Die Beklagten (Mieter) hatten in
den Monaten ab April 2015 bis Oktober 2015 die Miete um 40% gemindert und weiterhin
von April bis August 2017 ein Zurückbehaltungsrecht in Höhe von 60% wegen von
ihnen behaupteter Mängel geltend gemacht; ab Oktober 2015 beschränkten sich die
Beklagten auf eine Minderung von 20%. Von der Klägerin (Vermieterin) wurde
daraufhin das Mietverhältnis wegen Zahlungsverzugs unter Verweis auf die
benannten Monate das Mietverhältnis fristlos gekündigt. Im Rahmen des
Räumungsprozesses sprach die Vermieterin am 01.07.2017 eine weitere fristlose
Kündigung wegen Zahlungsverzugs im Berufungsverfahren aus; mit bereits erstinstanzlichen
Schriftsatz vom 16.03.2017 hatte sie geltend gemacht, sie habe den von den Beklagten
gerügten, allerdings auf deren Wohnverhalten zurückzuführenden Schimmelbefall im
Juni 2016 beseitigen lassen. Das Amtsgericht hatte unter Abweisung der
Räumungsklage der Zahlungsklage teilweise stattgegeben; auf die Berufung der
Klägerin wurde dem Zahlungs- und Räumungsantrag umfassend stattgegeben. Mit
ihrer zugelassenen Revision begehren die Beklagten die Wiederherstellung des
erstinstanzlichen Urteils. Die Revision führte zur Aufhebung der landgerichtlichen
Entscheidung und Rückverweisung.
Der BGH folgt dem Landgericht,
dass ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 3
BGB vorliegt, wenn der Mieter über einen Zeitraum von mehr als zwei Terminen
mit der Entrichtung des Mietzinses in Höhe eines Betrages in Verzug sei, der zwei
Monatsmieten entspräche.
Für den relevanten
Kündigungszeitpunkt 01.07.2017 ergäbe sich daraus und aus dem Umstand, dass die
Beklagten ihre Anschlussberufung gegen die amtsgerichtliche Entscheidung
zurückgenommen hätten, nicht, dass sie sich mit der Zahlung eines
kündigungsrelevanten Betrages in Verzug befunden hätten. Die durch die Rücknahme der Anschlussberufung
erfolgte Rechtskraftwirkung erstrecke sich hier nicht gem. § 322 ZPO auf die
Frage eines kündigungsrelevanten Verzugs. Dann, wenn es Gericht in einem
Vorprozess bereits über einen Streitgegenstand rechtskräftig entschieden habe
und dies Vorfrage für einen aktuellen Prozess sei, trete die Bindungswirkung
ein, die sich aber ausschließlich auf die im Vorprozess ausgesprochene
Rechtsfolge beziehe. Diese Präjudizialität nahm der BGH aber für das
rechtskräftige Zahlungsurteil des Amtsgerichts (durch Rücknahme der Berufung
der Beklagten bewirkt) nicht an. Die Rechtskraft des Zahlungsurteils würde das
Gericht nicht davon entbinden, im Rahme des Streitgegenstandes Kündigung das
Vorliegen eines kündigungsrelevanten Zahlungsverzugs am 01.07.2017 zu prüfen. Diese
Vorfrage sei durch die Rechtskraft des Zahlungsurteils noch nicht bindend
festgestellt. Festgestellt wurde lediglich, dass ein bestimmter Betrag an
Mieten offen sei, der der Klägerin zugesprochen worden sei. Hieraus ließe sich
für die mit entscheidende Vorfrage für den Räumungsprozess nicht schließen,
dass zu den jeweiligen Kündigungszeitpunkten eine fristlose Kündigung gem. §
543 Abs. 2 Nr. 3 b) BGB gerechtfertigt sei.
Ob ein verzugsausschließendes
Leistungsverweigerungsrecht des Mieters nach § 320 Abs. 1 S. 1 BGB bestünde
liegt nach Darlegung des BGH im Beurteilungsermessen aufgrund einer
Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung von Trau
und Glauben durch den Tatrichter. Insoweit bestünde nur eine eingeschränkte
Prüfungsmöglichkeit durch den BGH im Rahmen der Revision, der allerdings das
Urteil des Landgerichts nicht standhalten würde.
