Montag, 25. März 2019

Mietwagenangebot durch Kfz-Haftpflichtversicherer nach Unfall und Schadensminderungspflicht


Bei der Klägerin handelte es sich um eine Autovermietung. Diese hatte verschiedentlich Fahrzeuge an Unfallgeschädigte vermietet, bei denen jeweils auf der Gegenseite die beklagte Haftpflichtversicherung stand. Während die Haftung dem Grunde nach unstreitig war, stritten die Klägerin (die sich die Ansprüche der Geschädigten auf Erstattung der Mietwagenkosten hatte abtreten lassen) und die Beklagte um die Höhe des Erstattungsanspruchs. Die Beklagte hatte eingewandt, sie habe den jeweiligen Geschädigten (mit Ausnahme eines Falles) jeweils schriftlich auf günstigere Autovermietungen hingewiesen (in dem jeweils der Tagesmietpreis eines gleichwertigen Fahrzeuges benannt wurde, auf die kostenlose Zustellung und Abholung des Fahrzeuges, eine Vollkaskoversicherung pp. hingewiesen wurde und eine Telefonnummer benannt wurde, unter der ohne Hinterlegung einer Sicherheit die Anmietung erfolgen könne), weshalb sie auch nur auf deren Basis mit den Geschädigten (resp. der Klägerin als Zessionarin) abrechnen würde. Während die Klage noch weitgehend erfolgreich war, wurde sie vom Landgericht im Wesentlichen abgewiesen. Das Landgericht sah die Klage insoweit als nicht gerechtfertigt an, als die Beklagte auf der Grundlage von Preissegmenten der von ihr den jeweiligen Geschädigten mitgeteilten Autovermietung abrechnete. In der Anmietung der teureren Fahrzeuge bei der Klägerin läge ein zu berücksichtigendes Mietverschulden.

Im Hinblick auf diese Mietverschuldensproblematik ließ das Landgericht die Revision zu. Die von der Klägerin eingelegte Revision wurde vom BGH zurückgewiesen. Dieser teilte die Auffassung des Landgerichts, die Geschädigten hätten sich hier auf die von der Beklagten genannten niedrigeren Mietwagenkosten verweisen lassen müssen.

Grundsätzlich gehöre zu dem vom Schädiger zu dem nach § 249 BGB zu ersetzenden Herstellungsaufwand auch der Ersatz derjenigen Mietwagenkoste, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte. Dabei sei der Geschädigte aus Gründen der Wirtschaftlichkeit gehalten, von im möglichen mehreren Wegen den wirtschaftlichsten zur Schadensbehebung zu wählen. Dies wiederum bedeute, dass er von mehreren auf dem relevanten örtlichen Markt (nicht nur für Unfallgeschädigte) örtlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Fahrzeuges grundsätzlich nur den günstigsten Mietpreis als erforderlich iSv. § 249 BGB ersetzt verlangen könne. Allerdings könne offen bleiben, ob der gewählte Tarif in diesem Sinne erforderlich war, wenn feststünde, dass dem Geschädigten in der konkreten Situation ein günstigerer Tarif jedenfalls ohne weiteres zugänglich war. In diesem Fall hätte er die kostengünstigere Anmietung unter dem Blickwinkel des § 254 Abs. 2 S. 1 BGB (Schadensminderungspflicht) vorziehen müssen, weshalb der höhere Tarif der Klägerin bereits deshalb nicht erstattungsfähig sei.

Dabei sei auch unerheblich, dass hier den Angeboten der von der Beklagten benannten Autovermietungen Sonderbedingungen zugrunde lagen. Es handele sich bei diesen Vereinbarungen nicht um unzulässige Verträge zu Lasten Dritter, da sie nicht unmittelbar zwischen dem Geschädigten und der Vermietgesellschaft Rechtswirkung entfalten. Dass sich der Geschädigte gegebenenfalls im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht darauf einlassen müsse, sei nur eine mittelbare Auswirkung der Vereinbarungen zwischen dem Versicherer und den Autovermietungen.

BGH, Urteil vom 12.02.2019 - VI ZR 141/18 -

Sonntag, 24. März 2019

Bankenhaftung bei Sittenwidrigkeit des Kaufpreises einer Immobilie ?


