Der Kläger befuhr bei einem orkanartigen Sturm eine Straße, wobei es sturmbedingt zu einer Schädigung seines Fahrzeugs durch einen umstürzenden Baum kam. Er machte gegen den Träger der Straßenbaulast Schadensersatzansprüche geltend, da er die Auffassung vertrat, dieser hätte die Straße wegen des Sturms sperren müssen. Seine Klage wurde abgewiesen; das OLG erließ einen Beschluss gem. § 522 ZPO um den Kläger darauf hinzuweisen, dass es gedenke die Berufung zurückzuweisen.
Dabei ging das OLG auch davon aus, dass dem Träger der Straßenbaulast als Amtspflicht die Pflicht zur Erhaltung der Verkehrssicherheit obliege. Diese erstrecke sich auch auf die der Straße zuzuordnenden Straßenbäume (nicht auf Bäume, die am Rand eines an eine Straße grenzenden Waldstücks stünden). Hier seien die Maßnahmen zu treffen, die einerseits gegen Astbruch und Umsturz erforderlich seien, andererseits unter Berücksichtigung des umfangreichen Baumbestandes der öffentlichen Hand auch zumutbar seien. Deshalb genüge es, wenn die Standsicherheit dieser Bäume in regelmäßigen Abständen kontrolliert würde. Dabei seien die als Gefahr anzusehenden Bäume oder teile derselben zu entfernen; sollte dies in angemessener Zeit nicht möglich sein, könne dem Träger der Straßenbaulast die Pflicht treffen, die Straße bis zur Beseitigung des gefahrbringenden Baumes für den Verkehr zu sperren. Der Kläger habe nicht erklärt, dass der Träger der Straßenbaulast bei Baumkontrollen eine fehlende Standsicherheit durch den Baum festgestellt habe.
Auch der Umstand, dass nicht jede von einem Baum oder einem Ast ausgehende Gefahr von außen erkennbar sei, rechtfertige keine andere Beurteilung. Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht läge nur dann vor, wenn Anzeichen verkannt oder übersehen würden, die nach der Erfahrung auf eine weitere Gefahr durch den Baum hinweisen würden (BGH, Urteil vom 21.01.1965 - III ZR 217/63 -).
Die Möglichkeit, dass bei einem Sturm auch ein gesunder Straßenbaum umfallen oder Teile davon abbrechen und damit Verkehrsteilnehmer gefährden können, begründe keinen Anspruch. Die dem Träger der Straßenbaulast obliegende Straßenverkehrssicherungspflicht umfasse nur diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend halte, um andere vor Schäden zu bewahren (BGH, Urteil vom 06.02.2007 - VI ZR 274/05 -). Hierbei sei zu berücksichtigen, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden könne. Der Grundsatz laute, dass im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht sein müsse, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich halte. Danach müsse nicht ein eine Straße oder ein Teil einer Straße bei einem aufkommenden Sturm zum vorbeugenden Schutz abgesperrt werden.
Auch müsse der Verkehrssicherungspflichtige nur diejenigen Gefahren ausräumen bzw. vor ihnen warnen, die für den Benutzer bei erforderlicher Sorgfalt nicht rechtzeitig erkennbar seien oder auf die er sich nicht rechtzeitig einrichten könne (OLG Köln, Beschluss vom 07.01.2016 - 7 U 160/15 -). Es sei aber allgemein bekannt, dass bei einem orkanartigen Sturm unversehens Gegenstände oder umstehende Bäume oder Teile von ihnen auf die Straße stürzen, weshalb sich jeder Verkehrsteilnehmer auf die Gefahren selbst einstellen könne.
OLG Hamm, Hinweisbeschluss
vom 28.06.2023 - 11 U 170/22 -
Aus den Gründen:
Tenor
Der Senat weist darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung des Klägers gegen das am 05.10.2022 verkündete Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer der LG Paderborn gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.
Es besteht Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung Stellung zu nehmen.
Gründe
Die zulässige
Berufung hat nach der einstimmigen Überzeugung des Senates offensichtlich keine
Aussicht auf Erfolg.
Das Landgericht
hat die Klage zurecht abgewiesen.
Dem Kläger
steht wegen des von ihm am 00.02.2022 auf der X.-straße in A. erlittenen
Fahrzeugschadens kein Schadensersatzanspruch gegen die beklagte Stadt aus
§ 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 S. 1 GG und §§ 9, 9a
StrWG NRW als der hier einzig ernsthaft in Betracht kommenden
Anspruchsgrundlage zu. Denn selbst unter Zugrundelegung des klägerischen
Vorbringens fehlt es an einer haftungsbegründenden Amtspflichtverletzung der
Beklagten. Die beklagte Stadt war entgegen der Ansicht des Klägers nicht dazu
verpflichtet, wegen des zum Unfallzeitpunkt vorherrschenden Sturmes den von ihm
befahrenen Abschnitt der X.-straße vorsorglich abzusperren.
