Dienstag, 17. September 2013

Urheberrecht: Angewandte und freie Kunst, Abgrenzung

 Nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG gehören zur Kunst "Werke der bildenden Künste einschließlich der Werke der Baukunst und der angewandten Kunst und Entwürfe solcher Werke". Obwohl beide Werkarten dem Urherrechtsschutz unterliegen, ist doch eine differenzierte Betrachtung erforderlich. Die sogenannte Gestaltungshöhe der benannten Werke ist aber unterschiedlich, weshalb es für die Frega der Schutzfähigkeit im Einzelfall darauf ankommen kann, wozu das Werk gezählt wird. Dazu führte der BGH in seiner Entscheidung vom 22.06.1995 - I ZR 119/93 - aus:
Lisa Winter erstellt ein Bild (Foto: rn)
"So ist von der Rechtsprechung im Bereich des musikalischen und literarischen Schaffens die sogenannte kleine Münze anerkannt, die einfache, aber gerade noch schutzfähige Schöpfungen umfaßt (vgl. BGH, Urt. v. 3.11.1967 - Ib ZR 123/65, GRUR 1968, 321, 324 - Haselnuß; Urt. v. 26.9.1980 - I ZR 17/78, GRUR 1981, 267, 268 - Dirlada). Sie gilt auch bei Werken der "reinen" (zweckfreien) Kunst. Im Gegensatz dazu hat die Rechtsprechung bei Werken der angewandten Kunst, soweit sie einem Geschmacksmusterschutz zugänglich sind, seit jeher höhere Anforderungen gestellt. Zwischen Urheber- und Geschmacksmusterrecht besteht kein Wesens-, sondern nur ein gradueller Unterschied (st. Rspr., vgl. BGHZ 22, 209, 217 - Morgenpost; 50, 340, 350 - Rüschenhaube). Da sich bereits die geschmacksmusterschutzfähige Gestaltung von der nicht geschützten Durchschnittsgestaltung, dem rein Handwerksmäßigen und Alltäglichen abheben muß, ist für die Urheberrechtsschutzfähigkeit ein noch weiterer Abstand, das heißt ein deutliches Überragen der Durchschnittsgestaltung zu fordern (vgl. BGHZ 94, 276, 287 - Inkasso-Programm). Für den Urheberrechtsschutz ist danach ein höherer schöpferischer Eigentümlichkeitsgrad als bei nur geschmacksmusterfähigen Gegenständen zu verlangen, wobei die Grenze zwischen beiden nicht zu niedrig angesetzt werden darf (st. Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 21.5.1969 - I ZR 42/67, GRUR 1972, 38, 39 - Vasenleuchter; Urt. v. 19.1.1979 - I ZR 166/76, GRUR 1979, 332, 336 - Brombeerleuchte; Urt. v. 27.1.1983 - I ZR 177/80, GRUR 1983, 377, 378 - Brombeer-Muster).
Dient das Werk einem Gebrauchszweck so ist es der angewandten Kunst zuzuordnen. Hierzu zählen Bedarfs- und Gebrauchsgegenstände mit künstlerischer Formgebung. Dient das Werk alleine der Anschauung und ästhetischen Erbauung so erfolgt die Einordnung als bildende Kunst. 
Das OLG Köln hatte sich in einem Rechtstreit zwischen einem Künstler aus dem Bereich Grafik und Fotodesign und einem Vertreiber von Geschenkartikeln zu entscheiden, ob ein "Kussmund" ein geschütztes Kunstwerk ist.
OLG Köln, Urteil vom 09.03.2012 - 6 U 62/11 -

Nichteheliche Lebensgemeinschaft: Haftungsprivilegiert nach § 116 Abs. 6 SGB X

[Bild: Jorma Bork  / pixelio.de]
Kommt es zu einem Schadensfall ist der Sozialversicherer (z.B. die gesetzliche Krankenkasse) gehindert, bei dem Schädiger Schadensersatzansprüche geltend zu machen, wenn es sich bei dem Versicherten um einen Familienangehörigen des Schädigers handelt und der Vorfall nicht auf Vorsatz oder grob fahrlässigen Verhalten des Schädigers beruht, ferner der Familienangehörige mit dem Schädiger in häuslicher Gemeinschaft lebt, § 116 Abs. 6 SGB X. Gedacht ist hier z.B. an Eheleute, bei denen der eine Ehepartner durch Unachtsamkeit des anderen verletzt wird. In diesem Fall soll der Krankenversicherer seine Aufwendungen nicht bei dem schädigenden Ehepartner regressieren können.  Hintergrund ist der Gedanke, dass durch die häusliche Gemeinschaft und eine dadurch auch anzunehmende finanzielle Gemeinschaft der verletzte Ehepartner letztlich mit für die an sich durch seine Krankenversicherung gedeckten Kosten einzustehen hätte.

