Samstag, 15. April 2023

WEG: Unplausible Jahresabrechnung und unzulässige Rechnungsabgrenzung

Angefochten war hier u.a. ein Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) über eine Jahresabrechnung 2020 mit Nachschüssen und Vorschüssen. Geltend gemacht wurde von der Klägerin, dass die Jahresabrechnung nicht plausibel sei. Die Klage hatte im Berufungsrechtzug Erfolg, insoweit der Beschluss zu den Nachschüssen und der Anpassung der Vorschüsse (mit Ausnahme für Erhaltungsaufwendungen) für unwirksam erklärt wurde.

Die sich aus der Jahresabrechnung ableitenden Nachschüsse und Vorschüsse könnten (mit Wirksamkeit des WEMoG) nicht alleine deshalb als ungültig erklärt werden, da die Jahresabrechnung zunächst nicht nachvollziehbar sei. Allerdings verliere sie ihre Funktion ihre Funktion, nach § 28 Abs. 2 WEG, die Beschlussfassung über die Anpassung der Vorschüsse und das Einfordern von Nachschüssen vorzubereiten. Ließe sich aus den Anfangs- und Endbeständen der Konten die nicht nachvollziehen, ob alle in der Abrechnung enthaltenen Einnahmen und Ausgaben erfasst wurden, sei die Abrechnung nicht plausibel (BGH, Urteil vom 25.09.2020 - V ZR 80/19 -). Eine Abrechnung müsse für den durchschnittlichen Wohnungseigentümer verständlich sein, ohne dass er fachlicher Unterstützung bedarf (BGH, Urteil vom27.10.2017 - V ZR 189/16 -). Mit dem Verweis auf die fehlende Plausibilität käme der anfechtende Wohnungseigentümer seiner Darlegungslast nach, mit der auch Zweifel an der Richtigkeit er angepassten Vorschüsse sowie der Nachschüsse geltend gemacht werden. Es obläge nunmehr der WEG im Rahmen der sekundären Darlegungslast, darrzulegen, weshalb die beschlossenen Abrechnungsspitzen doch zutreffend sind. Gelinge es der WEG nicht, die fehlende Ergebnisrelevanz von Abrechnungsmängeln darzulegen oder stünde gar fest, dass sich Mängel in Einzelabrechnungen auf die Höhe der Naschschüsse oder der Anpassung der Vorschüsse auswirken, sei die Ungültigkeit dieses die Nachschüsse und Anpassung der Vorschüsse betreffenden Beschlusses festzustellen.   

Aus der Gesamtabrechnung habe sich ergeben, dass diese sich auf die Abrechnungsspitzen auswirkende Defizite aufwies: So wurden in den für den Beschluss über die Nachschüsse und Anpassung der Vorschüsse relevante Einzelabrechnungen zu den Positionen Allgemeinstrom, Heizung/Wasser, Wasser/Kanal und Kabelkosten Rechnungsabgrenzungen vorgenommen, indem noch Einnahmen und Ausgaben nach Ablauf des Abrechnungszeitraums einbezogen wurden, die zwar evtl. wirtschaftlich dem Jahr 2020 zugehörig waren, aber nicht 2020 angefallen waren. Eine derartige Rechnungsabgrenzung sei (mit Ausnahme der Verteilung nach der HeizkostenV) unzulässig (BGH, Urteil vom 16.07.2021 - V ZR 163/20 -). 

Daraus folge die Ungültigkeitserklärung, die allerdings nur die laufenden Kosten der Bewirtschaftung beträfe.  Soweit der Beschluss auch die Anpassung der Vorschüsse der Rücklagen erfasse (hier: Erhaltungsrücklagen, § 19 Abs. 2 Nr. 4 WEG) bestünde kein Anlass zur Ungültigkeitserklärung, da sich darauf der Fehler bei der Berechnung der Bewirtschaftungskosten nicht auswirke. Der Beschluss sei - wie nach altem Recht - trennbar. 

LG Frankfurt am Main, Urteil vom 09.03.2023 - 2-13 S 68/22 -

Samstag, 8. April 2023

Zur (Un-) Wirksamkeit einer Zustellung an eine c/o-Adresse

Das Landgericht (LG) wies den Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils zurück, da die Klageschrift nach seiner Auffassung dem Beklagten nicht wirksam zugestellt worden sei. Es sei nicht belegt, dass der Beklagte tatsächlich unter Anschrift der Zustellung, bei der es sich um eine c/o-Anschrift handelt, auch tatsächlich wohne; es sei lediglich ein Einwurf in den Briefkasten erfolgt (also wohl der Person, die im c/o benannt wurde), keine Übergabe an den Beklagten. Die gegen diese Entscheidung von der Klägerin eingelegte Beschwerde wurde vom Oberlandesgericht (OLG) nach Nichtabhilfe durch das LG zurückgewiesen. 

