Im Grundbuch war in Abt. II ein Nacherbenvermerk eingetragen, den der Käufer (Beschwerdeführer) als nunmehr eingetragener Eigentümer gelöscht haben wollte. Nach dem Nacherbenvermerk war die JW in E befreite (Mit-) Vorerbin nach FW, und die ehelichen Abkömmlinge von ihr sollten Nacherben sein, ersatzweise wurden Dritte als Nacharben benannt. Zur Begründung seines Löschungsantrags verwies der Beschwerdeführer darauf, dass in 1963 die die JW und eine weitere Mitvollerbin die Immobilie an G und KL veräußert und aufgelassen worden, wodurch diese aus dem der Nacherbschaft unterliegenden Nachlass ausgeschieden und der grundbuchliche Nacherbenvermerk unrichtig geworden sei. Das Grundbuchamt wies den Löschungsantrag mit der Begründung zurück, vor der Löschung sei rechtliches Gehör zu gewähren, doch seien die (insbesondere ehelichen) Abkömmlinge von JW nicht zu ermitteln und auch kein Zustellungsvertreter oder Pfleger für die unbekannten Nacherben bestellt worden und es sei Sache des Antragstellers (jetzigen Beschwerdeführers) hier die Ermittlungen durchzuführen.
Die Beschwerde dagegen war erfolgreich und führte zur Aufhebung des Beschlusses des Grundbuchamtes und Zurückverweisung an dieses. Sie war zulässig, da hier in Ansehung der §§ 71 ff GBO die Beschränkungen des § 69 Abs. 1 FamFG nicht gelten würden.
Grundsätzlich zutreffend sei die Auffassung des Grundbuchamtes, dass der Nacherbenvermerk u.a. dann gelöscht werden könne, wenn die Unrichtigkeit des Grundbuchs (§ 22 GBO) in der Form des § 29 GBO nachgewiesen sei. Wenn das Grundstück aus dem der Nacherbschaft unterliegenden Nachlass ausgeschieden sei, könne dies der Fall sein. Dass sei dann der Fall, wenn die Verfügung des Vorerben auch ohne Zustimmung der Nacherben wirksam war, da der Vorerbe in vollem Umfang entgeltlich verfügt habe (so auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.03.2012 - 3 Wx 299/11 -).
Ebenfalls zutreffend sei die Auffassung des Grundbuchamtes, dass die durch eine Löschung betroffenen Nacherben vor der Löschung anzuhören seien.
Fehlerhaft sei es allerdings gewesen, dass das Grundbuchamt die Ermittlung der zu beteiligenden Nacherben dem antragstellenden Beteiligten aufgegeben habe. Die materielle Ermittlung träfe das Grundbuchamt, welches dieses von Amts wegen vorzunehmen habe (OLG Düsseldorf aaO.), und dem es bisher nicht vollumfänglich nachgekommen sei. Das Grundbuchamt habe lediglich die alten Grundbuchakten angefordert und über das Grundbuchamt versucht festzustellen, ob die befreite Mitvorerben JW noch im Melderegister eingetragen sei und dort ihre aktuelle Anschrift verzeichnet sei, ferner(vergeblich), ob Nachlassvorgänge zu JW vorhanden seien. Es habe auch die Nachlassakte des Erblassers FW angefordert. Dies sei nicht ausreichend.
So habe das Grundbuchamt nicht abgewartet, bis die angeforderte Nachlassakte des FW vorlag. Aus dessen Testament könnten sich Anschriften ergeben, weshalb sich nach der Einsicht weitere Ermittlungsansätze ergeben könnten. Ferner habe das Grundbuchamt Ermittlungen über das für JW zuständige Standesamt unterlassen (Geburtseintraf, ggf. vorhandener Eintrag in das Eheregister und dort ggf. verzeichnete eheliche Kinder). Auch wären Nachfragen bei den Erben der 2008 verstorbenen Ersatzerbin JS und dem weiteren Ersatzerben für die weitere Ermittlung erforderlich.