Verkehrsssicherungspflicht: Eisglätte und Räumungspflicht

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Der Sommer ist vorbei, wieder wird es kälter. Und es kommt die Zeit, in der Zugänge zu Häusern, Parkplätzen, aber auch Gehwege (qua öffentlicher Satzungen) von Schnee und Eis befreit werden müssen. Und immer wieder kommt es im Zusammenhang mit der Räum- und Streupflicht zu gerichtlichen Auseinandersetzungen zwischen dem Pflichtigen und einer Person, die stürzte. In seinem Urteil vom 12.06.2012 - VI ZR 138/11 - nahm der BGH neuerlich zur Frage des Umfangs der Streupflicht Stellung. Er wies wieder darauf hin, dass der Verletzte die Streupflicht und deren schuldhafte Verletzung darzulegen und zu beweisen hat.  
                                                                                                       
Die Streupflicht tritt bei einer allgemeinen Glätte ein. Nur vereinzelte kleine Eisflächen (hier: 20 x 20cm) begründen sie nicht.   Der Fußgänger kann sich also nicht darauf verlassen, dass stets alles geräumt bzw. abgestreut ist. Vereinzelte Eisflächen, die sich für ihn auch als Gefährdung darstellen können, können immer noch vorhanden sein, worauf er sich einzustellen hat.
Der Leitsatz der Entscheidung des BGH lautet:

"Sind im Bereich eines Grundstücks nur vereinzelte Glättestellen ohne erkennbare Anhaltspunkte für eine ernsthaft drohende Gefahr vorhanden, ist nicht von einer allgemeinen Glättebildung auszugehen, die eine Streupflicht begründen könnte."

BGH, Urteil vom 12.06.2012 - VI ZR 138/11-



Kapitalanlage: Fehlberatung und Schadensersatz

Banken und Sparkasse sind häufig ihren Kunden bei der Kapitalanlage "behilflich". Und häufig erhält der Kunde dann nicht nur seine erwartete Rendite nicht, sondern verliert auch noch sein eingesetztes Kapital. Immer häufiger kommt es zu Schadensersatzprozessen. Hat der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Kunde den Beratungsfehler nach
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gewiesen, muss er seinen daraus resultierenden Schaden beweisen. Dies ist in Bezug auf das eventuell verlorene Kapital recht einfach, bereitet aber Schwierigkeiten, wenn auch ein Zinsverlust verlangt wird. Nicht einmal der gesetzliche Zinssatz von 4% (§ 246 BGB) kann verlangt werden.  In seiner Entscheidung vom 24.04.2012 – XI ZR 360/11 -  hat der BGH dargelegt, dass es nicht dem gewöhnlichem Lauf der Dinge (§ 252 BGB) entspricht, dass eine Kapitalanlage überhaupt Gewinne abwirft. Von daher muss der Anleger darlegen und nachweisen, wie er den Kapitalbedarf bei korrekter (Risiko-) Aufklärung angelegt hätte.
BGH, Urteil vom 24.04.2012 - XI ZR 360/11 -
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Tierhalterhaftung: Nutztier und Haftungsausschluss

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Nutztiere sind nicht nur ihrem Halter nützlich. Sie genießen gegenüber sonstigen Haustieren auch eine rechtliche Sonderstellung. Während der Tierhalter ohne eigenes Verschulden stets für Schäden durch sein Tier haftet (und ihm insoweit allenfalls der Mitverschuldenseinwand nach § 254 BGB oder ein vereinbarter Haftungsausschluß zur teilwisen oder gäntlichen Entthaftung verbleibt), § 833 Satz 1 BGB, kann er sich bei einem Nutztier exkulpieren, § 833 Satz 2 BGB. Um ein Nutztier handelt es sich nach der gesetzlichen Definition dann, wenn dieses dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Beruf zu dienen bestimmt ist; exkulpiert ist der Halter, wenn er den Nachweis erbringt, dass er bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet hat oder trotz außerachtlassung dieser Sorgfalt der Schaden ohnehin eingetreten wäre.
Das AG Esslingen musste in seinem Urteil vom 14.08.2012 - 10 C 644/12 - darüber entscheiden, ob das Halten von Schafen in Nebenerwerbslandwirtschaft eine Nutztierhaltung iSv. § 833 Satz 2 BGB darstellt und ob der verklagte Tierhalter seiner Aufsichtspflicht genügt hatte. Beides wurde bejaht.
AG Esslingen, Urteil vom 14.08.2012 - 10 C 644/12 -
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Schadensersatz: Abzug bei Lohnkosten bei fiktiver Abrechnung

