Sonntag, 21. Januar 2024

Sachmangelhaftung: Arglistiges Verschweigen trotz Unkenntnis der Mangelursache

Die Kläger erwarben von den Beklagten mit notariellem Vertrag ein Grundstück mit Einfamilienhaus; die Sachmängelhaftung wurde ausgeschlossen. Bereits vor dem Vertragsabschluss war es wiederholt zu Wassereintritten auf die im Maklerexposé benannte überdachte Terrasse sowohl im Bereich des von den Beklagten selbst errichteten Kunststoffdaches als auch in dem von dem dachpfannengedeckten Hausdach überdachten Bereich gekommen, wobei die Beklagten wiederholt Reparaturen versuchten. Die Kläger leiteten ein selbständiges Beweisverfahren ein, welches zwei Ursachen für den Wasseraustritt aus den Deckenverkleidungen ergaben. Die Kläger begehrten die Schadensbeseitigungskosten gemäß dem im Sachverständigengutachten im Beweisverfahren benannten Kosten sowie weitere Kosten für eine Notreparatur. Das Landgericht sprach den Klägern einen Teilbetrag der geltend gemachten (fiktiven) Reparaturkoste und die Kostend er Notreparatur sowie die anteiligen vorgerichtlichen Anwaltskosten zu. Auf die Berufung der Kläger sprach das OLG diesen einen weiteren betrag auf die geltend gemachten Reparaturkosten und anteiligen vorgerichtlichen Anwaltskosten zu. Mit ihrer Revision begehren die Kläger die weiteren, nicht zugesprochenen Reparaturkosten, vorgerichtlichen Anwaltsgebühren und die Feststellung der Ersatzpflicht für sämtliche künftigen Schäden aufgrund der Undichtigkeit.

Der BGH hob das Urteil des OLG unter Zurückverweisung des Rechtsstreits an dieses auf. 

Zutreffend habe das OLG festgestellt, dass den Klägern wegen des vereinbarten Ausschlusses der Sachmängelhaftung in der nach Art. 229 § 58 BGB bis zum 31.12.2021 noch anwendbaren Fassung gemäß §§ 437 Nr. 3, 281 Abs. 1 S. 1, 280 Abs. 1, 3 BGB zustünde, wenn die Beklagten einen Mangel arglistig iSv. § 444 BGB verschwiegen hätten. Dies sei der Fall, da die Wassereintritte nach § 434 Abs. 1 BGB a.F. einen Sachmangel und nicht nur ein Mangelsymptom darstellen würden; das regelmäßige Eindringen von Wasser stelle sich nicht nur als ein Symptom eines Mangels, sondern selbst als Sachmangel dar. Ein Mangelsymptom läge nur dann vor, wenn die Merkmale eines Sachmangels iSv. § 434 Abs. 1 BGB a.F. (noch) nicht erfüllt seien. So seien Feuchtigkeitsflecken in einem Keller, die auf einen feuchten Keller schließen ließen, nur ein bloßes Mangelsymptom (BGH, Urteil vom 16.03.2012 – V ZR 18/11 -).

Das OLG hatte eine Arglist der Beklagten verneint. Dem folgte der BGH nicht. Kläre der Verkäufer den Käufer eines Hausgrundstücks nicht über Wassereintritte durch ein Terrassendach auf, handele er arglistig, auch wenn er deren Ursache (nicht) nicht oder nur teilweise kennen würde.

Arglist verlange Eventualvorsatz; leichtfertige oder grob fahrlässige Unkenntnis genüge ebenso wenig wie ein bewusstes Sichverschließen. Arglistiges Verschweigen sei danach dann anzunehmen, wenn der Verkäufer den Mangel kenne (wobei es ausreichend ist, wenn er Kenntnis von der Abweichung von einer üblichen Beschaffenheit habe, ohne dies einem Mangel zuzuordnen) oder ihn zumindest für möglich halte und zugleich weiß oder jedenfalls damit rechne und billigend in Kauf nehme, dass der Käufer den Mangel nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt abschließen würde. Wenn es sich nicht um einen einer Besichtigung zugänglichen und ohne weiteres erkennbaren Mangel handele, den der Käufer bei der im eigenen Interesse gebotenen Sorgfalt selbst wahrnehmen könne, müsse der Verkäufer den Käufer aufklären und dürfe sein konkretes Wissen nicht zurückhalten (BGH, Urteil vom 14.06.2019 – V ZR 73/18 -).

Dabei käme es nur darauf an, ob der Verkäufer die den Mangel begründenden Umstände kenne, nicht aber (auch) darauf, dass er daraus den Schluss auf das Vorliegen eines Sachmangels ziehe (BGH, Urteil vom 12.04.2013 – V ZR 266/11 -). Der BGH wies ergänzend darauf hin, dass eine entsprechende Offenbarungspflicht zudem auch bei Vorliegen von Mangelsymptomen bestehen könne, die für den Käufer nicht ohne weiters erkennbar seien BGH, Urteil vom 09.02.2018 – V ZR 274/16 -). Im Übrigen käme es nicht darauf an, ob der Verkäufer die Mangelursache kenne oder er nur eine von mehreren Ursachen kenne. 

