Mittwoch, 14. September 2022

Förmliche Zustellung ohne Zustelldatum auf dem Zustellumschlag und Berechnung der Frist

Im Zusammenhang mit einer Klage gegen den Entzug der Anwaltszulassung musste sich der BGH damit auseinandersetzen, welche Bedeutung dem vom Zusteller auf dem Zustellungsumschlag anzubringenden Datum der Übergabe bzw. Niederlegung zukommt, hatte der der Zusteller im Rahmen der von ihm, vorgenommenen Ersatzzustellung des Widerrufsbescheids das Datum auf dem Umschlag nicht notiert. Die Zustellungsurkunde selbst benannt das Datum des 17.02.2016. Der Kläger nahm erst am 19.02.2016 davon Kenntnis. Eingehend am 21.03.2016 erhob der Kläger Klage. Der Anwaltsgerichtshof verwarf die Klage als unzulässig; die von ihm beginnend mit dem 17.02.2016 berechnete Monatsfrist für die Klage (§ 112a Abs. 1 S. 1 BRAO iVm. § 74 Abs. 1 S. 2 VwGO) sei bereits abgelaufen gewesen. Die Klage sei auch durch einen zugelassenen Anwalt zu erheben; zum Zeitpunkt der Einreichung der Klage sei aber bereits der Widerrufsbescheid bestandskräftig gewesen, der Kläger also nicht mehr postulationsfähig gewesen, weshalb die Klage auch nicht wirksam durch ihn selbst hätte erhoben werden können.

Gegen die Entscheidung legte der Kläger Berufung zum BGH ein. Dieser wurde unter Aufhebung des Urteils des Anwaltsgerichtshofes und Rückverweisung an diesem stattgegeben.

Verfahrensrechtlich wurde vom BGH festgehalten, dass der Widerruf der Zulassung dem Kläger förmlich zuzustellen gewesen sei, § 34 BRAO. Die Ausführung der Zustellung durch die Post richte sich nach §§ 177 bis 182 ZPO. Könne die Zustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 ZPO (Zustellung oder Ersatzzustellung in Wohnung oder Geschäftsräumen) nicht erfolgen, könne das Schriftstück nach § 180 S. 1 ZPO in den zur Wohnung / zum Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder einer ähnlichen Einrichtung eingelegt werden, die der Adressat für den Postempfang vorgesehen habe. Mit dieser Einlegung gelte das Schriftstück als zugestellt, § 180 S. 2 ZPO. Das Datum der Zustellung sie vom Zusteller auf dem Umschlag zu vermerken, § 180 S. 3 ZPO.

Der BGH verweist auf die unterschiedlichen Ansichten in Literatur und Rechtsprechung, wie mit einem hier vorliegenden Verstoß gegen § 180 S. 3 ZPO umzugehen sei: Entweder wird von einer gleichwohl wirksamen Zustellung zum Zeitpunkt der Einlegung gemäß Angabe auf der Postzustellungsurkunde ausgegangen, oder aber als Zeitpunkt der Fristberechnung vom tatsächlichen Zugang ausgegangen. Bei seiner Abwägung gab der BGH der letztgenannten Ansicht (m.E. völlig zutreffend) den Vorzug und folgt damit u.a. der Rechtsansicht des BFH in Steuersachen (z.B. Beschluss vom 15.05.2020 - IX B 119/19 -).  

Grundlegend würde der Gesetzgeber immer noch davon ausgehen, dass die Zustellung durch körperliche Übergabe erfolge, § 166 ZPO. Die Übergabe könne an jedem Ort erfolgen, an dem der Empfänger angetroffen würde, § 177 ZPO. Die Ersatzzustellung nach § 178 ZPO, die an eine andere Person als den Adressaten erfolge, habe zur Voraussetzung, dass sich diese in der Wohnung oder den Geschäftsräumen befindet und der Adressat nicht angetroffen würde. Sei diese auch nicht möglich, greife § 180 ZPO und gelte das Schriftstück mit der Einlegung in dem Behältnis als zugestellt, § 180 S. 2 ZPO. Der Nachteil dieser Art der Zustellung anstelle der körperlichen Übergabe würde durch § 180 S. 3 ZPO ausgeglichen.

