahr einer Rückforderung und die Unsicherheit der Rechtsposition der Klägerin
zu beseitigen, da der Beklagte nicht Inhaber eines etwaigen Rückforderungsanspruchs
sei (s.o. 2.). Mit einem Urteil könne nur festgestellt werden, dass nicht der
Beklagte zur Rückforderung berechtigt sei, was aber keine Auswirkungen auf das
Verhältnis der Klägerin zu der Haftpflichtversicherung habe, da die Rechtskraft
des Urteils nur zwischen den Parteien des Rechtsstreits (inter pares) wirke. Da
damit mit der begehrten Feststellung die Rechtsunsicherheit nicht beseitigt
werden könne, fehle es an dem Feststellungsinteresse und damit zur Zulässigkeit
der Feststellungsklage.
OLG
Frankfurt, Urteil vom 24.02.2023 - 4 U 155/22 -