Damit sei vorliegend von Arglist auszugehen. Die Wassereintritte seien den Klägern von den Beklagten, denen sie bekannt waren, nicht offenbart. Ob - wie im selbständigen Beweisverfahren festgestellt – die Ursache nicht nur auf eine Undichtigkeit im Bereich des Anschlusses des Kunststoffdaches zum Traufbereich des Hausdaches beruhte, sondern auch auf die durch Abrisse bedingte Undichtigkeit der unter den Dachpfannen verlegten Folie in den Anschlussbereichen zum Traufbereich und zu den Dachfenstern zurückzuführen war, sei dabei unerheblich.

Auch sei die Revision im Hinblick auf den Feststellungsantrag begründet. Ob über die geltend gemachten Zahlungsansprüche eine hinausgehende Haftung der Beklagten in Betracht käme, sei keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit der Feststellungsklage. Die Begründetheit könne in Ansehung der Ausführungen zum Schadensersatzanspruch nicht verneint werden. Es bestünde auch - schon in Ansehung der durch die fiktive Geltendmachung des Schadensersatzes  bei Durchführung der Arbeiten zu zahlenden Umsatzsteuer - ein Feststellungsinteresse, um den Anspruch nicht verjähren zu lassen. 

BGH, Urteil vom 27.10.2023 - V ZR 43/23 -

Mittwoch, 17. Januar 2024

Nachtrag zum (Bau-) Werkvertrag und Widerrufsrecht

Der Kläger begehrte die Rückzahlung gezahlten Werklohns. Er hatte mit dem Beklagten einen Werkvertrag für Innenausbauarbeiten an seinem Privathaus abgeschlossen. Später schloss er mit dem Beklagten auf der Baustelle Nachträge zu weiteren Arbeiten zu jeweils festgelegten Preisen; eine Widerrufsbelehrung erfolgte nicht. Der Kläger erklärte den Widerruf des Vertrages und forderte den gezahlten Werklohn zurück. Die Klage auf Rückzahlung des Werklohns hatte im Hinblick auf die Nachträge Erfolg. Das OLG wies die dagegen vom Beklagten eingelegte Berufung zurück.

Nachträge zu einem Werkvertrag, die (wie hier) eine zusätzliche Vergütung für zusätzliche Arbeiten zum Gegenstand hätten. Seien selbständige Werkverträge. Sie würden durch Angebot und Annahme zustande kommen. Daher könnten sie auch unter den Voraussetzungen der §§ 312v 312g BGB selbständig widerrufen werden. Dabei käme es nicht darauf an, ob es sich bei dem hauptvertrag um einen Bauvertrag nach § 650a BGB oder um einen Verbrauchervertrag nach § 650i BGB handele.  Auch wenn die nach dem Nachtrag zu erbringenden Leistungen nur solche nach dem Hauptvertrag ergänzen würden oder nur solche zusätzlichen Leistungen beinhalte, die zur Herstellung eines funktionstauglichen Werks erforderlich seien (§ 650b Abs. 1 BGB), würde an der rechtlichen Selbständigkeit nichts ändern.

§ 312b Abs. 1 Nr. 1 BGB würde für das Widerrufsrecht nur fordern, dass der vertrag außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossen sei. Überraschungs- und/oder Überrumpelungsmomente müssten nicht vorliegen, wobei es auch auf eine konkrete Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers nicht ankäme.

Gegen nachteilige Folgen eines Widerrufs könne sich der Unternehmer dadurch schützen, dass er den Verbraucher übers ein Widerrufsrecht belehrt und ein ausdrückliches Leistungsverlangen des Verbrauchers vor Ablauf der Widerrufsfrist sich von diesem unter Zeugen bestätigen ließe,  § 357a Abs. 2 Nr. 1 BGB.

Da der Beklagte nach dem Inhalt des Vertrages nicht die Lieferung von Waren schuldete, auch wenn es zur Durchführung der Arbeiten der Materialien bedurft habe, handele es sich gleichwohl um Werk-/Bauverträge, die dem Anwendungsfall des § 312g Abs. 2 N. 1 BGB (Lieferung von nicht vorgefertigten Waren, die nach individueller Vorgabe des Verbrauchers gefertigt werden oder auf seine persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind) nicht unterfallen (BGH, Urteil vom 30.08.2018 – VII ZR 243/17 -),

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 14.04.2023 - 8 U 17/23 -

Freitag, 12. Januar 2024

Streichung der Dankes- und Wunschformel im Arbeitszeugnis nach berechtigten Zeugnisberichtigungsverlangen

Muss bzw. wann muss der Arbeitgeber in einem Arbeitszeugnis eine Dankes- und Wunschformel aufnehmen, mit der er z.B. sein Bedauern zum Ausscheiden des Arbeitsnehmers zum Ausdruck bringt und ihm für die Zukunft alles Gute wünscht ?  Diese Frage stellen sich sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer immer wieder. Grundsätzlich bedarf es einer solchen oder ähnlichen Formulierung nicht. Entsprechendes lässt sich nämlich weder aus § 109 Abs. 1 S. 3 GewO ableiten, noch ergibt sich eine derartige Verpflichtung aus dem in § 241 Abs. 2 BGB verankerten Rücksichtnahmegebot (so BAG, Urteil vom 25.01.2022 - 9 AZR 146/21 -). War damit alles geklärt ? Nein.

