Kann der
Schuldner seine Zahlungsverpflichtung erfüllen, wenn er seine Leistung unter
einem Vorbehalt erbringt ? Nur um diese Frage ging es noch im Berufungsverfahren:
Die Haftpflichtversicherung des Beklagten hatte im Zusammenhang mit einer
Schadensersatzforderung der Klägerin an diese € 19.187,08 gezahlt und dabei im
Abrechnungsschreiben ausgeführt, dass die Zahlung „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“
und „ohne Prädjudiz dem Grunde und der Höhe nach“ erfolge. Die Klägerin meinte,
dies stelle keine ordnungsgemäße Erfüllung dar und beantragte in dem
Schadenersatzprozess gegen den Versicherungsnehmer als Beklagten die
Feststellung, dass dieser keinen Rückforderungsanspruch habe. Das Landgericht
hatte die Klage als unbegründet abgewiesen. Das Oberlandesgericht (OLG) folgte
dem im Ergebnis, negierte allerdings bereits ein Feststellungsinteresse der Klägerin
iSv. § 256 ZPO.
Richtig sei
im Grundsatz, dass infolge des von der Klägerin gegen den beklagten Versicherungsnehmer
geltend gemachten Schadensersatzanspruchs ein Rechtsverhältnis zwischen dem
Beklagten und der Klägerin (hier infolge des gesetzlichen Forderungsübergangs
nach § 116 SGB X) bestünde. Würde mithin der beklagte den von seinem Versicherer
gezahlten Betrag von der Klägerin zurückfordern, würde dieser ein
Vermögensschaden drohen. Allerdings habe
der Beklagte keinen Rückzahlungsanspruch geltend gemacht. Für die hier erhobene
negative Feststellungsklage sei erforderlich, dass hier der Beklagte als Schuldner
eine entsprechende Bestandsbehauptung (“Berühmen“) der von der Klägerin
verneinte und gegen ihn gerichteten Ansprüche aufstellen würde. Fehle es daran
bei Klageerhebung oder entfalle dies im Laufe des Prozesses, sei bzw. würde die
negative Feststellungsklage unzulässig. Die Klägerin habe ein solches Berühmen
durch den Beklagten selbst nicht behauptet. Sie befürchte vielmehr eine
Rückforderung durch den Versicherer des Beklagten, der die Zahlung leistete. Ob
dies für ein „Berühmen“ ausreiche könne auf sich beruhen, da sich die negative
Feststellungsklage nicht gegen den Versicherer richte und etwaige Rückforderungsansprüche
auch nur dem Versicherer, nicht dem Beklagten zustehen würden.
Das
Feststellungsinteresse würde aber der Klägerin bereits deshalb fehlen, da die
auf die Klägerin übergegangenen, vom Versicherer gezahlten
Schadensersatzansprüche durch Erfüllung erloschen seien, § 362 BGB. Nur wenn
durch den erklärten Vorbehalt eine Erfüllung nicht eingetreten sei, würde ein rechtlich
anerkanntes Feststellungsinteresse an der Nichtberechtigung zur Rückforderung
iSv. § 256 Abs. 1 ZPO bestehen, damit durch Beseitigung des Vorbehalts
tatsächlich Erfüllung eintrete.
Bei dem
Vorbehalt sei zu unterscheiden:
Will der
Schuldner lediglich dem Verständnis seiner Leistung als Anerkenntnis (§ 212
Abs. 1 Nr. 1 BGB) entgegenwirken und damit die Wirkung des § 814 BGB
ausschließen mit der Möglichkeit, das Gezahlte gem. § 812 BGB zurückfordern zu
können, würde dies die Erfüllung nicht in Frage stellen (BGH, Urteil vom
24.11.2006 - LwZR 6/05 -). Der Gläubiger habe nach § 362 Abs. 1 BGB nur einen
Anspruch auf Erfüllung der Leistung, nicht aber auf ein Anerkenntnis des
Bestehens der Forderung.
