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Mittwoch, 5. Juli 2023

Schneefanggitter und sonstige Sicherungen vor Dachlawinen in schneearmen Orten (hier: Essen)

Wann sind Schneefanggitter an Dächern oder sonstige Sicherungsmaßnahmen gegen die Gefahr einer Schneeabgangs (Dachlawine) erforderlich ? Mit dieser Frage musste sich das OLG Hamm in Bezug auf eine Dachlawine in Essen (Nordrhein-Westfalen) auseinandersetzen.

Das Landgericht hatte den Schadensersatzanspruch des Klägers abgelehnt, mit dem dieser einen Schaden an seinem Pkw geltend machte, der durch eine Schneelawine, die vom Dach des Hauses der Beklagten stammte, beschädigt wurde. Er vertrat (auch im Berufungsverfahren) die Rechtsauffassung, die Beklagten hätten Schneefanggitter anbringen müssen.  Auch das Berufungsgericht folget ihm nicht und wies ihn mit dem hier besprochenen Beschluss darauf hin, dass es beabsichtige die Berufung mangels Erfolgsaussichten derselben im beschlussweg zurückwiesen zu wollen (§ 522 ZP). Dies geschah dann mit Beschluss vom 14.03.2023.

Der Kläger vertrag die Ansicht, in Ansehung des unberechenbaren Wetters durch den Klimawandel bestünde die Verpflichtung zum Anbringen von Schneefanggittern. Zu Recht habe das Landgericht darauf abgestellt, dass Essen zu den schneearmen Gegenden Deutschlands zähle, in denen nicht regelmäßig mit Dachlawinen zu rechnen sei und daher die Anbringung von Schneefanggittern „eher unüblich“ sei. Zwar könnte der klägerseits benannten Klimawandel vermehrt lokal zu extremen Wettergeschehen führen, doch haben der der Kläger weder dargelegt noch sei ersichtlich, dass der Klimawandel gerade in Essen zu einer signifikanten Zunahme von Schneefällen geführt hätte, dass deswegen nunmehr auch in Essen regelmäßig mit in den Wintermonaten wiederholt mit Dachlawinen zu rechnen sei. Auch sei vom Kläger nicht dargelegt worden, dass gerade in Bezug auf das Haus der Beklagten die Beschaffenheit des Daches oder Lage eine erhöhte Gefahr für Dachlawinen bestünde.

Das OLG hatte damit zur Frage der Anbringung von Schneefanggittern zur Vermeidung des Abgangs von Dachlawinen primär auf die Region abgestellt und darauf, ob mit solchen in Ansehung des üblichen Schneeaufkommens zu rechnen sei; vereinzelte mögliche „Wetterkapriolen“, die es im Hinblick auf den Klimawandel gibt, sah das OLG erkennbar nicht als ausreichend an, eine Gefährdungslage anzunehmen, die das Anbringen von Schneefanggittern gebietet.

Da das Dach des Hauses der Beklagten und aller Dächer im Ruhrgebiet mit Schnee bedeckt war, stellte der Kläger weiter darauf ab, hätte der Kläger zu seiner Auffassung, die Beklagten hätte einen Dritten mit der Räumung beauftragen müssen (eine Räumung durch die Beklagten selbst sei für diese zu gefährlich), darlegen müssen, dass die Beauftragung eines Dritten mit einer zeitnahen Räumung möglich gewesen wäre. Eines Beweisantrags der Beklagten für die Unmöglichkeit hätte es nicht bedurft. Zudem sei den Beklagten in Ansehung des notwendigen Aufbaus eines Gerüsts bzw. dem Einsatz eines Hubsteigers der Einsatz eines Dritten nicht zumutbar gewesen (OLG Hamm,  Beschluss vom 14.08.2012 - I-9 U 119/12 -). Nur wenn die Beklagten eine besonders hohe Gefahr für einen Schneeabgang festgestellt rechtzeitig vor dem Unfall festgestellt hätten (was hier nicht ersichtlich sei), wäre eine solche Maßnahme geboten gewesen. Allgemeine Warnhinweise auf wetter.de, andere Städte betreffenden Publikationen u.a. in den Ruhr-Nachrichten würden nicht ausreichen. Hier stellte das OLG mithin auf die konkreten, für die Beklagten feststellbaren Umstände an ihrem Haus und den Zeitfaktor ab.