Im vorliegenden Fall hatte der Arbeitgeber am Schluss der von ihm erstellten 1. Fassung des Arbeitszeugnisses eine entsprechende Formel aufgenommen, indem es dort hieß „Wir danken für ihre wertvolle Mitarbeit und bedauern es, sie als Mitarbeiterin zu verlieren. Für Ihren weiteren Berufs- und Lebensweg wünschen wir ihr alles Gute und auch weiterhin viel Erfolg.“ In der Folge forderte die Arbeitnehmerin eine Korrektur der Bewertung ihres Arbeits- und Sozialverhaltens. Es erfolgte eine Korrektur (Arbeitszeugnis 2. Fassung), die aber die Arbeitnehmerin nicht zufriedenstellte und veranlasste, eine weitere Korrektur vorzunehmen, demzufolge die Formulierung „Insgesamt waren ihre Arbeitsergebnisse von guter Qualität…“ heißen u.a. sollte „Frau D. hat ihre Aufgaben stets zu unserer vollsten Zufriedenheit erledigt und unseren Erwartungen in jeder Hinsicht optimal entsprochen…“. In der sodann erfolgten e. Fassung des Arbeitszeugnisses endete dieses mit dem Satz „Frau D. verlässt unser Unternehmen aus eigenem Wunsch.“ und wurde die Dankes- und Wunschformel nicht mehr verwandt. Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Ergänzung des Arbeitszeugnisses um die in der 1. und 2. Fassung enthaltenen Dankes-, Bedauerns- und Wunschformel.

Das Arbeitsgericht hatte der Klage stattgegeben. Die Berufung der beklagten Arbeitgeberin wurde zurückgewiesen. Die Revision der Beklagten wurde zurückgewiesen, da die Verweigerung gegen das arbeitsrechtliche Maßregelungsverbot verstoße. Das BAG vertrat die Rechtsansicht, die Beklagte sei gem. § 612a BGB (Maßregelungsverbot) verpflichtet, der Klägerin die beantragte Schlussformel aufzunehmen.

Grundsätzlich habe der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf eine Dankes- und Wunschformel (BAG, Urteil vom 25.01.2022 - 9 AZR 146/21 -). Die Regelungen zum Inhalt eines qualifizierten Arbeitszeugnisses in § 109 Abs. 1 S. 2 und 3 GewO seien abschließend. Allerdings würde sich die Abweichung in der Endfassung (3. Fassung) des Arbeitszeugnisses als Maßregelung iSv. § 612a BGB infolge der Abweichung von den vorherigen Fassungen als Maßregelung darstellen.

§ 612a BGB bestimme, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer bei einer Maßnahme nicht benachteiligen dürfe, da dieser in zulässiger Weise seine Rechte ausübe (BAG, Urteil vom 16.02.1989 - 2 AZR 347/88 -). Verletzte der Arbeitgeber das Maßregelungsverbot, könne der Arbeitnehmer die Beseitigung der dadurch bedingte Benachteiligung durch den Arbeitgeber verlangen, wobei der Arbeitgeber den Arbeitnehmer so zustellen habe, wie er ohne diese Maßregelung stünde (BAG, Urteil vom 15.09.2009 - 9 AZR 685/08 -). Zwar sei die verfassungsrechtlich geschützte Meinungsfreiheit des Arbeitgebers bei der Auslegung des § 612a BGB zu berücksichtigen, doch würde dieses ihm kein Rehct geben, eine berechtigte Remonstration des Arbeitnehmers zum Anlass zu nehmen, das Arbeitszeugnis zu dessen Nachteil zu ändern. § 612a BGB stelle einen Sonderfall der Sittenwidrigkeit dar, die nicht durch die Grundrechte auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) und Unternehmerfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) in diesem Fall nicht geschützt sei. Der Anwendungsbereich des § 612a BGB sei auch nicht auf ein laufendes Arbeitsverhältnis beschränkt, sondern zeige auch ähnlich wie das Rücksichtnahmegebot des § 241 Abs. 2 BGB nachvertragliche Wirkungen.

Die Voraussetzungen des § 612a BGB lägen hier vor. Nachdem die Klägerin in zulässiger Weise eine Berichtigung des Arbeitszeugnisses verfolgt habe läge im Fortfall der zuvor verwandten Dankes- und Wunschformel eine Maßregelung. Genüge das qualifizierte Arbeitszeugnis nicht den Anforderungen des § 109 GewO, könne der Arbeitnehmer eine Berichtigung verlangen (BAG, Urteil vom 27.04.2021 - 9 AZR 262/20 -). So sei es vorliegend gewesen, indem mit „Insgesamt waren ihre Arbeitsergebnisse von guter Qualität…“ hinter der letztlich von der Beklagten verwandten Schlussbewertung „Frau D. hat ihre Aufgaben stets zu unserer vollsten Zufriedenheit erledigt…“ zurückblieb, da nach der ursprünglichen Formulierung der verständige Leser habe entnehmen müssen, die Arbeitend er Klägerin seien nichts stets „zur vollsten Zufriedenheit“ der Beklagten erfolgt.

