Die Parteien stritten darum, in welchem Jahr eine Umsatzsteuervorauszahlung für Dezember 2015 als Betriebsausgabe zu berücksichtigen ist. Dabei hatte sie der Kläger (der seinen Gewinn nach der Einnahmen-Überschuss-Rechnung gem. § 4 Abs. 3 bestimmte) dem eine Dauerfristverlängerung erteilt war, demzufolge die Vorauszahlung erst am 10.02.2016 fällig war, die Ausgabe in der Gewinnermittlung im Jahr 2015 berücksichtigt. Dem folgte das Finanzamt (FA) nicht und erhöhte damit den Gewinn für 2015 um den entsprechenden Betrag. Das Finanzgericht gab ihm Recht. Auf die Revision des beklagten FA wurde das finanzgerichtlich Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Der BFH stellte in seiner Entscheidung auf die Dauerfristverlängerung ab, weshalb die Zahlung erst bei Abfluss im Jahr 2016 berücksichtigt werden könne. Eine abweichende Zuordnung der Ausgabe nach § 11 Abs. 2 S. 2 iVm. Abs. 1 S. 2 EStG sei nicht erfüllt, da die Zahlung für den Monat Dezember 2015 nicht innerhalb des für § 11 Ab. 2 S. 2 EStG maßgeblichen Zehn-Tages-Zeitraum fällig gewesen wäre.
Grundsätzlich gelte bei der
Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG, dass die Ausgaben für das Jahr
abzusetzen seien, in dem sie geleistet würden. Entscheidend sei damit, wenn der
Steuerpflichtige die Verfügungsgewalt über die Mittel verliere, was hier im
Januar 2016 mit der Überweisung der Fall gewesen sei. Die Umsatzsteuervorauszahlungen
seien regelmäßig wiederkehrende Ausgaben iSv. § 11 Abs. 2 S. 2 EStG. Der Kläger
habe zwar nur bis zur Zahlung am 06.01.2016 noch innerhalb des
Zehn-Tages-Zeitraumes die Verfügungsmacht über den Betrag gehabt. Im Hinblick
auf eine abweichende Zuordnung einer Zahlung zum Vorjahr sei erforderlich, dass
die Zahlung kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres (zehn Tage), zu dem
sie wirtschaftlich gehöre, geleistet werde und wenn sie innerhalb dieses
Zeitraumes auch fällig würde (BFH, Urteil vom 16.02.2022 - X R 2/21 -). Da hier
die Fälligkeit erst zum 10.02.2016 infolge der Dauerfristverlängerung
eingetreten sei, wäre die Ausnahme nach § 11 Abs. 2 S. 2 EStG nicht gegeben. Eine
andere Auslegung ergäbe sich auch nicht aus dem Normzweck der Norm, die auf
eine Zufälligkeit abstelle, was bei regelmäßig wiederkehrenden Leistungen und beantragter und erteilter
Dauerfristverlängerung nicht der Fall sei; hier habe es der Steuerpflichtige in
der Hand, ob er freiwillig früher leistet oder nicht.
BFH, Urteil vom 13.12.2022
- VII R 1/20 -
Aus den Gründen:
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das
Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 09.12.2019 - 3 K 2040/18 E aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des
gesamten Verfahrens haben die Kläger zu tragen.
Tatbestand
I.
Die Kläger und
Revisionsbeklagten (Kläger) wurden für das Streitjahr (2015) zusammen zur
Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte als Steuerberater Einkünfte aus
selbständiger Arbeit. Den Gewinn ermittelte er im Wege der
Einnahmen-Überschuss-Rechnung gemäß § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes
(EStG).
Der Kläger
leistete am 06.01.2016 die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den
Voranmeldungszeitraum Dezember 2015 in Höhe von 6.598,83 €. Diese war
wegen einer erteilten Dauerfristverlängerung gemäß § 18 Abs. 1
Sätze 1 und 4 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) i.V.m. § 46 Abs. 1
Satz 1 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) erst am 10.02.2016
fällig. Er machte die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Voranmeldungszeitraum
Dezember in der Gewinnermittlung des Streitjahres nach § 11 Abs. 2
Satz 2, Abs. 1 Satz 2 EStG als Betriebsausgabe geltend.
Der Beklagte
und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) erließ am 28.03.2017 einen
Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr unter dem Vorbehalt der Nachprüfung
(§ 164 Abs. 1 der Abgabenordnung). Er berücksichtigte die
Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Voranmeldungszeitraum Dezember nicht als
Betriebsausgabe des Streitjahres und erhöhte den Gewinn aus selbständiger
Arbeit um 6.598 € auf 131.529 €.