Die beklagte Bank finanzierte eine von den Klägern 2008 erworbene Eigentumswohnung.  Die war 22qm groß und hatte einen Kaufpreis von € 33.900,00 zu 100% bei einem Zinssatz von 1,5%; sie war vermietet und nach Angaben der Verkäuferin betrug die Nettokaltmiete € 5,11/qm. Aufgrund Leerstandes erzielten die Kläger keine Mieteinnahmen.

2010 verlangten die Kläger von der Verkäuferin die Rückabwicklung des Kaufvertrages. Die Klage war erfolgreich, da die Wohnung nach einem vom Landgericht eingeholten Sachverständigengutachten lediglich einen Verkehrswert von € 10.500,00 habe und damit der Kaufpreis in sittenwidriger Weise überhöht gewesen sei. Die Verkäuferin meldete Insolvenz an.

Mit der Klage gegen die Beklagte begehrten die Kläger die Rückzahlung des von ihnen bis dahin auf das Darlehen Betrages von € 18.765,24. Das Landgericht wies die Klage ab. Die Berufung der Kläger zum Kammergericht (KG) war erfolgreich. Dabei stütze sich das KG auf ein eingeholtes Gutachten, nah dem nach der von diesem zugrunde gelegten Vergleichswertmethode der Verkehrswert € 20.600,00 betrage, was aber nicht überzeugend sei, da es an der notwendigen Vergelcihbarkeit einer entsprechenden Anzahl von Objekten ermangele. Der Sachverständige habe den Ertragswert mit € 12.072,00 ermittelt, und daraus sei ein Mittwelt zu bilden, weshalb eine Überteuerung eine Überteuerung von 90% anzunehmen sei.

 Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten  hob der BGH das Urteil des OLG auf und verwies den Rechtsstreit zurück.

Rechtsfehlerfrei sei das KG davon ausgegangen, dass eine Bank ausnahmsweise eine Aufklärungspflicht über die Unangemessenheit des von ihr finanzierten Kaufpreises unter dem rechtlichen Gesichtspunkt eines Wissensvorsprungs träfe, wenn eine so wesentliche Verschiebung der Relation zwischen Kaufpreis und Verkehrswert vorläge, dass die Bank von einer sittenwidrigen Übervorteilung des Käufers durch den Verkäufer ausgehen müsse (BGH, Urteile vom 16.02.2006 - XI ZR 6/04 -, vom 19.06.2010 - XI ZR 145/14 - und vom 18.10.2016 - XI ZR 145/14 -).  Dies sei bereits  anzunehmen, wenn der Kaufpreis (ohne Berücksichtigung von darin enthaltenen Nebenkosten) knapp doppelt so hoch sei wie der Verkehrswert.

Vorliegend habe allerdings das KG das rechtliche Gehör (Art. 103 GG) der Beklagten verletzt, da es vorliegend von der Beurteilung des beauftragten Sachverständigen abwich, demzufolge der Verkehrswert der Wohnung sachgerecht nach dem Vergleichswertverfahren zu ermitteln sei, ohne ein weiteres Gutachten nach § 412 Abs. 1 ZPO einzuholen und ohne Nachweis eigener Sachkunde eine eigene Wertermittlung vorgenommen habe, zumal es, wenn es eigene Sachkunde für sich in Anspruch nähme, die Parteien vorher darauf hinweisen müsse, was nicht erfolgt sei. Das rechtliche Gehör der Beklagten sei verletzt worden, da das KG bei der Wertermittlung einen Mittelwert von Vergleichswert und Ertragswert angenommen habe.

Die Auswahl der  geeigneten Wertermittlungsmethode stünde, wenn nicht das Gesetz ein bestimmtes Verfahren vorsieht, im Ermessen des Tatrichters. Allerdings sei es unzulässig, schematisch einen rechnerischen Mittelwert zwischen Vergleichswert und Ertragswert zu bilden (BGH, Urteil vom 13.07.2970 - VII ZR 189/68 -).