Letztlich könne sich der Kläger auch nicht erfolgreich darauf berufen, dass keine Absperrung erfolgt sei und auch keine Warnhinweise aufgestellt worden seien. Die Absperrung habe nur für das Haus erfolgen können; der beschädigte Pkw stand aber auf der öffentlichen Straße. Hier aber habe auch keine Verpflichtung zur Aufstellung von Warnhinweisen bestanden. Entsprechende Vorsorgemaßnahmen durch Warnhinweise seien im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht nur geboten, wenn die Gefahrenquelle trotz Anwendung der von Verkehrsteilnehmern zu erwartenden eigenen Sorgfalt nicht rechtzeitig erkannt werden könnten (OLG Hamm, Beschluss vom 14.08.2012 aaO.). Der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs hätte bei der gebotenen Sorgfalt selbst die Neigung des Daches und dessen Schneebedecktheit und damit die latente Gefahr einen Dachlawinenabgangs feststellen können; bei derartigen Wetterverhältnissen, wie sie herrschten, müsse grundsätzlich jeder mit der Möglichkeit rechnen, dass von den Dächern Schnee oder Eis herabstürzen könne (OLG Hamm, Beschluss vom 14.08.2012 aaO. mwN.).

OLG Hamm, Hinweisbeschluss vom 01.02.2023 - 11 U 67/22 -

Donnerstag, 29. September 2016

Haftung des Vermieters bei Abgang einer Dachlawine auf Wagen des Mieters ?

Nach der Behauptung der Klägerin hatte sie ihr Fahrzeug auf einem vor dem Haus befindlichen, zum Grundstück des Beklagten zugehörigen Streifen zwischen Haus und Straße abgestellt. Dies sei ihr im Zusammenhang mit einem von ihr mit dem Beklagten über ein Ladengeschäft in dem Haus  abgeschlossenen Mietvertrag erlaubt worden. Am 20.02.2015 soll tagsüber vom Dach des Hauses eine Dachlawine auf das dort abgestellte Fahrzeug der Klägerin abgegangen sein und einen Schaden am Fahrzeug verursacht haben. Sie meint, sie habe gegen den beklagten einen Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der diesem obliegenden Verkehrssicherungspflicht. Der Beklagte verteidigte sich u.a. damit, er habe die Klägerin aufgefordert, während der Schneezeit wegen der Gefahr von Dachlawinen dort nicht abzustellen und habe auch verschiedentlich Absperrseile gespannt, die immer wieder entfernt worden wären. Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht liege (daher) nicht vor.

Das Amtsgericht negierte zunächst eine Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht des Beklagten aus Mietvertrag, da unstreitig der fragliche Bereich nicht an die Klägerin vermietet wurde.

Aber auch eine Anspruch nach § 823 BGB aus Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht für das Dach des Gebäudes sowie dem unterhalb desselben befindlichen Parkplatz bestünde nicht.  Nach dem vom BGH aufgestellten Grundsatz müsse sich jedermann selbst vor Dachlawinen schützen (BGH VersR 1955, 300). Sicherungspflichten kämen nur in Betracht, wenn sie nach den örtlichen Gepflogenheiten (zu ergänzen wäre hier: nach Baurecht), der allgemeinen Schneelage des Ortes, der Beschaffenheit und Lage des Gebäudes und der Art und des Umfangs des gefährdeten Verkehrs erforderlich wären (LG Ulm BZV 2006, 589).  Es käme auf die Umstände des Einzelfalls an, wobei für schneereiche Gebiete gelte, dass die Verkehrsbeteiligten , die ohnehin mit dem Abgang von Schneemassen von Dächern vertraut wären, keiner besonderen Warnung bedürften (LG Ulm aaO. mwN.). Nach der Beweisaufnahme stünde im übrigen fest, dass der Beklagte die Klägerin nicht nur gewarnt habe, sondern auch versucht habe, den Bereich durch Absperrbänder zu sperren.

Damit aber habe der Beklagte seiner Verkehrssicherungspflicht genüge getan. Schneefanggitter seien im fraglichen Ortsbereich nicht vorgeschrieben. Es komme im Winter im örtlichen Raum häufiger zu Dachlawinen, weshalb die Klägerin mit diesem Phänomen vertraut sein müsse. Auch wenn am fraglichen Tag ein Absperrband nicht vorhanden gewesen sein sollte, hatte die Klägerin die Warnungen missachtet und damit in eigener Verantwortung ihr Fahrzeug im fraglichen Bereich abgestellt.


AG Landsberg am Lech, Urteil vom 07.07.2016 – 2 C 37/16 –