Die Voraussetzungen für ein Versäumnisurteil wurden auch vom OLG negiert. Eine Zustellung an den Beklagten sei nicht wirksam erfolgt.

Eine wirksame Zustellung hätte vorgelegen, wenn diese direkt durch persönliche Übergabe an den Beklagten oder einen Familienangehörigen oder Mitbewohner erfolgt wäre, § 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Dies sei hier nicht der Fall gewesen. Da eine persönliche Übergabe erfolglos versucht wurde, wurde das Schriftstück in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten eingeworfen. Dieser Einwurf stelle sich aber nicht als eine wirksame Ersatzzustellung (§§ 180, 178 Ans. 1 Nr. 1 ZPO) dar.

Der in §§ 178 Abs. 1 Nr. 1, 180  ZPO verwandte begriff der Wohnung sei im Zustellungsrecht eigenständig nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift zu bestimmen. Dies erfordere, dass die Partei durch die Anschrift eindeutig identifiziert werden könne und mithin an sie eine wirksame Zustellung erfolgen könne. Bei einer c/o-Anschrift sei strittig, on diese Angabe dann genügt, wenn ein ordnungsgemäßer Prozessablauf sichergestellt sei (BGH, Urteil vom 06.04.2022 - VIII ZR 262/20 -) oder für eine ordnungsgemäße Klageerhebung grundsätzlich nicht ausreicht (OLG Frankfurt, Urteil vom 15.05.2014 - 16 U 4/14 -). Allerdings könne dies hier dahinstehen, da nicht feststehen würde, dass der Beklagt tatsächlich unter der c/o-Anschrift wohnhaft sei. Wohnung seien die Räume, in denen der Adressat auch (wenn auch nur vorübergehend) tatsächlich lebe und insbesondere schläft.

Der handschriftliche Vermerk auf der Postzustellungsurkunde unter der c/o-Adresse beinhalte keine Aussage dazu, welche Tatsachen dem Vermerk zugrunde liegen und ob der Beklagte unter dieser Anschrift bei dem Zustellversuch auch (noch) wohnte. § 180 ZPO bürde dem Empfänger nicht das Risiko der Wirksamkeit zweifelhafter Ersatzzustellungen auf.

Auch ließe sich nicht feststellen, dass der Beklagte nach außen den Anschein aufrechterhalten hätte, am fraglichen Ort eine Wohnung zu haben, weshalb er mit einer dortigen Zustellung hätte rechnen müssen. Nur dann, wenn der Zustellungsadressat einen solchen Anschein zielgerichtet herbeigeführt hätte, könnte er sich nicht auf eine fehlerhaft dort bewirkte Ersatzzustellung berufen (OLG Dresden, Hinweisbeschluss vom 26.10.2020 - 4 U 1563/20 -).

Die Klägerin habe auch als darlegungs- und beweispflichtige Partei nicht dargelegt, dass die Zustellung dem Beklagten tatsächlich zugegangen sei.

OLG Nürnberg, Beschluss vom 20.02.2023 - 13 W 44/23 -

Montag, 3. April 2023

Übertragung (ausschließlich) von Miteigentumsanteilen und Auswirkung auf Grundpfandrechte

Die Beteiligten waren im Wohnungs- und Teileigentumsgrundbuch eingetragene Wohnungs- und Teileigentümer. U.a. war in Blatt 82 (lastenfrei in Abt. III) des Grundbuchs ein Sonder-/Teileigentum vermerkt, über den sich die Beteiligten mit  notarieller Urkunde einigten,  dass dieses in Gemeinschaftseigentum überführt wird und die darauf entfallenden Miteigentumsanteile auf andere Grundbücher gleichmäßig aufgeteilt übertragen werden sollen. Der Antrag, die Eigentumsumschreibung in die Grundbücher einzutragen und das Teileigentumsgrundbuch Blatt 82 zu schließen, wurde vom Amtsgericht zurückgewiesen, nachdem die Beteiligten nach einer Zwischenverfügung lediglich die Unbedenklichkeitsbescheinigungen vorlegten, nicht aber eine Nachverpfändung der in den Grundbüchern der aufnehmenden Eigentümer eingetragen Grundpfandrechte vornahmen und sich auch nicht insoweit der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwarfen.

Die Beschwerde zum Oberlandesgericht war erfolgreich. Nach Vorlage der Unbedenklichkeitsbescheinigung seien Eintragungshindernisse nicht mehr gegeben.  Einer vom Grundbuchamt als notwendig angesehenen Nachverpfändung bedürfe es nicht.

