Freitag, 31. Oktober 2014

Geldwäschegesetz: Das Zurückhalten von Auszahlungen gem. § 11 Abs. 1a GwG

§ 11 Abs. 1a GwG sieht vor, dass eine Bank eine Auszahlung oder Überweisung bei Verdacht auf Geldwäsche „frühestens“ durchgeführt werden darf, wenn entweder die Staatsanwaltschaft zustimmt oder „der zweite Tag nach dem Abgangstag der Meldung“ verstrichen ist, ohne dass die Durchführung von der Staatsanwaltschaft untersagt wurde. Besagt dies, dass  - meldet sich die Staatsanwaltschaft nicht -  die Bank die Auszahlung/Überweisung nach Gutdünken zurückhalten kann ? Haftet die Bank dem Kunden für einen Schaden, der daraus resultiert, dass die Zahlungen nicht weisungsgemäß durchgeführt wurden, wenn sich der Geldwäscheverdacht nicht bestätigt und die Bank den Zeitraum von zwei Tagen überschreitet ?

Im konkreten Fall hatte die Deutsche Bank Geldwäscheverdacht angenommen und von daher eine Verdachtsanzeige am 23.01.2014 gem. § 11 GwG erstattet. Ihr war bekannt gewesen, dass die Staatsanwaltschaft bereits gegen den Kunden ebenfalls wegen Geldwäsche ermittelte. Eine Mitteilung an den Kunden unterließ die Deutsche Bank (zutreffend, § 12 GwG). Am 11.02.2014 erteilte der Kunde einen Überweisungsauftrag für eine SWIFT-Überweisung von seinem US-Dollar-Konto nach Amsterdam (für einen Schiffstransport); diesen als auch nachfolgende Überweisungs- bzw. Auszahlungsaufträge des Kunden führte die Deutsche Bank (mit verschiedenen „Ausreden“) nicht durch. Schließlich erhob der Kunde unter dem 20.02.2014 Klage gegen die Deutsche Bank auf Auszahlung von insgesamt ca. € 32.000,00, wobei zwischenzeitlich teilweise bereits Zahlungen (wie z.B. der SWIFT-Auftrag) durchgeführt waren. Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung wurde lediglich materiell noch um Kosten gestritten, einschließlich der Verfahrenskosten. Das Landgericht Frankfurt (2-05 O 87/14 -) hat die Klage kostenpflichtig abgewiesen, da es sich auf den Standpunkt stellte, die Deutsche Bank wäre zum Zurückhalten des Geldes berechtigt gewesen. Dabei hat es sich im wesentlichen auf „Auslegungshinweise“ zu § 11 GwG des Bundesministeriums für Finanzen vom 31.01.2014 bezogen (also nicht auf Gesetzesmaterialien, sondern auf eine reine nachträgliche ministerielle Auslegung der Gesetzesbestimmung), die es immerhin auf drei Seiten der zehnseitigen Entscheidung im Wortlaut zitierte.

Die Entscheidung des Landgerichts verkennt die Bedeutung und Tragweite der Regelung in § 11 Abs. 1a GwG und setzt sich damit auch nicht auseinander. Es geht nicht auf die in der Norm enthaltene Frist von zwei Tagen ein. Darauf hätte es aber eines Eingehens auch vor dem Hintergrund bedurft, dass nach dem eigenen Vortrag der Deutschen Bank die Verdachtsanzeige am 23.01.2014 erfolgte, die nicht durchgeführten Aufträge ab dem 11.02.2014 datierten, also eine Zeit von 2,5 Wochen nach der Verdachtsanzeige.