Es handele sich um ein Surrogat für die körperliche Übergabe weshalb der datumsvermerk auf dem Umschlag als notwendiger teil der Bekanntgabe anzusehen sei. Die Zustellungsurkunde diene nur dem Nachweis der Zustellung und sei daher kein konstitutiver Bestandteil derselben. Durch die nach § 180 S. 3 ZPO erforderliche Datumsangabe würde die Art und Weise der Ersatzzustellung geregelt und deutlich, dass dies wesentlicher Bestandteil der Zustellung sei. Dies ergäbe sich auch aus § 182 Abs. 2 Nr. 6 ZPO, wonach in der Zustellungsurkunde vermerkt werden müsse, dass das Datum der Zustellung auf dem Umschlag vermerkt wurde.

Auch spreche die Gesetzesbegründung für diese Auslegung, der zufolge das Datum zu vermerken sei, damit der Zustellungsempfänger einen Hinweis darauf habe, wann eine mit der Zustellung in Gang gesetzte Frist beginne. Würde das Datum auf dem Umschlag fehlen oder weiche dieses von dem Datum in der Zustellungsurkunde ab, so sei nach dem Willen des Gesetzgebers die Zustellung gleichwohl wirksam, doch sei dieser Umstand bei der Prüfung, ob und wann das Schriftstück zugestellt wurde, zu berücksichtigen (BT-Drucks. 14/4554, S. 22). Der Gesetzgeber habe es also für möglich gehalten, dass der fehlende Datumsvermerk die Wirksamkeit oder den Zeitpunkt der Zustellung beeinflusse.

Da hier der Kläger den Bescheid danach (nach seinen Angaben) erst am 19.02.2016 (Freitag) in die Hand bekommen habe, gelte dieser an diesem Tag als zugestellt. Die Anfechtungsklage damit sei am 21.03.2016 (Montag) noch rechtzeitig erhoben worden (§ 112c Abs. 1 S. 1 BRAO, § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 2 ZPO).

Hinweis: Die Entscheidung verdeutlicht die besondere Bedeutung eines Zustellumschlags bei förmlicher Zustellung. Die gilt für alle förmlichen Zustellungen, mit denen Bescheide, Mahn- oder Vollstreckungsbescheide, Klage o.a. zugestellt werden und insbesondere mit der Zustellung Fristen zu laufen beginnen. Es ist von daher dringend anzuraten, diese Umschläge zusammen mit dem zugestellten Schriftstück aufzubewahren, unabhängig davon, ob auf diesen ein Datum vermerkt wurde oder nicht. Ist kein Datum vermerkt worden, sollte der Empfänger sich selbst (nicht auf dem Umschlag, sic.) vermerken, wann er es erhalten hat; selbst wenn ein Datum vermerkt wurde, ist nicht gesichert, dass dieses mit dem Datum in der Zustellungsurkunde übereinstimmt und der Empfänger mithin ggf. den Nachweis des Zustellungsdatum bei ihm erbringen muss, um nicht durch Fristversäumnis Rechtsnachteile zu haben.

Es empfiehlt sich ferner, bei Mängeln von Zustellungen unverzüglich bei dem zuständigen Zustellbetrieb (in der Regel die Deutsche Post) Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Zusteller zu erheben (z.B. wenn das zuzustellende Schriftstück in einen Briefkasten eines Dritten eingelegt wird, das Datum fehlt, eine persönliche Übernahme möglich gewesen wäre aber unterlassen wurde usw.) und im Rahmen des Verfahrens auch die zuständige Behörde / das Gericht darüber zu informieren. Kommt es häufiger zu entsprechenden Unregelmäßigkeiten könnte so der Empfänger leichter eine Wiedereinsetzung wegen der versäumten Frist erreichen.

BGH, Beschluss vom 29.07.2022 - AnwZ (Brfg) 28/20 -


Aus den Gründen:

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des II. Senats des Anwaltsgerichtshofs Berlin vom 26. Juli 2017 einschließlich des ihm vorangegangenen Verfahrens aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an den Anwaltsgerichtshof Berlin zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs vorbehalten.

Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

A.

