Montag, 16. Dezember 2019

Überbau durch Fassadendämmung versus Veränderungen am Nachbargebäude


Die Parteien sind Eigentümer aneinandergrenzender, in versetzter Bauweise errichteter Reihenhäuser in Hessen. Der Kläger ließ an seinem Reihenhaus eine Fassadendämmung anbringen. Ein Teil der Wand des klägerischen Reihenhauses einschließlich eines schmalen Streifens im Dachbereich blieb allerdings infolge der versetzten Bauweise ungedämmt. Die Außendämmung nebst Putz würde hier  die Grenze des Grundstücks des Beklagten um 11cm überschreiten. Zur Anbringung müssten ein Holzunterstand nebst Verkleidung, die Entlüftung des Außentanks und der Küchenabluft und ein Stromkabel verlegt und der Dachbereich des Hauses des Beklagten geöffnet werden. Der Klage auf Durchführung der erforderlichen Arbeiten durch den Kläger (auf seine Kosten) wurde vom Amtsgericht stattgegeben; die hiergegen vom Beklagten erhobene Berufung zum Landgericht (LG) war erfolgreich und führte zur Abweisung der Klage. Die vom LG zugelassene Revision wurde vom BGH zurückgewiesen.

Der Anspruch des Klägers sei, so der BGH, zutreffend auf der Grundlage des § 10a Abs. 1 NachbG HE verneint worden. Die Norm lautet:

„Der Eigentümer und die Nutzungsberechtigten eines Grundstücks haben Bauteile, die auf ihr Grundstück übergreifen, zu dulden, wenn
1. es sich bei den übergreifenden Bauteilen um eine Wärmedämmung handelt, die über die Bauteilanforderungen der Energieeinsparverordnung vom 24. Juli 2007 (BGBl. I S. 1519), geändert durch Verordnung vom 29. April 2009 (BGBl. I S. 954), in der jeweils geltenden Fassung für bestehende Gebäude nicht hinausgeht,
2. eine vergleichbare Wärmedämmung auf andere Weise mit vertretbarem Aufwand nicht vorgenommen werden kann und
3. die übergreifenden Bauteile
a) an einer vorhandenen einseitigen Grenzwand auf dem Nachbargrundstück angebracht werden,
b) die Benutzung des betroffenen Grundstücks nicht oder nur geringfügig beeinträchtigen und
c) öffentlich-rechtlichen Vorschriften nicht widersprechen.
Die Duldungspflicht nach Satz 1 erstreckt sich auch auf die mit der Wärmedämmung zusammenhängenden notwendigen Änderungen von Bauteilen.“

Danach erstreckt sich die Duldungspflicht auch auf die mit der Wärmedämmung zusammenhängenden notwendigen Änderungen von Bauteilen.

Unzutreffend sei das LG ohne Überprüfung davon ausgegangen, es habe sich hier um eine Grenzwand (vgl. § 8 Abs. 1 NachbG HE)  gehandelt. Das sei aber unschädlich. Läge nur eine Nachbarwand vor, an die die Reihenhäuser in beiden Richtungen angebaut worden seien, fehle es an dem Vorliegen einer Grenzwand, weshalb sich die Duldungspflicht nicht aus § 10 Abs. 1 S. 1 NachbG HE ergeben könne. Aber auch bei Annahme einer Grenzwand käme eine Duldungspflicht nicht in Betracht, da er durch die Norm nicht zur Hinnahme von baulichen Veränderungen an dem auf seinem Grundstück stehenden Gebäude verpflichtet sei. Dabei könne dahinstehen, ob eine „einseitige“ Grenzwand auch dann besteht, wenn wie hier die Häuser in versetzter Bauweise errichtet worden seien. Selbst wenn die versetzte Bauweise von § 10 Abs. 1 Nr. 3a NachbG HE erfasst worden sein sollte, hätte der Beklagte nur den Überbau durch Bauteile zu dulden, die durch das Anbringen der Wärmedämmung an der Grenzwand auf sein Grundstück hinüberragen; er müsse also notwendige Veränderungen an seinem Gebäude infolge der Wärmedämmung nicht dulden. Dies folge aus S. 1 der Norm. Auch S. 2 erstrecke sich nur auf die Duldungspflicht auf die mir der Wärmedämmung zusammenhängenden erforderlichen Änderung von Bauteilen der (einseitigen) Grenzwand, an der die Wärmedämmung angebracht werden soll. Darunter würden z.B. die Erweiterung des Dachs einer Giebelwand, die Verlängerung der Fensterbänke oder die Verlegung von Fallrohren um die Dämmstoffstärke zählen (Hess. Landtag, Drucks. 18/855 S. 6). S. 2 würde also nur die Duldungspflicht von S. 1 insoweit erweitern, die durch Veränderungen an Bauteilen der Grenzwand erforderlich würden.

Die Begründung des Gesetzentwurfs zu § 10a Abs. 1 NachbG HE hebe hervor, dass ein Eingriff in das Eigentumsrecht des Nachbarn auf ein Mindestmaß beschränkt und die Nutzung seines Grundstücks nicht oder allenfalls geringfügig beeinträchtigt werden soll. Auch ginge der Gesetzgeber davon aus, dass keine geringfüge Beeinträchtigung bei einer grenzübergreifenden Wärmedämmung dann vorliege, wenn der Nachbar zulässig bis zur gemeinsamen Grundstücksgrenze bauen darf. Auch in diesem Fall sei ein mit der Aufbringung der Wärmedämmung verbundener Überbau nicht oder allenfalls bis zur Realisierung einer zulässigen Grenzbebauung zu dulden. Folgerichtig sei es daher, bereits vorhandene Gebäudeteile vor Eingriffen in deren Substanz zu schützen.