Nach dem Wortlaut des § 11 Abs. 1a GwG kann man auch  davon ausgehen, dass eine Verdachtsanzeige in jedem Einzelfall eines entsprechenden Zahlungseingangs auf dem Konto oder einer Zahlungsanweisung von dem Konto erfolgt. Dafür könnte die Formulierung sprechen, „Eine angetragene Transaktion darf frühestens durchgeführt werden… wenn der zweite Werktag nach dem Abgangstag der Meldung verstrichen ist“. In diesem Fall würde die Sperre der beabsichtigten Transaktion vom Konto zumindest jeweils zwei Tage ab der Verdachtsanzeige betragen. Hier aber hatte die Deutsch
e Bank nach eigenen Angaben lediglich einmal, nämlich am 23.01.2014 die Meldung getätigt. Der 23.01.2014 war ein Donnerstag, weshalb der zweite Werktag der 27.01.2014 war ( § 193 BGB).  Durfte von daher die Deutsche Bank eine Transaktion noch am 11.02.2014 und danach unter (nachträglicher) Berufung auf § 11 GwG unterlassen, nachdem die Staatsanwaltschaft innerhalb dieser Zeit nicht tätig wurde ?

Das Landgericht Frankfurt hat sich in seiner Entscheidung damit nicht auseinandergesetzt sondern lediglich festgestellt, dass Verdachtsmomente im Sinne des Geldwäschegsetzes angenommen werden durften. Alleine das Vorliegen dieser Verdachtsmomente rechtfertigt aber sicherlich nicht ein dauerndes Einfrieren von Kontenguthaben. Es bedarf hier einer weiteren Überlegung, welcher Zeitraum als zulässig angesehen werden kann. Ansonsten könnten sich Banken, wollen Sie z.B. größere Geldbeträge noch einige Zeit bei sich „parken“, schlicht auf das Geldwäschegesetz berufen und (leichthandbare) Kriterien finden, die diesen Verdacht begründen. Gibt dann nicht die Staatsanwaltschaft unverzüglich frei, könnten sie letztlich auf Dauer die Auszahlung verweigern, bis schließlich der Kunde (eventuell qua gerichtlicher Entscheidung) den Negativbeweis führt.

Sinn und Zweck des Gesetzes ist die Verhinderung der Nutzung von Konten zur Terrorismusfinanzierung und Lagerung oder Weitergabe von Geldern aus schweren Straftaten. Nicht beabsichtigt ist die allgemeine Erschwernis der Nutzung von Konten und des wirtschaftlichen Verkehrs im Überweisungswesen. Damit sind die Grundsätze der Strafverfolgung und Maßnahmen zur prophylaktischen Abwehr von Straftaten mit dem Recht des Bürgers auf freie wirtschaftliche Betätigung abzuwägen.  

Das Gesetz nennt eine Mindestsperrzeit von zwei Werktagen nach Absenden der Verdachtsmeldung. Es enthält keine Angaben darüber, nach welchen Kriterien hier eventuell eine weitergehende Sperre geboten sein kann / muss. Damit aber verstößt die Norm gegen das Bestimmtheitsgebot. Es wäre erforderlich, dass das Gesetz selbst Kriterien benennt, die eine eventuelle Verlängerung der Frist rechtfertigen; dies kann nicht im (nicht prüfbaren) Ermessen der Bank liegen, da eine solche Handhabung auch zur Willkür führen kann (die der Bankkunde im Zweifel nicht nachweisen kann). Ermangelt es aber an der Bestimmtheit der Norm, ist diese verfassungswidrig (BVerfGE 126, 170, 208f).
Aber auch unabhängig von der verfassungsrechtlichen Regelung hätte hier das Landgericht die Überschreitung der Frist schon im Hinblick auf die konkreten Umstände zu Lasten der Deutschen Bank berücksichtigen müssen. Zwar wurde von der Deutschen Bank eingewandt, dass teilweise Beträge von über € 600.000,00 eingingen, dass über ein Konto ein Dritter (auch) verfügen konnte pp.; allerdings ergibt sich nirgends, dass der Inhaber eines Kontos die Bank (nachweislich) über den Sinn von Konten und über Geldtransfers und deren Ursprung und Zweck aufklären muss. Vor diesem Hintergrund hätte mithin die Deutsche Bank auch zu berücksichtigen gehabt, dass zwar schon wegen des Verdachts der Geldwäsche gegen ihren Kunden ermittelt wurde, aber die Ermittlungsbehörden keine Maßnahmen in Bezug auf Konten des Kunden ergriffen hatten (obwohl sie jederzeitige Einsicht aus der gesetzlichen Regelungen hatten). Ferner hatte sich auch die Staatsanwaltschaft nicht (innerhalb von zwei Werktagen, gar über einen Zeitraum von mehr als zwei Wochen) geäußert respektive Maßnahmen ergriffen.