Mit der Änderung der Schlussformel in der dritten Fassung habe die Beklagte der Klägerin einen Nachteil zugefügt. Ein Nachteil läge vor, wenn der Arbeitnehmer eine Einbuße erleide, sich seine Situation also nach der Maßnahme durch den Arbeitgeber im Verhältnis zu der Situation vorher verschlechtert habe. § 612a BGB schütze den Arbeitnehmer nicht nur vor dem Entzug von Vorteilen, auf die er einen Anspruch habe, sondern auch vor Nachteilen im Bereich von freiwilligen Leistungen (hier der Dankes- und Wunschformel) im Zusammenhang mit dem von ihm zustehenden Rechten. Die Situation der Klägerin habe sich mithin objektiv unabhängig davon verschlechtert, dass sie ursprünglich keinen Anspruch auf die Dankes- und Wunschformel hatte. Ein Zeugnis würde durch solche Schlüsselsätze aufgewertet.

Voraussetzung für einen Verstoß gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB setze voraus, dass das Weglassen der Formel und der Änderungswunsch der Klägerin ursächlich miteinander verknüpft seien, also die zulässige Rechtsausübung der Klägerin der tragende Beweggrund für das Weglassen der Formel sei (BAG, Urteil vom 18.10.2017 - 10 AZR 330/16 -). Nicht ausreichend sei, dass die Rechtsausübung nur den äußeren Anlass für die Maßnahme biete (BAG, Urteil vom 20.05.2021 - 2 AZR 560/21 -). Bei einem Motivbündel auf Arbeitgeberseite käme es auf das maßgebliche Motiv an (BAG, Urteil vom 18.11.2021 - 2 AZR 229/21 -).  Die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des § 612a BGB und damit auch für die Kausalität trage der Arbeitnehmer. Er habe einen Sachverhalt vorzutragen, der auf eine Kausalität hindeute. Zu einem solchen Vortrag müsse sich der Arbeitgeber nach § 138 Abs. 2 ZPO im Einzelnen erklären.

Hier habe die Klägerin erklärt, ihr zweimaliger Änderungswunsch habe die Beklagte zum Weglassen der Dankes- und Wunschformel veranlasst. Daraus habe das Landesarbeitsgericht rechtfehlerfrei einen kausalen Zusammenhang gefolgert. Ein dagegensprechender Vortrag sei von der Beklagten nicht erfolgt. Sie könne nicht damit gehört werden, nach der 1. und 2. Fassung von Umständen gehört zu haben, die eine abweichende Bewertung rechtfertigen würden.

Damit käme es nicht darauf an, ob die Klägerin bereits unter dem - alleinigen - Gesichtspunkt der Selbstbindung der Beklagten in den ersten zwei Fassungen einen Anspruch auf die begehrte Formulierung habe. Grundsätzlich sei allerdings der Arbeitgeber nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) an den Inhalt eines erteilten Zeugnisses gebunden. Von seinen Wissenserklärungen zur Leistung des Arbeitnehmers dürfe er nur abweichen, wenn ihm nachträglich Umstände bekannt würden, die eine abweichende Bewertung rechtfertigen (BAG, Urteil vom 21.06.2005 - 9 AZR 352/04 -). In gleicher Weise könne der Arbeitgeber an eine ursprünglich erteilte Schlussformel in Form der Dankes- und Wunschformel für die Zukunft gebunden sein (im Urteil vom 11.12.2012 – 9 AZR 227/11 – hatte das BAG eine Erweiterung der verwandten Formel „Für die Zukunft alles Gute“ abgelehnt, da die Formel auf den Ausdruck der jeweiligen Empfindung beruht und nicht zu einer  anderweitigen Verpflichtung führe).

Ob eine Streichung der Formel bereits wegen einer Selbstbindung des Arbeitgebers in Zeugnis, dessen Änderung der Arbeitnehmer begehrt, unzulässig ist, bleibt offen.

Anmerkung: Der Arbeitgeber sollte sich bei Abfassung eines Zeugnisses im Klaren über die Konsequenzen, insbesondere zur Abänderung durch ihn zum Nachteil des Arbeitnehmers sein. Nimmt er eine Dankes- und Wunschformel auf, zu der er nicht verpflichtet ist, sollet er bedenken, dass er diese nicht aus Verärgerung über sonstige Änderungswünsche des Arbeitnehmers einfach streichen kann.