Zwar obliegt
der Beklagten als Straßenbaulastträgerin der X.-straße gemäß § 9, 9a StrWG
NW als Amtspflicht in Ausübung hoheitlicher Tätigkeit die Pflicht zu Erhaltung
der Verkehrssicherheit. Dabei erstreckt sich Verkehrssicherungspflicht für die
Straße auch auf die der Straße zuzuordnenden Straßenbäume. Nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Baum, der am Rand eines an einer
öffentlichen Straße angrenzenden Waldstücks steht, indes nur dann der Straße
zuzuordnen, wenn er Eigentümlichkeiten aufweist, die ihn vom Waldsaum abheben.
Solange er hingegen unauffällig im Wald steht, erstreckt sich die
öffentlich-rechtliche Verkehrssicherungspflicht des Straßenbaulastträgers nicht
auf ihn (BGH, 19.01.1989, III ZR 258/87 - Rz. 20 juris). Ausgehend hiervon
kann vorliegend schon nicht festgestellt werden, dass der am Fahrzeug des
Klägers entstandene Schaden durch einen Straßenbaum verursacht wurde. Denn nach
dem eigenen Vortrag des Klägers in der Klageschrift ist der Unfallbereich
bewaldet und von hohen Bäumen umgeben. Das sich der schadensverursachende Baum
irgendwelche Eigentümlichkeiten aufwies, die ihn vom angrenzenden Wald abhoben,
hat der Kläger nicht dargelegt.
Doch selbst man
zugunsten des Klägers davon ausginge, dass es sich bei dem
schadensverursachenden Baum um einen Straßenbaum gehandelt hat, lässt sich eine
Verkehrssicherungspflicht der Beklagten nicht feststellen. Denn der
Straßenbaulastträger hat aufgrund der ihm für die Straße obliegenden
Verkehrssicherungspflicht zur Abwehr der von Straßenbäumen ausgehenden Gefahren
nur die Maßnahmen zu treffen, die einerseits zum Schutz gegen Astbruch und
Umsturz erforderlich sind, andererseits ihm unter Berücksichtigung des
umfangreichen Baumbestandes der öffentlichen Hand auch zumutbar sind. Er genügt
seiner Überwachungs- und Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich der
Straßenbäume, wenn er diese in regelmäßigen zeitlichen Abständen hin auf die
Standsicherheit hin kontrolliert. Er hat die dabei von ihm als gefahrbringend
festgestellten Bäume oder Teile von diesen zu entfernen. Ist ihm dies innerhalb
angemessener Zeit nicht möglich, kann ihn im Einzelfall auch die Pflicht
treffen, die Straße bis zur Beseitigung des gefahrbringenden Baumes oder Teiles
davon für den Verkehr zu sperren. Dass vorliegend die beklagte Stadt bereits
vor dem Unfallgeschehen bei den von ihr durchzuführenden Baumkontrollen eine
solchermaßen in der Beschaffenheit des konkreten Baumes begründete fehlende
Standsicherheit desselben hätten erkennen und deshalb vorsorglich die X.-straße
hätte sperren müssen, behauptet indes der Kläger selbst nicht.
Dass nicht jede
von einem Baum oder einzelnen seiner Äste ausgehende Gefahr immer von außen
erkennbar ist, rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Vielmehr muss der
Verkehr gewisse Gefahren, die nicht durch menschliches Handeln entstehen,
sondern auf Gegebenheiten oder Gewalten der Natur beruhen, als unvermeidbar
hinnehmen. Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht liegt deshalb in
solchen Fällen nur vor, wenn Anzeichen verkannt oder übersehen worden sind, die
nach der Erfahrung auf eine weitere Gefahr durch den Baum hinweisen (BGH,
Urteil vom 21.01.1965 - III ZR 217/63, juris Rn. 13; Senatsurteil vom
30.10.2020 - 11 U 34/20, juris Rn. 7; Senatsbeschluss vom 04.11.2013 - 11
U 38/13, juris Rn. 13; Senatsbeschluss vom 04.11. 2022 - I-11 U 86/21 -,
juris Rn. 6).
