Immer wieder haben Gerichte festzustellen, ob sich bei einem Schadensfall die Betriebsgefahr eines Kraftfahrzeugs als verschuldensunabhängige Betriebsgefahr iSv. § 7 Abs. 1 StVG darstellt. Dabei geht es häufig um die Frage, ob das Kraftfahrzeug als Fortbewegungs- und Transportmittel oder als Arbeitsmaschine genutzt wurde. So auch in dem hier vorliegenden Fall der Nutzung eines Traktors im Zusammenhang mit einer Baumfällung.
Der Antragsteller (AS) wurde vom Antragsgegner zu 1. (AG 1) gebeten, mehrere trockene Bäume auf dem Grundstück AS zu fällen. Im Rahmen dessen legte der AG 1 eine Kette um einen Baum und befestigte diese an einer an seinem Traktor befindlichen Stange, um den Baum zu sichern und ich anschließend, nach der Fällung, abzutransportieren. Der Traktor, der bei der Antragsgegnerin zu 2. (AG 2) haftpflichtversichert war, war bei diesem Vorgang auf der an das Grundstück angrenzenden öffentlichen Straße abgestellt. Der AS, der vom AG 1 angewiesen wurde, den Baum möglichst weit unten abzusägen, sägte den Baum ab, der dann auf der (abgesperrten) Straße neben dem Führerhaus des Traktors landete und sich aufgrund seiner Länge an einem Zaun und einem Busch verkeilte. Der Versuch, diesen mit dem Traktor frei zu bekommen scheiterte, weshalb der AG 1 den AS aufforderte, die Spitze der Tanne abzusägen. Bei dieser Arbeit brach der trockene Stamm, dessen Spannung durch den vorangegangenen Versuch der Lösung mittels Traktors erhöht war, wodurch der AS nach hinten geschleudert wurde und sich erhebliche Verletzungen zuzog. Er beabsichtigte eine Schadensersatzklage gegen die AG 1 und AG 2 und beantragte dazu die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH), die das Landgericht (LG) versagte. Die dagegen eingelegt Beschwerde wurde vom Oberlandesgericht (OLG) zurückgewiesen.
Der AS stützte seinen Anspruch auf § 7 Abs. 1 StVG (im Hinblick auf die AG 2 iVm. § 115 Abs. 1 VVG). Das OLG folgte der Annahme des LG, dass für die beabsichtigte Klage keine hinreichenden Erfolgsaussichten bestünde, was u.a. Voraussetzung für die Bewilligung der PKH wäre.
Das OLG stellte bei seiner Entscheidung auf das Tatbestandmerkmal des § 7 Abs. 1 StVG ab, wonach sich der den Anspruch begründende Schadensfall „bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs“ ereignet haben müsste. „Bei dem Betrieb“ eines Kraftfahrzeuges sei ein Schaden dann entstanden, wenn sich in dem Schaden die von dem Fahrzeug ausgehende Gefahr verwirkliche. Dies verlange, dass das Schadensgeschehen durch das Kraftfahrzeug geprägt oder jedenfalls mitgeprägt sein müsse. Ferner müsse es sich bei dem Schaden um eine Auswirkung derjenigen Gefahren handeln, hinsichtlich derer der Verkehr nach dem Sinn der Haftungsvorschrift schadlos gehalten werden soll; dies setze voraus, dass die Schadensfolge in den Bereich der Gefahren fallen müsse, um derentwillen die Rechtsnorm erlassen worden sei.
Dies zugrunde legend käme es darauf an, dass der Unfall im zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit einem Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs stünde (BGH, Urteil vom 20.10.2020 - VI ZR 158/19 -). Bei Kraftfahrzeugen mit Arbeitsfunktion wäre damit erforderlich, dass ein Zusammenhang mit der Bestimmung des Fahrzeugs als eine der Fortbewegung und dem Tramsport dienende Maschine bestünde, was sich aus § 1 Abs. 2 StVG ergäbe. Wenn aber die Fortbewegungs- und Transportfunktion keine Rolle spiele und das Fahrzeug nur als Arbeitsmaschine eingesetzt worden sei oder sich eine Gefahr aus einem nicht der Betriebsgefahr zuzuordnenden Gefahrenkreis verwirkliche entfalle die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG (BGH, Urteil vom 24.03.2015 - V ZR 265/14 -). Verwirkliche sich die Gefahr während der Fahrt bei Verrichtung bestimmungsgemäßer Arbeiten einer fahrbaren Arbeitsmaschine sei allerdings der Betrieb iSv. § 7 StVG zu bejahen.
