Die klagende Rentnerin nahm im Streitjahr Leistungen einer Gesellschaft für ein Hausnotrufsystem in Anspruch; sie hatte ein Standardpaket mit Gerätebereitstellung und 24 Stunden Servicezentrale für € 288,00/Jahr gebucht. Nicht gebucht hatte sie u.a. den Sofort-Helfer-Einsatz an ihrer Wohnanschrift sowie die Pflege- und Grundversorgung. Im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung begehrte die Klägerin in Ansehung der gezahlten € 288,00 eine Steuermäßigung gem. . § 35a Abs. 1 S. 1 Alt. 2 EStG, die versagt wurde. Ebenso wurde der Einspruch der Klägerin vom Finanzamt (FA) zurückgewiesen. Die dagegen vor dem Finanzgericht erhobene Klage war erfolgreich, dich wurde dessen Urteil auf die Revision des FA aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Der Begriff „haushaltsnahe Dienstleistung“ sei im Gesetz nicht näher bestimmt, doch müsse, so der BFH, nach seiner ständigen Rechtsprechung eine hinreichende Näher zur Haushaltsführung vorliegen bzw. die Dienstleistung damit im Zusammenhang stehen. Es würde sich um hauswirtschaftliche Verrichtungen handeln, die gewöhnlich von Haushaltsmitgliedern oder entsprechend Beschäftigten erbracht und in regelmäßigen Abständen anfallen würden. Nach dem räumlich-funktionalen Haushaltsbegriff könne danach auch die Inanspruchnahme von Diensten jenseits der Grundstücksgrenze auf fremden Grund (z.B. Schneebeseitigung auf dem Bürgersteig) als haushaltsnahe Dienstleistung begünstigt sein.
Nicht begünstigt seien Leistungen die zwar für den Haushalt aber außerhalb des Haushalts erbracht würden. Zur Abgrenzung sei nicht erheblich, wo der Leistungserfolgt eintrete, ebensowenig könne auf den Leistungsort abgestellt werden.
Danach scheide hier eine Steuerermäßigung aus. Zwar läge den Aufwendungen eine haushaltsnahe Dienstleistung zugrunde. Das Hautnotrufsystem würde sicherstellen, dass die Klägerin, hält sie sich in ihrem Haushalt auf, im Bedarfsfall Hilfe rufen könne. Typischerweise würde eine solche Rufbereitschaft ansonsten von Haushaltsangehörigen ausgeübt. Allerdings wurde die Dienstleistung nicht im Haushalt der Klägerin erbracht.
Die Klägerin zahle nicht nur für die Bereitstellung der Technik, sondern im Wesentlichen für die Bereitstellung des Personals, welches die eingehenden Alarme bearbeite und Bezugspersonen verständige. Die Leistungen würden nicht in der Wohnung und damit nicht im Haushalt erbracht und es würde auch bei dem reinen Hausnotrufsystem (wie hier gebucht) keine Direkthilfe (Sofort-Helfer-Einsatz) erbracht, sondern ggf. als eigenständiger Leistung Dritter vermittelt. Da die Leistung nicht im Bereich des Haushalts erfolgt sei (anders als in dem Sachverhalt zu dem Urteil des BFH vom 03.09.2015 - VI R 18/14 -, in dem im Bereich Betreutes Wohnen beschäftigte Pfleger einen Piepser bei sich gehabt hätten, der den Notfall sofort an sie weitergeleitet habe und die auch Notfall-Soforthilfe geschuldet hätten), käme die Steuerermäßigung nicht in Betracht.
BFH, Urteil vom 15.02.2023
- VI R 7/21 -
Aus den Gründen:
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das
Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 14.10.2020 - 2 K 323/20 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
I.
Die Klägerin
und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine im Jahr 1933 geborene Rentnerin. Im
Streitjahr (2018) nahm sie Leistungen der ... GmbH für ein Hausnotrufsystem in
Anspruch und zahlte dafür 288 €. Dabei buchte sie das Paket Standard mit
Gerätebereitstellung und 24-Stunden-Servicezentrale. Nicht gebucht hatte sie
u.a. den Sofort-Helfer-Einsatz an ihrer Wohnadresse sowie die Pflege- und
Grundversorgung.
