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Freitag, 12. Januar 2024

Streichung der Dankes- und Wunschformel im Arbeitszeugnis nach berechtigten Zeugnisberichtigungsverlangen

Muss bzw. wann muss der Arbeitgeber in einem Arbeitszeugnis eine Dankes- und Wunschformel aufnehmen, mit der er z.B. sein Bedauern zum Ausscheiden des Arbeitsnehmers zum Ausdruck bringt und ihm für die Zukunft alles Gute wünscht ?  Diese Frage stellen sich sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer immer wieder. Grundsätzlich bedarf es einer solchen oder ähnlichen Formulierung nicht. Entsprechendes lässt sich nämlich weder aus § 109 Abs. 1 S. 3 GewO ableiten, noch ergibt sich eine derartige Verpflichtung aus dem in § 241 Abs. 2 BGB verankerten Rücksichtnahmegebot (so BAG, Urteil vom 25.01.2022 - 9 AZR 146/21 -). War damit alles geklärt ? Nein.

Im vorliegenden Fall hatte der Arbeitgeber am Schluss der von ihm erstellten 1. Fassung des Arbeitszeugnisses eine entsprechende Formel aufgenommen, indem es dort hieß „Wir danken für ihre wertvolle Mitarbeit und bedauern es, sie als Mitarbeiterin zu verlieren. Für Ihren weiteren Berufs- und Lebensweg wünschen wir ihr alles Gute und auch weiterhin viel Erfolg.“ In der Folge forderte die Arbeitnehmerin eine Korrektur der Bewertung ihres Arbeits- und Sozialverhaltens. Es erfolgte eine Korrektur (Arbeitszeugnis 2. Fassung), die aber die Arbeitnehmerin nicht zufriedenstellte und veranlasste, eine weitere Korrektur vorzunehmen, demzufolge die Formulierung „Insgesamt waren ihre Arbeitsergebnisse von guter Qualität…“ heißen u.a. sollte „Frau D. hat ihre Aufgaben stets zu unserer vollsten Zufriedenheit erledigt und unseren Erwartungen in jeder Hinsicht optimal entsprochen…“. In der sodann erfolgten e. Fassung des Arbeitszeugnisses endete dieses mit dem Satz „Frau D. verlässt unser Unternehmen aus eigenem Wunsch.“ und wurde die Dankes- und Wunschformel nicht mehr verwandt. Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Ergänzung des Arbeitszeugnisses um die in der 1. und 2. Fassung enthaltenen Dankes-, Bedauerns- und Wunschformel.

Das Arbeitsgericht hatte der Klage stattgegeben. Die Berufung der beklagten Arbeitgeberin wurde zurückgewiesen. Die Revision der Beklagten wurde zurückgewiesen, da die Verweigerung gegen das arbeitsrechtliche Maßregelungsverbot verstoße. Das BAG vertrat die Rechtsansicht, die Beklagte sei gem. § 612a BGB (Maßregelungsverbot) verpflichtet, der Klägerin die beantragte Schlussformel aufzunehmen.

Grundsätzlich habe der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf eine Dankes- und Wunschformel (BAG, Urteil vom 25.01.2022 - 9 AZR 146/21 -). Die Regelungen zum Inhalt eines qualifizierten Arbeitszeugnisses in § 109 Abs. 1 S. 2 und 3 GewO seien abschließend. Allerdings würde sich die Abweichung in der Endfassung (3. Fassung) des Arbeitszeugnisses als Maßregelung iSv. § 612a BGB infolge der Abweichung von den vorherigen Fassungen als Maßregelung darstellen.

§ 612a BGB bestimme, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer bei einer Maßnahme nicht benachteiligen dürfe, da dieser in zulässiger Weise seine Rechte ausübe (BAG, Urteil vom 16.02.1989 - 2 AZR 347/88 -). Verletzte der Arbeitgeber das Maßregelungsverbot, könne der Arbeitnehmer die Beseitigung der dadurch bedingte Benachteiligung durch den Arbeitgeber verlangen, wobei der Arbeitgeber den Arbeitnehmer so zustellen habe, wie er ohne diese Maßregelung stünde (BAG, Urteil vom 15.09.2009 - 9 AZR 685/08 -). Zwar sei die verfassungsrechtlich geschützte Meinungsfreiheit des Arbeitgebers bei der Auslegung des § 612a BGB zu berücksichtigen, doch würde dieses ihm kein Rehct geben, eine berechtigte Remonstration des Arbeitnehmers zum Anlass zu nehmen, das Arbeitszeugnis zu dessen Nachteil zu ändern. § 612a BGB stelle einen Sonderfall der Sittenwidrigkeit dar, die nicht durch die Grundrechte auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) und Unternehmerfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) in diesem Fall nicht geschützt sei. Der Anwendungsbereich des § 612a BGB sei auch nicht auf ein laufendes Arbeitsverhältnis beschränkt, sondern zeige auch ähnlich wie das Rücksichtnahmegebot des § 241 Abs. 2 BGB nachvertragliche Wirkungen.