Danach habe sich hier nicht das Risiko des § 7 StVG verwirklicht. Zu berücksichtigen sei in diesem Zusammenhang, dass die Straße, auf der sich der Traktor befunden habe, für die Arbeiten für den gesperrt gewesen sei. Ein ursprünglich geplanter Abtransport des Baumes mittels des Traktors sei aufgrund der Stammlänge des Baumes nicht möglich gewesen. Deshalb sei der konkrete zum Unfall führende Einsatz des Traktors auf die Arbeitstätigkeit vor Ort beschränkt gewesen. Hinzu käme, dass der Schaden nicht unmittelbar durch den Einsatz des Traktors selbst, sondern erst nach dem erfolglosen Versuch des Wegziehens bzw. -drückens des Stammes bei den nachfolgenden Sägearbeiten des AS eingetreten sei. Bei dem Versuch des Wegziehens bzw. -drückens mittels des Traktors habe die Funktion des Traktors als Arbeitsmaschine im Vordergrund gestanden; de Schadensablauf sei nicht durch den Betrieb des Traktors iSv. § 7 StVG geprägt worden.
Ansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB bzw. Vertrag würden nicht bestehen, da es dafür an den Voraussetzungen ermangele (Anm.: so einem fehlenden Verschulden), was auch im Rahmen der Beschwerde nicht weiter geltend gemacht worden sei.
OLG Hamm, Beschluss vom
18.05.2021 - I-9 W 14/21 -
Aus den Gründen:
Tenor
In dem
Prozesskostenhilfeverfahren wird die sofortige Beschwerde des Antragstellers
gegen den die Bewilligung von Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss der
14. Zivilkammer des Landgerichts Münster vom 05.03.2021 zurückgewiesen.
Gründe
I.
Der
Antragsteller hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine von ihm
beabsichtigte Klage auf Feststellung der Ersatzpflicht der Antragsgegner und
Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten beantragt.
Dem liegt
folgender vom Antragsteller geschilderter Sachverhalt zugrunde:
Der
Antragsgegner zu 1) betreibt einen Hof nebst forstwirtschaftlich genutzter
Fläche. Er bat den in der direkten Nachbarschaft wohnenden Antragsteller am
00.04.2019, mehrere trockene Tannen auf dessen Grundstück zu fällen. Bei dem
Fällen einer solchen Tanne ereignete sich der streitgegenständliche Unfall. Der
Antragsgegner zu 1) legte hierbei eine Kette um den Baum und befestigte diese
an einer an seinem Traktor befindlichen Stange, um den Baum zu sichern und den
gefällten Baum im Anschluss daran abzutransportieren. Der Traktor, der bei dem
Antragsgegner zu 2) krafthaftpflichtversichert ist, war auf der an das
Grundstück des Antragsgegners zu 1) angrenzenden öffentlichen Straße
abgestellt, welche der Antragsgegner zu 1) vor Durchführung der Arbeiten
absperren ließ. Der Antragsgegner zu 1) wies den Antragsteller an, den Baum
möglichst weit unten am Boden abzusägen. Der Baum landete sodann unmittelbar
neben dem Führerhaus des Traktors bis zur gegenüberliegenden Straßenseite, so
dass der Antragsgegner zu 1) nicht auszusteigen vermochte. Der Baum, der zu
lang war, um ihn mit dem Traktor abzutransportieren, hatte sich zudem mit dem
Stammende an einem Zaun und auf der gegenüberliegenden Straßenseite mit seiner
Krone an einem Busch verkeilt. Daraufhin erfolgte Versuche des Antragsgegners
zu 1), den Baum mit dem Traktor wegzuziehen bzw. wegzudrücken, blieben
erfolglos. Der Antragsgegner zu 1) wies den Antragsteller daher an, die Tanne
an der Spitze abzusägen, um den Stamm aus der Verkeilung zu lösen. Nachdem der
Antragsteller zu sägen begann, brach der trockene Stamm, dessen Spannung durch
die vorangegangenen Rangierversuche des Antragsgegners zu 1) erhöht war, und
stieß den Antragsteller zu Boden. Der Antragsteller stürzte hierbei rückwärts
auf einen Ast und wurde zwischen diesem und dem Stamm eingequetscht, wodurch er
sich schwerwiegende Verletzungen, insbesondere im Brustwirbelbereich, zuzog.
Mit dem
angefochtenen Beschluss hat das Landgericht die Bewilligung von
Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht gemäß § 114 ZPO
abgelehnt, da weder Ansprüche aus § 7 Abs. 1 StVG noch aus den
§§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB sowie aus § 823 Abs. 1
BGB bestünden.
Hiergegen richtet
sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers, der weiterhin einen Anspruch
aus § 7 Abs. 1 StVG (i.V.m. § 115 Abs. 1 VVG) geltend
macht.
II.
Die gemäß
§ 127 Abs. 2 S. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist
unbegründet.
1.
