Sonntag, 25. September 2022

Rechte des unmittelbaren Fahrzeugbesitzers nach Verkehrsunfall

Der Kläger war zum Unfallzeitpunkt Besitzer und Halter des bei einem Verkehrsunfall beschädigten Fahrzeugs, nicht aber dessen Eigentümer und machte gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche (fiktive Reparaturkosten, Wertminderung, Sachverständigenkosten und Schadenspauschale) geltend. Während das Landgericht der Klage stattgab, wies sie das OLG ab. Die (teilweise) zugelassene Revision wurde vom BGH zurückgewiesen.

Der Kläger hatte (in seinem der Revision zugrundeliegendem Hauptantrag) den Anspruch auf eigenes Recht gestützt. Unklar sei, auf welcher Grundlage der Kläger den Besitz des sicherungshalber an eine Bank (Darlehensnehmerin die Schwester des Klägers) innehalte und es könne zudem nicht beurteilt werden, welche Rechte und Pflichten er in diesem Zusammenhang habe.

Der berechtigte unmittelbare Besitz an einer Sache sei nach § 823 Abs. 1 BGB geschützt. Das entsprechende Recht könne auch vom Besitzer der Sache geltend gemacht werden. Auch könne sich ein Anspruch des Besitzers aus § 7 StVG ergeben BGH, Urteil vom 29.01.2019 - VI ZR 481/17 -). Jedenfalls könne der in seinem unmittelbaren Besitz Verletzte Ersatz des Haftungs- und Nutzungsschadens verlangen; ob er auch den Substanzschaden begehren könne, könne auch im vorliegenden Fall auf sich beruhen.

Das OLG habe den begehrten Schadenersatz zutreffend mit der Begründung abgewiesen, es läge ein Haftungsschaden des Klägers mangels einer Instandsetzungsverpflichtung des Klägers nicht vor. Insoweit besteht die Möglichkeit, dass der Schaden des Besitzers in seiner Verpflichtung zu einer Reparatur gegenüber der Person besteht, von der er sein Recht zum Besitz ableite (BGH aaO.). Hier ergäbe sich nach den Feststellungen des OLG nicht, ob, wie und wem gegenüber er zur Instandsetzung verpflichtet gewesen wäre. Der Verweis auf die Finanzierungsbedingungen und den Sicherungsübereignungsvertrag , demgemäß das Fahrzeug instand zu setzen sei, trage nicht, da Kreditnehmerin die Schwester des Klägers sei. Die träfe die Pflicht zur Reparatur. Eine an die Haltereigenschaft anknüpfende Wertung, der Kreditvertrag sei zugunsten des Klägers geschlossen worden, finde im Vortrag des Klägers keine Grundlage.

Einen Anspruch auf den Substanzschaden habe der Kläger auch nicht, unabhängig davon, welche Voraussetzungen für die Geltendmachung durch den unmittelbaren Besitzer dafür ggf. vorliegen müssten und auf welche Weise eine etwaige Anspruchskonkurrenz aufzulösen wäre (zum Schaden des Leasingnehmers BGH aaO.). Es sei kein Vortrag dazu erfolgt, welche Rechte dem Kläger zum Unfallzeitpunkt durch den Besitz verschafft werden sollten, so zu der Rechtsbeziehung bezüglich des Fahrzeugs zwischen ihm und seiner Schwester bestanden hätten. Ein Recht zum Besitz könne aber der Kläger allenfalls von bzw. über seine Schwester, die das Darlehen aufgenommen und die Sicherungsübereignung vorgenommen habe, erworben haben.

BGH, Urteil vom 24.05.2022 - VI ZR 1215/20 -


Aus den Gründen:

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 6. August 2020 wird als unbegründet zurückgewiesen, soweit die Klage auf einen Anspruch aus eigenem Recht gestützt wird. Die Revision wird als unzulässig verworfen, soweit die Klage hilfsweise auf einen Anspruch aus abgetretenem Recht gestützt wird.

Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt der Kläger.


Von Rechts wegen

Tatbestand

Nach einem Verkehrsunfall nimmt der Kläger die Beklagte auf Schadensersatz in Anspruch. Der Kläger war zum Unfallzeitpunkt Besitzer und Halter eines Fahrzeugs, das durch einen bei der Beklagten haftpflichtversicherten PKW beschädigt wurde. Das vom Kläger gefahrene Fahrzeug war an ein Kreditunternehmen sicherungsübereignet, das den Erwerb finanziert hatte. Darlehensnehmerin war die Schwester des Klägers.

Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, an die für den Kläger vorprozessual tätigen Sachverständigen 1.378,85 € und an den Kläger persönlich 12.325,95 € zu zahlen, jeweils nebst Zinsen, ferner den Kläger freizustellen von Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 526,58 €. Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Landgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Antrag auf Zurückweisung der Berufung weiter.

Entscheidungsgründe

Die nur teilweise zulässige Revision ist nicht begründet.

A.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dass der Kläger keinen Anspruch auf Ersatz der von ihm geltend gemachten fiktiven Reparaturkosten, der Wertminderung, der Sachverständigengebühren und der Auslagenpauschale wegen Verletzung seines Besitzrechtes habe. Zwar könne sich eine Haftung wegen Verletzung des berechtigten unmittelbaren Besitzes aus § 7 StVG ergeben. Der- einem Kreditnehmer insoweit vergleichbare - Leasingnehmer könne als berechtigter Besitzer aus eigenem Recht den Ersatz des Substanzschadens in Form der Herstellungskosten allenfalls dann verlangen, wenn er die Pflicht zur Instandsetzung gegenüber dem Eigentümer übernommen und dieser - bei Nichterfüllung der Instandsetzungspflicht - zugestimmt habe, dass der Leasingnehmer die fiktiven Herstellungskosten statt des Eigentümers verlangen könne (Hinweis auf Senat, Urteil vom 29. Januar 2019 - VI ZR 481/17, NJW 2019, 1669). Der Kläger, der nicht einmal Kreditnehmer sei, habe weder dargelegt, dass das finanzierende Unternehmen als Sicherungseigentümer ihm diese Ersetzungsbefugnis übertragen habe, noch treffe ihn eine Instandsetzungspflicht aus dem Autokreditvertrag, dessen Vertragspartnerin die Schwester des Klägers als Kreditnehmerin sei. Daher könne der Kläger als Besitzer auch keinen Ersatz der Wertminderung verlangen. Diese Wertdifferenz stelle einen unmittelbaren Sachschaden dar und sei damit Teil des grundsätzlich nur dem Eigentümer zustehenden Substanzschadens. Mangels Instandsetzungspflicht des Klägers gegenüber dem Sicherungseigentümer scheide auch ein Haftungsschaden des Klägers, also ein Schaden, der dem Besitzer durch seine Ersatzpflicht gegenüber dem Eigentümer entstanden sei, aus. Der Kläger könne mangels Anspruchs auf Erstattung des Substanzschadens auch keinen Ersatz der Sachverständigengebühren, der Auslagenpauschale und der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten wegen Verletzung seines Besitzrechts verlangen.

Der Kläger habe wegen der geltend gemachten Schadenspositionen auch keinen durchsetzbaren Anspruch wegen Verletzung des Eigentums aus abgetretenem Recht. Soweit er in der Berufungsinstanz sein Klagebegehren erstmals hilfsweise auf Ansprüche aus abgetretenem Recht aus einer Vereinbarung mit dem Kreditunternehmen und seiner Schwester stütze, stehe dem Anspruch die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung entgegen. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung sei der Kläger nicht zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wegen Eigentumsverletzung befugt gewesen.

B.

Die Abweisung der im Hauptantrag auf einen Anspruch aus eigenem Recht gestützten Klage hält rechtlicher Prüfung stand. Der Kläger hat gegen die Beklagte unter Zugrundelegung des revisionsrechtlich maßgeblichen Sachverhalts keinen Anspruch auf Ersatz des geltend gemachten Schadens (fiktive Reparaturkosten, Wertminderung, Sachverständigenkosten und Schadenspauschale). Denn weder ist festgestellt noch legt die Revision Instanzvortrag dazu dar, auf welcher Grundlage der Kläger den Besitz über das Fahrzeug ausübte. Insbesondere kann nicht beurteilt werden, welche Rechte und Pflichten er in diesem Zusammenhang hatte.