Wer einen Verkehrsunfall hatte kann wählen: Er rechnet die Reparaturkosten für sein Fahrzeug aufgrund einer Reparaturkostenrechnung (also konkret) ab, oder er rechnet aufgrund eines Kostenvoranschlags oder Sachverständigengutachtens fiktiv ab. Wählt er die fiktive Abrechnung bestimmt § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB, dass die Umsatzsteuer nicht erstattungsfähig ist. Das AG Gummersbach hat in einem Urteil vom 15.05.2012 - 11 C 49/12 - auch einen Abzug von 10% der mutmaßlichen Reparaturkosten für Sozialabgaben und Lohnnebenkosten bei den Lohnkosten angenommen. Es begründet dies damit, dass es sich bei diesen ähnlich der Umsatzsteuer lediglich um Durchlaufposten handeln würde.
AG Gummersbach, Urteil vom 15.05.2012 - 11 C 49/12 -
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Werkvertragsrecht: Verjährung des Werklohnanspruchs

Werklohnansprüche verjähren in der Regelverjährung des § 195 BGB, also binnen drei Jahren. Die Verjährung beginnt mit dem Ablauf des Jahres zu laufen, in dem der Vergütungsanspruch fällig wird. Nach § 641 BGB ist die Vergütung bei Abnahme zu entrichten. Dies bedeutet aber nicht, dass die Verjährung erst mit einer Abnahme und dadurch bedingten Fälligkeit zu laufen beginnen würde. Entscheidend ist, wann eine Abnahmefähigkeit vorlag, § 640 BGB. Verweigert der Auftraggeber die Zahlung unter Hinweis auf eine mangelnde Abnahmefähigkeit die Zahlung, kann das dann die Verjährung nicht hemmen, wenn die Abnahmefähigkeit doch gegeben war.

Üblicherweise erhebt der Werkunternehmer bei verweigerter Abnahme und Zahlung eine Zahlungsklage, in deren Rahmen die Abnahmefähigkeit als Voraussetzung der Fälligkeit inzident zu prüfen ist. In einem vom BGH zu beurteilenden Fall (VII ZR 135/11, Beschluss vom 9.2.2011) hatte der Werkunternehmer allerdings nicht Zahlungsklage erhoben, sondern ein selbständiges Beweisverfahren angestrengt, um so die Mangelfreiheit und Abnahmefähigkeit feststellen zu lassen. Im Rahmen einer im Anschluss erhobenen Zahlungsklage hatte der Auftraggeber die Einrede der Verjährung erhoben. Der BGH bestätigte die Vorentscheidung, dass Verjährung nicht eingetreten sei. Das von dem Werkunternehmer eingeleitete Beweisverfahren habe nach § 204 BGB zur Hemmung der Verjährung geführt, da der Werkunternehmer mit dem Beweisverfahren die Mängelfreiheit habe prüfen lassen, um so seinen Vergütungsanspruch durchzusetzen, nicht um Mängelrechte des Auftraggebers abzuwenden. Nur wenn er das Beweisverfahren zur Abwendung von Mängelrechten durchgeführt hätte, wäre die Verjährungshemmung des Vergütungsanspruchs nicht eingetreten.
Leitsatz des BGH: Die Verjährung des Vergütungsanspruchs des Auftragnehmers wird gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB gehemmt, wenn der Auftragnehmer zur Aufklärung von Werkmängeln ein selbständiges Beweisverfahren einleitet, um die Abnahmereife seiner Werkleistungen und die tatsächlichen Voraussetzungen für die Fälligkeit seines Vergütungsanspruchs nachweisen zu können.
BGH, Beschluss vom 9. Februar 2012 - VII ZR 135/11 -
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