Die Würdigung des Landgerichts
zum Zurückbehaltungsrecht sei verfehlt. Die Angabe der Klägerin über eine
Mängelbeseitigung im Juni 2016 ließe nach Auffassung des Landgerichts nicht
erwarten, dass die Klägerin weitere Mängelbeseitigungsmaßnahmen vornehmen würde,
weshalb der Zweck des Zurückbehaltungsrechts nicht erfüllt sei. Zwar diene das
Zurückbehaltungsrecht dazu, Druck zur Mängelbeseitigung auf den Vermieter
auszuüben, was dann nicht möglich sei, wenn der Zweck verfehlt würde oder nicht
mehr erreicht werden könne. Es ende bei Beseitigung des Mangels und bei Beendigung
des Mietverhältnisses sowie dann, wenn der Mieter seine Mitwirkung (so Zutrittsgewährung
zur Wohnung) verweigere. Ein solcher Fall läge aber hier nicht vor. Alleine die
klägerische Behauptung zur Mängelbeseitigung würde das Recht nicht ausschließen
können; andernfalls könnte der Vermieter dieses Recht alleine dadurch hindern,
dass er den Mangel bestreitet oder Beseitigung behaupte. Auch würde die
Behauptung der Mängelbeseitigung im Prozess nicht bedeuten, dass der Vermieter,
sollte der Bestand des Mangels festgestellt werden, nicht doch noch den Mangel
beseitigt. Entscheidend sei daher, ob die Behauptung der Mängelbeseitigung
zutreffe oder sonstige Gründe den Schluss zulassen würden, dass das
Zurückbehaltungsrecht dazu dient, Druck auf den Vermieter auszuüben. Feststellungen
dazu, ob der Mangel tatsächlich beseitigt wurde, habe das Landgericht nicht getroffen.
Sonstige Umstände, die gegen die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts sprechen
könnten, lägen nicht vor. Sie lägen weder in Bezug auf die Höhe des in 2015
zurückbehaltenen Betrages (€ 2.301,00) noch im Hinblick auf den seitherigen
Zeitablauf vor. Zwar unterliege das Leistungsverweigerungsrecht nach § 320 Abs.
1 S. 1 BGB in Ansehung des Umstandes, dass das Ungleichgewicht zwischen Leistung
und Gegenleistung durch Minderung wiederhergestellt sei, einer zeitlichen und betragsmäßigen Begrenzung, wobei der
zurückbehaltene Betrag in einer angemessenen Relation zur Bedeutung des Mangels
stehen müsse.
Bei hier zugunsten der Beklagten
im Revisionsverfahren (mangels nachzuholender Feststellungen nach der
Rückverweisung) anzunehmender zumindest auch bauseitiger Ursachen von
Schimmelbefall in Küche und Schlafzimmer sei der Betrag noch als angemessen
anzusehen. Die Zeitdauer (bis zur Kündigung am 01.07.2017) könne auch nicht die
Annahme rechtfertigen, das Leistungsverweigerungsrecht habe seinen Zweck
verfehlt. De Mieter könne zwar von dem Leistungsverweigerungsrecht nicht
unbegrenzt Gebrauch machen sondern ist nach einem gewissen Zeitraum
verpflichtet, seine sonstigen Rechte (BGH, Urteil vom 17.06.2015 - VII ZR 19/14
-) neben der Minderung) geltend zu machen. Vorliegend sei aber zu berücksichtigen,
dass die Klägerin noch während der Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts im
August 20915 bei Bestreiten des Mangels Klage auf Zahlung und wegen Kündigung
wegen Zahlungsverzugs Räumungsklage erhoben. Das Amtsgericht habe ein Gutachten eines
Bausachverständigen eingeholt und die Klägerin habe sich dann auf eine Mängelbeseitigung
berufen, wobei sie Fehler des Gutachtens rügte. Aus diesem Bestreiten der
Klägerin ließe sich angesichts des laufenden Prozesses gerade nicht folgern, das
Zurückbehaltungsrecht verfehle jetzt seinen Zweck. Auch von der Klägerin wurde
selbst im Berufungsverfahren ausgeführt, das Leistungsverweigerungsrecht verfehle
deshalb hier seien Zweck, da der Mangel, soweit er vorhanden gewesen sei,
beseitigt worden sei.
BGH, Urteil vom 10.04.2019 - VIII ZR 39/18 -