Der Kläger ist seit 1995 im Bezirk der Beklagten zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Bescheid vom 10. Februar 2016 widerrief die Beklagte die Zulassung wegen Vermögensverfalls. Der Bescheid wurde dem Kläger im Wege der Ersatzzustellung in den Briefkasten seines Büros eingelegt. Auf dem Umschlag der Sendung, die den Widerrufsbescheid enthielt, war das Datum der Zustellung nicht vermerkt. Die Zustellungsurkunde weist den 17. Februar 2016 als Tag der Zustellung aus. Der Kläger nahm erst am 19. Februar 2016 von dem Bescheid Kenntnis, da er davor krankheitsbedingt sein Büro nicht aufgesucht hatte.

Mit seiner am 21. März 2016 (Montag) eingegangenen Klage hat der Kläger die Aufhebung des Widerrufes seiner Zulassung zur Rechtsanwaltschaft sowie die Unterlassung verschiedener Äußerungen durch die Beklagte begehrt. Der Anwaltsgerichtshof hat die Klage mit Urteil vom 26. Juli 2017 als unzulässig verworfen. Er ist davon ausgegangen, dass der Widerrufsbescheid dem Kläger am 17. Februar 2016 wirksam zugestellt worden sei und daher bei Klageerhebung die Monatsfrist des § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO i.V.m. § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO für die Anfechtungsklage bereits abgelaufen gewesen sei. Damit sei dem Kläger zum Zeitpunkt der Klageerhebung die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft aufgrund der Versäumung der Klagefrist bestandskräftig entzogen gewesen, so dass der Kläger nicht mehr postulationsfähig gewesen sei. Denn eine Klage zum Anwaltsgerichtshof könne nur wirksam durch einen zugelassenen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer Hochschule mit Befähigung zum Richteramt erhoben werden.

Der wirksamen Zustellung stehe nicht entgegen, dass der Zusteller entgegen § 180 Satz 3 ZPO das Datum der Zustellung nicht auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks eingetragen habe. Der Vermerk des Tages der Zustellung bringe dem Empfänger lediglich das Datum der Zustellung nachrichtlich zur Kenntnis, sei aber nicht notwendiger Bestandteil der Zustellung. Dementsprechend werde in der Gesetzesbegründung zum Zustellungsreformgesetz ausgeführt, dass für den Fall, dass der Vermerk des Zustellungsdatums auf dem Umschlag, der das zuzustellende Schriftstück enthalte, fehle oder dieses von dem auf der Zustellungsurkunde ausgewiesenen Datum abweiche, die Zustellung dennoch wirksam sei, wobei das Gericht diesen Umstand bei der Prüfung, ob und wann das Schriftstück als zugestellt gelte, zu berücksichtigen habe.

Mit der wirksamen Zustellung durch Einlegen in den Briefkasten am 17. Februar 2016 beginne die Rechtsmittelfrist zu laufen. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus § 189 ZPO, wonach die Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zu einer Zustellung erst im Zeitpunkt des tatsächlichen Zugangs des Schriftstückes führe. Zwingende Zustellungsvorschriften im Sinne des § 189 ZPO seien nur solche Normen, deren Nichteinhaltung zur Unwirksamkeit der Zustellung führe, da nur diese einer Heilung bedürften. Insoweit gehe auch der Gesetzgeber davon aus, dass § 189 ZPO zur Unwirksamkeit führende Mängel heilen solle, indem er in der Gesetzesbegründung davon spreche, dass die Zustellung mit dem Zeitpunkt des tatsächlichen Zugangs "wirksam wird". Das sei bei einem Verstoß gegen § 180 Satz 3 ZPO nicht der Fall. Soweit der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung vom 6. Mai 2014 (BFH, GrS 2/13, NJW 2014, 2524) davon ausgehe, dass die Regelung des § 180 Satz 3 ZPO eine zwingende Zustellungsvorschrift sei, nehme er Bezug auf den Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 9. November 1976 (GmS-OGB 2/75, BGHZ 67, 355), der für das bis zum 1. Juli 2002 geltende Zustellungsrecht entschieden habe, dass § 195 Abs. 2 Satz 2 ZPO aF eine zwingende Zustellungsnorm sei. Diese Rechtsprechung sei aber nicht auf das neue Zustellungsrecht übertragbar, weil das alte Recht die Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten nicht gekannt habe und die Heilungsvorschrift des § 9 Abs. 1 VwZG aF nicht auf Klage- und Rechtsmittelfristen anzuwenden gewesen sei.

Dem Kläger sei auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da er die Frist schuldhaft versäumt habe.

