Der Erblasser und seine bereits vorverstorbene Ehefrau hatten sich in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig zu Alleinerben und die Klägerin und zwei weitere Personen als Schlusserben und die Tochter eines der Schlusserben als Ersatzschlusserbin eingesetzt. Die Beklagte, eine Nachbarin des Erblassers, überwies von dem Konto des Erblassers einen Betrag von mehr als € 100.000,00 mit dem Verwendungszweck „Schenkung“ und kurze Zeit später von dem Sparkonto des Erblassers einen weiteren Betrag von € 50.000,00 mit dem Verwendungszweck „Übertrag eines Sparbuchs“ auf ihr eigenes Konto. Der Erblasser hatte mit späterer notarieller Urkunde festgehalten, er habe der Beklagten seit 2009 mehrfach größere Geldbeträge zugewandt, da sich diese, zunächst aus nachbarschaftlichen, später freundschaftlichen Verhältnis, um ihn gekümmert habe. Danach überwies die Beklagte einen weiteren betrag von € 50.000,00 vom Sparbuch des Erblassers auf ihr Konto.
Die Klägerin begehrte die Rückzahlung der Beträge an die Erbengemeinschaft. Das Landgericht gab der Klage (nach Beweisaufnahme) statt, die Berufung der Beklagten wurde zurückgewiesen. Mit ihrer Revision begehrte die Beklagte weiterhin Klageabweisung.
Der BGH hob das Urteil auf und verwies den Rechtsstreit an das OLG zurück. Dabei hate sich der BGH nicht mit der materiellrechtlichen Frage eines Anspruchsgrundes für das Rückforderungsbegehren der Klägerin auseinander gesetzt, sondern damit, ob die Klägerin überhaupt befugt war, diesen Anspruch gerichtlich geltend zu machen.
Zutreffend sei das OLG davon ausgegangen, dass Grundlage eines
Anspruchs der Erbengemeinschaft § 2287 Abs. 1 BGB wäre. § 2287 Abs. 1 BGB lautet:
„Hat der Erblasser in der Absicht, den Vertragserben zu beeinträchtigen, eine Schenkung gemacht, so kann der Vertragserbe, nachdem ihm die Erbschaft angefallen ist, von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenks nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern.“
Der Herausgabeanspruch aus § 2287 BGB gehöre zum Nachlass. Seien mehrerer Erben als Schlusserben bestimmt, würde der Herausgabeanspruch ihnen nicht gemeinschaftlich zustehen, sondern jedem von ihnen nur in Höhe der auf ihn entfallenden Erbquote. Da hier die Klägerin den gesamten Betrag und nicht nur eine auf sie entfallende Quote aus der Erbschaft eingeklagt habe, könne das Urteil keinen Bestand haben, unabhängig davon, ob eine wirksame Schenkung vorlag (die der Klage auch entgegenstehen würde) oder nicht.
BGH, Urteil vom 10.03.2021 - IV ZR 8/20 -
Aus den Gründen:
Tenor
Auf die
Revision der Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Kammergerichts in
Berlin-Schöneberg vom 4. Dezember 2019 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben,
als die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der Zivilkammer 12 des
Landgerichts Berlin vom 15. Dezember 2017 hinsichtlich der Verurteilung zur
Zahlung von mehr als 710 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz seit dem 20. Februar 2014 an die Erbengemeinschaft nach
dem am 24. Februar 2013 verstorbenen Herbert Johannes W., bestehend aus der
Klägerin, Inge H. und Marianne Z. , zurückgewiesen worden ist.
Die Sache wird
im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das
Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts
wegen
Tatbestand
Die Klägerin
begehrt von der Beklagten Zahlung an die aus ihr und zwei weiteren Personen
bestehende Erbengemeinschaft nach dem am 24. Februar 2013 verstorbenen Herbert
Johannes W. (im Folgenden: Erblasser) wegen Überweisungen aus dessen Vermögen
an die Beklagte.
Der Erblasser
und seine vor ihm verstorbene Ehefrau hatten sich in einem notariellen gemeinschaftlichen
Testament vom Oktober 1997 gegenseitig als Alleinerben und als Schlusserben die
Klägerin, eine Nichte der Ehefrau, weiterhin Inge H. und Josepha P. sowie u.a.
die Tochter der Letztgenannten, Marianne Z., als Ersatzschlusserbin eingesetzt.