Wenn, wie hier, der gerichtlich bestellte Sachverständige die Voraussetzungen für eine verlässliche Verkehrswertermittlung nach Vergleichswerten bekundet, könne das Gericht nicht an dem Ergebnis vorbeigehen, auch wenn eine andere Wertermittlungsmethode zu einem deutlich anderen Ergebnis führe. Dies gelte insbesondere dann, wenn es um die Frage der Sittenwidrigkeit gehen würde, da nach der Rechtsprechung würde auf der objektiven Grundlage eines besonderen Missverhältnisses den Schluss auf das subjektive Unrechtsmerkmal der verwerflichen Gesinnung ziehen. Hierfür sei aber keine Grundlage gegeben, wenn der direkte Vergleich mit dem maßgeblichen Markt, den die Auswertung der tatsächlich erzielten Preise bei Vorliegen hinreichenden Vergleichsmaterials leiste, zur Verneinung eines besonderen Missverhältnisses führe (BGH, Urteil vom 02.07.2004 – V ZR 213/03 -).

Damit würden die Ausführungen des Landgerichts zu der die Aufklärungspflicht auslösenden Kenntnis auch das rechtliche Gehör der Beklagten verletzen. Eine positive Kenntnis der Bank von der sittenwidrigen Überteuerung sei erforderlich, ohne dass die Bank eigene Nachforschungen betreiben müsse. Sie sei also nicht verpflichtet, zu Vermeidung etwaiger eigener Risiken sich einen (dann zu offenbarenden) Wissensvorsprung zu verschaffen. Ausnahmsweise stünde die bloße Erkennbarkeit einer aufklärungsbedürftigen Tatsache der positiven Kenntnis dann gleich, wenn sich einem zuständigen Bankenmitarbeiter dies nach den Umständen des Einzelfalls aufdrängen müsse, da er nicht berechtigt sei, seine Augen vor solchen Tatsachen zu verschließen. Schon danach sei der Ausgangspunkt der Erwägungen des KG zur monatlichen Bruttokaltmiete falsch, die Bank hätte eine einfache Überschlagsrechnung zum Ertragswert durchführen müssen, woraus sich bereits die Sittenwidrigkeit des Kaufpreises hätte aufdrängen müssen, da dies eine Art der nicht notwendigen Nachforschung darstelle. Wertermittlungen, die die Bank im eigenen Interesse vornähme, würden den Beleihungswert betreffen, um so die Realisierung ihrer Forderung im Falle einer Zwangsversteigerung einschätzen zu können. Eine Kontrolle dieser internen Bewertung anhand der prognostizierten Erträge schulde weder die Bank noch der Verkäufer. Die Bank träfe nicht die Verpflichtung den Käufer auf eine Unwirtschaftlichkeit hinzuweisen.

BGH, Beschluss vom 08.01.2019 - XI ZR 535/17 -

Freitag, 22. März 2019

Heizkosten: Mieters Anspruch auf korrekten Verteilerschlüssel (auch in WEG)


Der BGH musste sich mit der Abrechnung von Heizkosten in einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) aus Sicht eines Mieters auseinandersetzen, der gegen seinen Vermieter Klage erhob mit dem Ziel, die Heizkosten nicht in einem Verhältnis 50 : 50 (gemäß der Regelung in der WEG), sondern im Verhältnis von 70% erfasster Verbrauch zu 30% nach Wohnfläche abzurechnen. Das Amtsgericht gab der Klage statt, auf die Berufung der Beklagten wurde die Klage abgewiesen. Die zugelassene Revision führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung.

