Mittwoch, 22. Februar 2023

In welchem Jahr ist die Umsatzsteuervorauszahlung als Betriebsausgabe zu berücksichtigen ?

Die Parteien stritten darum, in welchem Jahr eine Umsatzsteuervorauszahlung für Dezember 2015 als Betriebsausgabe zu berücksichtigen ist. Dabei hatte sie der Kläger (der seinen Gewinn nach der Einnahmen-Überschuss-Rechnung gem. § 4 Abs. 3 bestimmte) dem eine Dauerfristverlängerung erteilt war, demzufolge die Vorauszahlung erst am 10.02.2016 fällig war, die Ausgabe in der Gewinnermittlung im Jahr 2015 berücksichtigt. Dem folgte das Finanzamt (FA) nicht und erhöhte damit den Gewinn für 2015 um den entsprechenden Betrag. Das Finanzgericht gab ihm Recht. Auf die Revision des beklagten FA wurde das finanzgerichtlich Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Der BFH stellte in seiner Entscheidung auf die Dauerfristverlängerung ab, weshalb die Zahlung erst bei Abfluss im Jahr 2016 berücksichtigt werden könne. Eine abweichende Zuordnung der Ausgabe nach § 11 Abs. 2 S. 2 iVm. Abs. 1 S. 2 EStG sei nicht erfüllt, da die Zahlung für den Monat Dezember 2015 nicht innerhalb des für § 11 Ab. 2 S. 2 EStG maßgeblichen Zehn-Tages-Zeitraum fällig gewesen wäre.

Grundsätzlich gelte bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG, dass die Ausgaben für das Jahr abzusetzen seien, in dem sie geleistet würden. Entscheidend sei damit, wenn der Steuerpflichtige die Verfügungsgewalt über die Mittel verliere, was hier im Januar 2016 mit der Überweisung der Fall gewesen sei. Die Umsatzsteuervorauszahlungen seien regelmäßig wiederkehrende Ausgaben iSv. § 11 Abs. 2 S. 2 EStG. Der Kläger habe zwar nur bis zur Zahlung am 06.01.2016 noch innerhalb des Zehn-Tages-Zeitraumes die Verfügungsmacht über den Betrag gehabt. Im Hinblick auf eine abweichende Zuordnung einer Zahlung zum Vorjahr sei erforderlich, dass die Zahlung kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres (zehn Tage), zu dem sie wirtschaftlich gehöre, geleistet werde und wenn sie innerhalb dieses Zeitraumes auch fällig würde (BFH, Urteil vom 16.02.2022 - X R 2/21 -). Da hier die Fälligkeit erst zum 10.02.2016 infolge der Dauerfristverlängerung eingetreten sei, wäre die Ausnahme nach § 11 Abs. 2 S. 2 EStG nicht gegeben. Eine andere Auslegung ergäbe sich auch nicht aus dem Normzweck der Norm, die auf eine Zufälligkeit abstelle, was bei regelmäßig wiederkehrenden Leistungen und  beantragter und erteilter Dauerfristverlängerung nicht der Fall sei; hier habe es der Steuerpflichtige in der Hand, ob er freiwillig früher leistet oder nicht.

 

BFH, Urteil vom 13.12.2022 - VII R 1/20 -


Aus den Gründen:

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 09.12.2019 - 3 K 2040/18 E aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens haben die Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) wurden für das Streitjahr (2015) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte als Steuerberater Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Den Gewinn ermittelte er im Wege der Einnahmen-Überschuss-Rechnung gemäß § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Der Kläger leistete am 06.01.2016 die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Voranmeldungszeitraum Dezember 2015 in Höhe von 6.598,83 €. Diese war wegen einer erteilten Dauerfristverlängerung gemäß § 18 Abs. 1 Sätze 1 und 4 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) erst am 10.02.2016 fällig. Er machte die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Voranmeldungszeitraum Dezember in der Gewinnermittlung des Streitjahres nach § 11 Abs. 2 Satz 2, Abs. 1 Satz 2 EStG als Betriebsausgabe geltend.

Der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) erließ am 28.03.2017 einen Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 der Abgabenordnung). Er berücksichtigte die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Voranmeldungszeitraum Dezember nicht als Betriebsausgabe des Streitjahres und erhöhte den Gewinn aus selbständiger Arbeit um 6.598 € auf 131.529 €.