Im
anschließenden Einspruchsverfahren ergingen am 19.06.2017 und am 19.02.2018
wegen anderer Streitpunkte geänderte abhelfende Einkommensteuerbescheide für
das Streitjahr. Bezüglich des streitigen Abzugs der Umsatzsteuer-Vorauszahlung
für den Voranmeldungszeitraum Dezember des Streitjahres wies das FA den
Einspruch mit einer Teileinspruchsentscheidung als unbegründet zurück.
Das
Finanzgericht (FG) Düsseldorf gab der anschließend erhobenen Klage statt. Die
Begründung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2020, 271 mitgeteilt.
Mit seiner
Revision rügt das FA die Verletzung von Bundesrecht in Gestalt des § 11
Abs. 2 Satz 2 EStG. Das FG habe die Regelung unzutreffend ausgelegt.
Die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Voranmeldungszeitraum Dezember des
Streitjahres sei im Abflussjahr 2016 als Betriebsausgabe zu berücksichtigen.
Eine Zuordnung zum Streitjahr gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG
könne nicht erfolgen, da die Vorauszahlung nicht innerhalb des für eine kurze
Zeit maßgeblichen Zehn-Tages-Zeitraums fällig gewesen sei.
Das FA beantragt,
das Urteil des
FG Düsseldorf vom 09.12.2019 - 3 K 2040/18 E aufzuheben und
die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Revision
als unbegründet zurückzuweisen.
Sie machen
geltend, dass der Tatbestand des § 11 Abs. 2 Satz 2, Abs. 1
Satz 2 EStG nicht voraussetze, dass die regelmäßig wiederkehrenden
Ausgaben innerhalb des Zehn-Tages-Zeitraums fällig sind.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision
ist begründet. Entgegen der Auffassung des FG ist die geleistete
Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Voranmeldungszeitraum Dezember des
Streitjahres erst im Abflussjahr 2016 als Betriebsausgabe zu berücksichtigen
(s. II.1.). Die Voraussetzungen für eine abweichende Zuordnung der Ausgabe zum
Streitjahr gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1
Satz 2 EStG sind nicht erfüllt, da die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den
Voranmeldungszeitraum des Dezembers des Vorjahres nicht innerhalb des für
§ 11 Abs. 2 Satz 2 EStG maßgeblichen Zehn-Tages-Zeitraums fällig
war (s. II.2.). Die Vorentscheidung wird aufgehoben. Die Sache ist auch
spruchreif. Der Senat weist die Klage ab (§ 126 Abs. 3 Satz 1
Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1.
Aufgrund der Dauerfristverlängerung und des Abflusses der
Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Voranmeldungszeitraum Dezember 2015 am
06.01.2016 handelt es sich um eine Betriebsausgabe des Jahres 2016.
Bei einer
Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung gemäß § 4 Abs. 3
EStG bestimmt der für den Betriebsausgabenabzug geltende § 11 Abs. 2
Satz 1 EStG, dass Ausgaben für dasjenige Kalenderjahr abzusetzen sind, in
dem sie geleistet worden sind. Maßgeblich ist, wann der Steuerpflichtige nach
dem Gesamtbild der Verhältnisse die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die
hingegebenen Mittel verliert (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom
16.02.2022 - X R 2/21, BFHE 276, 94, BStBl II 2022, 448,
Rz 9). Dies war vorliegend mit der Überweisung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung
im Januar 2016 der Fall.
2. Eine
hiervon abweichende Zuordnung der Zahlung als Ausgabe des Streitjahres kommt
nicht in Betracht. Umsatzsteuer-Vorauszahlungen --wie die hier streitige für
den Voranmeldungszeitraum Dezember des Streitjahres-- sind zwar nach der ständigen
Rechtsprechung des BFH regelmäßig wiederkehrende Ausgaben i.S. des § 11
Abs. 2 Satz 2 EStG (BFH-Urteile vom 01.08.2007 -
XI R 48/05, BFHE 218, 372, BStBl II 2008, 282, unter II.2.a; vom
11.11.2014 - VIII R 34/12, BFHE 247, 432, BStBl II 2015, 285, Rz 14 f.;
vom 27.06.2018 - X R 44/16, BFHE 262, 97, BStBl II 2018, 781,
Rz 10, sowie vom 03.12.2019 - VIII R 23/17, BFH/NV 2020,
613, Rz 18). Mit Leistung der Zahlung am 06.01.2016 hat der Kläger
innerhalb des für eine "kurze Zeit" i.S. des § 11 Abs. 2
Satz 2 EStG maßgeblichen Zeitraums von bis zu zehn Tagen (BFH-Urteil in
BFHE 262, 97, BStBl II 2018, 781, Rz 11, m.w.N.) auch die Verfügungsmacht
über die gezahlten Mittel verloren. Der vom Abflussprinzip abweichenden
Zuordnung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung zum Streitjahr gemäß § 11
Abs. 2 Satz 2 EStG steht jedoch entgegen, dass die
Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Voranmeldungszeitraum Dezember des
Streitjahres erst nach Ablauf des Zehn-Tages-Zeitraums zum 10.02.2016 fällig
war.