Unter solchen Umständen ist die Nichtdurchführung von Überweisungen / Auszahlungen als reine Willkür anzusehen und nicht mehr über § 11 Abs. 1a GwG gedeckt. Nach der eigenen positiven Kenntnis der Bank, dass bereits wegen Geldwäsche gegen den Kunden ermittelt wird, ohne dass allerdings Maßnahmen im Hinblick auf dessen Konten ergriffen werden, der weiteren Kenntnis, dass auch nach der erfolgten Verdachtsanzeige keine Maßnahmen erfolgten, bestand keine nachvollziehbare Überlegung, hier noch weiter zuzuwarten. Die Abwägung zwischen Verhinderung möglicher strafrechtlich relevanter Geldwäsche und freier wirtschaftlicher Betätigung des Kunden musste daher jedenfalls zu Gunsten des Kunden ausfallen.

Der Rechtsfall verdeutlicht, dass der Gesetzgeber unbeholfen, letztlich sogar für einen freien Wirtschaftsverkehr schädlich agiert. Hier wurde die Klage (wenn auch aus fehlerhaften, da die Rechtsfragen nicht berücksichtigenden Gründen) abgewiesen mit der Folge, dass der Kunde die Kosten des Verfahrens zu tragen hatte. Zwar wurden die Auszahlungen vorgenommen; alleine wegen des Verhaltens der Deutschen Bank war er allerdings veranlasst, Klage zu erheben.


Die Frist für eine mögliche Berufung ist noch nicht abgelaufen. Es bleibt abzuwarten, ob Berufung eingelegt wird, bei der es materiell nur noch um die vorgerichtlichen Anwaltskosten des Kunden (die die Berufung ermöglichen würden) und die Kosten des Rechtsstreits gehen würde. Es bleibt zu hoffen, das er Berufung einlegt und auch das OLG Frankfurt eine Revision zulässt, damit diese Fragen, die für den Kunden einer Bank von auch existenzieller Bedeutung sein können, geklärt werden. 

Anwaltsrecht: Nicht das Gericht, der Anwalt hat der Allwissende zu sein

"Jura novit curia" - das Gericht kennt das Gesetz. Dieser römisch-rechtliche Grundsatz, mit dem Generationen von Juristen groß geworden sind, hat seine Gültigkeit endgültig verloren. Früher hieß es, der Anwalt müsste nur sorgfältig die Fakten darlegen, die Rechtsanwendung obläge dem Gericht und er müsse sich darum nicht kümmern. Heute hat der Anwalt, will er eine Haftung vermeiden, darauf zu achten, dass das Gericht das Gesetz tatsächlich kennt.  

Schon der BGH hat festgestellt, dass der Anwalt seinem Mandanten haftet, wenn er auf fehlerhafte rechtliche Hinweise des Gerichts nicht oder nicht ausreichend reagiert und der Prozess für den Mandanten infolge der fehlerhaften rechtlichen Würdigung des Gerichts für den Mandanten negativ verläuft. Das OLG Hamburg hat in seiner Weisheit dem nun noch eines draufgesetzt: Es verlangt hellseherische Kräfte des Anwalts, der  - auch ohne rechtlichen Hinweis des Gerichts -  erkennen muss, dass dieses rechtsfehlerhaft entscheiden wird. Wenn diese Gefahr besteht, hat er umfassend rechtlich auszuführen, letztlich also das Gericht zu belehren. 

Im Ausgangsrechtsstreit ging es, soweit aus der Entscheidung des OLG Hamburg ersichtlich, um die Formunwirksamkeit eines Pachtvertrages. Nach den Entscheidungsgründen hätte der damalige Prozessbevollmächtigte einen Senat des OLG Naumburg darauf hinweisen müssen, "dass der Bereicherungsgläubiger von sich aus die Leistung Zug um Zug gegen die von ihm erlangte Bereicherung anbieten muss und die Saldotheorie anzuwenden sei". Es gehöre zu den Pflichten des Anwalts "vorhersehbaren Fehlern des Gerichts entgegenzuwirken". Da im Berufungsrechtszug die Frage der Formwirksamkeit erstmals thematisiert wurde, in der mündlichen Verhandlung die bereicherungsrechtliche Saldotheorie gar nicht angesprochen worden sei, hätte der Anwalt auf ihre Beachtung hinwirken müssen. 