BAG, Urteil vom 06.06.2023 - 9 AZR 272/22 -

Dienstag, 9. Januar 2024

Beweis für den Zugang eines Einwurf-Einschreibens

Immer wieder stellt sich die Frage, wie ein Schreiben einem Dritten zugestellt werden kann, dass der Zugang bei Bestreiten des Erhalts nachgewiesen werden kann. Im vorliegend vom Rechtstreit vor dem LAG Nürnberg wurde eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber (Beklagter) ausgesprochen worden. Vertraglich war eine vierteljährliche Kündigungsfrist zum Quartalsende vereinbart gewesen. Mit einem Einwurf-Einschreiben vom 28.09.2021, welches nach dem Zustellungsnachweis der Deutschen Post AG am 30.09.2023 in den Briefkasten der Klägerin geworfen worden sein soll, kündigte der Beklagte zum 31.12.2023. Die Klägerin wandte sich mit der Klage gegen die Kündigung insoweit, als sie die Feststellung begehrte, dass durch die Kündigung das Arbeitsverhältnis erst zum 31.03.2022 aufgelöst worden sei. Das Arbeitsgericht wies die Klage unter Bezugnahme auf ein Urteil des LAG Schleswig-Holstein vom 18.01.2022 – 1 Sa 159/21 mit der Begründung ab, dass bei Übersendung eines Einwurf-Einschreibens und Vorlage des Einlieferungsbelegs sowie unter Reproduktion des ordnungsgemäß unterzeichneten Auslieferungsbelegs ein Nachweis des ersten Anscheins für den Zugang des Schriftstücks beim Empfänger spreche.  Zwar seien fehlerhafte Zustellungen naturgesetzlich nicht auszuschließen, aber nach der Erfahrung so unwahrscheinlich, dass ein Anscheinsbeweis gerechtfertigt sei. Da das Schreiben von einem Bediensteten der Deutschen Post AG eingeworfen worden sei, sei auch davon auszugehen, dass es zu einer Tageszeit eingeworfen wurde, zu der nach den gewöhnlichen Verhältnissen und den Gepflogenheiten des Verkehrs mit einer Entnahme am gleichen Tag aus dem Briefkasten zu rechnen sei.  Das LAG wies die Berufung der Klägerin gegen dieses Urteil zurück, ließ aber die Revision zu, die derzeit bei dem BAG zu 2 AZR 213/23 anhängig ist (Termin dort: 20.06.2024).

Das LAG folgte der Annahme des Arbeitsgerichts, dass durch die Vorlage der genannten Belge der Beweis des ersten Anscheins für den rechtzeitigen Zugang des Schreibens bei der Klägerin spreche (und verwies dabei u.a. auf die Urteil des BGH vom 27.09.2016 - II ZR 299/15 - und des LAG Mecklenburg-Vorpommern vom 12.03.2019 - 2 Sa 130/18 -. Der erste Anschein spreche auch dafür, dass die Zustellung zu den üblichen Postzustellzeiten erfolgte, da die Zustellung durch einen Mitarbeiter der Deutschen Post AG und nicht durch einen anderen Versanddienstleister oder -boten erfolgt sei; es könne davon ausgegangen werden,  dass der Mitarbeiter die Zustellungen im Rahmen seiner zugewiesenen Arbeitszeiten vornehme; nach der allgemeinen Verkehrsanschauung sei damit zu rechnen, dass bei Hausbriefkästen eine Leerung unmittelbar nach Abschluss der üblichen Postzustellzeiten erfolge (BAG, Urteil vom 22.03.2012 - 2 AZR 224/11 -). Damit würde der Klägerin obliegen, einen Sachverhalt aufzuzeigen, demzufolge das Kündigungsschreiben außerhalb der gewöhnlichen Postzustellzeiten in ihren Briefkasten gelangt sei. Anhaltspunkte für einen späteren Zugang lägen nicht vor, weshalb nach § 130 Abs. 1 S. 1 BGB der Zugang am 30.09.2021 anzunehmen sei und die vertraglich vereinbaret Kündigungsfrist mithin eingehalten worden sei.

Anmerkung: Vorliegend ging es nicht um die Frage, ob das Kündigungsschreiben überhaupt zugegangen ist, sondern ob das vom Mitarbeiter der Deutschen Post AG angegebene Datum stimmte bzw. der Einwurf tatsächlich in den Briefkasten der Klägerin erfolgte. Zweifelhaft halte ich die Annahme eines Beweises des ersten Anscheins. Der Unterzeichner erlebt häufig fehlerhafte Zustellungen, sowohl im privaten als auch im beruflichen Bereich. So finden sich immer wieder (mindestens einmal in zwei Wochen) Schreiben im Kanzleibriefkasten, die nicht nur an eine Dritten adressiert sind, der im gleichen Haus tätig ist, sondern auch gänzlich andere Anschriften benennen. Privat wird in meinen Briefkasten ständig, im rechnerischen Schnitt 1,5 mal die Woche, die Post einer anderen Mitbewohnerin geworfen, wie auch meine Post bei ihr eingeworfen wird, was dazu führt, dass wir insoweit jeweils mit einer Verzögerung von mindestens einen Tag die Post empfangen (bei Eingabe auf Google „Fehlzustellungen der Post“ kann man sehr viele Beschwerden, die sogar Ortsgemeinden zum Tätigwerden veranlassten, finden). Auch was die Richtigkeit von Angaben der Mitarbeiter der Deutschen Post AG anbelangt, kann nicht nur im Hinblick auf die Fehleinwürfe nicht gefolgt werden. So hatte ich den letzten Monaten zwei Zustellungen im Büro, bei denen vermerkt war, dass niemand angetroffen worden sei und deshalb der Einwurf in den Briefkasten erfolge – obwohl das Büro von Montag bis Freitag ab spätestens sieben Uhr bis nach 18.00 Uhr besetzt ist und diese Zustellungen zwischen Montag und Freitag erfolgten. Beschwerden bei der Post der der Bundesnetzagentur als zuständig Aufsichtsbehörde bewirken, wie ich feststellte, nichts. Gleichwohl rate ich dringend an, bei festgestellten Fehlzustellungen (Sie bekommen ihre Post vom Nachbarn, bei dem der Einwurf erfolgte, oder Sie erhalten die Post Dritter pp.) dies sowohl gegenüber der Post als auch der Bundesnetzagentur zu monieren. Kommt es häufig bei Ihnen zu Fehlzustellungen, können sie damit möglicherweise den Anscheinsbeweis, der hier vom LAG angenommen wird, entkräften, unabhängig davon, dass ich der Annahme bin, dass der Anscheinsbeweis im Hinblick auf die Zunahme der Fehlleitungen nicht mehr greifen kann.