Das Landgericht
hat zu Recht einen Schadensersatzanspruch aus § 7 Abs. 1 StVG
verneint.
a)
Voraussetzung
des § 7 Abs. 1 StVG ist, dass eines der dort genannten Rechtsgüter
"bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges" verletzt bzw. beschädigt
worden ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des VI. Zivilsenats des BGH ist
dieses Haftungsmerkmal entsprechend dem umfassenden Schutzzweck der Norm weit
auszulegen. Denn die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG ist der Preis
dafür, dass durch die Verwendung eines Kraftfahrzeuges erlaubterweise eine Gefahrenquelle
eröffnet wird; die Vorschrift will daher alle durch den Kraftfahrzeugverkehr
beeinflussten Schadensabläufe erfassen. Ein Schaden ist demgemäß bereits dann
"bei dem Betrieb" eines Kraftfahrzeuges entstanden, wenn sich in ihm
die von dem Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren ausgewirkt haben, d.h. wenn bei
der insoweit gebotenen wertenden Betrachtung das Schadensgeschehen durch das
Kraftfahrzeug (mit)geprägt worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 05.07.1988
- VI ZR 346/87 -). Erforderlich ist aber stets, dass es
sich bei dem Schaden, für den Ersatz verlangt wird, um eine Auswirkung
derjenigen Gefahren handelt, hinsichtlich derer der Verkehr nach dem Sinn der
Haftungsvorschrift schadlos gehalten werden soll, d.h. die Schadensfolge muss
in den Bereich der Gefahren fallen, um derentwillen die Rechtsnorm erlassen
worden ist. Für die Zurechnung der Betriebsgefahr kommt es damit maßgeblich
darauf an, dass der Unfall in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang
mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung
des Kraftfahrzeuges steht (vgl. BGH, Urteil vom 20.10.2020 - VI ZR 158/19 -;
Urteil vom 21.01.2014 - VI ZR 253/13 -).
b)
Bei
Kraftfahrzeugen mit Arbeitsfunktionen ist es hierbei erforderlich, dass ein
Zusammenhang mit der Bestimmung des Kraftfahrzeuges als eine der Fortbewegung
und dem Transport dienenden Maschine (vgl. § 1 Abs. 2 StVG) besteht.
Eine Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG entfällt daher, wenn die
Fortbewegungs- und Transportfunktion des Kraftfahrzeuges keine Rolle mehr
spielt und das Fahrzeug nur noch als Arbeitsmaschine eingesetzt wird oder bei
Schäden, in denen sich eine Gefahr aus einem gegenüber der Betriebsgefahr eigenständigen
Gefahrenkreis verwirklicht hat (vgl. BGH, Urteil vom 24.03.2015 - VI ZR 265/14
-). Eine Verbindung mit dem "Betrieb" als Kraftfahrzeug kann jedoch
zu bejahen sein, wenn eine "fahrbare Arbeitsmaschine" gerade während
der Fahrt bestimmungsgemäß Arbeiten verrichtet.
c)
Nach diesen
Grundsätzen hat das Landgericht das Unfallgeschehen zu Recht nicht der von dem
Traktor des Antragsgegners zu 1) ausgehenden Betriebsgefahr zugerechnet, weil
das Risiko, das sich vorliegend verwirklicht hat, nicht in den Schutzbereich
des § 7 StVG fällt. Erforderlich ist hierbei stets, dass es sich bei dem
Schaden, für den Ersatz verlangt wird, um eine Auswirkung derjenigen Gefahren
handelt, hinsichtlich derer der Verkehr nach dem Sinn der Haftungsvorschrift
schadlos gehalten werden soll, d.h. die Schadensfolge muss in den Bereich der
Gefahren fallen, um derentwillen die Rechtsnorm erlassen worden ist. Deshalb
lässt sich nur im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände entscheiden,
wann haftungsrechtlich nur noch die Funktion als Arbeitsmaschine in Frage
steht. Dabei ist im vorliegenden Fall insbesondere auch zu berücksichtigen,
dass die Straße, auf welcher sich der Traktor im maßgeblichen Zeitpunkt
befunden hat, während des Unfallgeschehens für den allgemeinen Verkehr
abgesperrt war und ein - ursprünglich vorgesehener - Abtransport des Baumes mit
dem Traktor aufgrund der Stammlänge nicht möglich war, so dass der konkrete zum
Unfall führende Einsatz des Traktors auf die Arbeitstätigkeit vor Ort
beschränkt war. Hinzu kommt, dass der Schaden nicht unmittelbar durch den
Einsatz des Traktors selbst, sondern erst nach seinem erfolglosen Versuch des
Wegziehens bzw. Wegdrückens des Stammes durch die nachfolgende Sägetätigkeit
des Antragstellers eingetreten ist. Demnach ergibt sich bei der notwendigen
Gesamtbetrachtung, dass bei dem konkreten Einsatz des Traktors in Gestalt des
Wegziehens bzw. Wegdrückens
des Baumes die
Funktion als Arbeitsmaschine im Vordergrund stand und der Schadensablauf nicht
durch den Betrieb des Traktors als Kraftfahrzeug geprägt wurde.
2.
Soweit das
Landgericht einen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB bzw.
aus Vertrag verneint hat, ist dies aus Sicht des Senats vorliegend nicht zu
beanstanden und wird auch von der Beschwerde nicht weiter angegriffen.
3.
Eine Kostenentscheidung ist wegen § 127 Abs. 4 ZPO nicht veranlasst.
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