Wenn alle Ermittlungsmöglichkeiten fruchtlos ausgeschöpft worden seien, sei vom Grundbuchamt von Amts wegen eine Pflegschaft für unbekannte Beteiligte (§ 1913 BGB) beim zuständigen Gericht anzuregen. Lediglich wenn die Einrichtung einer Pflegschaft vom zuständigen Gericht abgelehnt würde, könne dem Beschwerdeführer im Wege der Zwischenverfügung die Möglichkeit gegeben werden, selbst für eine Pflegerbestellung zu sorgen (OLG Stuttgart, Beschluss vom 13.09.2018 - 20 W 197/18 -; a.A. für den Fall, dass alle Nacharben erst mit dem Eintritt des Nacherbfalls feststehen würden, OLG Frankfurt, Beschluss vom 13.09.2018 - 20 W 197/18 -).
OLG Hamm, Beschluss vom
22.04.2022 - I-15 W 76/22 -
Aus den Gründen:
Tenor
Der Beschluss vom 3.03.2022 wird
aufgehoben.
Das Verfahren
wird zur erneuten Behandlung an das Amtsgericht - Grundbuchamt - Dortmund
zurückverwiesen.
Gründe
I.
Der Beteiligte,
der aktueller Eigentümer des in Rede stehenden Grundbesitzes ist, hat mit
Antrag vom 19. Oktober 2021 die Löschung des in Abt. II unter der lfd.
Nr. 6 eingetragenen Nacherbenvermerks beantragt. Der Nacherbenvermerk hat
folgenden Wortlaut:
Die
"(...)" J W in E ist befreite Vorerbin. Nacherben des F W sind beim
Tode der Vorerbin deren eheliche Abkömmlinge. Für den Fall, dass die Vorerbin
kinderlos verstirbt, sind Nacherben
a) I S in
X,
b) H T in
E.
Aufgrund des
Testaments vom 4. Februar 1953, 7 IV 112/53 Amtsgericht Dortmund eingetragen am
26. Januar 1962.
Der Beteiligte
hat seinen Löschungsantrag wie folgt begründet: Durch die Veräußerung im Jahre
1963 durch die Mitvollerbin D W und die befreite (Mit-) Vorerbin J W an die
Eheleute G und K L sei der Grundbesitz endgültig aus dem der Nacherbschaft
unterliegenden Nachlass ausgeschieden. Die Veräußerung sei in vollem Umfang
entgeltlich gewesen. Mithin sei das Grundbuch hinsichtlich des
Nacherbenvermerks unrichtig geworden (§ 22 GBO).
Das
Grundbuchamt hat den Löschungsantrag zurückgewiesen, weil den Nacherben, also
insbesondere den ehelichen Abkömmlinge der befreiten Vorerbin J W , vor der
Löschung des Nacherbenvermerks rechtliches Gehör zu gewähren sei, diese aber
nicht hätten ermittelt werden können. Ferner sei kein Zustellungsvertreter oder
Pfleger für die unbekannten Nacherben bestellt worden.
Hiergegen
wendet sich der Beteiligte mit seiner Beschwerde vom 4. März 2022 unter
Bezugnahme auf sein bisheriges Vorbringen.
II.
Die nach
§§ 71 ff. GBO zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg und führt
unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zur Zurückverweisung des
Verfahrens an das Grundbuchamt.
Der ablehnende
Beschluss kann jedenfalls mit der dort gegebenen Begründung keinen Bestand
haben. Da das FGG-RG die Eigenständigkeit der Vorschriften der §§ 71 ff.
GBO betreffend die Beschwerde in Grundbuchsachen nicht berührt hat, gelten die
Beschränkungen des § 69 Abs. 1 FamFG hier nicht (vgl. nur Senat, Beschluss
vom 14.12.2010, 15 W 490/10, FGPrax 2011, 127; Budde, in: Bauer/Schaub, GBO, 4.
Auflage, § 77 Rn.22). Im Einzelnen:
1.
Allerdings geht
das Grundbuchamt im Ansatz zutreffend davon aus, dass der Nacherbenvermerk u.a.
dann gelöscht werden kann, falls die Unrichtigkeit des Grundbuchs (§ 22
GBO) in der Form des § 29 GBO nachgewiesen ist. Das kann der Fall sein,
wenn das in Rede stehende Grundstück endgültig aus dem der Nacherbschaft
unterliegenden Nachlass ausgeschieden ist. Letzteres trifft zu, wenn die Verfügung
des Vorerben auch ohne Zustimmung der Nacherben voll wirksam war, weil der
befreite Vorerbe in vollem Umfang entgeltlich verfügt hat (vgl. dazu nur OLG
Düsseldorf, Beschluss vom 19.03.2012, 3 Wx 299/11, FamRZ 2012, 1762).