LAG Nürnberg, Urteil vom 15.06.2023 - 5 Sa 1/23 -

Sonntag, 7. Januar 2024

Die fakultative bzw. obligatorische Pflicht einer GbR zur Eintragung im Gesellschaftsregister

Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (ModPeG) zum 01.01.2024 besteht nun auch für die GbR die Möglichkeit zur Eintragung im Gesellschaftsregister in dessen Bezirk sie ihren Sitz hat (die nachfolgenden Angaben zu gesetzlichen Regelungen sind die ab 01.01.2024 geltenden neuen Regelungen nach dem ModPeG). Eingetragene Gesellschaften müssen den Zusatz “eingetragene Gesellschaft bürgerlichen Rechts“ bzw. „eGbR“ zum Namen hinzufügen, § 707a Abs. 2 S. 1 BGB. Mit ihrer Eintragung entstehen weitere Anmeldepflichten, so z.B. bei einem Gesellschafterwechsel oder einer Sitzverlegung, § 707 Abs. 3 BGB). Eine Löschung der Gesellschaft im Gesellschaftsregister ist nur bei einer Auflösung oder Vollbeendigung der Gesellschaft möglich, § 707a Abs. 4 BGB.

Grundsätzlich ist die Eintragung im Gesellschaftsregister fakultativ. Obligatorisch ist sie allerdings in dem Fall, dass die Gesellschaft im Grundbuch eingetragen werden soll, § 47 Abs. 2 GBO. Für eine bestehende Grundbesitz-GbR besteht erst zu dem Zeitpunkt die Pflicht zur Wahrung im Gesellschaftsregister, wenn eine Eintragung im Grundbuch erfolgen soll, Art. 229 § 21 EGBGB (kann (anderer Ansicht: Servatius, Gesellschaft bürgerlichen Rechts: GbR, § 713 Rn. 14).

Auch im Falle einer Veräußerung des Grundbesitzes soll bei einer am 01.01.2024 schon bestehenden GbR die Registrierung im Gesellschaftsregister vom Grundbuchamt gefordert werden, damit sie dann als Eigentümer gelöscht werden kann. Auch wenn die Sollvorschrift als Mussvorschrift anzusehen ist, deren Nichtbeachtung allerdings nicht zur Unwirksamkeit der Eintragung führt (Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl. 2020, Rdn. 53 f), erscheint diese Anforderung als unnötig komplizierend: Handelt es sich bei der GbR um eine Liquidationsgesellschaft, würde die GbR sowohl im Grundbuch als auch im Gesellschaftsregister gelöscht.

Allerdings soll eine Änderung des Namens der bereits zum 01.01.2024 bestehenden GbR oder die Annahme eines solchen ohne Voreintragung im Gesellschaftsregister im Grundbuch eingetragen werden (BT-Drs. 19/27635 S. 216 f).

Eine Änderung des Gesellschafterbestandes (z.B. durch Erbschaft) vollzieht sich formlos und wird ohne Eintragung im Grundbuch wirksam. Nach der bisherigen Rechtslage wäre das Grundbuch zu berichtigen und der neue Gesellschafterbestand einzutragen. Dies wird nunmehr ausgeschlossen, Art. 229 § 21 Abs. 2 S. 1 EGBGB. Nach § 82 GBO, auf den Art. 229 § 21 Abs. 2 S. 2 EGBGB verweist, ist das Grundbuchamt im Falle der Änderung des Gesellschafterbestandes gehalten, von der GbR zu verlangen, die zur Berichtigung notwendigen Unterlagen zu beschaffen, was im Hinblick auf § 47 Abs. 2 GBO bedeutet, dass die GbR eine Voreintragung im Gesellschaftsregister vornimmt. Damit soll die Eintragung auch von zum 01.01.2024 grundbesitzhaltenden Gesellschaften aus Anlass von Gesellschafterwechseln (aus welchen Gründen dieser auch immer erfolgte) durchgesetzt werden (zweifelnd Schroetter, Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach Inkrafttreten des MoPeG in ZfIR 2024, 1, 3).

Für den Fall der nachträglichen Voreintragung einer bereits zum 01.01.2024 bestehenden Gesellschaft stellt Art. 229 § 21 Abs. 3 EGBGB klar, dass deren Berücksichtigung keine Berichtigung des Grundbuches darstellt. Die Eintragung bedarf der Bewilligung der Gesellschafter, die vor dem 01.01.2024 im Grundbuch eingetragen waren, sowie der Zustimmung der eGbR, Art, 229 § 21 Abs. 3 S. 2 EGBGB.