Selbst sollte es sich bei der streitgegenständlichen Wand um eine gemeinsame Grenzeinrichtung handeln, wäre der Anspruch des Klägers nicht begründet. Bei dieser würde sich nach § 921 BGB - mangels abweichender Regelungen in §§ 921, 922 S. 1 bis 3 BGB – die Rechtslage gem. § 924 S. 4 BGB nach den Vorschriften über die Gemeinschaft bestimmen. Nach § 745 Abs. 2 BGB würde sich mangels einer Verwaltung und Nutzung durch Vereinbarung oder Mehrheitsbeschluss nach dem Interesse aller Teilhaber an einer billigem Ermessen entsprechenden Verwaltung und Benutzung orientieren. Die Anbringung der Wärmedämmung auf einer gemeinsamen Grenzeinrichtung stelle eine Verwaltungsmaßnahme in diesem Sinne dar. Der Teilhaber einer gemeinsamen Giebelwand (Nachbarwand) könne nach § 745 Abs. 2 BGB aber nicht die Duldung des anderen Teilhabers zur Duldung  baulicher Eingriffe in nicht der gemeinsamen Verwaltung unterliegende Gebäudeteile verlangen, wie es hier z.B. in Bezug auf die Abzüge für die Öltankanlage und die Küche der Fall sei.

BGH, Urteil vom  14.06.2019 - V ZR 144/18 -

Freitag, 13. Dezember 2019

Abgrenzung allgemeiner Familiensache von sonstiger Zivilsache


Der BGH hatte eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen ein Urteil des OLG Hamburg deshalb als unzulässig angesehen, da es sich um eine Familiensache handele. Während in Familiensachen Nichtzulassungsbeschwerden unzulässig sind, wäre sie auch bei einer Entscheidung durch das Familiengericht zulässig, wenn es sich tatsächlich um eine Familiensache handele, was vorliegend verneint wurde. Damit hatte sich der BGH mit der notwendigen Abgrenzung auseinandergesetzt.

Zugrunde lag dem folgender Sachverhalt: Die Parteien des Verfahrens waren seit 2002 getrennt und das Scheidungsverfahren war seit 2008 rechtshängig. Der Antragsgegner (AG) war bis 2011 alleiniger Gesellschafter der T GmbH, Geschäftsführer von 2003 bis 2008 die Antragstellerin (AS) sowie über 2008 hinaus die neue Lebensgefährtin  des AG, der der AG in 2011 seine Gesellschaftsanteile übertrug.   Die Parteien hatten der Gesellschaft in 2002 Kredite gewährt, deren Rückzahlung „auf erstes Anfordern“ erfolgen sollte. Im März 2014 forderte die AS den AG auf, gemeinsam mit ihr die Kündigung der Kredite gegenüber der Gesellschaft zu erklären, worauf der AG nicht reagierte. Mit ihrer 2014 erhobenen Klage forderte die AS die Abgabe der erforderlichen Willenserklärung vom AG. Der AG verteidigte sich damit, dass er in 2003 der AS die Hälfte des Kredites in bar ausgezahlt habe. Das Landgericht hatte nach Hinweis auf Antrag beider Parteien den Rechtsstreit an das Amtsgericht – Familiengericht – verwiesen, welches den Antrag der AS zurückwies. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens vor dem OLG (während dem die Scheidung der Ehe ausgesprochen wurde und der AG seine Lebensgefährtin heiratete) stellte die AS als Hilfsantrag einen Zahlungsantrag, dem das OLG stattgab. Dagegen richtete sich die Nichtzulassungsbeschwerde des AG.

Da die Nichtzulassungseschwerde in Familiensachen nicht gegeben sei und eine Rechtsbeschwerde nur bei hier nicht vorliegender Zulassung nach § 70 Abs. 1 FamG statthaft sei, käme es darauf an, ob es sich tatsächlich um eine sonstige Familiensache nach § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG handele.

Sonstige Familiensachen seien Verfahren, die Ansprüche zwischen miteinander verheirateter oder ehedem verheirateter Personen oder zwischen einer solchen und einem Elternteil im Zusammenhang mit Trennung, Scheidung oder Aufhebung der Ehe beträfen, sowie nicht die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts oder das Verfahren eines der in § 348 Abs. 1 Nr. 2 lit. a) bis k) ZPO genannten Sachgebiete, Wohnungseigentumsrecht oder Erbrecht betroffen sei und sofern es sich nicht nach anderen Vorschriften um eine Familiensache handele. Ordnungskriterium sei die Sachnähe des Familiengerichts zum Verfahrensgegenstand, welches im Interesse der Beteiligten alle durch den sozialen Verband der Ehe und Familie sachlich verbundenen Rechtsstreitigkeiten entscheiden soll. In den Fällen des § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG müsse ein Zusammenhang mit Trennung, Scheidung oder Aufhebung der Ehe bestehen, was dann der Fall sei, wenn das Verfahren vor allem der wirtschaftlichen Entflechtung der (vormaligen) Ehegatten diene. Für die Prüfung käme es nicht lediglich auf den klägerischen Vortrag, sondern auch auf jenen des Beklagten an.   