Die Eheleute hatten ausdrücklich bestimmt, dass "die in diesem Testament
niedergelegten Verfügungen ... wechselbezüglich" seien und "nur
gemeinschaftlich geändert oder durch Widerruf beseitigt werden" könnten.
Die Beklagte,
eine Nachbarin des Erblassers, überwies aufgrund einer Bankvollmacht im März
2010 von einem Konto des Erblassers einen Betrag von 106.527,23 € mit dem
Verwendungszweck "Schenkung" und im Oktober 2010 von dem Sparkonto
des Erblassers einen weiteren Betrag von 50.000 € mit dem Verwendungszweck
"Übertrag Sparbuch" auf ihr eigenes Konto.
In einer
notariellen Urkunde vom 3. Februar 2011 erklärte der Erblasser unter anderem,
seit 2009 habe er der Beklagten, die sich regelmäßig um ihn kümmere und zu der
er seit Jahrzehnten ein nachbarschaftliches und später freundschaftliches
Verhältnis habe, mehrfach größere Geldbeträge geschenkt. Sie habe in seinem
vollen Einverständnis aufgrund der erteilten Vollmacht Bankgeschäfte getätigt.
Die entsprechenden Beträge habe er der Beklagten geschenkt. Alle Abhebungen und
Schenkungen seien aus seiner Sicht ordnungsgemäß erfolgt. Die Beklagte schulde
keine Auskunft und Rückzahlung. Die Schenkungen habe er aufgrund "einer
großen Sympathie" für die Beklagte vorgenommen.
Am 11. Juli
2011 überwies die Beklagte einen weiteren Betrag in Höhe von 50.000 € vom
Sparbuch des Erblassers auf ihr Konto mit dem Verwendungszweck "für
Betreuungsaufgaben".
Die Klägerin
verlangt mit der Klage, soweit für die Revisionsinstanz noch von Bedeutung, die
Rückzahlung der vorgenannten Beträge an die Erbengemeinschaft. Sie trägt vor,
wirksame Schenkungsverträge hätten nicht vorgelegen; der Erblasser habe von den
Überweisungen keine Kenntnis gehabt. Die Beklagte bestreitet unter anderem die
Aktivlegitimation der Klägerin.
Das Landgericht
hat der Klage nach Beweisaufnahme stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hat
keinen Erfolg gehabt. Mit der Revision verfolgt sie ihren Klageabweisungsantrag
weiter, soweit sie zur Zahlung von mehr als 710 € nebst Zinsen verurteilt
worden ist.
Entscheidungsgründe
Die Revision
hat Erfolg. Sie führt im angefochtenen Umfang zur Aufhebung des
Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Nach
Auffassung des Berufungsgerichts hat die Klägerin unabhängig davon, ob die
Schenkungen wirksam waren oder nicht, gegen die Beklagte einen Anspruch auf
Rückzahlung der genannten Beträge an die Erbengemeinschaft. Soweit die
Schenkungen trotz Notartermins vom 3. Februar 2011 unwirksam gewesen sein
sollten, folge der Anspruch aus § 812 Abs. 1 BGB. Die Beklagte habe
in diesem Fall durch die Überweisungen jeweils einen Zahlungsanspruch ohne
Rechtsgrund gegen die Bank erlangt und sei demnach zur Rückzahlung
verpflichtet. Sollte der Mangel der Form des Schenkungsversprechens gemäß
§§ 518 Abs. 2, 185 Abs. 2 BGB durch Genehmigung der Leistung
geheilt worden und sollten die Schenkungen dementsprechend wirksam sein, beruhe
der Anspruch auf § 2287 Abs. 1 BGB analog. Der Erblasser habe mit
seiner Frau einen wirksamen Erbvertrag geschlossen und die Klägerin neben den
weiteren Miterben als Nacherben bzw. Ersatznacherben eingesetzt. Er habe alle
Schenkungen an die Beklagte in der Absicht gemacht, die Vertragserben zu
schädigen. Nach der vorzunehmenden Abwägung seien die Verfügungen auf eine
Korrektur des Erbvertrages angelegt und es sei kein billigenswertes lebzeitiges
Eigeninteresse anzunehmen. Die Beklagte habe auch keine Tatsachen dargelegt,
aus denen sich ergebe, dass ihre Bereicherung weggefallen sei.