Da die GbR auch ohne eine Eintragung im Gesellschaftsregister materiellrechtlich existiert, die Registrierung nur deklaratorisch erfolgt, dürfte sich eine zwingende Zurückweisung eines Eintragungsantrages bei dem Grundbuchamt ohne vorherige Monierung in einer Zwischenverfügung gem. § 18 Abs. 1 S. 1 GBO verbieten, sollte keine Voreintragung im Gesellschaftsregister vorliegen.


Mittwoch, 3. Januar 2024

Das „Balkonkraftwerk“ im Mietrecht

Die Mieter wollten auf dem zur Wohnung gehörenden Balkon eine Solaranlage aufstellen. Da der Vermieter die Genehmigung versagte, sahen sie sich zur Klage gezwungen. Das Amtsgericht (AG) differenzierte zwischen Fällen, bei denen der Vermieter die Zustimmung versagen kann und solchen, bei denen sie - wenn auch unter bestimmten Auflagen - erteilt werden muss.

Der mitvermietete Balkon würde dem Mieter zur freien Verfügung stehen, solange durch den gebrauch nicht Rechte des Vermieters oder anderer Mieter beeinträchtigt würden. Allerdings bestimme vorliegend § 10 des Mietvertrages, dass sämtliche Um- und Einbauten, Veränderungen jeder Art, insbesondere Installationen der Zustimmung des Vermieters bedürfen würden. Die Solaranlage (ein sogen. „Balkonkraftwerk“) würde - so das AG - stelle eine bauliche Anlage dar, wobei es nicht darauf ankäme, ob diese mir dem Objekt fest verbunden würde. Die von der Vermieterin versagte Genehmigung sei allerdings (wenn auch möglicher Auflage) zwingend zu erteilen. Zwar habe der Mieter keinen Anspruch auf Gestattung baulicher Veränderungen mit dem Ziel der Modernisierung; die Erteilung stehe im Ermessen des Vermieters, der dieses nicht willkürlich ausüben dürfe.

Der Willkürlichkeit der Versagung könnte Art. 14 GG entgegenstehen, wonach der Vermieter nach Belieben mit seinem Eigentum verfahren dürfe und von daher auch entscheiden könne, dass es bei dem zum Mietbeginn bestehenden Zustand verbleibe, was auch für das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes gelte. Für den Kläger sprächen die Gesichtspunkte, dass Solarstrom (wenn auch überschaubar) Kosten sparen würde, Erzeugung fossiler Brennstoffe mindere und damit das Balkonkraftwerl dem Gemeinwohl diene. Vorliegend sie dem Antrag auch eine Substanzbeeinträchtigung der Mietsache ausgeschlossen. Unerheblich sei die klägerische Erwägung zu einem umweltbewussten Leben der Bewohner ihres Quartiers, da sich dies nicht objektiv überprüfen lasse.

Vor diesem Hintergrund einer Interessensabwägung sei das Ermessen der Vermieterin unter dem Gesichtspunkt der Rechtsmissbräuchlichkeit eingeschränkt: Die Vermieterin habe der Aufstellung und Nutzung einer Solaranlage in Bodenhöhe des Balkons zustimmen, könne aber zuvor Zahlung einer angemessenen Sicherheit für den Rückbau fordern.

Weitergehend könne nach derzeitiger Rechtslage aber nicht die Erteilung einer Genehmigung für eine Solaranlage mit an der Außenseite des Balkons angebrachten Solarmodulen verlangt werden, da dadurch schon (unabhängig von der Frage des rückstandsfreien Rückbaus) das äußere Erscheinungsbild des Mietobjekts gravierend beeinträchtigt würde.

AG Köln, Urteil vom 26.09.2023 - 222 C 150/23 -

Mittwoch, 20. Dezember 2023

Problem der Voreintragung bei Erbengemeinschaft für Aufteilung nach WEG

Die Erblasser waren zu je gleichen Teilen Eigentümer eines bebauten Grundstücks. Deren zwei Erben (zu je ½) erklärten sie zu notariellen Protokoll die Aufteilung des Grundbesitzes in Wohnungs- bzw. Teileigentum, dass der Auseinandersetzung des Vermögens der Erbengemeinschaft bzw. zur Erfüllung der testamentarisch angeordneten Auflage zur Begründung von Wohnungseigentum dienen sollte, wobei das so gebildete Sondereigentum 1 und 2 jeweils je einem Erben zugeordnet wurde. Sie beantragten beim Grundbuchamt den Vollzug der Teilungserklärung und die Eintragung der Erbauseinandersetzung sowie die Übergabe. Das Grundbuchamt lehnte den Vollzug der Teilungserklärung mit Zwischenverfügung gem. § 18 Abs. 1 GBO ab, da es einer Voreintragung der Erben als Eigentümer bedürfe. Dagegen erhoben die Erben unter Verweis auf § 40 GBO Beschwerde. Das Amtsgericht - Grundbuchamt - half der Beschwerde nicht ab.