Mit der Klage verlangte der Kläger eine Verbrauchabrechnung gem. § 7 Abs. 1 S. 2 HeizkostenV in Form der Aufteilung von 70% nach erfassten Verbrauch und nur 30% nach Wohnfläche, demgegenüber vorliegend in dem grundsätzlich auch zulässigen Verhältnis 50 : 50 abgerechnet wird. Zulässig ist die Aufteilung unter Berücksichtigung von mindestens 50% und höchstens 70%  erfasster Verbrauch (Wahlmöglichkeit nach § 6 Abs. 4 iVm § 7 Abs. 1 S. 1 HeizkostenV), wenn keine Einschränkung nach § 7 Abs. 1 S. 2 HeizkostenV vorliegt. Hier sei für das Revisionsverfahren mangels Feststellungen des Berufungsgerichts zur Frage der Dämmung von Heizungsrohren (der nach Rückverweisung nachzugehen sei) vom Entfallen der Wahlmöglichkeit auszugehen, da das Gebäude nicht die Anforderungen der Wärmeschutzverordnung vom 16.08.1994 erfüllt habe. In diesem Fall aber dürfe zwingend nur im Verhältnis 70% nach erfassten Verbrauch und nur 30% nach Wohnfläche abgerechnet werden.  Gemäß § 556 Abs. 1 S. 1 BGB iVm § 7 Abs. 1 S. 2 HeizkostenV habe ein Mieter einen Rechtsanspruch auf eine dahingehende Änderung des Verteilungsschlüssels (solange die Voraussetzungen für die Wahlmöglichkeit nicht vorliegen würden).

Das Berufungsgericht ist demgegenüber davon ausgegangen, in diesem Fall habe der Mieter nur ein Kürzungsrecht nach § 12 Abs. 1 S. 1 HeizkostenV. Dieses besagt, dass ein Mieter, bei dem die Heizkosten entgegen der Verordnung nicht verbrauchorientiert abgerechnet werden, das recht hat, bei ihm anfallende Kosten um, 15% zu kürzen. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts sei diese Regelung hier weder unmittelbar noch mittelbar anwendbar. Das Berufungsgericht habe verkannt, dass sich das Begehren des Klägers nicht gegen die Missachtung von § 7 Abs. 1 S. 2 HeikostenV in einer bereits vom Vermieter erstellten Abrechnung wende, sondern mit der Klage darauf abziele, zukünftige Abrechnungen zu unterbinden, die hinsichtlich von Verbrauchs- und Grundkostenanteil fehlerhaft seien. Der Mieter sei nicht veranlasst, weitere fehlerhafte Abrechnungen abzuwarten um dann gegebenenfalls zu kürzen, was auch mit dem Zweck der Heizkostenverordnung (das Verbrauchsverhalten des Nutzers nachhaltig zu beeinflussen und damit Energiespareffekte zu erzielen) nicht vereinbar wäre.

 Auch könne hier nicht auf Wohnungseigentumsrecht abgestellt werden, da dieses im Verhältnis der Parteien nicht einschlägig sei (auch wenn sich die vermietete Wohnung in einer Wohnungseigentumsanlage befindet).  Allerdings würde auch eine Regelung zwischen den Wohnungseigentümern, die einen Abrechnungsmaßstab entgegen der nach § 1 Abs. 2 Nr. 3, 2 HeizkostenV auch innerhalb einer Wohnungseigentümergemeinschaft anwendbaren Heizkostenverordnung vorsehe, gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung verstoßen (BGH, Urteil vom 16.07.2010 - V ZR 221/09 -).

BGH, Urteil vom 16.01.2019 - VIII ZR 113/17 -

Donnerstag, 21. März 2019

WEG: Keine nachträgliche Änderung der Gläubigerbezeichnung durch Änderung der Rechtslage


Für die (damaligen) Mitglieder eine Wohnungseigentümergemeinschaft wurde mit notariellem Protokoll ein Schuldanerkenntnis protokolliert und eine Sicherungshypothek im Grundbuch gewahrt. Nach Anerkennung der (Teil-) Rechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft beantragte diese eine Berichtigung der Gläubigerbezeichnung auf sich. Der Antrag wurde zurückgewiesen; die dagegen eingelegte Beschwerde wies das Kammergericht (KG) zurück.

Die Eintragung, so das KG, erfolge auf Antrag, § 13 Abs. 1 S. 1 GBO, wenn das Recht von dem betroffen sei, der die Eintragung bewilligt, § 19 GBO. Einer Bewilligung zur Berichtigung bedürfe es dann nicht, wenn die Unrichtigkeit nachgewiesen sei. Dieser Nachweis sei nicht erbracht worden.