Gegen die Verwerfung der Klage als unzulässig wendet sich der Kläger mit seiner vom Senat zugelassenen Berufung. § 180 Satz 3 ZPO sei eine zwingende Zustellvorschrift. Bei § 180 Satz 2 ZPO handele es sich um eine Ausnahmevorschrift, die eine Fiktion beinhalte. Die reguläre Zustellung sei in den §§ 176, 177 ZPO geregelt und besage, dass das zuzustellende Schriftstück an die Person, der zugestellt werden solle, zu übergeben sei. An die Umstände, unter denen eine Fiktion greifen solle, seien besonders enge Maßstäbe anzulegen. In § 180 Satz 3 ZPO sei bestimmt, dass die Zustellperson das Datum der Zustellung auf dem Umschlag des "zuzustellenden" Schriftstücks zu vermerken habe, so dass bereits der Wortlaut zeige, dass die Zustellfiktion vor dem Vermerk des Datums und vor der Einlegung in den Briefkasten nicht in Gang gesetzt werden könne.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Anwaltsgerichtshofs Berlin vom 26. Juli 2017 zum Gz. II AGH 4/16 aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung an den Anwaltsgerichtshof Berlin zurückzuverweisen.

Die Beklagte hat auf die Berufung des Klägers nicht erwidert und auch keinen Antrag gestellt.

Mit Verfügung des Vorsitzenden vom 11. April 2022 sind die Parteien zu einer Verfahrensweise nach § 112e Satz 2 BRAO, § 130a VwGO angehört worden. Der Kläger hat daraufhin einen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe gestellt. Die Beklagte hat sich nicht geäußert.

B.

Die Berufung des Klägers ist zulässig und begründet. Der Anwaltsgerichtshof hat die Klage rechtsfehlerhaft als unzulässig verworfen. In Ausübung pflichtgemäßen Ermessens wird von der durch § 112e Satz 2 BRAO, § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffneten Möglichkeit der Zurückverweisung der Streitsache an die Vorinstanz Gebrauch gemacht.

Die Entscheidung nach § 112e Satz 2 BRAO, § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO kann durch Beschluss in entsprechender Anwendung von § 112e Satz 2 BRAO, § 130a VwGO ergehen (vgl. BayVGH, Beschluss vom 15. Februar 2011 - 14 B 10.806, juris Rn. 18 mwN; Hessischer VGH, DVBl 2020, 1148, 1149 mwN). Der Senat hält die Berufung einstimmig für begründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Es ist nur über die Zulässigkeit der Klage zu entscheiden. Der Sachverhalt für die insoweit zu entscheidende Rechtsfrage ist geklärt. Im Anhörungsverfahren sind den Parteien die wesentlichen Erwägungsgründe bereits mitgeteilt worden. Stellungnahmen hierzu sind nicht erfolgt.

I.

Die Berufung ist aufgrund der Zulassung durch den Senat nach § 112e Satz 1 BRAO statthaft und auch im Übrigen gemäß § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 5 Satz 5 und Abs. 6 VwGO zulässig.

II.

Die Berufung ist begründet. Der Anwaltsgerichtshof ist rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass die Klagefrist des § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO i.V.m. § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO zum Zeitpunkt der Klageerhebung bereits abgelaufen war. Gemäß § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO musste die Anfechtungsklage - da nach § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO i.V.m. § 26 Abs. 5 Satz 1 des Gesetzes über die Zuständigkeiten in der Allgemeinen Berliner Verwaltung ein Widerspruchsverfahren nicht erforderlich war - innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erhoben werden. Der Widerruf der Zulassung war nach § 34 BRAO zuzustellen. Für die Ausführung der Zustellung durch die Post mit Zustellungsurkunde gelten die §§ 177 bis 182 ZPO entsprechend (§ 3 Abs. 2 Satz 1 VwZG i.V.m. § 5 aF/§ 7 des Gesetzes über das Verfahren der Berliner Verwaltung). Gemäß § 180 Satz 1 ZPO kann - wenn die Zustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 ZPO (Ersatzzustellung in der Wohnung oder in Geschäftsräumen) nicht ausführbar ist - das Schriftstück in einen zu der Wohnung oder dem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt werden, die der Adressat für den Postempfang eingerichtet hat und die in der allgemein üblichen Art für eine sichere Aufbewahrung geeignet ist. Mit der Einlegung gilt das Schriftstück als zugestellt (§ 180 Satz 2 ZPO). Der Zusteller vermerkt auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks das Datum der Zustellung (§ 180 Satz 3 ZPO).