I. Der berechtigte unmittelbare Besitz an einer Sache wird durch § 823 Abs. 1 BGB als sonstiges Recht geschützt. Dieses Recht kann auch durch eine Beschädigung der Sache verletzt werden (vgl. Senat, Urteil vom 29. Januar 2019 - VI ZR 481/17, NJW 2019, 1669 Rn. 13; MüKoBGB/Wagner, 8. Aufl., BGB § 823 Rn. 324; jew. mwN). Eine Haftung wegen Verletzung des berechtigten unmittelbaren Besitzes kann sich weiter aus § 7 StVG ergeben. Diese Vorschrift bezieht neben dem Eigentum und anderen dinglichen Rechten auch den berechtigten unmittelbaren Besitz an einer Sache in seinen Schutzbereich ein (vgl. Senat, Urteil vom 29. Januar 2019 - VI ZR 481/17, NJW 2019, 1669 Rn. 14 mwN). Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann der in seinem berechtigten unmittelbaren Besitz Verletzte jedenfalls Ersatz des Haftungs- und des Nutzungsschadens verlangen. Ob der Verletzte darüber hinaus Ersatz des Substanzschadens verlangen kann, bedarf auch im vorliegenden Fall keiner Entscheidung.

1. Die Annahme des Berufungsgerichts, ein Haftungsschaden scheide mangels Instandsetzungspflicht des Klägers aus, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Bei der Beschädigung eines Fahrzeugs kann der Schaden des Besitzers in einem Haftungsschaden, das heißt in einer durch den Schadensfall ausgelösten Verpflichtung des Besitzers zu einer Reparatur gegenüber der Person, von der er sein Recht zum Besitz ableitet, bestehen (vgl. nur Senat, Urteile vom 13. Juli 1976 - VI ZR 78/85, VersR 1976, 943, 944; vom 29. Januar 2019 - VI ZR 481/17, NJW 2019, 1669 Rn. 15, 25 f.; MüKoBGB/Wagner, 8. Aufl., BGB § 823 Rn. 325). Den Feststellungen ist nur zu entnehmen, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Unfalls Besitzer des Fahrzeugs war. Daraus ergibt sich nicht, ob, wie und wem gegenüber er zur Instandsetzung verpflichtet war. Fehl geht der Hinweis der Revision auf Instanzvortrag des Klägers, als Fahrzeughalter habe er nach den Finanzierungsbedingungen das Fahrzeug instandsetzen zu lassen, und auf eine Verpflichtung im Sicherungsübereignungsvertrag. Denn Kreditnehmerin und Sicherungsgeberin war die Schwester des Klägers. Diese traf die von der Revision angesprochene Reparaturverpflichtung im Sicherungsübereignungsvertrag. Die an die Haltereigenschaft anknüpfende Wertung der Revision, der Kreditvertrag sei "mithin wirtschaftlich zugunsten des Klägers getroffen" worden, "so dass ihn letztlich jedenfalls indirekt auch die Pflichten aus dem Vertrag [träfen]", hat weder in den Feststellungen noch in dem in der Revisionsbegründung angeführten Instanzvortrag eine Grundlage. Entsprechendes gilt für die weitere Erwägung der Revision, es sei "mithin ebenso denkbar, dass die Bank an den Kläger übereignet [habe]", und deren Auffassung, die Verpflichtung des Klägers zur Instandsetzung habe jedenfalls gegenüber seiner Schwester bestanden.

2. Einen Ersatz des Nutzungsschadens, das heißt Ausgleich für Nachteile, die durch einen etwaigen zeitweiligen Ausfall des Fahrzeugs infolge der Beschädigung entstanden sind (vgl. zum Nutzungs- bzw. Besitzschaden MüKoBGB/Wagner, 8. Aufl., § 823 Rn. 325 mwN), macht der Kläger nicht geltend.