Im anschließenden Einspruchsverfahren ergingen am 19.06.2017 und am 19.02.2018 wegen anderer Streitpunkte geänderte abhelfende Einkommensteuerbescheide für das Streitjahr. Bezüglich des streitigen Abzugs der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Voranmeldungszeitraum Dezember des Streitjahres wies das FA den Einspruch mit einer Teileinspruchsentscheidung als unbegründet zurück.

Das Finanzgericht (FG) Düsseldorf gab der anschließend erhobenen Klage statt. Die Begründung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2020, 271 mitgeteilt.

Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung von Bundesrecht in Gestalt des § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG. Das FG habe die Regelung unzutreffend ausgelegt. Die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Voranmeldungszeitraum Dezember des Streitjahres sei im Abflussjahr 2016 als Betriebsausgabe zu berücksichtigen. Eine Zuordnung zum Streitjahr gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG könne nicht erfolgen, da die Vorauszahlung nicht innerhalb des für eine kurze Zeit maßgeblichen Zehn-Tages-Zeitraums fällig gewesen sei.

Das FA beantragt,

das Urteil des FG Düsseldorf vom 09.12.2019 - 3 K 2040/18 E aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Sie machen geltend, dass der Tatbestand des § 11 Abs. 2 Satz 2, Abs. 1 Satz 2 EStG nicht voraussetze, dass die regelmäßig wiederkehrenden Ausgaben innerhalb des Zehn-Tages-Zeitraums fällig sind.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Entgegen der Auffassung des FG ist die geleistete Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Voranmeldungszeitraum Dezember des Streitjahres erst im Abflussjahr 2016 als Betriebsausgabe zu berücksichtigen (s. II.1.). Die Voraussetzungen für eine abweichende Zuordnung der Ausgabe zum Streitjahr gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 EStG sind nicht erfüllt, da die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Voranmeldungszeitraum des Dezembers des Vorjahres nicht innerhalb des für § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG maßgeblichen Zehn-Tages-Zeitraums fällig war (s. II.2.). Die Vorentscheidung wird aufgehoben. Die Sache ist auch spruchreif. Der Senat weist die Klage ab (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Aufgrund der Dauerfristverlängerung und des Abflusses der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Voranmeldungszeitraum Dezember 2015 am 06.01.2016 handelt es sich um eine Betriebsausgabe des Jahres 2016.

Bei einer Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG bestimmt der für den Betriebsausgabenabzug geltende § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG, dass Ausgaben für dasjenige Kalenderjahr abzusetzen sind, in dem sie geleistet worden sind. Maßgeblich ist, wann der Steuerpflichtige nach dem Gesamtbild der Verhältnisse die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die hingegebenen Mittel verliert (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16.02.2022 - X R 2/21, BFHE 276, 94, BStBl II 2022, 448, Rz 9). Dies war vorliegend mit der Überweisung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung im Januar 2016 der Fall.

2. Eine hiervon abweichende Zuordnung der Zahlung als Ausgabe des Streitjahres kommt nicht in Betracht. Umsatzsteuer-Vorauszahlungen --wie die hier streitige für den Voranmeldungszeitraum Dezember des Streitjahres-- sind zwar nach der ständigen Rechtsprechung des BFH regelmäßig wiederkehrende Ausgaben i.S. des § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG (BFH-Urteile vom 01.08.2007 - XI R 48/05, BFHE 218, 372, BStBl II 2008, 282, unter II.2.a; vom 11.11.2014 - VIII R 34/12, BFHE 247, 432, BStBl II 2015, 285, Rz 14 f.; vom 27.06.2018 - X R 44/16, BFHE 262, 97, BStBl II 2018, 781, Rz 10, sowie vom 03.12.2019 - VIII R 23/17, BFH/NV 2020, 613, Rz 18). Mit Leistung der Zahlung am 06.01.2016 hat der Kläger innerhalb des für eine "kurze Zeit" i.S. des § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG maßgeblichen Zeitraums von bis zu zehn Tagen (BFH-Urteil in BFHE 262, 97, BStBl II 2018, 781, Rz 11, m.w.N.) auch die Verfügungsmacht über die gezahlten Mittel verloren. Der vom Abflussprinzip abweichenden Zuordnung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung zum Streitjahr gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG steht jedoch entgegen, dass die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Voranmeldungszeitraum Dezember des Streitjahres erst nach Ablauf des Zehn-Tages-Zeitraums zum 10.02.2016 fällig war.

