Wann sind Schneefanggitter an Dächern oder sonstige Sicherungsmaßnahmen gegen die Gefahr einer Schneeabgangs (Dachlawine) erforderlich ? Mit dieser Frage musste sich das OLG Hamm in Bezug auf eine Dachlawine in Essen (Nordrhein-Westfalen) auseinandersetzen.
Das Landgericht hatte den Schadensersatzanspruch des Klägers abgelehnt, mit dem dieser einen Schaden an seinem Pkw geltend machte, der durch eine Schneelawine, die vom Dach des Hauses der Beklagten stammte, beschädigt wurde. Er vertrat (auch im Berufungsverfahren) die Rechtsauffassung, die Beklagten hätten Schneefanggitter anbringen müssen. Auch das Berufungsgericht folget ihm nicht und wies ihn mit dem hier besprochenen Beschluss darauf hin, dass es beabsichtige die Berufung mangels Erfolgsaussichten derselben im beschlussweg zurückwiesen zu wollen (§ 522 ZP). Dies geschah dann mit Beschluss vom 14.03.2023.
Der Kläger vertrag die Ansicht, in Ansehung des unberechenbaren Wetters durch den Klimawandel bestünde die Verpflichtung zum Anbringen von Schneefanggittern. Zu Recht habe das Landgericht darauf abgestellt, dass Essen zu den schneearmen Gegenden Deutschlands zähle, in denen nicht regelmäßig mit Dachlawinen zu rechnen sei und daher die Anbringung von Schneefanggittern „eher unüblich“ sei. Zwar könnte der klägerseits benannten Klimawandel vermehrt lokal zu extremen Wettergeschehen führen, doch haben der der Kläger weder dargelegt noch sei ersichtlich, dass der Klimawandel gerade in Essen zu einer signifikanten Zunahme von Schneefällen geführt hätte, dass deswegen nunmehr auch in Essen regelmäßig mit in den Wintermonaten wiederholt mit Dachlawinen zu rechnen sei. Auch sei vom Kläger nicht dargelegt worden, dass gerade in Bezug auf das Haus der Beklagten die Beschaffenheit des Daches oder Lage eine erhöhte Gefahr für Dachlawinen bestünde.
Das OLG hatte damit zur Frage der Anbringung von Schneefanggittern zur Vermeidung des Abgangs von Dachlawinen primär auf die Region abgestellt und darauf, ob mit solchen in Ansehung des üblichen Schneeaufkommens zu rechnen sei; vereinzelte mögliche „Wetterkapriolen“, die es im Hinblick auf den Klimawandel gibt, sah das OLG erkennbar nicht als ausreichend an, eine Gefährdungslage anzunehmen, die das Anbringen von Schneefanggittern gebietet.
Da das Dach des Hauses der Beklagten und aller Dächer im Ruhrgebiet mit Schnee bedeckt war, stellte der Kläger weiter darauf ab, hätte der Kläger zu seiner Auffassung, die Beklagten hätte einen Dritten mit der Räumung beauftragen müssen (eine Räumung durch die Beklagten selbst sei für diese zu gefährlich), darlegen müssen, dass die Beauftragung eines Dritten mit einer zeitnahen Räumung möglich gewesen wäre. Eines Beweisantrags der Beklagten für die Unmöglichkeit hätte es nicht bedurft. Zudem sei den Beklagten in Ansehung des notwendigen Aufbaus eines Gerüsts bzw. dem Einsatz eines Hubsteigers der Einsatz eines Dritten nicht zumutbar gewesen (OLG Hamm, Beschluss vom 14.08.2012 - I-9 U 119/12 -). Nur wenn die Beklagten eine besonders hohe Gefahr für einen Schneeabgang festgestellt rechtzeitig vor dem Unfall festgestellt hätten (was hier nicht ersichtlich sei), wäre eine solche Maßnahme geboten gewesen. Allgemeine Warnhinweise auf wetter.de, andere Städte betreffenden Publikationen u.a. in den Ruhr-Nachrichten würden nicht ausreichen. Hier stellte das OLG mithin auf die konkreten, für die Beklagten feststellbaren Umstände an ihrem Haus und den Zeitfaktor ab.