II. Das
hält rechtlicher Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
1. Das
Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, dass die Klägerin für die
Erbengemeinschaft gemäß § 2287 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf
Erstattung der vor dem Tod des Erblassers von der Beklagten an sich selbst
überwiesenen Geldbeträge geltend machen könne.
a) Im
Ergebnis noch zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass
im Streitfall nur eine entsprechende Anwendung von § 2287 Abs. 1 BGB
in Betracht kommt: Zwar wäre die Norm - wenn man wie das Berufungsgericht einen
Erbvertrag zugrunde legt - unmittelbar anwendbar. Entgegen der Auffassung des
Berufungsgerichts, das insoweit auch keine Feststellungen getroffen hat,
handelt es sich hier aber - wie das Landgericht auf der Grundlage der Urkunde
zu Recht annimmt - um wechselbezügliche Verfügungen in einem gemeinschaftlichen
Testament; in diesem Fall findet § 2287 Abs. 1 BGB entsprechende
Anwendung (Senatsurteil vom 28. September 2016 - IV ZR 513/15, ErbR 2016, 698
Rn. 7; Senatsbeschluss vom 26. Oktober 2011 - IV ZR 72/11, ErbR 2012, 218 Rn. 7
m.w.N.).
b) Das
Berufungsgericht übersieht aber, dass der Herausgabeanspruch aus § 2287
Abs. 1 BGB nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht zum Nachlass
gehört. Wenn mehrere Vertragserben bzw. bindend eingesetzte Schlusserben
vorhanden sind, steht dieser Anspruch nicht den Erben gemeinschaftlich zu,
sondern jedem von ihnen persönlich, und zwar zu einem seiner Erbquote
entsprechenden Bruchteil (Senatsurteile vom 21. Juni 1989 - IVa ZR 302/87, BGHZ
108, 73 [juris Rn. 32 f.]; vom 3. Juli 1980 - IVa ZR 38/80, BGHZ 78, 1 [juris
Rn. 12]; jeweils m.w.N.; vgl. ferner Senatsurteil vom 28. September 2016 aaO;
Senatsbeschluss vom 26. Oktober 2011 aaO).
Abweichend
davon hat das Berufungsgericht - wie die Revision zu Recht rügt - angenommen,
der Anspruch aus § 2287 Abs. 1 BGB falle in den Nachlass. Für den
Fall, dass die von der Beklagten behaupteten Schenkungen wirksam sein sollten,
hat es ihre Verurteilung zur Zahlung an die Erbengemeinschaft auf einen Anspruch
aus dieser Vorschrift aufgrund der Klage nur einer Miterbin - der Klägerin -
gestützt. Mit dieser Begründung kann die Verurteilung der Beklagten zur
Rückzahlung der noch streitgegenständlichen Beträge keinen Bestand haben.
2. Die
Entscheidung erweist sich nicht im Sinne von § 561 ZPO aus anderen Gründen
deshalb als richtig, weil das Berufungsgericht ausgeführt hat, soweit die
Schenkungen unwirksam gewesen sein sollten, folge der Anspruch aus § 812
Abs. 1 BGB. Es fehlt schon an Feststellungen dazu, ob die in Rede
stehenden Überweisungen ohne Rechtsgrund erfolgten.
III.
Diese Feststellungen wird das Berufungsgericht nach der Zurückverweisung
nachzuholen haben. Wenn es wirksame Schenkungen annimmt, wird es ausgehend
davon gegebenenfalls die weiteren Voraussetzungen des § 2287 Abs. 1
BGB erneut zu prüfen haben (vgl. dazu Senatsurteil vom 28. September 2016 - IV
ZR 513/15, ErbR 2016, 698 Rn. 13; Senatsbeschluss vom 26. Oktober 2011 - IV ZR
72/11, ErbR 2012, 218 Rn. 11; jeweils m.w.N.).
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