Die
Einkommensteuer für das Streitjahr setzte der Beklagte und Revisionskläger
(Finanzamt --FA--) erklärungsgemäß fest. Die Klägerin legte Einspruch ein und
beantragte für ihre Aufwendungen für das Hausnotrufsystem eine Steuerermäßigung
nach § 35a Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Der Einspruch
blieb erfolglos.
Das
Finanzgericht (FG) gab der daraufhin erhobenen Klage mit den in Entscheidungen
der Finanzgerichte (EFG) 2021, 217 veröffentlichten Gründen statt.
Mit der
Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
Es beantragt,
das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision
des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur
Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung --FGO--). Eine Steuerermäßigung nach § 35a EStG
kommt in Bezug auf die Aufwendungen der Klägerin für das Hausnotrufsystem nicht
in Betracht.
1. Nach
§ 35a Abs. 2 Satz 1 Alternative 2 EStG ermäßigt sich die
tarifliche Einkommensteuer, vermindert um die sonstigen Steuerermäßigungen, auf
Antrag um 20 %, höchstens 4.000 €, der Aufwendungen des
Steuerpflichtigen für die Inanspruchnahme von haushaltsnahen Dienstleistungen,
die nicht Dienstleistungen nach § 35a Abs. 3 EStG sind. Gemäß
§ 35a Abs. 4 Satz 1 EStG muss die Dienstleistung in einem in der
Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum liegenden Haushalt des
Steuerpflichtigen erbracht werden.
a) Der
Begriff "haushaltsnahe Dienstleistung" ist gesetzlich nicht näher
bestimmt. Nach der Rechtsprechung des Senats müssen die Leistungen eine
hinreichende Nähe zur Haushaltsführung aufweisen bzw. damit im Zusammenhang
stehen. Dazu gehören hauswirtschaftliche Verrichtungen, die gewöhnlich durch
Mitglieder des privaten Haushalts oder entsprechend Beschäftigte erledigt
werden und in regelmäßigen Abständen anfallen (Senatsurteile vom
13.07.2011 - VI R 61/10, BFHE 234, 391, BStBl II 2012, 232,
Rz 9, und vom 13.05.2020 - VI R 4/18, BFHE 269, 272, BStBl
II 2021, 669, Rz 17).
b) Dabei
kann nach dem räumlich-funktionalen Haushaltsbegriff des erkennenden Senats
(hierzu Senatsurteil vom 21.02.2018 - VI R 18/16, BFHE 261, 42,
BStBl II 2018, 641, Rz 14 f., für Handwerkerleistungen) auch die
Inanspruchnahme von Diensten, die jenseits der Grundstücksgrenze auf fremdem,
beispielsweise öffentlichem Grund geleistet werden, als haushaltsnahe
Dienstleistung nach § 35a Abs. 2 Satz 1 EStG begünstigt sein. Es
muss sich hierbei allerdings auch insoweit um Tätigkeiten handeln, die
ansonsten üblicherweise von Familienmitgliedern erbracht und in unmittelbarem
räumlichen Zusammenhang zum Haushalt durchgeführt werden und dem Haushalt
dienen (Senatsurteil in BFHE 269, 272, BStBl II 2021, 669, Rz 18).
aa) Nach
dem eindeutigen Wortlaut des § 35a Abs. 4 Satz 1 EStG sind
Leistungen, die außerhalb des Haushalts erbracht werden, nicht begünstigt, auch
wenn sie für den Haushalt erbracht werden. Insoweit kommt es auf die
tatsächliche Erbringung der Leistung an (Senatsurteil in BFHE 269, 272, BStBl
II 2021, 669, Rz 26).
bb) Ob
der Leistungserfolg im Haushalt erzielt wird, ist daher grundsätzlich
unerheblich; auf den zivilrechtlichen Leistungsort kommt es insoweit deshalb
ebenfalls nicht an. Ein bloßes Abstellen auf den Leistungserfolg würde zu einer
rein funktionalen Betrachtungsweise führen, die vom Wortlaut des Gesetzes nicht
mehr gedeckt ist und auch nicht dem räumlich-funktionalen Verständnis des
erkennenden Senats entspricht. Die räumlich-funktionale Verbindung zum Haushalt
kann nicht allein dadurch begründet werden, dass sich die Leistung auf einen
Haushaltsgegenstand bezieht (s. Senatsurteil in BFHE 269, 272, BStBl II 2021,
669, Rz 27, für Handwerkerleistungen).