1. Im vorliegenden Fall ist das Datum der Zustellung nicht auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks vermerkt worden. Es bestehen unterschiedliche Ansichten dazu, wie dieser Verstoß gegen § 180 Satz 3 ZPO einzustufen ist.

Wird das Datum entgegen § 180 Satz 3 ZPO nicht vermerkt, ist die Zustellung nach einer Ansicht mit dem Zeitpunkt der Einlegung in den Briefkasten wirksam (vgl. VGH Mannheim, VBlBW 2016, 328 f.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 1. August 2018 - 2 Rb 8 Ss 387/18, juris Rn. 6 ff.; OVG Schleswig, NJW 2020, 633 Rn. 5; Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 4. März 2021 - 3 Sa 45/20, juris Rn. 71 ff.; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 23. Aufl., § 180 Rn. 4; Zöller/Schultzky, ZPO, 34. Aufl., § 180 Rn. 9; Wieczorek/Schütze/Rohe, ZPO, 4. Aufl., § 180 Rn. 11; Ronellenfitsch in BeckOK VwVfG, Stand: 1. Oktober 2019, § 3 VwZG Rn. 42; Smollich in Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Aufl., § 3 VwZG Rn.15).

Nach anderer Ansicht handelt es sich bei § 180 Satz 3 ZPO um eine zwingende Zustellungsvorschrift, so dass bei einem Verstoß hiergegen das Schriftstück gemäß § 189 ZPO und § 8 VwZG erst im Zeitpunkt des tatsächlichen Zugangs als zugestellt gilt (vgl. BFH, Großer Senat, NJW 2014, 2524 Rn. 63 ff. mwN; BFH, DStR 2015, 2824 Rn. 17 ff.; BFH, Beschluss vom 15. Mai 2020 - IX B 119/19, juris Rn. 3 mwN; Schwarz in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Stand: November 2021, § 3 VwZG Rn. 94a; Gräber/Stapperfend, FGO, 9. Aufl., § 53 Rn. 97; Czybulka/Kluckert in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl., § 56 Rn. 81; Schenk in Schoch/Schneider, VwGO, Stand: Januar 2020, § 56 Rn. 74; Lampe in KK-OWiG, 5. Aufl., § 51 Rn. 35; Preisner in BeckOK OWiG, Stand: 1. April 2022, § 3 VwZG Rn. 27).

2. Der Senat folgt der letztgenannten Auffassung.

a) Bei der Neuordnung der Zustellungsvorschriften hat der Gesetzgeber daran festgehalten, dass eine Zustellung in ihrer Grundform durch körperliche Übergabe stattfindet (BFH, Großer Senat, NJW 2014, 2524 Rn. 68). Gemäß § 166 Abs. 1 ZPO ist Zustellung die Bekanntgabe eines Dokuments an eine Person in der in diesem Titel bestimmten Form. Das Schriftstück kann der Person, der zugestellt werden soll, an jedem Ort übergeben werden, an dem sie angetroffen wird (§ 177 ZPO). Bei der Ersatzzustellung nach § 178 ZPO erfolgt ebenfalls die Übergabe an eine Person, wenn es sich dabei auch nicht um die Person handelt, der zugestellt werden soll. Diese Art der Ersatzzustellung erfordert, dass die Person, der zugestellt werden soll, in ihrer Wohnung, in dem Geschäftsraum oder in einer Gemeinschaftseinrichtung, in der sie wohnt, nicht angetroffen wird. § 180 ZPO geht noch weiter und ersetzt den Vorgang der körperlichen Übergabe, indem er - wenn die Zustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 ZPO nicht ausführbar ist - die Einlegung in einen zu der Wohnung oder dem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung genügen lässt. Dementsprechend bestimmt § 180 Satz 2 ZPO, dass mit der Einlegung das Schriftstück als zugestellt gilt. Im Gegensatz zu §§ 177, 178 ZPO enthält § 180 Satz 3 ZPO die Regelung, dass der Zusteller das Datum der Zustellung auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks vermerken muss. Dies erklärt sich daraus, dass bei einer Übergabe des Schriftstücks von Person zu Person dem Empfänger klar ist, wann er das Schriftstück erhalten hat. Wird das Schriftstück hingegen in den Briefkasten eingelegt und wird dieser zum Beispiel wegen Urlaubs oder Krankheit nicht täglich kontrolliert, kann der Zeitpunkt des Eingangs nicht mehr sicher bestimmt werden. Durch die Vorschrift des § 180 Satz 3 ZPO wird dieser Nachteil, der durch den Wegfall der körperlichen Übergabe entsteht, ausgeglichen. Damit stellt nicht nur die Einlegung in den Briefkasten, sondern auch der Vermerk des Datums auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks ein Surrogat für die körperliche Übergabe dar und ist somit als notwendiger Teil der Bekanntgabe anzusehen.