Der bloße
Umstand, dass auch gesunde Straßenbäume oder Teile von ihnen bei starken
Sturmgeschehen auf die Straße fallen und damit die Verkehrsteilnehmer gefährden
können, vermag eine Verkehrssicherungspflicht der beklagten Stadt nicht zu
begründen. Die der Beklagten als Straßenbaulastträgerin nach §§ 9, 9a
StrWG NW obliegende Straßenverkehrssicherungspflicht umfasst (nur) diejenigen
Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen
vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden
zu bewahren (BGH, Urteil vom 6. Februar 2007 - VI ZR 274/05 -,
Rn. 14, juris). Dabei ist zu berücksichtigen, dass nicht jeder abstrakten
Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Eine Verkehrssicherung, die jede
Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar. Deshalb muss
nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge
getroffen werden. Es sind vielmehr nur diejenigen Vorkehrungen zu treffen, die
geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden. Der im Verkehr
erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB) ist genügt, wenn im
Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden
Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält.
Nach diesen
Grundsätzen muss der Träger der Straßenbaulast bei einem aufkommenden Sturm
nicht einzelne Straßenabschnitte sperren, um bereits vorbeugend den sonst
teilnehmenden Verkehr vor Schäden durch auf die Straße umstürzende Bäume oder
Teile davon zu schützen. Allein der Umstand, dass sich diese Gefahr in einem
Bereich verwirklicht hat, für welchen die beklagte Stadt
verkehrssicherungspflichtig ist, reicht zur Begründung einer dahingehenden
Verkehrssicherungpflicht nicht aus, weil den Verkehrssicherungspflichtigen ohne
das Hinzutreffen besonderer Umstände grundsätzlich keine Pflicht trifft, die
Schädigung anderer zu verhindern, welche aus einer nicht von ihm zu
verantwortenden Gefahrenquelle herrührt.
Darüber hinaus
muss der Verkehrssicherungspflichtige auch nur diejenigen Gefahren ausräumen
oder vor ihnen warnen, die für den Benutzer, der die erforderliche Sorgfalt
walten lässt, nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die er sich
nicht oder nicht rechtzeitig einzurichten vermag (OLG Köln, Beschluss vom
07.01.2016 - 7 U 160/15 - juris Rn. 5). Dass bei einem orkanartigen Sturm
die Gefahr besteht, dass umherwehende Gegenstände oder umstehende Bäume oder
Teile von ihnen auf die Straße stürzen, ist aber allgemein bekannt, so dass
sich jeder umsichtige Verkehrsteilnehmer auf die damit einhergehenden Gefahren
- und sei es durch einen Verzicht auf das Befahren der Straße -
einstellen kann. Aufgrund dieser allgemein anzunehmenden Kenntnis besteht kein
Anspruch darauf, durch den Inhaber der Verkehrssicherungspflicht vor Schäden,
welche auf solche Extremwetterlagen und damit höhere Gewalt zurückzuführen
sind, gewarnt oder - wie vom Kläger verlangt - durch vorbeugende
Maßnahmen geschützt zu werden (Wingler in:
Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Aufl.,
§ 839 BGB [Stand: 21.03.2023], Rn. 564).
Zudem würde die
Annahme einer solchermaßen weitgehenden Verkehrssicherungspflicht den
Verkehrssicherungspflichtigen auch in personeller und wirtschaftlicher Hinsicht
überfordern und wäre ihm deshalb auch nicht zumutbar. Bei Auftreten einer
extremen Wetterlage ist der Verkehrssicherungspflichtige bereits hinlänglich
damit beschäftigt, die Gefahren, welche sich aus bereits realisierten Schäden
ergeben, zu erfassen und zu beseitigen. Von ihm darüber hinaus zu verlangen,
seine begrenzten Kapazitäten noch zusätzlich dafür einzusetzen, vorsorglich
sämtliche, an größeren Baumbeständen gelegene Verkehrsflächen abzusperren, um
den Verkehr vor der für ihn ohnehin offenkundigen und dem allgemeinen
Lebensrisiko zuzuordnenden Gefahr, dass bei Sturm auch gesunde Bäume oder Teile
von ihnen abbrechen und Schäden verursachen könne (BGH, Urteil vom 06.03.2014,
III ZR 352/13 - Rz. 13) zu schützen, ginge ersichtlich zu weit.
Auch der
Umstand, dass ein Teil der X.-straße zum Unfallzeitpunkt gesperrt war,
rechtfertigt schließlich keine abweichende Beurteilung. Denn zum einen legt der
Vortrag des Klägers, dass der Straßenabschnitt von der Feuerwehr der Beklagten
abgesperrt worden wurde, bereits die Annahme nahe, dass hier schon Bäume
umgestürzt waren, welche die Feuerwehr beseitigen wollte. Sollte hingegen
dieser Teilabschnitt der X.-straße tatsächlich von der Beklagten wegen des
Sturmereignisses vorsorglich abgesperrt worden sein, wäre dies aus den
vorstehenden Gründen überobligatorisch geschehen.
Die Sache hat
auch keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des
Senates auf Grund mündlicher Verhandlung, die auch sonst nicht geboten ist
(§ 522 Abs. 2 S. 1 ZPO).
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