2. Bei
Anwendung dieser Rechtsgrundsätze kommt eine Steuerermäßigung nach § 35a
EStG für die von der Klägerin getragenen Aufwendungen für das Hausnotrufsystem
vorliegend nicht in Betracht.
a) Zwar
liegt den Aufwendungen für das Hausnotrufsystem eine haushaltsnahe
Dienstleistung zugrunde. Wie auch im vom Senat mit Urteil vom 03.09.2015 -
VI R 18/14 (BFHE 251, 435, BStBl II 2016, 272) entschiedenen Fall
wird durch das Hausnotrufsystem sichergestellt, dass die Klägerin, wenn sie
sich im räumlichen Bereich ihres Haushalts aufhält, im Bedarfsfall Hilfe rufen
kann. Eine solche Rufbereitschaft leisten typischerweise in einer
Haushaltsgemeinschaft zusammenlebende Familien- oder sonstige
Haushaltsangehörige (Senatsurteil in BFHE 251, 435, BStBl II 2016, 272,
Rz 16). Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig.
b) Die
Dienstleistung wird entgegen der Ansicht der Klägerin und anders als in dem der
Entscheidung in BFHE 251, 435, BStBl II 2016, 272 zugrunde liegenden
Sachverhalt jedoch nicht im Haushalt der Klägerin erbracht.
Vorliegend
zahlt die Klägerin nicht nur für die Bereitstellung der erforderlichen Technik,
mittels derer der Kontakt zu der Einsatzzentrale ausgelöst wird, sondern im
Wesentlichen für das Bereithalten des Personals für die Entgegennahme eines
eventuellen Notrufs (die Rufbereitschaft) und --je nach Situation--
anschließender Kontaktierung von Angehörigen, Nachbarn, eines vorhandenen
Bereitschaftsdienstes, des Hausarztes, Pflege- oder Rettungsdienstes. Die
wesentliche Dienstleistung ist mithin die Bearbeitung von eingehenden Alarmen
und die Verständigung von Bezugspersonen, des Hausarztes, Pflegedienstes etc.
per Telefon und nicht --wie das FG meint-- das Rufen des Notdienstes durch die
Klägerin selbst.
Wie das FA zu
Recht ausführt, wird diese maßgebende Dienstleistung nicht in der Wohnung des
Steuerpflichtigen und damit nicht in dessen Haushalt erbracht (ebenso
Schmidt/Krüger, EStG, 41. Aufl., § 35a Rz 21; Wackerbeck, EFG
2021, 219; Geserich, Der Betrieb 2017, 152, 154; s.a. FG Berlin-Brandenburg,
Urteil vom 13.09.2017 - 7 K 7128/17, EFG 2018, 40, und FG
Hamburg, Urteil vom 20.01.2009 - 3 K 245/08, jeweils zu
auswärtig untergebrachten Notrufzentralen in Form von
Alarmüberwachungsleistungen, sowie Schreiben des Bundesministeriums der
Finanzen vom 09.11.2016 - IV C 8-S 2296-b/07/10003:008,
BStBl I 2016, 1213, Rz 11).
Bei einem
reinen Hausnotrufsystem im privaten Haushalt --wie im Streitfall-- wird auch
keine unmittelbare Direkthilfe in Form eines Sofort-Helfer-Einsatzes in der
Wohnung des Steuerpflichtigen geschuldet, sondern ggf. als eigenständige
Leistung Dritter vermittelt. Insoweit unterscheidet sich der Sachverhalt von
demjenigen, der der Entscheidung in BFHE 251, 435, BStBl II 2016, 272 zugrunde
lag. Dort hatten die im Bereich des Betreuten Wohnens beschäftigten Pfleger
jeweils einen sog. Piepser bei sich, der den Notruf sofort an sie
weiterleitete. Geschuldet war dort entsprechend auch die Notfall-Soforthilfe im
Haushalt durch das auf diese Weise verständigte Pflegepersonal.
c)
Mangels Leistungserbringung im Haushalt scheidet auch eine Steuerermäßigung für
in Anspruch genommene Pflege- und Betreuungsleistung i.S. des § 35a
Abs. 2 Satz 2 Alternative 1 EStG aus.
3. Die
Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
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