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Montag, 30. September 2019

Stundung des Pflichtteils wegen unbilliger Härte und Interessenabwägung

Die Kläger (zwei Söhne des Erblassers) machten Pflichtteilsansprüche gegen die Beklagte (Enkelin des Erblassers) als Alleinerbin geltend. Wesentlicher Vermögensgegenstand des Nachlasses war ein bebautes Grundstück, welches von der Beklagten mit ihrer Familie zu Wohnzwecken genutzt wurde. Die Beklagte hatte Klageabweisung und hilfsweise Stundung des Pflichtteils beantragt. Das Landgericht hatte die Beklagte unter Zurückweisung des Stundungsantrages zur Zahlung verurteilt. Die dagegen von der Beklagten eingelegte Berufung wurde vom OLG gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Im Hinblick auf den Hilfsantrag (Stundung) legte die Beklagte Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH ein. Der BGH hob insoweit das Urteil des OLG auf und verwies den Rechtsstreit an das OLG zurück.

Das OLG wies die Berufung erneut nach Vernehmung eines Zeugen zurück.

Der Erbe könne nach § 2331a Abs. 1 BGB die Stundung des Pflichtteils verlangen, wenn die sofortige Erfüllung des gesamten Anspruchs für ihn wegen der Art der Nachlassgegenstände eine unbillige Härte wäre, insbesondere wenn sie ihn zur Aufgabe des Familienheims oder zur Veräußerung eines Wirtschaftsguts zwingen würde, welches für ihn und seine Familie die wirtschaftliche Lebensgrundlage bilde. Dabei seien die Interessen der Pflichtteilsberechtigten angemessen zu berücksichtigen. Vorliegend würden die Interessen der Pflichtteilsberechtigten das Interesse am Erhalt des Familienheims deutlich übersteigen.

Alleine der Umstand, dass das Haus zum Zeitpunkt des Erbfalls noch nicht die Lebensgrundlage der Beklagten und ihrer Familie gebildet habe, würde noch nicht einen Grund darstellen, die Stundung zu versagen.

Bei den Interessen der Pflichtteilsberechtigten sei aber zu berücksichtigen, dass der Erbe durch einen mit allen Mitteln  geführten Rechtsstreit bereits eine lange Verzögerung erreicht habe, weshalb hier zu Gunsten der Kläger zu berücksichtigen sei, dass die Beklagte bereits 2014 einen unbefristeten Stundungsantrag gestellt hat und damit die Ausgleichung um ca. fünf Jahre hinausgezögert habe.

Eine Stundung käme auch dann nicht in Betracht, wenn der Erbe absehbar auch durch die Stundung nicht in die Lage versetzt würde, sich jemals die Mittel zur Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs zu verschaffen. Dafür spräche vorliegend bereits der Umstand, dass die Beklagte nach fünf Jahren noch immer nicht über Mittel zur Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs verfüge, da sie nur über Elterngeld bzw. nunmehr (wohl) eine Vergütung im Rahmen einer Teilzeitbeschäftigung und Kindergeld verfüge, ihr Ehemann arbeitslos sei und ein Bauspardarlehen zu bedienen sei. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 16.05.2019 habe die Beklagte zudem erklärt, keinen Zeitpunkt benennen zu können, zu dem sie den Pflichtteilsanspruch befriedigen könne; soweit sie im weiteren Verlauf der Verhandlung erklärte, die Kinder seien bis zum 30.06.2024 aus dem Gröbsten heraus und sie dann eine Leistung für möglich halte, und dieses Datum als Termin benannte, sei nicht ersichtlich, dass dies auf realistischen Tatsachen und Erwägungen beruhe.

Im Rahmen der Interessensabwägung sei zudem zu berücksichtigen, dass die Beklagte 2014 zum Zeitpunkt des Anfalls der Erbschaft über ein anderes Familienheim verfügt habe. Es habe daher keine Notwendigkeit bestanden, ein nach ihren Angabe unbewohnbares Haus mit einen nach ihren Angaben erforderlichen Aufwand von € 120.000,00 wieder bewohnbar zu machen, da ihr auch zum damaligen Zeitpunkt bereits aufgrund ihrer begrenzten finanziellen Mittel hätte klar sein müssen, dass sie Fremdmittel in diesem Umfang nicht kurzfristig mobilisieren könne. Sie habe einen Bausparkredit von € 46.000,00 aufgenommen und für die Arbeiten an dem jetzigen Familienheim aufgewandt, ohne in Betracht zu ziehen, zunächst die berechtigten Ansprüche der klagenden Pflichtteilsberechtigten (€ 59.000,00) zu befriedigen. Das Haus sei erst durch diese weiteren Aufwendungen der Beklagten zu dem von § 2331a BGB besonderen Schutz genießenden Gegenstand geworden.

Zu berücksichtigen sei weiter, dass die Beklagte statt der Investitionen das bebaute Grundstück zu einem Betrag von € 150.000,00 an den Zeugen S. hätte veräußern können mit der Folge, dass sie den Pflichtteil hätte bedienen können und selbst noch einen Überschuss behalten hätte.

Ferner sei auch das Alter der klagenden Pflichtteilsberechtigten zu berücksichtigen, die am 30.06.2024 59 bzw. 62 Jahre alt wären. Es sei ihnen nicht zuzumuten, bis zu einem solchen Alter ihre Ansprüche gegen ein Wohnbedürfnis der Beklagten in einem „durchaus übergroßen Haus“ zurückzustellen.

OLG Rostock, Urteil vom 20.06.2019 - 3 U 32/17 -