Dienstag, 21. Februar 2023

Elternschaft eines in Ehe zweier Frauen geborenem Kind

Die Frauen (Antragstellerinnen) sind seit dem 08.01.2020 verheiratet. Eine der Frauen ist die Mutter des mittels einer Samenspende seit 20 Jahren mit der Beteiligten zu 3. befreundeten D. gezeugten Kindes. Die Antragstellerinnen beantragten die Feststellung ihrer Elternschaft. Dieser Antrag wurde vom Amtsgericht zurückgewiesen. Das Kammergericht (KG) sah die dagegen eingelegte Beschwerde als unbegründet an.

Dabei verwies das KG darauf, dass die Ehefrau der ein Kind gebärenden Frau weder in direkter noch in entsprechender Anwendung des § 1592 Nr. 1 BGB Mit-Elternteil des Kindes würde. Dabei bezog sich das KG u.a. auf den Beschluss des BGH vom 10.10.2018 - XII ZB  231/18 -, in dem dieses festhielt, dass sich eine Elternstellung auch nicht in entsprechender Anwendung des § 1592 Nr. 1 BGB daraus ergäbe,  dass sie zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes mit dessen Mutter verheiratet sei. Das deutsche Recht kenne nur die Zuordnung einer Mutter zum Kind und der Gesetzgeber habe andere Möglichkeiten der Mutter-Kind-Zuordnung (z.B. Leihmutterschaft) bewusst ausgeschlossen.

Das KG sah zwar darin eine unterschiedliche Behandlung von verschieden- und gleichgeschlechtlichen Ehepaaren, doch sei dies hier verfassungs- und koventionsrechtlich bedenkenfrei, insbesondere sei weder das Familiengrundrecht des Art. 6 Abs. 1 GG noch das Elterngrundrecht gem. Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG verletzt (BGH aaO.).

Nur wenn durch eine ärztlich unterstützte künstliche Befruchtung im Sinne von § 1600d Abs. 4 BGB (also völlig anonymer Samenspender) das Kind gezeugt und in der gleichgeschlechtlichen Ehe der Mutter geboren würde, könnten sowohl die Ehefrau der Mutter als auch das Kind durch die Regelung in § 1592 Nr. 1 BGB in deren Grundrecht aus Art. 3 GG (Gleichbehandlung) verletzt sein (KG, Beschluss vom 24.03.2021 - 3 UF 1122/20 -). Dies deshalb, da nach Auffassung des Senats nur in dieser Konstellation die biologischen Unterschiede zwischen Mann und Frau die der § 1592 Nr. 1 BGB gesetzgeberische Typisierung nicht mehr rechtfertige. Der Gesetzgeber habe nur bei der durch Einführung des § 1600d Abs. 4 BGB geschaffenen qualifizierten Samenspende von der Statuswahrheit (Vaterschaft kraft Ehe rechtfertige sich aus dem Gedanken, dass regelmäßig eine biologisch richtige Zuordnung begründet wird) abgesehen zugunsten einer „sozialen Elternschaft“, nicht aber für andere Fälle (wie hier einer privaten Samenspende durch einen bekannten Dritten). Damit würde im Falle der Anwendbarkeit des § 1600d Abs. 4 BGB von der Statuswahrheit des § 1592 Nr. 1 BGB auf die soziale Elternschaft abgestellt.

Kammergericht, Beschluss vom 26.07.2022 - 3 UF 30/21 -


Aus den Gründen:

Tenor

1. Die Beschwerden der Antragstellerinnen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Kreuzberg (Familiengericht) vom 15. März 2021 werden zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragstellerinnen zu 2. und 3. jeweils hälftig.

3. Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Das Verfahren betrifft die Feststellung der Elternschaft zwischen der am ... geborenen Beteiligten zu 1. (im Folgenden: Kind) und der Beteiligten zu 3.

Die Beteiligte zu 3. ist seit dem 8. Januar 2020 mit der Beteiligten zu 2., der Mutter des Kindes, verheiratet. Das Kind wurde mittels einer Samenspende des seit 20 Jahren mit der Beteiligten zu 3. (im Folgenden: Ehefrau) befreundeten D... W... – den der Senat gemäß § 7 Abs. 4 FamFG benachrichtigt und belehrt hat – gezeugt. Ein auf Antrag der Ehefrau eingeleitetes Adoptionsverfahren ist zum Geschäftszeichen 166B F 7963/20 bei dem Amtsgericht Kreuzberg (Familiengericht) anhängig.