Die AS habe hier das Ziel der Auflösung einer Mitgläubigerschaft mit dem AG (§ 432 BGB) verfolgt. Streitig sei hier lediglich gewesen, ob durch eine Barzahlung des AG die Entflechtung bereits erfolgt sei. Dass der Anspruch seinen Rechtsgrund nicht unmittelbar in der Ehe habe oder aus dieser herrühre, sei unschädlich. Der Begriff des Zusammenhangs mir der Beendigung der ehelichen Gemeinschaft sei großzügig zu beurteilen. Dies sei nur dann nicht der Fall, wenn ein familienrechtlicher Bezug völlig untergeordnet sei, was nicht der Fall sei, wenn Trennung, Scheidung oder Aufhebung der Ehe hinsichtlich der geltend gemachten Rechtsfolge (wie hier) ursächlich sei.

Die Nichtzulassungsbeschwerde wurde in der Folge zurückgenommen.

BGH, Hinweisbeschluss vom 22.08.2018 - XII ZB 312/18 -

Montag, 9. Dezember 2019

Arbeitsrecht: Zeitpunkt des Zugangs einer Kündigung bei Einwurf in Hausbriefkasten


Ein Mitarbeiter der Beklagten warf das Kündigungsschreiben am 27.01.2017 (Freitag)  gegen 13.25 Uhr in den Hausbriefkasten des Klägers ein. Gewöhnliche Postzustellungen erfolgen hier in der Regel gegen 11.00 Uhr. Der Kläger, der eingehend beim Arbeitsgericht am 20.02.2017 Klage erhob, machte geltend, das Kündigungsschreiben sei ihm erst am 30.01.2017 zugegangen. Streitig war, aber der Kläger die 3-Wochen-Frist des § 4 S. 1 KSchG eingehalten hatte. Die Vorinstanzen hatten dies negiert und die Klage deshalb abgewiesen. Auf die Revision das die klägerische Berufung gegen das arbeitsgerichtliche Urteil zurückweisenden Urteil aufgehoben und der Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. 

Ausgangspunkt der Entscheidung des BAG ist der Umstand, dass eine Willenserklärung (hier Kündigung) unter Abwesenden gem. § 130 Abs. 1 S. 1 BGB zu dem Zeitpunkt zugeht, sobald sie in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers gelangt und dieser unter gewöhnlichen Verhältnissen von ihr Kenntnis nehmen kann. Das aber würde besagen, dass bei einem Einwurf in den Hausbriefkasten bedeuten, dass der Zugang erst bewirkt ist zu dem Zeitpunkt, zu dem nach der Verkehrsanschauung generalisierend (und im Interesse der Rechtssicherheit nicht individualisierend auf die Person des Empfängers abstellend) mit einer Entnahme nach dem Einwurf zu rechnen sei. Das bedeute auch, dass z.B. bei einer Verhinderung infolge Erkrankung oder zeitweiliger Abwesenheit der Empfänger für eine Leerung Sorge tragen müsse.

Bei der Feststellung der Verkehrsanschauung handele es sich um eine Tatfrage. So sei die Annahme einer Verkehrsanschauung, wonach der Hausbriefkasten im Allgemeinen nach einer üblichen Postzustellungszeit im Zustellungsbezirk geleert würde, nicht zu beanstanden (BAG, Urteil vom 22.03.2012 - 2 AZR 224/11 -; BGH, Urteil vom 21.01.2004 -  XII ZR 214/00 -).  Allerdings könnte auch eine (gewandelte) Verkehrsanschauung festgestellt werden, die eine spätere Leerung (etwa mehrere Stunden nach dem üblichen Einwurf – festgestellt werden, wobei die Frage der Verkehrsanschauung regional unterschiedlich beurteilt werden könnte und sich diese auch im Laufe der Jahre ändern könne (das Bestehen der Fortdauer der Verkehrsanschauung könne nicht vermutet werden, BGH, Urteil vom 01.10.1992 - V ZR 36/96 -).

Diese Verkehrsanschauung könne der Richter durch Einholung eines Sachverständigengutachtens ermitteln oder bei eigener Sachkunde feststellen. Diese eigene Sachkunde des Richters müsse im Urteil nicht dargelegt werden, wenn der Richter den angesprochenen Verkehrskreisen selbst angehört.

Nicht richtig sei aber, wenn das Landesarbeitsgericht auf „Normalarbeitszeiten während der Tagesstunden eines erheblichen Teils der Bevölkerung abstelle, da sich daraus für die Gepflogenheiten zur Leerung des Hausbriefkastens am Wohnort des Klägers nichts ergäbe. Nicht einmal die Hälfte der Bevölkerung sei kernerwerbstätig, darunter 6,8 Mio. geringfügig oder in Teilzeit Beschäftigte mit weniger als 20 Stunden/Woche. Ferner wären die 5% Nachtarbeitnehmer nicht berücksichtigt. Hinzu kämen flexible Arbeitszeitmodelle und die Homeoffice-Tätigkeit.

Unabhängig davon sei auch nicht ersichtlich, weshalb es für die Verkehrsanschauung überhaupt auf die erwerbstätige Bevölkerung ankäme. Es handele sich bei der um eine (wenn auch große) Minderheit und würde auch nicht berücksichtigen, dass nicht alle Erwerbstätigen in Single-Haushalten leben würden, also die Leerung des Hausbriefkastens auch durch Mitbewohner erfolgen könne, die nicht oder zu anderen Zeiten arbeiten und eine zweite Leerung nicht stattfinde.

Zudem würde hier das Abstellen auf die Erwerbstätigen nicht berücksichtigen, dass der Kläger bereits seit dem 01.01.2017 nicht mehr von der Beklagten zur Arbeit herangezogen worden sei.

Das Landesarbeitsgericht hatte die Leerung von Hausbriefkästen nach der Verkehrsanschauung als „angemessen“ mit 17.00 Uhr angenommen. Dies sei willkürlich; Verhältnismäßigkeitsgrundsätze seien ungeeignet eine Verkehrsanschauung zu begründen.

BAG, Urteil vom 22.08.2019 - 2 AZR 111/19 -

Dienstag, 3. Dezember 2019

Wann ergreift die Beschlagnahme nach § 20 Abs. 2 ZVG die Forderung gegen den Gebäudeversicherer nicht ?


Die Beklagte zu 1. (eine Wohnungseigentümergemeinschaft, nachfolgend WEG) hatte eine Gebäudeversicherung gegen die Risiken Feuer, Sturm und Leitungswasser abgeschlossen.  Der Kläger wurde im Rahmen einer Zwangsversteigerung durch Zuschlagsbeschluss am 17.06.2013 Mitglied derselben. Voreigentümer des durch Zuschlagsbeschluss auf den Kläger übergegangenen Sondereigentums war zunächst die A & F KG, die nach einem Brand in ihrem Teileigentum (26.0ß6.2002) dieses an die W KG (Eigentumsübergang im Grundbuch am 05.08.2002) ohne Abtretung der Ansprüche gegen den Gebäudeversicherer veräußerte. In der Folge erfolgte die Zwangsversteigerung des im Eigentum der W KG befindlichen Sondereigentums. Zum Zeitpunkt des Zuschlags hatte der Gebäudeversicherer noch nicht den Brandschaden reguliert. Dies erfolgte erst am 16.08.2013 durch Zahlung der Schäden an die Beklagte zu 1. Von dieser und der mitverklagten Verwalterin verlangte der Kläger die Auszahlung des vom Versicherer gezahlten Betrages an sich. Die Klage war in allen Instanzen erfolglos.

Es handele es sich bei der von der WEG für das ganze Gebäude abgeschlossenen Gebäudeversicherung um eine Versicherung um eine Versicherung auf fremde Rechnung, weshalb, so der BGH,  die WEG verpflichtet sei eine hieraus erhaltene Versicherungsleistung an denjenigen auszuzahlen sei, dessen Sonder- oder Teileigentum betroffen sei und dem danach die Leistung zustehe. Nach § 95 Abs. 1 VVG würde der Leistungsanspruch, der vor dem Eigentumsübergang entstanden sei, nicht auf den Erwerber übergehen (BGH, Urteil vom 16.09.2016 - V ZR 29/16 -). Auf den Zeitpunkt der Auszahlung der Versicherungsleistung käme es nicht an.

Etwas anderes würde sich hier auch nicht aus dem Umstand ergeben, dass der Kläger das Eigentum durch Zuschlag in der Zwangsversteigerung erwarb. Zwar könne ein solcher Anspruch im Rahmen der Zwangsversteigerung auf den Ersteher übergehen (§§ 90 Abs. 2, 55 Abs. 1 20 Abs. 2 ZVG). Durch den Zuschlag erwerbe der Ersteher mit dem Grundstück zugleich die Gegenstände, auf welche sich die Zwangsversteigerung erstreckt habe (§ 90 Abs. 2 ZVG). Dies seien alle Gegenstände, deren Beschlagnahme noch wirksam seien (§ 55 Abs. 1 ZVG).  Abgesehen von den hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen des § 21 ZVG erstrecke sich die Beschlagnahme nach § 20 Abs. 2 ZVG auf die Gegenstände, auf die sich bei einem Grundstück eine Hypothek erstrecke. Dies sei nach § 1127 Abs. 1 BGB bei einer Forderung gegen einen Versicherer dann der Fall, wenn die der Hypothek unterliegenden Gegenstände für den Eigentümer oder Eigenbesitzer des Grundstücks versichert worden wären, weshalb grundsätzlich (mit Ausnahme eines Vorgehens nach § 65 ZVG) auch der Anspruch gegen den Gebäudeversicherer der Beschlagnahme unterläge. Deshalb würde in Ermangelung anderweitiger Regelungen in den Versicherungsbedingungen auch die Forderung gegen den Versicherer auf den Ersteher übergehen. Der Ersteher erhalte das Geld für die Beseitigung der Schäden, die Mitversteigerung der Versicherungsleistung erhöhe den Erlös für den Grundpfandgläubiger.

Allerdings sei Voraussetzung, dass sich das Grundpfandrecht noch zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Beschlagnahme auf die  Versicherungsforderung erstreckt (§§ 20 Abs. 2, 22 Abs. 1 ZVG). Das setze voraus, dass die Versicherungsforderung in den Haftungsverband der Hypothek fällt, was bedeutet, dass der versicherte Gegenstand bei Eintritt des Schadens zum Haftungsverband gehört habe und Begünstigter der Eigentümer oder Eigenbesitzer des Grundstücks gewesen wäre. Das wäre nicht der der Fall, wenn das Grundstück ohne die Forderung veräußert würde. Während bei einer anderen als Gebäudeversicherung der Eigentümer bis zur Beschlagnahme verfügungsbefugt bleibe, sei er bei einer Gebäudeversicherung auch vor einer Beschlagnahme gehindert, zum Nachteil des Hypothekengläubigers darüber zu verfügen (§ 1128 Abs. 3 BGB). Allerdings sei der Eigentümer nicht gehindert, das Grundstück bei bestehenbleibender Hypothek an einen Dritten ohne Übertragung der Forderung gegen den Versicherer zu veräußern. Das führe dazu, dass die Forderung entsprechend § 1124 Abs. 3 BGB aus dem Haftungsverbund des Grundpfandgläubigers fällt, unter Fortbestand der durch § 1128 BGB begründeten Stellung des Grundpfandgläubigers. Ohne die Auflösung des Haftungsverbundes  würde der Eigentümer, der sein Grundstück unter Fortbestand der eingetragenen Grundpfandrechte veräußern will,  bei verbliebener Inhaberschaft  die Gefahr eingehen, diese Forderung im Rahmen einer Zwangsvollstreckung in das nunmehr fremde Grundstück zu verlieren.

Es gäbe keinen sachlichen Grund, dass die Forderung aus einer Gebäudeversicherung dauerhaft mit dem Grundpfandrecht verbunden bliebe. Die Trennung des Haftungsverbundes schmälere nicht des Schutz des Hypothekengläubigers gem. § 1128 BGB, der auch auf eine Beschlagnahmewirkung des § 20 Abs. 2 ZVG nicht angewiesen sei, da die Forderung aus der Versicherung ohnehin als an ihn verpfändet gilt.  §§ 1127 und 1128 BGB würden nicht die Interessen des Erstehers schützen.

Daraus folge, dass im Rahmen der Zwangsversteigerung eine Forderung gegen den Gebäudeversicherer nicht von der Beschlagnahmewirkung des § 20 Abs. 2 ZVG erfasst wurde. Die A & F KG habe ihre Versicherungsforderung bei Übertragung des Eigentums an die W KG nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht an diese abgetreten.

BGH, Urteil vom 12.04.2019 - V ZR 132/18 -

Donnerstag, 28. November 2019

Wegeunfall in der gesetzlichen Unfallversicherung: Der Einwurf eines (privaten) Briefes


Ein Wegeunfall des Arbeitnehmers ist in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert, § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII. Es handelt sich dabei um einen Unfall auf dem Weg vom Wohnort zur Arbeitsstelle bzw. zurück. Vorliegend verließ die Klägerin ihre Arbeitsstelle nach Ende ihrer Arbeitszeit um nach Hause zu fahren. Auf dem Weg zu ihrem Wohnort mit ihrem PKW hielt sie an, um einen Privatbrief in einen Briefkasten zu werfen. Beim Verlassen des Fahrzeuges stürzte die Klägerin und das Fahrzeug rollte über ihren linken Fuß, wodurch sie eine Läsion der Fußwurzel erlitt. Die Beklagte (der gesetzliche Unfallversicherung) lehnte die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall ab. Das Sozialgericht gab der dagegen erhobenen Klage mit Gerichtsbescheid statt. Auf die Berufung zum Landessozialgericht (LSG) wurde der Gerichtsbescheid aufgehoben und die Klage abgewiesen. Mit der dagegen gerichteten Revision machte die Klägerin geltend, dass Versicherte nicht nur auf dem entfernungsmäßig kürzesten Weg von und zur Arbeitsstätte schützt seien, sondern auch kleine Unterbrechungen, auch wenn sie privaten Zwecken dienen würden, für den Versicherungsschutz unschädlich seien. Dem folgte das Bundessozialgericht (BSG) nicht.

Arbeitsunfälle seien, so das BSG, solche Unfälle, die der Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründeten Tätigkeit (der versicherten Tätigkeit) durch zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse erleide, die zu einem Gesundheitsschaden oder den Tod erleiden würden. Diese Voraussetzung sei hier nicht erfüllt. Das Aussteigen aus dem PKW, um einen privaten Brief einzuwerfen, habe nicht in einem sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit gestanden.

Die Arbeitszeit sei beendet gewesen, weshalb es sich nicht um einen Unfall auf einem Betriebsweg handeln könne. Aber auch ein Wegeunfall nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII scheide aus. Zwar bestünde währende des Weges von der Arbeitsstelle zur Wohnung dieser Versicherungsschutz, doch der Versuch, einen privaten Brief in einen Briefkasten einzuwerfen, führe zur Unterbrechung dieses Weges, der zu diesem Zeitpunkt noch nicht beendet gewesen sei, weshalb der Unfall nicht in einem inneren Zusammenhang mit dem versicherten Weg stünde. Dieser innere Zusammenhang sei im Gesetz mit der Formulierung „des mit der versicherten Tätigkeit im Zusammenhang stehenden unmittelbaren Weges“ zum Ausdruck gebracht, wobei nicht der Weg sondern das Zurücklegen, also das Sichfortbewegen auf einer Strecke, die durch Ausgangs- und Zielpunkt begrenzt sei, versichert sei. Maßgeblich für den sachlichen Zusammenhang sei, ob nach der objektiven Handlungstendenz des Versicherten beim Zurücklegen des Weges dies zum direkten Erreichen der Areitsstelle bzw. zur Wohnung erfolge.  

Hier habe sich der Unfall auf dem Weg von der Arbeitsstelle zur Wohnung ereignet. Während der Autofahrt sei damit die objektive Handlungstendenz, vom Ort der Beschäftigung zu Wohnung zu gelangen, gegeben gewesen, wobei es sich nach den Feststellungen des LSG auch um den unmittelbaren Weg gehandelt habe. Dieser versicherte Weg sei durch die dem beabsichtigten Briefeinwurf dienende Handlung aber unterbrochen worden. Der Briefeinwurf habe einer reiner privaten Handlung gedient (anders wäre es, wenn der Einwurf eine ihrer Beschäftigung geschuldete Tätigkeit gewesen wäre). Damit war hier die objektive Handlungstendenz der Klägerin nicht auf die Erfüllung einer versicherten Verrichtung aus dem Beschäftigungsverhältnis gerichtet gewesen.  Auch habe es sich dabei nicht um eine versicherte Vorbereitung einer versicherten Tätigkeit (§ 8 Abs. 2 SGB VII) gehandelt, da es sich bei den Vorbereitungshandlungen um Maßnahmen handele, die einer versicherten Tätigkeit vorangehen und ihre Durchführung erleichtern oder erst ermöglichen.

Allerdings könne bei einer privat veranlassten Unterbrechung der Versicherungsschutz gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 DGB VII fortbestehen, wenn die Unterbrechung nur geringfügig ist. Eine Geringfügigkeit könne aber nur dann angenommen werden, wenn die es zu keiner erheblichen Zäsur in der Fortbewegung in Richtung auf das ursprünglich geplante Ziel (hier: Wohnung) käme, weil sie ohne nennenswerte zeitliche Verzögerung „im Vorbeigehen“ oder „ganz nebenher“ erledigt werden könne. Dies sei hier deshalb nicht der Fall, da das geplante Handeln des Einwurfs nicht nur nebenbei erledigt werden könnte. Die Klägerin habe das Fahrzeug verlassen müssen, was sich klar von dem versicherten Vorgang des „nach Hause Fahrens“ abgrenzen ließe. Das Verlassen des Fahrzeugs sowie der Weg über den Bürgersteig zum Briefkasten und zurück seien nicht mehr als „nur nebenbei“ erfolgte Handlungen anzunehmen; vielmehr läge eine klare Zäsur vor. Auch wenn der Zeitaufwand als solcher gering sein möge. Eine Ungleichbehandlung mit Fußgängern läge hier in der Natur der Sache vor dem Hintergrund, dass dort in der Regel (mit Ausnahme deines Richtungswechsels, Wechsel der Straßenseite) keine äußeren, objektiv wahrnehmbaren Grenzen, wie sie in PKW darstelle, existieren würden (Einwurf im Vorbeigehen).

Die nicht versicherte Tätigkeit habe begonnen, in dem die Klägerin nach außen sichtbar ihre subjektive Handlungstendenz in ein für Dritte beobachtbares „objektives“ Handeln umgesetzt habe, wobei auf sich beruhen könne, ob dies bereits im Abbremsen des PKW gelegen hat, da es jedenfalls im Beginn des Aussteigens läge. Zum Zeitpunkt des Vorfalls sei die Unterbrechung auch noch nicht beendet gewesen. Erst wenn die Klägerin objektiv (durch Weiterfahren) das Ende der Unterbrechung verdeutliche, würde der Versicherungsschutz wieder entstehen.

BSG, Urteil vom 07.05.2019 - B 2 U 31/17 R -

Dienstag, 26. November 2019

Handelsvertreter: Buchauszug und Datenschutz


Das OLG München musste sich in einem Berufungsverfahren u.a. mit der Frage befassen, ob die Erteilung eines Buchauszugs an den Handelsvertreter (bzw. Versicherungsvertreter) überhaupt (noch) zulässig ist. Die Betrachtung erfolgte unter Berücksichtigung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO).

§ 87c Abs. 2 HGB normiert einen Rechtsanspruch des Handels- bzw. Versicherungsvertreters gegen den Geschäftsherrn auf Erteilung eines Buchauszugs. Damit könnte diese Norm mit dem Datenschutz im Widerspruch stehen. So verwies das OLG darauf, dass weder der Erlaubnistatbestand des Art. 6 Abs. 1 S. 1 Buchst. b DSGVO nicht erfüllt sei, da die Übermittlung des Buchauszugs gemäß Art. 4 Nr. 2 DSGVO eine „Verarbeitung“ von Daten iSv. Art. 6 Abs. 1 S. 1 DSGVO darstelle. Die Übermittlung sei nicht zur Erfüllung eines Vertrages erforderlich, dessen Vertragspartner die betroffene Person sei. Betroffen sei nur der Kunde  des Versicherungs- oder Handelsdienstleisters, und  der Handels- bzw. Versicherungsvertreter sei nur für den Geschäftsherrn tätig, ohne selbst in den Vertrag eingebunden zu sein. Die Erteilung des Buchauszugs nach § 87c Abs. 2 HGB zur Erfüllung des Vertrages zwischen dem Geschäftsherrn und dem Kunden erforderlich.

Ebensowenig könne hier eine Berechtigung aus Art. 6 Abs. 1 S. 1 Buchst. c) DSBVO hergeleitet werden. Unabhängig davon, ob es sich bei der Verpflichtung des Geschäftsherrn um eine „rechtliche Verpflichtung“ dem Handels- bzw. Versicherungsvertreter gegenüber handele, sei weiter erforderlich, dass die Erteilung im öffentlichen Interesse läge. Fies sei aber nicht der Fall; die Erteilung des Buchauszugs erfolge lediglich zur Realisierung des Vergütungsanspruchs des Handels-/Versicherungsvertreters und diene daher nur individuell-privaten Interessen. Diese aber seien von Art. 6 Abs. 3 S. 4 DSGVO gerade nicht umfasst.

Allerdings greife der Erlaubnistatbestand des Art. 6 Abs. 1 S. 1 Buchst. f DSGVO. Danach sei die Übermittlung der Daten an einen Dritten gestattet, wenn dies zur Wahrung der berechtigten Interessen des Dritten erforderlich sei, sofern nicht dagegen stehende Interessen oder Grundrechte der betroffenen Person (hier des Kunden) stünden. Die Übermittlung erfolge im Vergütungsinteresse des Handels-/Versicherungsvertreters und bei diesem handele es sich um ein berechtigtes Interesse eines Dritten, da es aus einer erlaubten unternehmerischen Tätigkeit des Vertreters folge und das Recht zur Gewinnerzielung umfasse. Dies sei auch ausdrücklich in Art. 16 EUGRCh anerkannt worden. Zudem sähe die europäische Rechtsordnung (auf der die DSGVO beruht) auch ausdrücklich in Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie des Rates vom 18.12.1986 zu Koordination der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten (86/653/EWG) betreffend selbständiger Warenhandelsvertreter auch ausdrücklich einen Anspruch desselben auf einen Buchauszug zur Prüfung seines Provisionsanspruchs vor, weshalb es sich hier um ein europarechtlich geschütztes Interesse iSv. Art. 6 Abs. 1 S. 1 Buchst. f DSBVO handele. Auch wenn sich die Regelung in der Richtlinie nur auf Warenhandelsvertreter beziehe, sei die gleichlaufende Interessenslage eines sonstigen Handels- bzw. Versicherungsvertreters nicht weniger schützenswert.
Der Buchauszug diene der Verfolgung und Realisierung (Prüfung) des Provisionsanspruchs des Handels-`/Versicherungsvertreters, dem ohne den Buchauszug eine Realisierung eines möglichen Anspruchs erschwert, wenn nicht sogar unmöglich gemacht würde. Es würde nicht verkannt, dass mit dem Buchauszug Daten betroffener Personen übermittelt würden, die höchst sensibel sein könnten, wie z.B. Gründe für die Stornierung eines Versicherungsvertrages (so u.a. Zahlungsunfähigkeit des Versicherungsnehmers wegen krankheitsbedingter Erwerbsunfähigkeit).

Bei der gebotenen Abwägung sei zunächst von den Erwägungsgründen in der DSGVO selbst auszugehen. In dem Erwägungsgrund 47 würde auf die Beziehung eingegangen sowie die Erwartbarkeit der Datenverarbeitung der betroffenen Person. Hier käme die Beziehung zwischen dem Geschäftsherrn und dem Kunden nur durch den Handels-/Versicherungsvertreter zustande, weshalb für den Kunden absehbar sei, dass der Geschäftsherr die Daten verarbeitet und an den Vertreter weitergäbe. Denn auch einem geschäftsunerfahrenen Kunden müsse klar sein, dass der Vertrag durch den Vertreter vermittelt würde und dieser dafür ein Entgelt erhält und der Abgleich einen Datenaustausch erforderlich mache. Diese hohe Erwartbarkeit spräche bereits für ein überwiegendes Interesse an der Offenlegung der Daten durch den Vertreter.

Zudem würde die DSGVO allgemein dem Zweck der Verfolgung von Rechtsansprüchen ein hohes Gewicht beimessen. So sei nach Art. 21 Abs. 1 S. 2 DSGVO ein Widerspruchsrecht der betroffenen Person gegen sie betreffende personenbezogene Daten ausschließen, wenn die Verarbeitung der Geltendmachung von Rechtsansprüchen des Verantwortlichen diene. (Anm.: Man stelle sich ein Versandgeschäft vor. Nach Versendung wird die Ware vom Kunden nicht gezahlt und er widerspricht der Nutzung seiner personenbezogenen Daten. Dies hindert Art. 21 Abs. 1 S. 2 DSFVO, damit der Händler noch die Daten zur Geltendmachung seines Anspruchs nutzen kann).  

Damit sei die Erteilung eines Buchauszugs nach § 87c Abs. 2 HGB nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 Bucht. f DSGVO zulässig.