Leiste der
Schuldner allerdings in der Weise unter Vorbehalt, dass dem Leistungsempfänger
in einem späteren Rückforderungsstreit auch die Beweislast für das Bestehen der
Forderung treffe, würde dies die Schuldentilgung in der Schwebe halten und eine
Erfüllung nach § 362 BGB ausschließen. Dies sei vor allem dann anzunehmen, wenn
der Schuldner während eines Rechtsstreits (z.B. zur Abwendung der Zwangsvollstreckung
aus einem vorläufig vollstreckbaren Titel) leiste und einen Rechtsstreit
gleichwohl fortsetze. Bei einer vorgerichtlichen Zahlung (wie hier) sei bei
einem entsprechenden Vorbehalt keine Erfüllungswirkung anzunehmen, wenn der
Schuldner zur Abwendung eines empfindlichen Übels leiste oder unter der
Voraussetzung, dass die Forderung zu Recht besteht (BGH aaO.; OLG Saarbrücken,
Urteil vom 19.08.2003 - 3 U 109/03 -).
Es sei bei
der nach §§ 133, 157 BGB erforderlichen Auslegung der Erklärung im Zweifel
davon auszugehen, dass ein erfüllungsgeeigneter Vorbehalt gemeint ist. Dies sei
auch hier der Fall. Die Ausführung „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ solle
klarstellen, dass die Forderung nicht anerkannt würde; mit der Formulierung „ohne
Prädjudiz dem Grunde und der Höhe nach“ würde klargestellt, dass der streitige
Anspruch zwar (teilweise) erfüllt würde, damit aber nicht die Anerkennung des
Anspruchs verbunden sei sowie der erfüllte Anspruch möglicherweise unbegründet
sei. Der Haftpflichtversicherer wollte mithin für den Fall einer etwaigen
Rückforderung die Anerkenntniswirkung des § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB sowie den
Rückforderungsausschluss des § 814 BGB vermeiden, was zulässig sei. Die Beweislast
für den Bestand der Forderung sollte im Falle einer Rückforderung mithin nicht
auf den Gläubiger verlagert werden, sondern verblieb bei der Versicherung.
Die Gläubigerin
hätte die Annahme der Leistung durch den Versicherer auch nicht ablehnen
können, ohne in Annahmeverzug zu geraten, da sie zwar einen Anspruch auf die Leistung
hatte, nicht aber auf ein Anerkenntnis. Damit fehle es hier der Klägerin an
einem Feststellungsinteresse.
Selbst wenn
man sich vorstehender Ansicht nicht anschließen sollte, würde es hier der
Klägerin an einem Feststellungssinteresse ermangeln, da der Beklagte für einen
Rückforderungsanspruch nicht aktivlegitimiert wäre, da die Zahlung von dem
Versicherer geleistet wurde. Bei der Zahlung durch den Versicherer handele es
sich, wie in dem Anweisungsfällen, in deren Rahmen die Leistungskondiktion in den
jeweiligen Leistungsbeziehungen (Deckungs- und Valutaverhältnis) zu erfolgen
habe und nicht im Wege der Direktkondiktion zwischen dem Zuwendenden und dem
Empfänger. Bei der Zahlung des
Versicherers an den Gläubiger des Versicherungsnehmers handele es sich um die Leistung
eines Dritten gem. § 267 BGB, weshalb der Kondiktionsanspruch dem Versicherer
zustehe (BGH, Urteil vom 28.11.1990 - XIII ZR 130/89 -), da dieser nach § 267
BGB eine fremde Verbindlichkeit in Erfüllung seiner Freistellungspflicht
gegenüber dem beklagten geleistet habe. Es läge hier auch keine Anweisung des
Versicherungsnehmers an den Versicherer vor, da der Versicherungsnehmer den
Schadensfall an den Versicherer gemeldet habe, damit dieser etwaige berechtigte Ansprüche des
Geschädigten für ihn erfülle.
Die Anspruchsinhaberschaft
des Rückforderungsanspruchs sei eine doppelrelevante Tatsache, dessen Fehlen
sowohl die Zulässigkeit in Form des Feststellungsinteresses als auch die
Begründetheit der Feststellungsklage betreffe. Hier sei ein
Rückforderungsanspruch gegen den Beklagten und damit ein rechtliches Intereses
an der Feststellung des Nichtbestehens dieses Anspruchs gegen den Beklagten
nicht schlüssig dargelegt worden; die doppelrelevante Tatsache sei bereits bei
der Zulässigkeit relevant. Denn mit dem erstrebten Urteil gegen den Beklagten
würde die Gefahr einer Rückforderung durch den Versicherer nicht beseitigt, da
das Urteil für diesen keine Rechtswirkung im Verhältnis zur Klägerin entfalte.
OLG
Frankfurt, Urteil vom 24.02.2023 - 4 U 155/22 -