b) Dies ergibt sich auch aus dem Zusammenspiel der Regelungen in § 180 ZPO und § 182 ZPO.

Gemäß § 182 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist zum Nachweis der Zustellung nach den §§ 171, 177 bis 181 eine Urkunde auf dem hierfür vorgesehenen Formular anzufertigen. Diese Beurkundung dient nur zum Nachweis der Zustellung und ist selbst kein notwendiger (konstitutiver) Bestandteil der Zustellung (vgl. BT-Drucks. 14/4554, S. 15; BGH, Beschluss vom 11. Juli 2018 - XII ZB 138/18, NJW 2018, 2802 Rn. 5 mwN).

Dadurch, dass die Pflicht, das Datum der Zustellung auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks zu vermerken, ausdrücklich in § 180 Satz 3 ZPO enthalten ist, welcher die Art und Weise der Ersatzzustellung regelt, wird deutlich, dass es sich dabei um einen Bestandteil der Ersatzzustellung und nicht lediglich um einen Vorgang der Beurkundung handeln soll. Dass dieser Bestandteil als wesentlich angesehen wird, ergibt sich wiederum daraus, dass § 182 Abs. 2 Nr. 6 ZPO gerade als Nachweis dafür, dass diese Pflicht erfüllt worden ist, die Bemerkung verlangt, dass der Tag der Zustellung auf dem Umschlag vermerkt worden ist (vgl. auch BFH, DStRE 2013, 1267 Rn. 41).

Soweit § 182 Abs. 2 Nr. 6 ZPO so ausgelegt wird, dass er indirekt fordert, den Datumsvermerk auf dem übergebenen Umschlag auch anzubringen, wenn eine persönliche Übergabe (§§ 177, 178 ZPO) erfolgt oder diese vom Empfänger verweigert (§ 179 ZPO) worden ist (vgl. MünchKommZPO/Häublein/Müller, 6. Aufl., § 182 Rn. 11; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 23. Aufl., § 182 Rn. 10; Zöller/Schultzky, ZPO, 34. Aufl., § 182 Rn. 10; vgl. auch BT-Drucks. 14/4554, S. 22), spricht dies ebenfalls dafür, dass der Regelung in § 180 Satz 3 ZPO die oben dargestellte Bedeutung zukommt. Denn ansonsten hätte es der Gesetzgeber bei der Vorschrift des § 182 Abs. 2 Nr. 6 ZPO belassen können, da diese vom Wortlaut her alle in § 182 Abs. 1 ZPO aufgeführten Zustellungen umfasst und damit auch die Ersatzzustellungen nach §§ 180, 181 ZPO.

c) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Gesetzesbegründung (so aber beispielsweise VGH Mannheim, BeckRS 2016, 43130 Rn. 4; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 23. Aufl., § 180 Rn. 4). Der Gesetzgeber hat darin zu der Vorschrift des § 182 Abs. 2 ZPO ausgeführt, dass der Zusteller auf dem Umschlag, der das zuzustellende Schriftstück enthalte, das Datum der Übergabe an den Zustellungsadressaten beziehungsweise an einen Ersatzempfänger oder das Datum des Einlegens in einen zu der Wohnung beziehungsweise zu dem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder das Datum der Niederlegung zu vermerken habe. Dem Zustellungsadressaten solle damit ein Hinweis gegeben werden, wann eine mit der Zustellung in Gang gesetzte Frist beginne. Dieser Hinweis sei deshalb erforderlich, weil die Zustellungsurkunde mit dem darauf vermerkten Zustellungsdatum unverzüglich an die Geschäftsstelle zurückgesendet werde. Fehle der Vermerk des Zustellungsdatums oder weiche dieses von dem auf der Zustellungsurkunde ausgewiesenen Datum ab, sei die Zustellung dennoch wirksam. Das Gericht habe diesen Umstand aber bei der Prüfung, ob und wann das Schriftstück als zugestellt gelte, zu berücksichtigen (BT-Drucks. 14/4554, S. 22).

