Im Zusammenhang mit einer Klage
gegen den Entzug der Anwaltszulassung musste sich der BGH damit auseinandersetzen,
welche Bedeutung dem vom Zusteller auf dem Zustellungsumschlag anzubringenden
Datum der Übergabe bzw. Niederlegung zukommt, hatte der der Zusteller im Rahmen
der von ihm, vorgenommenen Ersatzzustellung des Widerrufsbescheids das Datum
auf dem Umschlag nicht notiert. Die Zustellungsurkunde selbst benannt das Datum
des 17.02.2016. Der Kläger nahm erst am 19.02.2016 davon Kenntnis. Eingehend am
21.03.2016 erhob der Kläger Klage. Der Anwaltsgerichtshof verwarf die Klage als
unzulässig; die von ihm beginnend mit dem 17.02.2016 berechnete Monatsfrist für
die Klage (§ 112a Abs. 1 S. 1 BRAO iVm. § 74 Abs. 1 S. 2 VwGO) sei bereits
abgelaufen gewesen. Die Klage sei auch durch einen zugelassenen Anwalt zu
erheben; zum Zeitpunkt der Einreichung der Klage sei aber bereits der
Widerrufsbescheid bestandskräftig gewesen, der Kläger also nicht mehr
postulationsfähig gewesen, weshalb die Klage auch nicht wirksam durch ihn selbst
hätte erhoben werden können.
Gegen die Entscheidung legte der Kläger Berufung zum BGH
ein. Dieser wurde unter Aufhebung des Urteils des Anwaltsgerichtshofes und Rückverweisung
an diesem stattgegeben.
Verfahrensrechtlich wurde vom BGH
festgehalten, dass der Widerruf der Zulassung dem Kläger förmlich zuzustellen
gewesen sei, § 34 BRAO. Die Ausführung der Zustellung durch die Post richte
sich nach §§ 177 bis 182 ZPO. Könne die Zustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 oder
2 ZPO (Zustellung oder Ersatzzustellung in Wohnung oder Geschäftsräumen) nicht
erfolgen, könne das Schriftstück nach § 180 S. 1 ZPO in den zur Wohnung / zum
Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder einer ähnlichen Einrichtung eingelegt
werden, die der Adressat für den Postempfang vorgesehen habe. Mit dieser
Einlegung gelte das Schriftstück als zugestellt, § 180 S. 2 ZPO. Das Datum der Zustellung
sie vom Zusteller auf dem Umschlag zu vermerken, § 180 S. 3 ZPO.
Der BGH verweist auf die unterschiedlichen
Ansichten in Literatur und Rechtsprechung, wie mit einem hier vorliegenden
Verstoß gegen § 180 S. 3 ZPO umzugehen sei: Entweder wird von einer gleichwohl
wirksamen Zustellung zum Zeitpunkt der Einlegung gemäß Angabe auf der
Postzustellungsurkunde ausgegangen, oder aber als Zeitpunkt der Fristberechnung
vom tatsächlichen Zugang ausgegangen. Bei seiner Abwägung gab der BGH der letztgenannten
Ansicht (m.E. völlig zutreffend) den Vorzug und folgt damit u.a. der Rechtsansicht
des BFH in Steuersachen (z.B. Beschluss vom 15.05.2020 - IX B 119/19 -).
Grundlegend würde der Gesetzgeber
immer noch davon ausgehen, dass die Zustellung durch körperliche Übergabe
erfolge, § 166 ZPO. Die Übergabe könne an jedem Ort erfolgen, an dem der
Empfänger angetroffen würde, § 177 ZPO. Die Ersatzzustellung nach § 178 ZPO,
die an eine andere Person als den Adressaten erfolge, habe zur Voraussetzung,
dass sich diese in der Wohnung oder den Geschäftsräumen befindet und der
Adressat nicht angetroffen würde. Sei diese auch nicht möglich, greife § 180
ZPO und gelte das Schriftstück mit der Einlegung in dem Behältnis als zugestellt,
§ 180 S. 2 ZPO. Der Nachteil dieser Art der Zustellung anstelle der
körperlichen Übergabe würde durch § 180 S. 3 ZPO ausgeglichen.