Es ist (leider) eine Tatsache, dass in einer mündlichen Verhandlung nicht alle Facetten eines Rechtsstreits erörtert werden, sondern nur Grundzüge. So scheint es auch in dem Ausgangsverfahren vor dem OLG Naumburg gewesen zu sein, in dem der Senat des dortigen OLG wohl erstmals die Frage der Formunwirksamkeit erörterte (ohne die Parteien vorab auf diese Rechtsansicht hinzuweisen). Gerade im Berufungsrechtszug erscheint es mir geboten, dass das Gericht die Parteien bzw. Parteivertreter auf einen rechtlichen Umstand hinweist, der neu ist, von ihnen (wie auch von der Vorinstanz) noch nicht berücksichtigt wurde. Aber eine derartige Terminvorbereitung ist die ganz seltene Ausnahme. Immer wieder kommt es vor, dass in Berufungsverhandlungen rechtliche Gesichtspunkte vom Berufungsgericht einfließen, die bisher keiner bedacht hat und mit denen sich daher niemand auseinandergesetzt hat. Es ist nun für einen Prozessbevollmächtigten nicht möglich, während der Verhandlung eventuell zu diesem neuen Problemkreis Literatur nachzulesen o.ä. Unabhängig davon, dass an sich von einem Gericht, gar des höheren Rechtszuges erwartet werden darf, dass es sich mit den Rechtsfragen, die sich aus einer bestimmten (von ihm aufgeworfenen) Rechtsfolge ergeben, selbst ausgiebig auseinandersetzt und bewertet, insbesondere unter Berücksichtigung der dazu ergangenen obergerichtlichen Rechtsprechung, könnte hier dem beklagten ehemaligen Prozessbevollmächtigten allenfalls vorgehalten werden, dass er keinen Schriftsatznachlass auf den rechtlichen Hinweis beantragt hat. Hätte er dies getan, hätte er jedenfalls bei Nichtgewährung und (nach Ansicht des OLG Hamburg) rechtlich grob fehlerhafter Bewertung die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs erheben.

OLG Hamburg, Urteil vom 11.07.2014 - 8 U 74/13 - 


Mittwoch, 29. Oktober 2014

Mietrecht: Bei Mischmietverhältnissen gilt im Zweifel Wohnraummietrecht

Geregelt sind im Gesetz Kündigungen für jeweils verschiedene Mietformen (so Wohnraum und Gewerberaum). Ein Mischmietverhältnis ist im Gesetz nicht geregelt. Damit ist jeweils zu entscheiden, ob auf den Vertrag Wohnraum- oder Gewerberaummietrecht anzuwenden ist. Das ist gerade für die Frage einer Kündigung bedeutsam, da die Kündigung von Gewerberaum mangels anderweitiger vertraglicher Regelung keines Grundes bedarf.  Nach der grundlegenden Entscheidung des BGH vom 09.07.2014 – VIII ZR 376/13 – musste sich das OLG Frankfurt erstmals mit dieser gewandelten Rechtsprechung auseinandersetzen, die hier den beklagten Mietern zum Erfolg verhalf.

Die Beklagten zu 1. und  2. mieteten in einem Mehrfamilienhaus zwei Etagen an, die dergestalt getrennt waren, dass die zweite Etage im 3. Obergeschoss des Hauses nur über die Räume der 1. Im 2. Obergeschoss des Hauses belegene Etage mittels einer dortigen Treppe zu erreichen waren.  Die Räume in der unteren Etage wurden als gewerblich nutzbare Räume, die im darüberliegenden Stockwerk befindlichen Räume als Wohnräume vermietet. Es existieren (unter dem gleichen Datum) für jede Etage gesonderte Mietverträge und ein sogenannter Klammermietvertrag betreffend beider Etagen. Die Einzelmietverträge wurden zudem dergestalt verknüpft, dass die Kündigung einer der Mietverträge nur zusammen mit dem anderen Mietvertrag möglich sein sollte. Alle Mietverträge waren auf Formularen aufgesetzt, die in der Überschrift „Wohnraum“ enthielten.