Diesen Ausführungen lässt sich zunächst entnehmen, dass der Gesetzgeber davon ausging, dass aufgrund der Regelung in § 182 Abs. 2 Nr. 6 ZPO bei jeder Form der Zustellung vom Zusteller ein Datumsvermerk auf dem Umschlag, der das zuzustellende Schriftstück enthält, angebracht werden muss. Sodann stellt der Gesetzgeber den Grundsatz auf, dass ein Unterlassen des Vermerks an der Wirksamkeit der Zustellung nichts ändern soll. Allerdings schränkt er diesen Grundsatz ein, indem er angibt, dass dieser Umstand "aber bei der Prüfung, ob und wann das Schriftstück als zugestellt gelte, zu berücksichtigen" sei (BT-Drucks. 14/4554, S. 22). Regelungen dazu, durch welchen Akt ein Schriftstück als zugestellt "gilt", finden sich in § 179 Satz 3, § 180 Satz 2 und § 181 Abs. 1 Satz 4 ZPO und somit gerade in den Fällen, in denen eine körperliche Übergabe nicht stattfindet beziehungsweise vom Empfänger verweigert wird. In diesen Fällen hielt es der Gesetzgeber daher für möglich, dass der fehlende Datumsvermerk die Wirksamkeit oder den Zeitpunkt der Zustellung beeinflussen kann.

d) Entgegen der Ansicht des Anwaltsgerichtshofs stehen einer Wertung von § 180 Satz 3 ZPO als zwingende Zustellungsvorschrift nicht die Unterschiede zu der früheren Rechtslage entgegen.

aa) Zwar löst sich die Legaldefinition des § 166 Abs. 1 ZPO in der Fassung des Zustellungsreformgesetzes vom 25. Juni 2001 (BGBl. I S. 1206), wonach Zustellung die Bekanntgabe eines Schriftstücks an eine Person in der in diesem Titel bestimmten Form ist, begrifflich bewusst von der in der früheren Rechtsprechung entwickelten Definition der Zustellung als die in gesetzlicher Form erfolgte und beurkundete Übergabe eines Schriftstücks, so dass die Beurkundung kein notwendiger (konstitutiver) Bestandteil der Zustellung mehr ist (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Juli 2005 - NotZ 12/05, NJW 2005, 3216, 3217; BT-Drucks. 14/4554, S. 15). Wie unter II.2.a) und b) dargestellt, ergibt sich jedoch aus der Regelungssystematik, dass § 180 Satz 3 ZPO eine zur Bekanntgabe gehörende Formvorschrift und keine bloße Beurkundungsregelung ist.