Den Antrag der Antragstellerinnen festzustellen, dass zwischen dem Kind und der Beteiligten zu 3. ein Eltern-Kind-Verhältnis besteht, hat das Amtsgericht Kreuzberg (Familiengericht) mit Beschluss vom 15. März 2021 – zugestellt am 18. März 2021 – zurückgewiesen. Mit ihren am 16. April 2021 bei dem Amtsgericht eingegangenen Beschwerden verfolgen die Antragstellerinnen ihren Antrag weiter. Der Senat nimmt im Übrigen auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Beschluss und wegen des Beschwerdevorbringens auf die Schriftsätze vom 19. April 2021 und vom 20. August 2021 Bezug.

Der Senat hat einen Anhörungs- und Erörterungstermin durchgeführt.

II.

Die gemäß § 58 FamFG statthaften und auch im Übrigen zulässigen Beschwerden sind unbegründet.

Zu Recht hat es das Amtsgericht abgelehnt, das Bestehen einer Eltern-Kind-Beziehung zwischen Ehefrau und Kind festzustellen. Die Ehefrau der ein Kind gebärenden Frau wird weder in direkter noch in entsprechender Anwendung des § 1592 Nr. 1 BGB Mit-Elternteil des Kindes (BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2018 – XII ZB 231/18, NJW 2019, 153; Senat, Beschluss vom 9. Februar 2018 – 3 UF 146/17, FamRZ 2018, 1925; OLG Celle, Beschluss vom 24. März 2021 – 21 UF 146/20, NJOZ 2021, 1123; OLG Stuttgart, Beschluss vom 7. April 2022 – 11 UF 39/22, NJW 2022, 2050; BeckOGK BGB/Reuß, Stand: 1. Mai 2022, § 1591 Rn. 50; a.A. [analoge Anwendung möglich] Chebout/Xylander, NJW 2021, 2472; Kiehnle, JR 2022 Anlage BF 2). Die darin liegende unterschiedliche Behandlung von verschieden- und gleichgeschlechtlichen Ehepaaren trifft nicht auf verfassungs- oder konventionsrechtliche Bedenken; insbesondere ist weder das Familiengrundrecht des Art. 6 Abs. 1 GG noch das Elterngrundrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verletzt (BGH, a.a.O.; Senat, a.a.O.; OLG Stuttgart, a.a.O.).

Die Überzeugung des Senats, dass die Bestimmung des § 1592 Nr. 1 BGB sowohl das Kind als auch die Ehefrau der Mutter in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG auf Gleichbehandlung verletzt und verfassungswidrig ist (Senat, Beschluss vom 24. März 2021 – 3 UF 1122/20, FamRZ 2021, 854), betrifft nur das durch eine ärztlich unterstützte künstliche Befruchtung im Sinne des § 1600d Abs. 4 BGB gezeugte und in der gleichgeschlechtlichen Ehe der Mutter geborene Kind. Nur in dieser Konstellation können nach Überzeugung des Senats die biologischen Unterschiede zwischen Mann und Frau die der Bestimmung des § 1592 Nr. 1 BGB zugrundeliegende gesetzgeberische Typisierung nicht mehr rechtfertigen. Denn nur im Rahmen einer solchen „qualifizierten“ Samenspende hat der Gesetzgeber mit der Einführung des § 1600d Abs. 4 BGB von dem Prinzip der „Statuswahrheit“, dass also „die Vaterschaft kraft Ehe sich aus dem Gedanken rechtfertigt, dass regelmäßig eine biologisch richtige Zuordnung begründet wird“, zugunsten der sozialen Elternschaft bzw. dem Schutz der sozial-familiären Beziehung abgesehen, nicht jedoch für andere Fälle der – wie hier: sogenannten privaten – Samenspende.

Das Verfahren ist nicht im Hinblick auf die beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Richtervorlagen (Senat, a.a.O.; OLG Celle, a.a.O.; AG München, Beschluss vom 11. November 2021 – 542 F 6701/21, FamRZ 2022, 122) gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 FamFG auszusetzen, weil das BVerfG nicht aufgrund dieser Vorlagen mit einem „Parallelfall“ im Sinne eines dem vorliegenden Fall vergleichbaren Verfahren befasst ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Oktober 2003 – 2 BvR 1309/03, NJW 2004, 501). Denn die diesen Vorlagebeschlüssen zugrunde liegenden Sachverhalte unterscheiden sich vom dem vorliegenden dadurch, dass das Kind entweder infolge einer ärztlich unterstützten künstlichen Befruchtung im Sinne des § 1600d Abs. 4 BGB oder aufgrund einer anonymen Embryonenspende geboren wurde und anders als im vorliegenden Verfahren die Besetzung der zweiten Elternstelle durch Feststellung der Vaterschaft (beispielsweise auf Antrag des dann volljährig gewordenen Kindes) von vornherein ausscheidet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.

Die Festsetzung des Wertes folgt aus den §§ 40 Abs. 1 und 2, 47 Abs. 1 FamGKG.


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