Nach Begründung des Mietverhältnisses wurde das Haus nach WEG geteilt. Der Eigentümer der zwei streitigen Stockwerke kündigte das bzw. die Mietverhältnisse und machte im Räumungsrechtsstreit geltend, es gelte Gewerberaummietrecht.  Er stellte sich auf den Standpunkt, der Schwerpunkt der Mietverhältnisse läge, schon im Hinblick auf die berufliche Tätigkeit des Beklagten zu 2. (dessen Gesellschaften auch dort ansässig waren) im gewerblichen Bereich. Dem folgte das Landgericht und gab der Klage (mit Ausnahme einer Gesellschaft, die bereits bei Zustellung der Klage ausgezogen war) statt. Auf die von den Beklagten eingelegte Berufung änderte das OLG Frankfurt das Urteil ab und wies die Klage insgesamt ab. Dabei wies das OLG auf die zwischenzeitliche Entscheidung des BGH vom 09.07.2014 – VIII ZR 376/13 – hin, derzufolge nicht mehr an dem bisherigen Kriterium des Lebensunterhaltes nei der Zuordnung eines Mischmietverhältnisses festgehalten würde.

Das dritte Obergeschoss wurde unstreitig als Wohnraum vermietet. Damit sei hier Wohnraummietrecht insgesamt anzuwenden, da der Vertragszweck entscheidend sei. Mangels einer expliziten Regelung im Vertrag selbst, sei der Vertragszweck entsprechend der Rechtsprechung des BGH durch Auslegung zu ermitteln. Indizien wie Größe, Aufbau der vertraglichen Regelungen, aber auch Miethöhe wären zu berücksichtigen. Der Tatrichter habe gemäß der Entscheidung des BGH auf der Grundlage der Einzelumstände den Nutzungsschwerpunkt zu ermitteln.

Nach Auffassung des OLG ließe sich aus den Einzelverträgen und dem Klammermietvertrag selbst weder ein Vorrang für die Wohn- noch für die Gewerbenutzung feststellen. Der Überschrift der Vertragsformulare käme in Ansehung von § 1 derselben, der eine gewerbliche Nutzungsmöglichkeit jeweils standardmäßig vorsehe, nicht zu. Dem Mietpreisunterschied könne hier auch keine tragende Rolle beigemessen werden, da sich dieser schon auf Grund der baulichen Begebenheiten verstehe, im Hinblick auf die schwere Zugänglichkeit des 3. Obergeschosses über das zweite Obergeschoss.  Damit aber wäre im Zweifel nach der älteren Rechtsprechung des BGH (wie vom Landgericht angenommen) von einer gewerblichen Nutzungsart auszugehen, wenn der Mieter in den Räumen auch seinen Lebensunterhalt verdient. Allerdings hat der BGH mit seiner Entscheidung vom 09.07.2014 dieses Kriterium ausdrücklich aufgegeben. Mithin würde damit im Zweifel ein Wohnraummietverhältnis anzunehmen sein. Da ein Kündigungsgrund für ein Wohnraummietverhältnis nicht angegeben wurde, wäre die Kündigung unwirksam. 

OLG Frankfurt, Urteil vom 17.10.2014 - 2 U 47/14 -


Samstag, 25. Oktober 2014

Internetrecht: Kein Auskunftsanspruch vom Blogbetreiber über den Verfasser eines Beitrags

Verschiedene Blogs haben sich darauf spezialisiert, Ihren Nutzern die Möglichkeit von Bewertungen bestimmter Einrichtungen / Berufe zu ermöglichen. Vorliegend ging es um einen Blog mit Ärztebewertung. Der klagende Arzt machte gegen den Betreiber des Blogs einen Anspruch auf Auskunft über den Namen und die Anschrift des Verfassers eines Beitrags geltend, in dem ihm u.a. vorgeworfen wurde, Patientenakten in Waschkörben im Behandlungsraum zu lagern, eine Schilddrüsenüberfunktion nicht erkannt und kontraindiziert behandelt zu haben. Nachdem entsprechende Eintragungen zuvor vom Betreiber auf Veranlassung des Klägers gelöscht wurden, wurde die letzte Eintragung nicht gelöscht.