Zwar habe der BGH die (Teil-) Rechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft mit seinem Beschluss vom 02.06.2005 - V ZB 32/05 -  anerkannt und der Gesetzgeber dies auch nachvollzogen (§§ 10, Abs. 6 – 8, 27  Abs. 3 WEG), doch würde dies an der rechtlichen Zuordnung eines für die Wohnungseigentümer eingetragenen Verfügungsverbotes im Grundbuch nichts ändern. Die Rechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft sei nichtumfassend, sondern auf Teilbereiche des Rechtslebens beschränkt, bei denen diese im Rahmender Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums als Gemeinschaft am Rechtsleben teilnehme (BGH, Urteil vom 18.03.2016 - 5 ZR 75/15 -), weshalb keine Identität der Wohnungseigentümergemeinschaft mit der teilrechtsfähigen Wohnungseigentümergemeinschaft angenommen werden könne. Vielmehr bleibe das Sonder- und Gemeinschaftseigentum in den Händen der Miteigentümer und es würde sich mithin um unterschiedliche Zuordnungsobjekte von Rechten und Pflichtenhandeln. Dies verbiete eine Umdeutung dahingehend, dass die Sicherungshypothek nunmehr nach Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft zustünde.

Zwar könnten offenbare Unrichtigkeiten auch von Amts wegen berichtigt werden. Auch wenn hier die Urkundsnotarin eine Berichtigung vornahm, müsse dies geprüft werden. Die Unrichtigkeit müsse offenkundig sein (§ 44a Abs. 2 BeurkG, der sich an § 319 Abs. 1 ZPO anlehne). Dies sei hier nicht der Fall. Vielmehr läge die Annahme nahe, dass es sich bei der ursprünglichen Bezeichnung der Gläubiger um die  namentlich aufgeführten Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft handele. Dies habe dem damaligen Rechtsverständnis entsprochen, wonach Ansprüche der Wohnungseigentümergemeinschaft mangels deren Rechtsfähigkeit nur solche der Wohnungseigentümer waren. Damit könne die Nachtragsurkunde der Notarin nicht richtig sein, da ansonsten die Gläubiger des Schuldanerkenntnisses nicht gewahrt blieben.

KG, Beschluss vom 12.03.2019 - 1 W 56/19 -

Dienstag, 19. März 2019

Vermietung: Gebrauchsgewährung und Instandhaltung der Telefonanschlussleitung in Wohnung


Die von der Klägerin vom Beklagten angemietete Wohnung war mit einem Telefonanschluss ausgestattet, dessen Leitung vom Hausanschluss durch einen Kriechkeller in die Wohnung der Klägerin verlief. Es kam zu einem Defekt der Leitung. Das Telekommunikationsunternehmen teilte der Klägerin nach einer Überprüfung der Leitung vom Haus- zum Telefonanschluss diesen mit und gab an, dieser Defekt müsse vom Vermieter beseitigt werden. Die Klägerin verlegte notdürftig außen ein Kabel vom Hausanschluss zum Telefonanschluss  über ein gekipptes Fenster im Schlafzimmer.

Mit der Klage begehrte die Klägerin die Instandsetzung der Leitung durch die Klägerin, hilfsweise die Duldung der Reparatur durch eine von ihr beauftragte Fachfirma. Das Amtsgericht hatte der Klage im Hauptantrag stattgegeben; auf die zugelassene Berufung des Beklagten wies das Landgericht insoweit die Klage ab und gab dem Hilfsantrag der Klägerin statt. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision begehrte die Klägerin die Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung.

Die Revision war erfolgreich. Der Grundsatz sei, dass der Vermieter dem Mieter die Mietsache in einem Zustand überlassen müsse, der einen vertragsgemäßen Gebrauch ermögliche. Fehle es an einer Vereinbarung zum vertragsgemäßen Gebrauch iSv. § 535 Abs. 1 BGB, sei dieser nach den Umständen des Mietverhältnisses und den daraus abzuleitenden Standards, insbesondere unter Berücksichtigung der beabsichtigten Nutzung sowie der Verkehrsanschauung unter Beachtung von § 242 BGB, zu bestimmen. Danach könne der Wohnraummieter einen Wohnstandard erwarten, der der üblichen Ausstattung vergleichbarer Wohnungen (unter Berücksichtigung von  Alter, Art des Gebäudes,  Höhe der Miete und evtl. Ortssitte) entspräche.