Letztlich könne sich der Kläger auch nicht erfolgreich darauf berufen, dass keine Absperrung erfolgt sei und auch keine Warnhinweise aufgestellt worden seien. Die Absperrung habe nur für das Haus erfolgen können; der beschädigte Pkw stand aber auf der öffentlichen Straße. Hier aber habe auch keine Verpflichtung zur Aufstellung von Warnhinweisen bestanden. Entsprechende Vorsorgemaßnahmen durch Warnhinweise seien im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht nur geboten, wenn die Gefahrenquelle trotz Anwendung der von Verkehrsteilnehmern zu erwartenden eigenen Sorgfalt nicht rechtzeitig erkannt werden könnten (OLG Hamm, Beschluss vom 14.08.2012 aaO.). Der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs hätte bei der gebotenen Sorgfalt selbst die Neigung des Daches und dessen Schneebedecktheit und damit die latente Gefahr einen Dachlawinenabgangs feststellen können; bei derartigen Wetterverhältnissen, wie sie herrschten, müsse grundsätzlich jeder mit der Möglichkeit rechnen, dass von den Dächern Schnee oder Eis herabstürzen könne (OLG Hamm, Beschluss vom 14.08.2012 aaO. mwN.).
OLG Hamm, Hinweisbeschluss
vom 01.02.2023 - 11 U 67/22 -
Aus den Gründen:
Tenor
I. Der Senat weist darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das am 29.04.2022 verkündete Urteil des Einzelrichters der 12. Zivilkammer des Landgerichts Essen durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.
II. Dem Kläger wird Gelegenheit gegeben, binnen zwei Wochen nach Zugang dieses Beschlusses zu dem Hinweis Stellung zu nehmen oder mitzuteilen, ob die Berufung aus Kostengründen zurückgenommen wird.
Gründe
Die Berufung des
Klägers ist zulässig, hat aber nach einstimmiger Überzeugung des Senats in der
Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2
S. 1 Nr. 1 ZPO). Die Rechtssache hat zudem weder grundsätzliche
Bedeutung (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO), noch erfordert die
Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung
eine Entscheidung des Senats (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO);
auch eine mündliche Verhandlung vor dem Senat ist nicht geboten (§ 522
Abs. 2 S. 1. Nr. 4 ZPO).
Die mit der Berufung
gegen das angefochtene Urteil erhobenen Einwände tragen weder im Sinne des
§ 513 Abs. 1 ZPO die Feststellung, dass die Entscheidung auf einer
Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO), noch, dass nach § 529 ZPO
zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.
Das Landgericht
hat die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Dem Kläger steht der geltend
gemachte Schadensersatzanspruch weder aus § 836 Abs. 1 BGB, noch aus
§ 823 Abs. 1 oder Abs. 2 BGB zur. Insoweit wird zunächst zur Vermeidung
unnötiger Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts
unter Ziffer I. bis III. der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils,
denen sich der Senat nach eigener Prüfung ausdrücklich anschließt, Bezug
gekommen. Die vom Kläger mit der Berufung erhobenen Einwände sind nicht dazu
geeignet, die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung in Frage zu
stellen und der Klage zum Erfolg zu verhelfen.
Der
Berufungseinwand des Klägers, dass das Wetter aufgrund des Klimawandels unberechenbar
sei, ist nicht dazu geeignet, eine Verpflichtung der Beklagten zur Anbringung
von Schneefanggittern zu begründen. Das Landgericht ist bei seiner Entscheidung
erkennbar und zu Recht davon ausgegangen, dass die Beklagte deshalb nicht zur
Anbringung von Schneegittern verpflichtet gewesen ist, weil Essen zu den
schneearmen Gegenden in Deutschland gehört, in denen nicht regelmäßig mit
Dachlawinen zu rechnen und deshalb die Anbringung von Schneegittern eher
unüblich ist. Der vom Kläger angeführte Klimawandel mag zwar dazu führen, dass
es vermehrt lokal zu extremen Wettergeschehen kommt. Es ist jedoch weder vom
Kläger dargelegt worden, noch sonst ersichtlich, dass der Klimawandel in den
letzten Jahren oder Jahrzehnten gerade im Bereich von Essen zu einer
dermaßen signifikanten Zunahme anhaltender Schneefälle geführt hat, dass
deswegen nunmehr auch in Essen regelmäßig in den Wintermonaten wiederholt mit
Dachlawinen zu rechnen wäre. Auch sonst ist weder vom Kläger dargelegt worden,
noch sonst ersichtlich, dass gerade in Bezug auf das Haus der Beklagten etwa
wegen der konkreten Beschaffenheit seines Daches oder seiner Lage eine erhöhte
Gefahr für Dachlawinen bestanden hat, welche eine Anbringung von
Schneefanggittern erforderlich gemacht haben könnte.