Das Landgericht hatte den Betreiber zur Unterlassung der Verbreitung der beanstandeten Behauptung als auch zur Auskunft über den Verfasser verurteilt.  Das  OLG Stuttgart hat die Berufung des Betreibers zurückgewiesen, aber die Revision in Bezug auf den Auskunftsanspruch zugelassen. Die Revision war erfolgreich.

Unter Bezugnahme auf seine Entscheidung vom 25.10.2011 – VI ZR 93/10 – hat es ausgeführt, dass dem Betroffenen  - wie geschehen – durch persönlichkeitsverletzende Inhalte ein Unterlassungsanspruch gegen den Dienstleister (Betreiber) zustehen kann. Darüber hinaus habe die zuständigen Stellen (z.B. die Staatsanwaltschaft) einen Anspruch auf Auskunft über Bestands-, Nutzungs- und Abrechnungsdaten im Einzelfall, §§ 14 Abs. 2, 15 Abs. 5 S. 2 TMG. Mangels einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage i.S.v. § 12 Abs. 2 TMG ist der Betreiber hingegen nicht befugt, ohne Einwilligung des Nutzers personenbezogene Daten an den Betroffenen zu übermitteln, auch dann nicht, wenn dieser gegen den Verfasser wegen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung vorgehen will.

Anmerkung: Dem durch die Persönlichkeitsrechtsverletzung Betroffenen wird in diesen Fällen neben dem jeweiligen Verlangen auf Löschung, will er gegen den Verfasser direkt vorgehen (z.B. wegen auch wegen sittenwidrig vorsätzlicher Schädigung nach § 826 BGB), nichts anderes übrig bleiben, als Strafanzeige zu erstatten.


BGH, Urteil vom 01.07.2014 – VI ZR 345/13 -

Dienstag, 14. Oktober 2014

Werkvertrag: Anscheinsbeweis für Ursache eines Leitungswasserschadens

Kann eine Verantwortlichkeit des Handwerkers angenommen werden, wenn es im Zusammenhang mit Trockenstrich- und Parkettverlegearbeiten zu einem Leitungswasserschaden kommt ? Der BGH meint ja und nimmt zu Lasten des Handwerkers auch einen gegen ihn sprechenden Anscheinsbeweis an, den dieser zu widerlegen hat.

Das Handwerksunternehmen baute eine Unterkonstruktion für einen Parkettfußboden und Trockenstricharbeiten ein. Zwei Tage später verlegte es das Parkett. Vier Tage danach wurde Feuchtigkeit an den Wänden des Wohnzimmers festgestellt. Ursächlich dafür war ein in den Trockenestrich geschlagener Stahlnagel, der ein direkt unter dem Trockenstrich verlaufendes wasserführendes Heizungsrohr beschädigte.

Der Beweis des ersten Anscheins greift bei typischen Geschehensabläufen ein, , also dann, wenn ein bestimmter Tatbestand nach der Lebenserfahrung für eine bestimmte Ursache für den Eintritt eines bestimmten Erfolgs hinweist. In seiner Entscheidung weist der BGH darauf hin, dass der Anscheinsbeweis dann nicht ausscheiden müsse, wenn nicht feststehe, dass sich das schädigende Ereignis während der werkvertraglichen Arbeiten ereignet habe und eine zeitliche Zäsur zwischen den Ausführungsarbeiten und dem Schadenseintritt läge. Der Zweck der Rechtsfigur des Anscheinsbeweises liege in der Überwindung der Beweisschwierigkeiten im Ursachenzusammenhang, wenn sich nicht völlig ausschließen lasse, dass auch andere als die vom Gläubiger genannten, nach typischen Geschehensabläufen genannten Ursachen für die Schadensverursachung in Betracht kommen.