Dies zugrunde legend würde der vertragsgemäße Gebrauch (und damit die Instandhaltungspflicht) eine funktionsfähige Telefonanschlussleitung umfassen. Dabei könne dahinstehen, ob dies (wie zu Stromleitungen angenommen) nach der Verkehrsanschauung bereits grundlegend zum Mietstandard gehöre. Da jedenfalls in der Wohnung sichtbar eine Telefonanschlussdose vorhanden sei, würde der Telefonanschluss im Wege ergänzender Vertragsauslegung jedenfalls zum vertragsgemäßen Zustand gehören, ohne dass hier der Mieter gegebenenfalls vorher Verkabelungsarbeiten zum Hausanschluss im Keller vornehmen müsse.

Einer teilweise (so auch vorliegend vom Landgericht) vertretenen Ansicht, dass bei Defekt des Anschlusskabels dem Vermieter keine Instandsetzungspflicht obliege, er vielmehr lediglich dem Mieter die Reparatur auf dessen Kosten ermöglichen müsse, sei falsch, da sie nicht mit der Gebrauchsgewährungs- und –erhaltungspflicht des Vermieters nach § 535 Abs. 1  BGB unvereinbar sei, die sich aus der Gebrauchsgewährungsverpflichtung ergebe. Deshalb käme es auch nicht darauf an, ob die defekte Leitung außerhalb der Wohnung liege, da entscheidend nur sei, dass sie mittelbar auch dem Mietgebrauch des Mieters unterliege. Auch wenn weiterhin evtl. dem Mieter Ansprüche gegen seinen Telekommunikationsanbieter zustünden, wäre damit die Pflicht des Vermieters nicht betroffen, da es sich dann allenfalls um einen gesamtschuldnerischen Anspruch handeln würde, bei dem der Mieter wählen könne, wen er in Anspruch nehme.

BGH, Urteil vom 05.12.2018 - VIII ZR 17/18 -

Freitag, 15. März 2019

Zum Anspruch auf Aussetzung des Zivilprozesses bei Verdacht einer Straftat nach § 149 ZPO


Die Klägerin nahm den Beklagten auf Schadensersatz wegen Betruges (§ 263 StGB) im Zusammenhang mit Warenlieferungen in Anspruch und behauptete, der Beklagte habe (mit seiner Firma) die Klägerin mit Lebensmitteln und im Zusammenwirken mit dem bei ihr ehedem beschäftigten Zeugen U. überhöhte Rechnungen gestellt, die von ihr in der Annahme, die Lieferungen seien korrekt berechnet worden, gezahlt worden seien. Als Schaden ergäbe sich ein Betrag von € 834.079,72. Gegen den Beklagten wurde auch ein (noch nicht abgeschlossenes) Ermittlungsverfahren wegen gemeinschaftlich begangenen gewerbsmäßigen Betruges geführt.

Vom Beklagten wurde beantragt, das Verfahren vor dem Landgericht auf Zahlung von Schadensersatz nach § 149 Abs. 1 ZPO im Hinblick auf das Strafverfahren auszusetzen. Das Landgericht wies den Antrag zurück. Die dagegen vom Beklagten eingelegte Beschwerde wies das OLG nach Nichtabhilfe durch das Landgericht zurück.

Zur Begründung verwies das OLG darauf, dass nach § 149 Abs. 1 ZPO das Gericht die Aussetzung des Verfahrens bis zum Abschluss eines Strafverfahrens aussetzen, wenn sich im Verlaufe des Rechtsstreits der Verdacht einer Straftat ergäbe; dies gelte auch dann, wenn der Verdacht der Straftat bereits vor oder bei Beginn des zivilrechtlichen Verfahrens bestünde. Dabei sei das Gericht bei seiner in seinem Ermessen liegenden Entscheidung verpflichtet, die Verfahrensförderung des Zivilprozesses  gegenüber dem Vorteil des zusätzlichen Erkenntnisgewinns (aus dem Strafverfahren) abzuwägen, was nachprüfbar darzulegen sei. Das bedeute, dass konkret (und nicht nur floskelhaft) dargelegt werden müsse, welcher zusätzliche Erkenntnisgewinn von dem strafrechtlichen Ermittlungen zu erwarten sei. Die Entscheidung des der ersten Instanz sei vom Beschwerdegericht in vollem Umfang zu überprüfen. Daran gemessen sei die Entscheidung des Landgerichts nicht zu beanstanden. Es sei nicht erkennbar, dass nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand der Strafprozess in vertretbarer Zeit einen Erkenntnisgewinn bringen würde und damit eine erhebliche Verzögerung des Zivilprozesses rechtfertigen könne.