Auch der
Berufungseinwand des Klägers, dass das Landgericht zu Unrecht spekulativ und
ohne Beweisantritt der Beklagten davon ausgegangen sei, dass der Beklagten
angesichts der Betroffenheit aller Dächer im Ruhrgebiet von dem Schneefall die
Beauftragung eines Dritten mit einer zeitnahen Räumung des Daches nicht möglich
gewesen sei, vermag der Klage nicht zum Erfolg zu verhelfen. Denn der Kläger
legt mit seiner Berufung schon nicht dar, weshalb die vorgenannte Einschätzung
des Landgerichts in der Sache unzutreffend gewesen sein soll. Es fehlt insoweit
an jeglichen konkreten Darlegungen des Klägers dazu, welche Firma bei
Beauftragung durch die Beklagte deren Hausdach noch vor dem
streitgegenständlichen Unfallereignis hätte räumen können. Unabhängig davon ist
der Beklagten aber auch eine Beauftragung von Fachkräften mit der vorsorglichen
Räumung ihres Hausdaches, die das Aufstellen eines Gerüstes oder den Einsatz
eines Hubsteigers erforderlich gemacht hätte, wegen des damit verbundenen
erheblichen Kostenaufwandes nicht zumutbar gewesen (OLG Hamm, Beschluss vom
14.08.2012, I-9 U 119/12 - Rz. 14 juris). Ein solcher erheblicher Kostenaufwand
wäre der Beklagten allenfalls dann zumutbar gewesen, wenn gerade hinsichtlich
ihres Hauses eine besondere hohe Gefahr eines Schneeabganges bestanden hätte
und die Beklagte dies noch vor dem streitgegenständlichen Unfallgeschehen hätte
erkennen können und müssen, wofür es indes an jeglichen tragfähigen
Anhaltspunkten fehlt. Allein die vom Kläger angeführten allgemeinen
Warnhinweise bei Wetter.de und die andere Städte betreffenden Publikationen bei
Zeit-Online und den Ruhr-Nachrichten reichen hierfür nicht, zumal nach dem
unbestrittenen Vortrag der Beklagten es seit Jahrzehnten und auch in
schneereichen Jahren keinen derartigen Schneeabgang von ihrem Hausdach gegeben
hatte.
Soweit das
Landgericht ausgeführt hat, dass es der Beklagten wegen der damit verbundenen
Unfallgefahr nicht zumutbar gewesen sei, das Dach selbst zu räumen, wird
dies vom Kläger mit der Berufung ausdrücklich nicht angegriffen.
Fehl geht
schließlich auch der Berufungseinwand des Klägers, dass als milderes Mittel der
Gefahrenabwehr auch eine Absperrung zumindest des Gebäudes oder das Aufstellen
entsprechender Schilder in Betracht gekommen wäre. Ein Absperren des Gebäudes
selbst hätte den Unfall nicht verhindert, weil das Fahrzeug des Klägers auf der
vor dem Gebäude gelegenen öffentlichen Straße abgestellt war. Auf dieser war
die Beklagte jedoch nach den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts nicht
zu Absperrmaßnahmen berechtigt. Die Beklagte war auch nicht dazu verpflichtet,
die Autofahrer durch Anbringung von Warnhinweisen vorsorglich auf die Gefahr
eines Dachlawinenabgangs hinzuweisen. Vorsorgemaßnahmen im Rahmen der
Verkehrssicherungspflicht sind nur dann geboten, wenn die Gefahrenquelle trotz
Anwendung der von den Verkehrsteilnehmern zu erwartenden eigenen Sorgfalt nicht
rechtzeitig erkennbar ist (OLG Hamm, Beschluss vom 14.08.2012, I-9 U 119/12 -
Rz. 14 juris). Dies war vorliegend nicht der Fall. Nach den mit der Berufung
nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts hätte der Fahrer des
klägerischen Fahrzeuges bei entsprechender Überprüfung selbst die Neigung und
Schneebedecktheit des Daches der Beklagten sowie die damit einhergehende
latente Gefahr ein Dachlawinenabgangs erkennen und sein Verhalten darauf
einstellen können. Abgesehen davon kann dem Fahrer des klägerischen Fahrzeugs
aber auch schon vorher bei seiner Fahrt durch Essen schlechterdings entgangen
sein, dass es in Essen zu erheblichen Schneefällen gekommen war. Bei derartigen
Wetterverhältnissen muss aber grundsätzlich jeder mit der Möglichkeit zu
rechnen, dass von Dächern Schnee oder Eis herabstürzen kann (OLG Hamm, a.a.O.
mit weiteren Nachweisen).
Damit erweist
sich aber die Berufung des Klägers insgesamt als offensichtlich unbegründet.
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