BGH, Urteil vom 10.04.2014 - VII ZR 254/13 -

Samstag, 27. September 2014

Internet-Shop: Anklicken der Widerrufsbelehrung nicht ausreichend

Dass bei einem Verkauf mittels eine Online-Shops eine Widerrufsbelehrung zu erfolgen hat ist allgemein bekannt. Dass aber der bloße „Zwang“ des Anklickens mit Häkchen eines als Bestätigung Widerrufsbelehrung zur Kenntnis genommen“ selbst mit dem Zusatz „ausgedruckt oder abgespeichert“ nicht ausreichend ist, hat nunmehr der BGH in seinem Urteil vom 15.05.2014 Dass auch bei einem Verkauf über einen Internet-Shop die Widerrufsbelehrung erforderlich ist, ist festgehalten.  

Der Betreiber eines Internet-Shops (Fernabsatzvertrag nach § 312b BGB a.F., § 312c BGB n.F.) muss nicht nur eine korrekte Widerrufsbelehrung erteilen, wobei dringend anzuraten ist, das offizielle Muster einer solchen schon zur Vermeidung einer sonst möglichen Unwirksamkeit zu verwenden. Die Widerrufsfrist läuft erst ab dem Zeitpunkt, zu dem der Verbraucher (§ 13 BGB) eine den Anforderungen des § 360 BGB entsprechende Belehrung über sein Widerrufsrecht in Textform erhalten hat; dies galt bisher gem. § 360 Abs. 3 BGB und ist nach der Verbraucherrichtlinien 2014 (VRRL, abgedruckt in BGBl I 2013, 3642) nun in § 126b BGB normiert.

Während die Widerrufsfrist bei unterlassener oder fehlerhafter Widerrufsbelehrung nach der alten, bis zum Inkrafttreten der VRRL zum 13.06.2014 unbeschränkt galt, kann der Verbraucher jetzt nur noch binnen einer Frist von 12 Monaten und 14 Tagen nach Vertragsschluss von seinem Widerrufsrecht Gebrauch machen (§ 356a Abs. 3 BGB).

Um die gesetzliche Frist für den Widerruf von 14 Tagen (§ 355 Abs. 2 BGB) in Lauf zu setzen, ist neben der korrekten, den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Widerrufsbelehrung erforderlich, dass diese schriftlich erfolgt (§ 126b BGB). Die Bestätigung mittels des benannten Häkchens  im Kontrollkasten wertet der BGH im Hinblick auf ihre Rechtswirkung als Allgemeine Geschäftsbedingung (AGB), was zusätzlich dadurch dokumentiert würde, dass der Verbraucher ohne das setzen den Bestellvorgang nicht abschließen kann. Dabei wird aber gerade diese Methode verwandt, um den vermeintlichen Nachweis einer Kenntnisnahme der Belehrung durch den Verbraucher zu erreichen. In diesem Zwang sieht der BGH eine Beeinträchtigung der Dispositionsfreiheit des Verbrauchers, die unzulässig sei. Dies unbeschadet dessen, dass ohne nachweislicher Belehrung die Widerrufsfrist nicht bzw. nach der neuen Rechtslage auf 1 Jahr und 14 Tage läuft.

Die Bestätigung durch Setzen des Häkchens habe, so der BGH, eine unzulässige Beweislastumkehr zu Folge und wäre deshalb unwirksam (§ 309 Nr. 12b BGB). Der Unternehmer trage die Beweislast für die Tatsachen, aus denen er die Nichteinhaltung der Frist herleiten will (§ 355 Abs. 3 Satz 3 BGB a.F., § 312k Abs. 2 BGB n.F.).  Dies ergibt sich letztlich allerdings auch bereits aus § 309 Nr. 12b BGB.

Zugegangen wäre die Widerrufsbelehrung dem Verbraucher, wenn er diese ausdruckt oder bei sich abspeichert. Diese dem Verbraucher gegebene Möglichkeit ändert allerdings nichts an der Verpflichtung des Betreibers des Online-Shop (Unternehmer, § 14 BGB) dafür Sorge zu tragen, dass ihm die Widerrufsbelehrung auch ohne sein eigenes Zutun zugeht. Eine Bestätigung über „ausgedruckt“ oder „abgespeichert“ führe aber zu u.U. wahrheitswidrigen Angaben, was vom gesetzlichen Leitbild abweicht.