So könne eine Vernehmung von Zeugen im Strafprozess grundsätzlich die eigene Beweisaufnahme im Zivilprozess nicht ersetzen. Zwar könnten die Zeugenaussagen im Strafprozess als Urkundsbeweis verwertet werden, ebenso die Aussagen im Strafprozess, aber jede der beteiligten Parteien könne die Anhörung des oder der Zeugen vor dem erkennenden Zivilgericht beantragen, was zum Ausschluss der ausschließlichen Verwertung der Aussagen im Strafprozess führe, unabhängig davon, dass eine Glaubwürdigkeitsprüfung der Zeugen durch Verwertung deren Aussagen im Strafprozess nicht möglich wäre. Vorliegend stütze sich die Klägerin für die Berechnung ihres Schadens auch auf Zeugenbeweise.

Im Hinblick auf eine abstrakte Schadensberechnung stütze sich die Klägerin auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens, welches bisher im Strafverfahren noch nicht in Auftrag gegeben worden sei. Es könne gegenwärtig nicht davon ausgegangen werden, dass die in § 411a ZPO vorgesehene Beweiserleichterung durch Verwertung dieses Gutachtens möglich sei. Es sei nicht einmal ersichtlich, in ob und in welchem Umfang die Staatsanwaltschaft Anklage erhebe, weshalb nicht davon ausgegangen werden könne, dass der Gegenstand des Zivilverfahrens auch in vollem Umfang Gegenstand des Strafverfahrens sein wird. Auch wenn die Staatsanwaltschaft das Verfahren ganz oder teilweise einstelle, bleibe die Klägerin weiterhin im Zivilverfahren befugt, den Nachweis des von ihr behaupteten Schadens zu führen.

Auch der Einwand des Beklagten, seine Unterlagen seien beschlagnahmt, rechtfertige die Aussetzung nicht. Der Beklagte könne  über seinen Verteidiger  Einsicht in die Unterlagen nehmen.  Ebenso wenig könne der Einwand des Beklagten, sich aufgrund der der Wahrheitspflicht nach § 138 ZPO gegebenenfalls selbst bezichtigen zu müssen, die Aussetzung des Verfahrens nicht rechtfertigen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 03.05.2006  - VI-W (Kart) 6/06 -).

Das OLG verwies ferner darauf, dass gegen eine Aussetzung auch sprechen würde, wenn abzusehen sei, dass diese über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr dauern würde, § 149 Abs. 2 ZPO. Davon sei für den Fall einer Anklageerhebung bis zu einer Rechtskraft des strafgerichtlichen Urteils auszugehen, auch wenn Anklage zum Amtsgericht erhoben würde.

Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 18.02.2019 - 7 W 9/19 - 

Dienstag, 12. März 2019

Leasing: Zur Geltendmachung des Substanzschadens am Fahrzeug durch Leasingnehmer


Die Klägerin als Leasingnehmerin eines PKW nimmt nach einen Verkehrsunfall die beklagte Haftpflichtversicherung auf Zahlung von Schadensersatz nach Maßgabe eines Reparaturkostenvoranschlags eines Fachunternehmens in Anspruch; die 100%-ige Haftung der Beklagten ist im Grundsatz unstreitig. Die Klägerin berief sich auf die die Leasingbedingungen, wonach sie im Schadensfall den Leasinggeber unterrichten und im eigenen Namen und auf eine Rechnung die Reparatur in einem vom Hersteller anerkannten Betrieb durchführen lassen müsse, aber „Entschädigungsleistungen für Wertminderung … in jedem Fall an den Leasinggeber“ weiterzuleiten seien. 