a) Der X. Senat des BFH hat mit Urteil in BFHE 276, 94, BStBl II 2022, 448, Rz 13 ff., 19 ff., maßgeblich unter Bezugnahme auf das BFH-Urteil vom 09.05.1974 - VI R 161/72 (BFHE 112, 373, BStBl II 1974, 547) entschieden, § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG sei als Ausnahmetatbestand zu § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG konzipiert und daher eng auszulegen. Ausgaben, die kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres, zu dem sie wirtschaftlich gehören, geleistet werden, können nach § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG daher nur dann als Ausgabe dieses Kalenderjahres angesehen werden, wenn sie innerhalb der kurzen Zeit (des Zehn-Tages-Zeitraums) nach dem Ende dieses Kalenderjahres fällig geworden sind. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die Begründung des BFH-Urteils in BFHE 276, 94, BStBl II 2022, 448 Bezug. Er schließt sich dieser Rechtsprechung an.

b) Die Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG sind danach nicht erfüllt, wenn die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Voranmeldungszeitraum Dezember eines Jahres zwar innerhalb des Zehn-Tages-Zeitraums des Folgejahres (hier: bis zum 10.01.2016) geleistet wird, wegen einer erteilten Dauerfristverlängerung aber erst nach dessen Ablauf (hier: am 10.02.2016) fällig ist.

Gründe, die bei Umsatzsteuer-Vorauszahlungen mit einer Dauerfristverlängerung dafür sprechen könnten, zu einer anderen Auslegung des § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG als im BFH-Urteil in BFHE 276, 94, BStBl II 2022, 448 zu kommen, sind angesichts des Normzwecks nicht ersichtlich. Die Regelung soll Zufälligkeiten vermeiden, die bei strikter Anwendung des die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG grundsätzlich beherrschenden Zu- und Abflussprinzips entstünden, würde man die Zahlung mal in dem einen oder mal in dem anderen Jahr berücksichtigen müssen. Nur ausnahmsweise ist der wirtschaftlichen Zuordnung der Zahlungen für den im Gesetz genannten Zehn-Tages-Zeitraum der Vorrang einzuräumen. Daraus folgt, dass die regelmäßig wiederkehrende Ausgabe (hier: Umsatzsteuer-Vorauszahlung) nicht nur innerhalb des Zehn-Tages-Zeitraums gezahlt werden, sondern nach dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis auch innerhalb des Zehn-Tages-Zeitraums zahlbar, d.h. fällig sein muss (BFH-Urteil in BFHE 276, 94, BStBl II 2022, 448, Rz 23, 24). Dies hat der Senat auch bereits mit Urteil vom 21.06.2022 - VIII R 25/20 (zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, BFH/NV 2022, 1369) entschieden und hält daran fest.

Würde man auf die Fälligkeit der regelmäßig wiederkehrenden Ausgabe innerhalb des Zehn-Tages-Zeitraums verzichten, könnten Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für den Voranmeldungszeitraum Dezember, die wegen der beantragten und erteilten Dauerfristverlängerung erst deutlich nach dem Jahreswechsel fällig werden und typischerweise nicht um den Jahreswechsel herum geleistet werden sollen, allein durch eine freiwillige Zahlung vor Fälligkeit innerhalb des Zehn-Tages-Zeitraums dem Vorjahr zugeordnet werden. Es würden bei diesem Normverständnis nicht Zufälligkeiten vermieden, die bei der Zuordnung regelmäßig wiederkehrender Ausgaben auftreten können, sondern dem Normzweck zuwiderlaufende Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet, die Ausgabe bewusst dem einen oder dem anderen Veranlagungszeitraum zuordnen zu können.

c) Die Vorentscheidung entspricht diesen Grundsätzen nicht. Das FG hat die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Voranmeldungszeitraum Dezember des Streitjahres gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG dem Streitjahr zugeordnet, obwohl diese nicht innerhalb des Zehn-Tages-Zeitraums bis zum 10.01.2016, sondern erst am 10.02.2016 fällig war. Die für den Voranmeldungszeitraum Dezember des Streitjahres am 06.01.2016 geleistete Umsatzsteuer-Vorauszahlung ist nicht im Streitjahr, sondern im Jahr des Abflusses (2016) als Betriebsausgabe zu berücksichtigen. Der Senat hebt das FG-Urteil auf und weist die Klage ab. Der Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 19.02.2018 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.


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