Ausreichend ist im sogen. E-Commerce die Überlassung der Widerrufsbelehrung auch per E-Mail (§ 312c Abs. 2 BGB).  Da der Betreiber des Online-Shop ohnehin verpflichtet ist, einen eingegangenen Auftrag zu bestätigen, anempfiehlt es sich, die Mail (nicht lediglich als Anhang) um die korrekte und vollständige Widerrufsbelehrung zu ergänzen. 

BGH, Urteil vom 15.05.2014 - III ZR 368/13 -

Sonntag, 14. September 2014

Kauf- und Prozessrecht: Die arglistige Täuschung des Verkäufers und die Beweislast des Käufers

Es ist nicht selten, dass der Käufer einer Immobilie vom Verkäufer getäuscht wird. Eine solche Täuschung liegt vor, wenn Kellerräume entgegen der Baugenehmigung als Wohnräume angepriesen werden.  Behauptet allerdings der Verkäufer, den Käufer über diesen Umstand oder einem von ihm hervorgerufenen Irrtum aufgeklärt zu haben, trägt der Käufer die Beweislast dafür, dass es zu einer solchen Aufklärung nicht kam.

Foto: Rainer Sturm / pixelio.de
Vorliegend hatten die Käufer auf Rückabwicklung des Kaufvertrages geklagt. Da sie den Arglisteinwand erhoben haben, tragen sie auch die Beweislast für deren Vorliegen. Da zur Arglist auch das Verschweigen offenbarungspflichtiger Angaben und damit negativer Tatsachen gehört, hilft die Rechtsprechung hier der beweisbelasteten Partei durch das Rechtsinstitut der sekundären Darlegungslast. D.h. der Verkäufer muss vorliegend darlegen, dass und wie er die Käufer über die entsprechenden Umstände aufklärte. Allerdings müssen dann die Käufer diese vom Verkäufer substantiiert dargelegten Umstände ausräumen, also darlegen und nachweisen, dass dem so nicht war.

Die Vorinstanzen haben auf ein Exposé und eine E-Mail des Verkäufers abgestellt, aus denen sich die Einbeziehung des Kellers als Wohnraum ergab. Daraus wollten sie ableiten, dass von daher nunmehr der Verkäufer den Nachweis erbringen müsste, dass er seinen Angaben zufolge aufgeklärt habe. Dem folgt der BGH ausdrücklich unter Bezugnahme auf seine Entscheidung vom 22.10.1976 – V ZR 247/75 -  und entgegen einem Urteil des OLG Köln in VersR 1996, 631, 632 nicht. Die Beweislast wird durch ein durch vorangegangenes Tun hervorgerufenen Irrtum im Falle der behaupteten nachträglichen Aufklärung nicht umgekehrt.


Allerdings hält das Gericht im Falle einer entsprechenden Konstellation eine Beweiserleichterung für die Käufer als beweisbelastete Partei für erforderlich. Es erkennt an, dass die Führung des Negativbeweises mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sei. „Vor diesem Hintergrund ist bei der Beweiswürdigung der Umstand zu berücksichtigen, dass derjenige, der einen anderen durch arglistiges (positives) Tun zum Vertragsschluss bewegen möchte, hiervon in der Regel nicht zeitnah durch Offenbarung der wahren Verhältnisse wieder abrücken wird. Da das Berufungsgericht auf der Grundlage seiner abweichenden Rechtsauffassung zu diesem Gesichtspunkt nicht vorgedrungen und die erneute Beweiswürdigung nicht Sache des Revisionsgerichts ist, kann das Berufungsurteil mit der gegebenen Begründung keinen Bestand haben.

Während die Vorinstanzen der Klage statt gaben, hob der BGH im Hinblick auf die rechtliche falsche Bewertung das Urteil auf und verwies den Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung an das OLG zurück. 


BGH, Urteil vom 27.06.2014 - V ZR 55/13 -