Das Amtsgericht (AG) gab der Klage statt. Das Landgericht, welches die Berufung zuließ, wies die Berufung der Beklagten zurück. Auf deren Berufung hob der BGH das landgerichtliche Urteil auf und wies den Rechtstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurück. Nach Ansicht des BGH sei die Klage wegen fehlender Bestimmtheit des Klagegrundes unzulässig.

Vorliegend würden von der Klägerin mit gleichem Klageziel unterschiedliche Streitgegenstände geltend gemacht, nämlich zum Einen das fremde Recht der Leasinggeberin aus Prozessstandschaft, zum Anderen das eigene Recht wegen Verletzung des Besitzrechts als Leasingnehmerin. Dies verstoße gegen das Gebot, den Klagegrund bestimmt zu bezeichnen, § 253 ZPO. Allerdings könne die klagende Partei noch in der Revisionsinstanz von der alternativen zur zulässigen eventuellen Klagehäufung wechseln und die Reihenfolge bestimmen, in der sie die prozessualen Ansprüche geltend machen will. Die habe die Klägerin hier getan, indem sie zunächst auf eigenes Recht und nur hilfsweise noch auf das Recht des Leasinggebers abgestellt habe.

Nach vertiefender Auseinandersetzung mit dem aus dem Besitzrecht nach § 823 BGB herzuleitenden Anspruch verweist der BGH darauf, dass sich das Recht des Eigentümers (Leasinggeber) und des Besitzers (Leasingnehmer) bei Annahme eines Reparaturschadensersatzanspruchs des Leasingnehmers in Anspruchskonkurrenz gegenüberstehen würde. Wie diese Anspruchskonkurrenz aufgelöst werden könne (der BGH verwies auf verschiedene Ansätze in der Literatur), könne allerdings vorliegend auf sich beruhen. Nach den Bedingungen wäre die Klägerin als Leasingnehmerin zur Instandsetzung des Fahrzeuges gegenüber dem Leasinggeber verpflichtet gewesen, ohne diese Pflicht erfüllt zu haben. Danach könne die Klägerin nicht ohne Zustimmung (§ 182 BGB) des Leasinggebers gemäß §  249 Abs. 2 S. 1 BGB statt Herstellung die fiktiven Herstellungskosten verlangen. Denn das Recht des Geschädigten, Herstellungskosten statt Herstellung zu verlangen, stelle sich als eine Ersetzungsbefugnis des Gläubigers dar, da nicht von vornherein mehrere Leistungen geschuldet worden seien, vielmehr  der Gläubiger berechtigt sei, anstelle der geschuldeten Leistung eine andere zu verlangen. Er müsse die beschädigte Sache dem Schädiger anvertrauen, könne die Natrualrestitution auch selbst vornehmen, und zwar im Rahmen der Dispositionsfreiheit durch Reparatur durch einen Dritten oder lediglich dem Verlangen nach den möglichen Kosten der Herstellung. Diese Ersetzungsbefugnis bei einer Sachbeschädigung könne aber nur einheitlich ausgeübt werden und stünde im Verhältnis zwischen Eigentümer berechtigten unmittelbaren Besitzer dem Eigentümer als Inhaber des umfassenderen Herrschaftsrechts über die Sache gem. § 903 BGB zu.  Damit aber könne die Klägerin vorliegend keinen fiktiven Reparaturschaden begehren, da dieses Dispositionsrecht nicht auf sie übergegangen sei. Vielmehr sehe der Leasingvertrag eine unverzügliche Reparatur vor.

Auch wenn sich die Ersatzpflicht des Schädigers bei Beschädigung einer gemieteten Sache auf einen Haftungsschaden erstrecke, als den Schaden, der dem Besitzer durch seine Ersatzpflicht gegenüber dem Eigentümer entstanden sei, könne die Klägerin vorliegend daraus nichts herleiten. Ihre Verpflichtung bestünde darin, die notwendige fachgerechte Reparatur auf ihre Kosten durchführen zu lassen. Damit läge ein Schaden in Form der Belastung mit einer Verbindlichkeit vor, und habe die Klägerin einen Befreiungsanspruch, nicht aber auf Zahlung. Es stünde dem Schuldner frei, wie er den Befreiungsanspruch erfülle.

BGH, Urteil vom 29.01.2019 - VI ZR 481/17 -