bb) Nach der vor dem Zustellungsreformgesetz geltenden Rechtslage konnte die in § 195 Abs. 2 Satz 1 ZPO aF vorgesehene Übergabe einer Abschrift der Zustellungsurkunde dadurch ersetzt werden, dass der Postbedienstete den Tag der Zustellung auf der Sendung vermerkte und dies in der Zustellungsurkunde bezeugte (§ 195 Abs. 2 Satz 2 ZPO aF). Dabei handelte es sich um eine zwingende Zustellungsvorschrift, deren Nichteinhaltung zwar nicht ohne weiteres zur Unwirksamkeit der Zustellung führte (§ 187 Satz 1 ZPO aF, § 9 Abs. 1 VwZG aF), aber zur Folge hatte, dass sie den Lauf von Notfristen (§ 187 Satz 2 ZPO aF) beziehungsweise eine Frist für die Erhebung der Klage, eine Berufungs-, Revisions- oder Rechtsmittelbegründungsfrist nicht in Gang setzte (vgl. § 9 Abs. 2 VwZG aF; vgl. BGH, Beschluss vom 31. März 2003 - II ZB 12/01, NJOZ 2003, 1050 f.). Durch das Zustellungsreformgesetz erfolgte eine Erweiterung dahingehend, dass ein Zustellungsmangel auch dann geheilt ist, wenn durch die Zustellung der Lauf einer Notfrist beziehungsweise einer der in § 9 Abs. 2 VwZG aF genannten Fristen in Gang gesetzt werden soll (vgl. BT-Drucks. 14/4554, S. 25 und 27). Diese Ausweitung der Heilungsmöglichkeit auf fristauslösende Zustellungen ist aus der Sicht eines Zustellungsadressaten eine deutliche Verschärfung (BFH, Großer Senat, NJW 2014, 2524 Rn. 69). Der Gesetzgeber hat dies damit gerechtfertigt, dass beim Auftreten von Fehlern deren Beseitigung nicht zu Lasten einer Partei gehen darf, wenn feststeht, dass das zuzustellende Schriftstück der Person tatsächlich zugegangen ist, an die es gerichtet war oder dem Gesetz gemäß gerichtet werden konnte (vgl. BT-Drucks. 14/4554, S. 25). Der tatsächliche Zugang entspricht dabei dem Zeitpunkt, in dem der Empfänger das Dokument in die Hand bekommt (vgl. BFH, Beschluss vom 6. Mai 2014 - GrS 2/13, juris Rn. 78). Durch dieses Erfordernis des tatsächlichen Zugangs hat der Gesetzgeber somit zugunsten des Zustellungsempfängers einen Ausgleich für die erweiterte Heilungsmöglichkeit geschaffen (vgl. BFH, aaO Rn. 69).

Auch dies spricht eher dafür, § 180 Satz 3 ZPO als zwingende Zustellungsvorschrift anzusehen, da dadurch bei einem fehlenden Datumsvermerk über § 189 ZPO und § 8 VwZG sichergestellt ist, dass eine Frist erst mit dem tatsächlichen Zugang des Schriftstücks zu laufen beginnt. Hätte ein fehlender Vermerk hingegen keinen Einfluss auf den Zeitpunkt der Zustellung und würde die Frist bereits mit der Einlegung in den Briefkasten beginnen, wäre der Schutz des Empfängers noch weiter herabgesetzt. Er müsste selbst in Erfahrung bringen, wann die Einlegung in den Briefkasten und somit der Fristbeginn erfolgt ist. Dies wird nicht immer ohne größere Schwierigkeiten möglich sein. Denn zum einen werden die Gerichte und Behörden, welche die Zustellung veranlasst haben, nur zu den Geschäftszeiten erreichbar sein, zum anderen können sie nur dann Auskunft geben, wenn die Zustellungsurkunde bereits bei ihnen eingegangen ist. Dass der Gesetzgeber eine derartige Risikoverlagerung auf den Zustellungsempfänger herbeiführen wollte, ist aus der Gesetzesbegründung nicht ersichtlich.

3. Der Kläger hat den Bescheid der Beklagten erst am 19. Februar 2016 (Freitag) in die Hand bekommen, so dass der Bescheid daher an diesem Tag als zugestellt gilt. Die Anfechtungsklage ist am 21. März 2016 (Montag) noch rechtzeitig erhoben worden (vgl. § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 2 ZPO). Mangels Bestandskraft des Bescheids ist auch die Postulationsfähigkeit des Klägers gegeben.

Der Senat macht - wie vom Kläger beantragt - gemäß § 112e Satz 2 BRAO, § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO von der Möglichkeit der Zurückverweisung des Rechtsstreits an den Anwaltsgerichtshof Gebrauch, da die Sache nicht entscheidungsreif ist. Der Anwaltsgerichtshof hat noch nicht in der Sache entschieden, da er die Klage zu Unrecht durch Prozessurteil verworfen hat. Im Berufungsverfahren haben sich die Parteien nicht zur Sache geäußert, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Parteien auf die Sachprüfung durch die erste Instanz verzichten wollen.

4. Ein Kostenausspruch ist bei einer Zurückverweisung nach § 112e Satz 2 BRAO, § 130 Abs. 2 VwGO nicht veranlasst; die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs vorbehalten (vgl. BayVGH, Urteil vom 18. Januar 2021 - 8 BV 21.135, juris Rn. 25). Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO


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