a) Der
X. Senat des BFH hat mit Urteil in BFHE 276, 94, BStBl II 2022, 448,
Rz 13 ff., 19 ff., maßgeblich unter Bezugnahme auf das
BFH-Urteil vom 09.05.1974 - VI R 161/72 (BFHE 112, 373, BStBl II
1974, 547) entschieden, § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG sei als
Ausnahmetatbestand zu § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG konzipiert und
daher eng auszulegen. Ausgaben, die kurze Zeit nach Beendigung des
Kalenderjahres, zu dem sie wirtschaftlich gehören, geleistet werden, können
nach § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG daher nur dann als Ausgabe dieses
Kalenderjahres angesehen werden, wenn sie innerhalb der kurzen Zeit (des
Zehn-Tages-Zeitraums) nach dem Ende dieses Kalenderjahres fällig geworden sind.
Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die Begründung des
BFH-Urteils in BFHE 276, 94, BStBl II 2022, 448 Bezug. Er schließt sich dieser
Rechtsprechung an.
b) Die
Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG sind danach nicht
erfüllt, wenn die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Voranmeldungszeitraum
Dezember eines Jahres zwar innerhalb des Zehn-Tages-Zeitraums des Folgejahres
(hier: bis zum 10.01.2016) geleistet wird, wegen einer erteilten
Dauerfristverlängerung aber erst nach dessen Ablauf (hier: am 10.02.2016)
fällig ist.
Gründe, die bei
Umsatzsteuer-Vorauszahlungen mit einer Dauerfristverlängerung dafür sprechen
könnten, zu einer anderen Auslegung des § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG
als im BFH-Urteil in BFHE 276, 94, BStBl II 2022, 448 zu kommen, sind
angesichts des Normzwecks nicht ersichtlich. Die Regelung soll Zufälligkeiten
vermeiden, die bei strikter Anwendung des die Gewinnermittlung nach § 4
Abs. 3 EStG grundsätzlich beherrschenden Zu- und Abflussprinzips
entstünden, würde man die Zahlung mal in dem einen oder mal in dem anderen Jahr
berücksichtigen müssen. Nur ausnahmsweise ist der wirtschaftlichen Zuordnung
der Zahlungen für den im Gesetz genannten Zehn-Tages-Zeitraum der Vorrang
einzuräumen. Daraus folgt, dass die regelmäßig wiederkehrende Ausgabe (hier:
Umsatzsteuer-Vorauszahlung) nicht nur innerhalb des Zehn-Tages-Zeitraums
gezahlt werden, sondern nach dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis auch
innerhalb des Zehn-Tages-Zeitraums zahlbar, d.h. fällig sein muss (BFH-Urteil
in BFHE 276, 94, BStBl II 2022, 448, Rz 23, 24). Dies hat der Senat auch
bereits mit Urteil vom 21.06.2022 - VIII R 25/20 (zur amtlichen
Veröffentlichung bestimmt, BFH/NV 2022, 1369) entschieden und hält daran fest.
Würde man auf
die Fälligkeit der regelmäßig wiederkehrenden Ausgabe innerhalb des
Zehn-Tages-Zeitraums verzichten, könnten Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für den
Voranmeldungszeitraum Dezember, die wegen der beantragten und erteilten
Dauerfristverlängerung erst deutlich nach dem Jahreswechsel fällig werden und
typischerweise nicht um den Jahreswechsel herum geleistet werden sollen, allein
durch eine freiwillige Zahlung vor Fälligkeit innerhalb des
Zehn-Tages-Zeitraums dem Vorjahr zugeordnet werden. Es würden bei diesem
Normverständnis nicht Zufälligkeiten vermieden, die bei der Zuordnung
regelmäßig wiederkehrender Ausgaben auftreten können, sondern dem Normzweck
zuwiderlaufende Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet, die Ausgabe bewusst dem
einen oder dem anderen Veranlagungszeitraum zuordnen zu können.
c) Die
Vorentscheidung entspricht diesen Grundsätzen nicht. Das FG hat die
Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Voranmeldungszeitraum Dezember des
Streitjahres gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG dem Streitjahr
zugeordnet, obwohl diese nicht innerhalb des Zehn-Tages-Zeitraums bis zum
10.01.2016, sondern erst am 10.02.2016 fällig war. Die für den
Voranmeldungszeitraum Dezember des Streitjahres am 06.01.2016 geleistete
Umsatzsteuer-Vorauszahlung ist nicht im Streitjahr, sondern im Jahr des
Abflusses (2016) als Betriebsausgabe zu berücksichtigen. Der Senat hebt das
FG-Urteil auf und weist die Klage ab. Der Einkommensteuerbescheid für das
Streitjahr vom 19.02.2018 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren
Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
3. Die
Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen