Das OLG München musste sich in
einem Berufungsverfahren u.a. mit der Frage befassen, ob die Erteilung eines
Buchauszugs an den Handelsvertreter (bzw. Versicherungsvertreter) überhaupt
(noch) zulässig ist. Die Betrachtung erfolgte unter Berücksichtigung der
Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO).
§ 87c Abs. 2 HGB normiert einen
Rechtsanspruch des Handels- bzw. Versicherungsvertreters gegen den Geschäftsherrn
auf Erteilung eines Buchauszugs. Damit könnte diese Norm mit dem Datenschutz im
Widerspruch stehen. So verwies das OLG darauf, dass weder der
Erlaubnistatbestand des Art. 6 Abs. 1 S. 1 Buchst. b DSGVO nicht erfüllt sei,
da die Übermittlung des Buchauszugs gemäß Art. 4 Nr. 2 DSGVO eine „Verarbeitung“
von Daten iSv. Art. 6 Abs. 1 S. 1 DSGVO darstelle. Die Übermittlung sei nicht
zur Erfüllung eines Vertrages erforderlich, dessen Vertragspartner die
betroffene Person sei. Betroffen sei nur der Kunde des Versicherungs- oder Handelsdienstleisters,
und der Handels- bzw.
Versicherungsvertreter sei nur für den Geschäftsherrn tätig, ohne selbst in den
Vertrag eingebunden zu sein. Die Erteilung des Buchauszugs nach § 87c Abs. 2
HGB zur Erfüllung des Vertrages zwischen dem Geschäftsherrn und dem Kunden
erforderlich.
Ebensowenig könne hier eine
Berechtigung aus Art. 6 Abs. 1 S. 1 Buchst. c) DSBVO hergeleitet werden.
Unabhängig davon, ob es sich bei der Verpflichtung des Geschäftsherrn um eine „rechtliche
Verpflichtung“ dem Handels- bzw. Versicherungsvertreter gegenüber handele, sei
weiter erforderlich, dass die Erteilung im öffentlichen Interesse läge. Fies
sei aber nicht der Fall; die Erteilung des Buchauszugs erfolge lediglich zur
Realisierung des Vergütungsanspruchs des Handels-/Versicherungsvertreters und
diene daher nur individuell-privaten Interessen. Diese aber seien von Art. 6
Abs. 3 S. 4 DSGVO gerade nicht umfasst.
Allerdings greife der
Erlaubnistatbestand des Art. 6 Abs. 1 S. 1 Buchst. f DSGVO. Danach sei die
Übermittlung der Daten an einen Dritten gestattet, wenn dies zur Wahrung der
berechtigten Interessen des Dritten erforderlich sei, sofern nicht dagegen
stehende Interessen oder Grundrechte der betroffenen Person (hier des Kunden)
stünden. Die Übermittlung erfolge im Vergütungsinteresse des Handels-/Versicherungsvertreters
und bei diesem handele es sich um ein berechtigtes Interesse eines Dritten, da
es aus einer erlaubten unternehmerischen Tätigkeit des Vertreters folge und das
Recht zur Gewinnerzielung umfasse. Dies sei auch ausdrücklich in Art. 16 EUGRCh
anerkannt worden. Zudem sähe die europäische Rechtsordnung (auf der die DSGVO
beruht) auch ausdrücklich in Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie des Rates vom
18.12.1986 zu Koordination der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten (86/653/EWG)
betreffend selbständiger Warenhandelsvertreter auch ausdrücklich einen Anspruch
desselben auf einen Buchauszug zur Prüfung seines Provisionsanspruchs vor,
weshalb es sich hier um ein europarechtlich geschütztes Interesse iSv. Art. 6
Abs. 1 S. 1 Buchst. f DSBVO handele. Auch wenn sich die Regelung in der
Richtlinie nur auf Warenhandelsvertreter beziehe, sei die gleichlaufende Interessenslage
eines sonstigen Handels- bzw. Versicherungsvertreters nicht weniger
schützenswert.
Der Buchauszug diene der Verfolgung
und Realisierung (Prüfung) des Provisionsanspruchs des
Handels-`/Versicherungsvertreters, dem ohne den Buchauszug eine Realisierung
eines möglichen Anspruchs erschwert, wenn nicht sogar unmöglich gemacht würde.
Es würde nicht verkannt, dass mit dem Buchauszug Daten betroffener Personen
übermittelt würden, die höchst sensibel sein könnten, wie z.B. Gründe für die
Stornierung eines Versicherungsvertrages (so u.a. Zahlungsunfähigkeit des
Versicherungsnehmers wegen krankheitsbedingter Erwerbsunfähigkeit).
Bei der gebotenen Abwägung sei
zunächst von den Erwägungsgründen in der DSGVO selbst auszugehen. In dem
Erwägungsgrund 47 würde auf die Beziehung eingegangen sowie die Erwartbarkeit
der Datenverarbeitung der betroffenen Person. Hier käme die Beziehung zwischen
dem Geschäftsherrn und dem Kunden nur durch den Handels-/Versicherungsvertreter
zustande, weshalb für den Kunden absehbar sei, dass der Geschäftsherr die Daten
verarbeitet und an den Vertreter weitergäbe. Denn auch einem geschäftsunerfahrenen
Kunden müsse klar sein, dass der Vertrag durch den Vertreter vermittelt würde
und dieser dafür ein Entgelt erhält und der Abgleich einen Datenaustausch
erforderlich mache. Diese hohe Erwartbarkeit spräche bereits für ein
überwiegendes Interesse an der Offenlegung der Daten durch den Vertreter.
Zudem würde die DSGVO allgemein
dem Zweck der Verfolgung von Rechtsansprüchen ein hohes Gewicht beimessen. So
sei nach Art. 21 Abs. 1 S. 2 DSGVO ein Widerspruchsrecht der betroffenen Person
gegen sie betreffende personenbezogene Daten ausschließen, wenn die
Verarbeitung der Geltendmachung von Rechtsansprüchen des Verantwortlichen diene.
(Anm.: Man stelle sich ein Versandgeschäft vor. Nach Versendung wird die Ware
vom Kunden nicht gezahlt und er widerspricht der Nutzung seiner
personenbezogenen Daten. Dies hindert Art. 21 Abs. 1 S. 2 DSFVO, damit der
Händler noch die Daten zur Geltendmachung seines Anspruchs nutzen kann).
Damit sei die Erteilung eines
Buchauszugs nach § 87c Abs. 2 HGB nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 Bucht. f DSGVO
zulässig.
OLG München,
Urteil vom 31.07.2019 – 7 U 4012/17 -