Weiterhin geht
das Grundbuchamt zutreffend davon aus, dass vor der Löschung des
Nacherbenvermerks wegen Unrichtigkeit (§ 22 GBO) auch die hierdurch
betroffenen Nacherben zu hören sind (vgl. Senat, Beschluss vom 19.01.1995, 15 W
303/94, FGPrax 1995, 14; Senat, Rpfleger 1984, 312; OLG Düsseldorf a.a.O.). Die
Ermittlung der am Verfahren zu beteiligenden Nacherben darf das Grundbuchamt
indessen nicht den Beteiligten aufgeben. Vielmehr hat es von Amts wegen die am
Verfahren materiell Beteiligten zu ermitteln (vgl. OLG Düsseldorf a.a.O.).
Dieser Verpflichtung ist das Grundbuchamt aber bisher nicht - in vollem Umfang
- nachgekommen.
Das
Grundbuchamt hat zwar die alten Grundakten angefordert. Auch hat es -
vergeblich - versucht zu ermitteln, ob die befreite (Mit-) Vorerbin J W noch im
Melderegister eingetragen ist und dort ihre aktuelle Anschrift verzeichnet ist.
Ferner hat das Grundbuchamt - vergeblich - versucht aufzuklären, ob
Nachlassvorgänge betreffend die Vorerbin J W vorhanden sind; die Anfrage an das
Nachlassgericht ist negativ beschieden worden. Das Grundbuchamt hat zudem die
Nachlassakten betreffend den Erblasser F W angefordert.
Damit hat das
Grundbuchamt aber noch nicht alle Aufklärungsmöglichkeiten ausgeschöpft. Es hat
ausweislich der Grundakten nicht den Eingang der angeforderten Nachlassakten
betreffend F W abgewartet; nach F W existiert jedenfalls nach dem Wortlaut des
Nacherbenvermerks die Nachlassakte (d. h. Testamentsakte) 7 IV 112/53 AG
Dortmund. Regelmäßig befinden sich in den Testamentsakten die Anschriften der
gesetzlichen und eingesetzten (Nach-) Erben. Hiernach ist nicht ausgeschlossen,
dass sich nach Einsichtnahme in die o.g. Nachlassakte weitere
Ermittlungsansätze ergeben, aufgrund derer letztlich die Nacherben und deren
aktuelle Anschriften ermittelt werden können. Das Grundbuchamt hat es auch
unterlassen, beim zuständigen Standesamt die Personaldaten der Frau J W
(Geburtseintrag, ggf. vorhandener Eintrag ins Eheregister und dort ggf.
verzeichnete eheliche Kinder) zu ermitteln. Angesichts des Wohnorts der Frau J
W dürften Erkenntnisse beim Standesamt Dortmund vorhanden sein.
Denkbar ist
zudem, dass sich durch Nachfragen bei den Erben der im Jahre 2008 verstorbenen
Ersatznacherbin J S und bei dem Ersatznacherben H T oder dessen Erben weitere
Erkenntnisse/Ermittlungsansätze ergeben.
Sollten die
Nacherben nicht ermittelt werden können, ist eine Pflegschaft für unbekannte
Beteiligte (§ 1913 BGB) bei dem zuständigen Gericht anzuregen, und zwar
von Amts wegen. Erst wenn das Gericht die Einrichtung einer solchen Pflegschaft
abgelehnt hat, kann dem Beteiligten im Wege der Zwischenverfügung die
Möglichkeit gegeben werden, selbst für eine solche Pflegerbestellung zu sorgen
(vgl. dazu nur OLG Stuttgart, Beschluss vom 25.03.2019, 8 W 142/18, zitiert
nach Juris; aA.: OLG Frankfurt, Beschluss vom 13.09.2018, 20 W 197/18, FGPrax
2018, 279 - freilich zu dem Fall, dass sämtliche Nacherben erst mit Eintritt
des Nacherbfalls feststehen).
Die Ermittlung
der am Grundbuchverfahren materiell Beteiligten hat, wie bereits gesagt, von
Amts wegen zu erfolgen (vgl. OLG Düsseldorf a.a.O.). Diese von Amts wegen
vorzunehmenden Ermittlung wird das Grundbuchamt nunmehr nachzuholen haben.
Aufgrund des
Erfolgs der Beschwerde ist eine Entscheidung zu den Kosten, zum Geschäftswert
und zur Zulassung der Rechtsbeschwerde entbehrlich.
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