Die Beschwerde wurde vom Beschwerdegericht (OLG) zurückgewiesen; es ging, wie das Grundbuchamt, davon aus, dass es einer Voreintragung der Erben als Eigentümer nach § 39 Abs. 1 GBO bedürfe.

Entscheidungserheblich war, ob für die Bildung des Wohnungseigentums die Erben zunächst als Eigentümer im Grundbuch eingetragen werden mussten. § 40 Abs. 1 GBO sieht eine Ausnahme von dieser Verpflichtung für Erben vor. Dieser Ausnahmefall wurde vorliegend vom OLG verneint.

§ 39 Abs. 1 GBO sei nach § 40 GBO nicht anzuwenden, wenn die Übertragung oder die Aufhebung eines Rechts eingetragen werden soll, wenn die Person, deren Recht durch eine Eintragung betroffen wird, Erbe des eingetragenen Berechtigten sei. In diesem Fall würde nach § 40 Abs. 1 GBO auf die Nachvollziehbarkeit der Kontinuität des Rechtsinhaberschaft im Grundbuch verzichtet; dem Erben sollen Kosten für seine vorherige Eintragung erspart werden und dem Grundbuchamt die Arbeit erleichtert werden, indem sachlich unnötige Eintragungen, an denen keiner der involvierten Personen ein Interesse habe, erspart würden, ferner die Übersichtlichkeit des Grundbuchs durch den Verzicht auf sofortgegenstandslos werdende Eintragungen verbessert werden. Allerdings sei § 40 Abs. 1 als Ausnahmeregelung des § 39 Abs. 1 GBO eng auszulegen, was allerdings grundsätzlich seine Anwendung auf rechtsähnliche Sachverhalte nicht ausschlösse (OLG Nürnberg, Beschluss vom 25.09.2013 - 15 W 1799/13 -). Die Voreintragung des Erben könne nur bei Eintragung der Übertragung oder Aufhebung des Rechts, nicht aber bei sonstigen Eintragungen unterbleiben.

Die Aufteilung in Wohnungs- und Teileigentum nach § 3 oder § 8 WEG stelle keine Übertragung dar, sondern eine Inhaltsänderung, weshalb die Voreintragung erforderlich sei. Die Begründung des Wohnungseigentums, wonach das Grundstück in Miteigentumsanteile aufgeteilt würde und mit jedem Miteigentumsanteil das Sondereigentum an Wohnungen oder nicht zu Wohnzwecken bestimmten Räumen verbunden würde, bedürfe einer Erklärung des (zum Zeitpunkt des Vollzugs der Teilung auch im Grundbuch) eingetragenen Alleineigentümers. Dies bewirke die Teilung des Vollrechts und enthalte daher eine dingliche Verfügung über ein Recht an einem Grundstück. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) entstehe erst mit Anlegung der Wohnungsgrundbücher und die Teilungserklärung sei bis zu diesem Zeitpunkt frei widerruflich (KG, Beschluss vom 08.12.2015 - 1 W 518/15 -).

Vorliegend würde durch die Teilung des im Eigentum der Erbengemeinschaft stehenden Grundstücks mit nachfolgender Übertragung des Wohnungseigentums auf die Erben in Vollzug der Aufhebung der Erbengemeinschaft bei dem in § 39 Abs. 1 GBO zum Ausdruck gebrachten Grundsatz der Grundbuchklarheit verbleiben; auf die Nachvollziehbarkeit der Kontinuität der Rechtsinhaberschaft im Grundbuch könne nicht verzichtet werden. Die für § 40 Abs. 1 GBO erforderlichen tatsächlichen Voraussetzungen seien nicht gegeben, da die Teilung des Grundstücks und Bildung von Wohnungseigentum eine Rechtsveränderung darstelle und keine Aufhebung des Eigentums; das (Allein-) Eigentum würde nicht aufgehoben, sondern in eine andere Eigentumsform umgewandelt.

Ob die teilweise vertretene Ansicht zutreffend sei, einer Voreintragung bedürfe es nicht, wenn die Übertragung gleichzeitig mit einer Inhaltsänderung erfolge, könne offen bleiben. Diese Konstellation läge nicht vor, da der Antrag nach § 8 WEG erst im Grundbuch vollzogen werden müsse und damit die Anlegung der Wohnungsgrundbücher konstitutiv für das Entstehen des Wohnungseigentums sei. Hier sei aber beabsichtigt, die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft gerade dadurch vorzunehmen, dass das jeweilige Wohnungseigentum auf die Erben 1 und 2 übertragen würde. Es fehle an der Gleichzeitig der Eigentumsbegründung in der Person der jeweiligen Erben mit der Teilung im Grundbuch. Ohne Belang sei, dass die Anträge nach § 16 GBO verbunden seien.

§ 40 Abs. 1 GBO könne vorliegend auch nicht entsprechend angewandt werden, da es an einer hinreichenden Ähnlichkeit mit den gesetzlich geregelten Fällen ermangele. Der Vorgang sei auch nicht vergleichbar auf den Fall der Eigentumsumschreibung auf einen der Erben unter gleichzeitiger Eitragung einer der Finanzierung dienenden Grundschuld (dazu OLG Hamm, Beschluss vom 25.11.2022 - I-15 W 114/22 -).

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 10.07.2023 - 14 W 41/23 -