3. Der Kläger kann die vom ihm geltend gemachten Schadenspositionen auch nicht als Substanzschaden ersetzt verlangen. Im Streitfall bedarf keiner Entscheidung, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen der berechtigte unmittelbare Besitzer aufgrund der Verletzung seines Besitzrechts durch die Beschädigung der besessenen Sache wie der Eigentümer aus eigenem Recht den Ersatz des Substanzschadens verlangen kann und auf welche Weise eine etwaige Anspruchskonkurrenz aufzulösen wäre (vgl. - zum Schaden des Leasingnehmers - Senat, Urteil vom 29. Januar 2019 - VI ZR 481/17, NJW 2019, 1669 Rn. 15 ff.; siehe weiter MüKoBGB/Wagner, 8. Aufl., BGB § 823 Rn. 326). Denn aus den Feststellungen ergibt sich schon nicht und die Revision zeigt keinen übergangenen Vortrag dazu auf, welches Recht dem Kläger zum Unfallzeitpunkt durch den Besitz verschafft werden sollte. Es fehlt mithin seitens des Klägers, der erst in der Berufungsinstanz eingeräumt hat, dass Vertragspartnerin der finanzierenden Bank seine Schwester gewesen ist, an Vortrag dazu, welche Rechtsbeziehungen bezüglich des Fahrzeugs zum Unfallzeitpunkt zwischen seiner Schwester und ihm bestanden haben. Ein Recht zum Besitz zum Unfallzeitpunkt konnte der Kläger, der nicht Partei des Kredit- und Sicherungsübereignungsvertrags war, aber nur von seiner bzw. über seine Schwester erwerben.

II. Soweit die Revision der Auffassung ist, auch der bloße Besitzer erleide einen Vermögensverlust, weil sich die Wertigkeit seines Anwartschaftsrechts verringere, erschließt sich schon nicht, auf welcher Grundlage der Kläger ein solches erlangt haben sollte.

C.

Die Revision des Klägers ist nicht statthaft und daher unzulässig, soweit sie sich gegen die Abweisung der hilfsweise auf abgetretenes Recht gestützten Klage richtet. Denn insoweit hat das Berufungsgericht die Revision nicht zugelassen.

I. Wenn der Entscheidungsformel eines Berufungsurteils keine Beschränkung der Revisionszulassung zu entnehmen ist, kann sich diese aus den Entscheidungsgründen ergeben. Der Tenor ist im Lichte der Entscheidungsgründe auszulegen und es ist deshalb von einer beschränkten Revisionszulassung auszugehen, wenn sich die Beschränkung aus den Gründen klar ergibt. Das ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn sich die vom Berufungsgericht als zulassungsrelevant angesehene Frage nur für einen eindeutig abgrenzbaren selbständigen Teil des Streitstoffs stellt (vgl. Senat, Urteil vom 30. Juli 2019 - VI ZR 486/18, NJW-RR 2019, 1524 Rn. 15; BGH, Urteil vom 13. April 2022 - IV ZR 60/20, juris Rn. 21; jew. mwN).

Die Wirksamkeit einer Beschränkung der Revisionszulassung setzt voraus, dass sie einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs betrifft, der Gegenstand eines Teilurteils sein oder auf den der Revisionskläger selbst seine Revision beschränken kann. Unzulässig ist es, die Zulassung auf einzelne von mehreren Anspruchsgrundlagen oder auf bestimmte Rechtsfragen zu beschränken (vgl. Senat, Urteil vom 22. Februar 2022 - VI ZR 1175/20, juris Rn. 15 mwN).

II. Zwar enthält die Zulassung der Revision im Tenor des Berufungsurteils keine Beschränkung. Allerdings ist in den Entscheidungsgründen ausgeführt, die Revision werde zugelassen, weil die Rechtsfrage, ob der berechtigte unmittelbare Besitzer zum Ersatz des Substanzschadens berechtigt sei, wenn seine Nutzung beeinträchtigt sei, noch nicht höchstrichterlich geklärt sei. Diese Frage ist für die Beurteilung, ob dem Kläger ein Anspruch aus abgetretenem Recht zusteht, nicht relevant.

Diese Beschränkung der Revisionszulassung ist wirksam. Denn die Geltendmachung eines Anspruchs aus abgetretenem Recht stellt auch bei einheitlichem Klageziel einen anderen Streitgegenstand dar als die Geltendmachung aus eigenem Recht, weil der der Klage zugrunde gelegte Lebenssachverhalt im Kern geändert wird, wenn die Klage statt auf eigenes auf fremdes Recht gestützt wird (vgl. Senat, Urteile vom 29. Juni 2021 - VI ZR 566/19, VersR 2021, 1251 Rn. 9; vom 29. Januar 2019 - VI ZR 481/17, NJW 2019, 1669 Rn. 9; jew. mwN).


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