Es handele sich um ein Surrogat
für die körperliche Übergabe weshalb der datumsvermerk auf dem Umschlag als
notwendiger teil der Bekanntgabe anzusehen sei. Die Zustellungsurkunde diene
nur dem Nachweis der Zustellung und sei daher kein konstitutiver Bestandteil
derselben. Durch die nach § 180 S. 3 ZPO erforderliche Datumsangabe würde die
Art und Weise der Ersatzzustellung geregelt und deutlich, dass dies wesentlicher
Bestandteil der Zustellung sei. Dies ergäbe sich auch aus § 182 Abs. 2 Nr. 6
ZPO, wonach in der Zustellungsurkunde vermerkt werden müsse, dass das Datum der
Zustellung auf dem Umschlag vermerkt wurde.
Auch spreche die Gesetzesbegründung
für diese Auslegung, der zufolge das Datum zu vermerken sei, damit der
Zustellungsempfänger einen Hinweis darauf habe, wann eine mit der Zustellung in
Gang gesetzte Frist beginne. Würde das Datum auf dem Umschlag fehlen oder
weiche dieses von dem Datum in der Zustellungsurkunde ab, so sei nach dem
Willen des Gesetzgebers die Zustellung gleichwohl wirksam, doch sei dieser
Umstand bei der Prüfung, ob und wann das Schriftstück zugestellt wurde, zu
berücksichtigen (BT-Drucks. 14/4554, S. 22). Der Gesetzgeber habe es also für
möglich gehalten, dass der fehlende Datumsvermerk die Wirksamkeit oder den
Zeitpunkt der Zustellung beeinflusse.
Da hier der Kläger den Bescheid
danach (nach seinen Angaben) erst am 19.02.2016 (Freitag) in die Hand bekommen
habe, gelte dieser an diesem Tag als zugestellt. Die Anfechtungsklage damit sei
am 21.03.2016 (Montag) noch rechtzeitig erhoben worden (§ 112c Abs. 1 S. 1
BRAO, § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 2 ZPO).
Hinweis: Die
Entscheidung verdeutlicht die besondere Bedeutung eines Zustellumschlags bei
förmlicher Zustellung. Die gilt für alle förmlichen Zustellungen, mit denen
Bescheide, Mahn- oder Vollstreckungsbescheide, Klage o.a. zugestellt werden und
insbesondere mit der Zustellung Fristen zu laufen beginnen. Es ist von daher
dringend anzuraten, diese Umschläge zusammen mit dem zugestellten Schriftstück
aufzubewahren, unabhängig davon, ob auf diesen ein Datum vermerkt wurde
oder nicht. Ist kein Datum vermerkt worden, sollte der Empfänger sich selbst
(nicht auf dem Umschlag, sic.) vermerken, wann er es erhalten hat; selbst wenn
ein Datum vermerkt wurde, ist nicht gesichert, dass dieses mit dem Datum in der
Zustellungsurkunde übereinstimmt und der Empfänger mithin ggf. den Nachweis des
Zustellungsdatum bei ihm erbringen muss, um nicht durch Fristversäumnis Rechtsnachteile
zu haben.
Es empfiehlt sich ferner, bei
Mängeln von Zustellungen unverzüglich bei dem zuständigen Zustellbetrieb (in
der Regel die Deutsche Post) Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Zusteller zu
erheben (z.B. wenn das zuzustellende Schriftstück in einen Briefkasten eines
Dritten eingelegt wird, das Datum fehlt, eine persönliche Übernahme möglich
gewesen wäre aber unterlassen wurde usw.) und im Rahmen des Verfahrens auch die
zuständige Behörde / das Gericht darüber zu informieren. Kommt es häufiger zu
entsprechenden Unregelmäßigkeiten könnte so der Empfänger leichter eine
Wiedereinsetzung wegen der versäumten Frist erreichen.
BGH, Beschluss vom 29.07.2022
- AnwZ (Brfg) 28/20 -