OLG München, Urteil vom 31.07.2019 – 7 U 4012/17 -

Donnerstag, 21. November 2019

Mieterhöhungsverlangen unter Bezugnahme auf Mietspiegel einer Nachbargemeinde


Die Wohnung lag in der Stadt Stein (für die es keinen Mietspiegel gab, §§ 558c und 558d BGB), die unmittelbar an das westliche Gemeindegebiet von Nürnberg angrenzt. Zur Begründung der Mieterhöhung nahm die Klägerin Bezug auf den Mietspiegel von Fürth. Die Klage wurde in allen Instanzen zurückgewiesen.

Kernpunkt war, ob die Klägerin zur Begründung der Mieterhöhung zulässig auf den Mietspiegel von Fürth abstellen durfte. Nach der Feststellung des Landgerichts, der der BGH folgte, sei der Mietspiegel der Stadt Fürth zur Begründung des Mieterhöhungsverlangens für das in der Stadt Stein belegene Mietobjekt nicht geeignet und würde daher das Mieterhöhungsverlangen nicht den formellen Anforderungen des § 558a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 S. 2 BGB genügen.

Das Mieterhöhungsverlangen ist vom Vermieter zu begründen, § 558a Abs. 1 BGB, damit der Mieter prüfen die sachliche Berechtigung prüfen könne um überflüssige Prozesse zu vermeiden. Allerdings dürften an das Begründungserfordernis in Ansehung von Art. 14 Abs. 1 GG keine überhöhten Anforderungen gestellt werden. Es müssten allerdings in formeller Hinsicht Angaben über Tatsachen erfolgen, aus denen das Erhöhungsbegehren  hergeleitet würde, denen der Mieter nachgehen und zumindest ansatzweise prüfen könne. Dabei sei der Mietspiegel einer anderen Gemeinde nur dann taugliches Mittel der Begründung, wenn es sich um den Mietspiegel einer vergleichbaren Gemeinde handele, § 558a Abs. 4 S. 2 BGB. Das sei hier nicht der Fall. Es handele sich mit den Städten Fürth und Stein, wie das Landgericht rechtsfehlerfrei feststellte, nicht um vergleichbare Gemeinden.

Die Frage der Vergleichbarkeit der Gemeinden obliege dem Tatrichter. Die Gewichtung und Würdigung sie im Revisionsverfahren nur darauf überprüfbar, ob Rechtsbegriffe verkannt oder sonst unzutreffende rechtliche Maßstäbe angelegt worden seien, Denkgesetze und allgemeine Erfahrungsgrundsätze hinreichend beachtet worden seien oder gerügte Verfahrensverstöße vorlägen. Dies sei hier nicht der Fall. Insbesondere sei der rechtliche Maßstab entgegen der Revision (in Ansehung des älteren Rechtsentscheids des OLG Stuttgart (02.02.1982 - 8 REMiet 4/81 -) nicht daran auszurichten, es handele sich nach Auffassung des Vermieters um vergleichbare Gemeinden, nicht „offensichtlich unbegründet“ sei. Vielmehr habe das Landgericht zutreffend darauf abgestellt, dass in Fürth 125.000 Einwohner, in Stein lediglich 15.000 Einwohner leben würden, Fürth ein sogen. Oberzentrum im Sinne des Landesentwicklungsplans sei, in dem über die Einrichtungen für die Grundversorgung hinaus auch eitere Einrichtungen des spezialisierten höheren Bedarfs für die Einwohner des Nachbereichs bereitgehalten würden. Nicht nur träfe dies auf Stein nicht zu; es würden sich dort anders als in Fürth auch keine U- und S-Bahn-Haltestellen befinden, was für die Erreichbarkeit der infrastrukturellen Angebote innerhalb der Stadt als auch in der Gesamtregion für die Einwohner von Bedeutung sei. Berücksichtigt habe das Landgericht auch, dass beide Städte an das Stadtgebiet von Nürnberg grenzen und von beiden Städte aus (Stein mit den benannten Ausnahmen) aufgrund des gemeinsamen Verkehrsverbundes des Großraums Nürnberg mit seinen vielfältigen kulturellen, infrastrukturellen und wirtschaftlichen Angeboten gut erreichbar sei. Nicht zu beanstanden sei es, dass das Landgericht in seiner Gesamtwürdigung dem Umstand der unterschiedlichen Bevölkerungsdichte maßgebliches Gewicht beigemessen habe. Soweit die Revision darauf abstelle, dass beide Städte an Nürnberg angrenzen würden und sich dies auch in den Grundstückspreisen niederschlage, verkenne sie, dass die Entwicklung der Grundstückspreise keinen verlässlichen Rückschluss auf eine ortsübliche (Vergleichs-) Miete (§ 558 Abs. 1 BGB) zulasse. Auch läge kein Verfahrensfehler darin, dass das Landgericht dem Beweisantrag zur Einholung eines Sachverständigengutachtens über die Verkehrsanbindung und die allgemeine wirtschaftliche Lage beider Städte nicht eingeholt habe, da diese Umstände das Berufungsgericht aufgrund seiner offensichtlichen Vertrautheit mit den örtlichen Gegebenheiten selbst habe beurteilen können.

BGH, Urteil vom 21.08.2019 - VIII ZR 255/18 -