Die Voraussetzungen des § 612a BGB lägen hier vor. Nachdem die Klägerin in zulässiger Weise eine Berichtigung des Arbeitszeugnisses verfolgt habe läge im Fortfall der zuvor verwandten Dankes- und Wunschformel eine Maßregelung. Genüge das qualifizierte Arbeitszeugnis nicht den Anforderungen des § 109 GewO, könne der Arbeitnehmer eine Berichtigung verlangen (BAG, Urteil vom 27.04.2021 - 9 AZR 262/20 -). So sei es vorliegend gewesen, indem mit „Insgesamt waren ihre Arbeitsergebnisse von guter Qualität…“ hinter der letztlich von der Beklagten verwandten Schlussbewertung „Frau D. hat ihre Aufgaben stets zu unserer vollsten Zufriedenheit erledigt…“ zurückblieb, da nach der ursprünglichen Formulierung der verständige Leser habe entnehmen müssen, die Arbeitend er Klägerin seien nichts stets „zur vollsten Zufriedenheit“ der Beklagten erfolgt.

Mit der Änderung der Schlussformel in der dritten Fassung habe die Beklagte der Klägerin einen Nachteil zugefügt. Ein Nachteil läge vor, wenn der Arbeitnehmer eine Einbuße erleide, sich seine Situation also nach der Maßnahme durch den Arbeitgeber im Verhältnis zu der Situation vorher verschlechtert habe. § 612a BGB schütze den Arbeitnehmer nicht nur vor dem Entzug von Vorteilen, auf die er einen Anspruch habe, sondern auch vor Nachteilen im Bereich von freiwilligen Leistungen (hier der Dankes- und Wunschformel) im Zusammenhang mit dem von ihm zustehenden Rechten. Die Situation der Klägerin habe sich mithin objektiv unabhängig davon verschlechtert, dass sie ursprünglich keinen Anspruch auf die Dankes- und Wunschformel hatte. Ein Zeugnis würde durch solche Schlüsselsätze aufgewertet.

Voraussetzung für einen Verstoß gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB setze voraus, dass das Weglassen der Formel und der Änderungswunsch der Klägerin ursächlich miteinander verknüpft seien, also die zulässige Rechtsausübung der Klägerin der tragende Beweggrund für das Weglassen der Formel sei (BAG, Urteil vom 18.10.2017 - 10 AZR 330/16 -). Nicht ausreichend sei, dass die Rechtsausübung nur den äußeren Anlass für die Maßnahme biete (BAG, Urteil vom 20.05.2021 - 2 AZR 560/21 -). Bei einem Motivbündel auf Arbeitgeberseite käme es auf das maßgebliche Motiv an (BAG, Urteil vom 18.11.2021 - 2 AZR 229/21 -).  Die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des § 612a BGB und damit auch für die Kausalität trage der Arbeitnehmer. Er habe einen Sachverhalt vorzutragen, der auf eine Kausalität hindeute. Zu einem solchen Vortrag müsse sich der Arbeitgeber nach § 138 Abs. 2 ZPO im Einzelnen erklären.

Hier habe die Klägerin erklärt, ihr zweimaliger Änderungswunsch habe die Beklagte zum Weglassen der Dankes- und Wunschformel veranlasst. Daraus habe das Landesarbeitsgericht rechtfehlerfrei einen kausalen Zusammenhang gefolgert. Ein dagegensprechender Vortrag sei von der Beklagten nicht erfolgt. Sie könne nicht damit gehört werden, nach der 1. und 2. Fassung von Umständen gehört zu haben, die eine abweichende Bewertung rechtfertigen würden.

Damit käme es nicht darauf an, ob die Klägerin bereits unter dem - alleinigen - Gesichtspunkt der Selbstbindung der Beklagten in den ersten zwei Fassungen einen Anspruch auf die begehrte Formulierung habe. Grundsätzlich sei allerdings der Arbeitgeber nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) an den Inhalt eines erteilten Zeugnisses gebunden. Von seinen Wissenserklärungen zur Leistung des Arbeitnehmers dürfe er nur abweichen, wenn ihm nachträglich Umstände bekannt würden, die eine abweichende Bewertung rechtfertigen (BAG, Urteil vom 21.06.2005 - 9 AZR 352/04 -). In gleicher Weise könne der Arbeitgeber an eine ursprünglich erteilte Schlussformel in Form der Dankes- und Wunschformel für die Zukunft gebunden sein (im Urteil vom 11.12.2012 – 9 AZR 227/11 – hatte das BAG eine Erweiterung der verwandten Formel „Für die Zukunft alles Gute“ abgelehnt, da die Formel auf den Ausdruck der jeweiligen Empfindung beruht und nicht zu einer  anderweitigen Verpflichtung führe).

Ob eine Streichung der Formel bereits wegen einer Selbstbindung des Arbeitgebers in Zeugnis, dessen Änderung der Arbeitnehmer begehrt, unzulässig ist, bleibt offen.

Anmerkung: Der Arbeitgeber sollte sich bei Abfassung eines Zeugnisses im Klaren über die Konsequenzen, insbesondere zur Abänderung durch ihn zum Nachteil des Arbeitnehmers sein. Nimmt er eine Dankes- und Wunschformel auf, zu der er nicht verpflichtet ist, sollet er bedenken, dass er diese nicht aus Verärgerung über sonstige Änderungswünsche des Arbeitnehmers einfach streichen kann.

BAG, Urteil vom 06.06.2023 - 9 AZR 272/22 -