Es handele sich hier um eine Übertragung von Miteigentumsanteilen ohne Übertragung von Sondereigentum. Dies sei grundsätzlich zulässig (wurde auch hier vom Grundbuchamt nicht in Zweifel gezogen). Streitig sei allerdings, ob sich die Belastungen auf in Abt. III der Grundbücher, in dem die Übernahme des Miteigentumsanteil vermerkt wird, auch auf den übernommenen Miteigentumsanteil erstreckt. Der BGH sähe die Änderung der mit einem bestimmten Sondereigentum verbundenen Miteigentumsanteile als eine Inhaltsänderung iSv. § 877 BGB an (BGH, Urteil vom 18.06.1986 - V ZR 156/75 -). Das würde dazu führen, dass die auf dem bisherigen Miteigentumsanteil lastenden Grundpfandrechte sich auch auf den inhaltlich geänderten Miteigentumsanteil erstrecken würden.  Da zudem die Erstreckung für den Grundpfandrechtsgläubiger rechtlich vorteilhaft sei, bedürfe es dazu auch nicht seiner Zustimmung. Ebenso würde damit eine erneute Unterwerfungserklärung (§ 800 ZPO) nicht erforderlich sein.

OLG Hamm, Beschluss vom 29.11.2022 - 15 W 271/22 -

Freitag, 31. März 2023

Rückwärtsfahrt aus Garagenausfahrt und Mithaftung des Vorbeifahrenden

Die Klägerin, deren Geschäftsführer aus einer Garagenausfahrt rückwärts auf die verkehrsberuhigte Straße auffuhr und dort mit dem vorbeifahrenden Beklagtenfahrzeug kollidierte, machte Schadensersatzansprüche gegen die Beklagten geltend. Nach Behauptung der Klägerin sei das Beklagtenfahrzeug mit überhöhter Geschwindigkeit in ihr Fahrzeug hineingefahren, nach Vortrag der Beklagten habe das Beklagtenfahrzeug zunächst gestanden, es sei (da eine Personen im anderen Fahrzeug gesehen wurde, die beabsichtigte aus der Grundstück rückwärts herauszufahren) gehupt worden und langsam wieder angefahren worden; das klägerische Fahrzeug sei dann in das Beklagtenfahrzeug hineingefahren.

Das Amtsgericht (AG) wies die Klage ab. Auf der Berufung wurde ihr zu einem geringen Teil stattgegeben. Richtig sei das Amtsgericht davon ausgegangen, dass beide Parteien grundsätzlich nach §§ 7, 17, 18 StVG für den Unfall einzustehen hätten, da beide Fahrzeuge im Betrieb waren und der Unfall auch nicht auf höhere Gewalt zurückzuführen sei, ferner der Unfall auch für beide Parteien kein unabwendbares Ereignis iSv. § 17 Abs. 3 StVG darstelle.

Zu Lasten der Klägerin sei zudem ein Sorgfaltsverstoß beim Rückwärtsfahren einzustellen. Das Berufungsreicht ließ offen, ob dies unmittelbar aus § 9 Abs. 5 StVO (beim Rückwärtsfahren ist eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auszuschließen)  abgeleitet werden könne, da es sich um eine verkehrsberuhigten Bereich handele (§ 42 StVO, Zeichen 325.1/325.2), oder in einem solchen ähnlich wie auf einem Parkplatz entsprechendes aus dem Rücksichtnahmegebot des § 1 Abs. 2 StVO abzuleiten wäre. Auch im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2 StVO greife ein Anscheinsbeweis für ein Verschulden des Rückwärtsfahrenden (BGH, Urteil vom 11..10.2016 - VI ZR 66/16 -). Ferner sei zu Lasten der Klägerin ein Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht aus § 10 StVO (der aus  einem Grundstück Herausfahrende hat sich so zu verhalten hat, dass er andere Verkehrsteilnehmer nicht gefährdet) zu berücksichtigen.

Ein Überschreiten der zulässigen Geschwindigkeit in einem verkehrsberuhigten Bereich durch das Beklagtenfahrzeug sie nicht festzustellen. Nicht berücksichtigt habe das AG allerdings, dass  der Fahrer des Beklagtenfahrzeugs die Gefahr erkannt habe: Das mit einer Person besetzte Fahrzeug und dass dieses über kurz oder lang rückwärts ausfahren würde. Deshalb sei auch gehupt worden. Allerdings hätte in dieser Situation das Klägerfahrzeug weiter beobachtet werden müssen, um bei dessen Zurücksetzen sofort anhalten zu können. Die Beobachtung wurde beim Losfahren unterlassen, weshalb es auch vorkollisionär nicht zum Stillstand des Beklagtenfahrzeugs gekommen sei.

Damit sei ein Zurücktretend er Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs hinter dem Verschulden der Klägerseite ausgeschlossen. Dahinstehen könne, ob - wie auf Parkplätzen- im verkehrsberuhigten Bereich die Betriebsgefahr regelmäßig nicht zurücktrete, da Sorgfaltspflichten stärker einander angenähert seien,, indem Kraftfahrer jederzeit auf bevorrechtigten Fußgängerverkehr Rücksicht zu nehmen hätten, was nur bei Einhaltung der Schrittgeschwindigkeit und ständiger Bremsbereitschaft möglich sei. Der festgestellte leichte Sorgfaltsverstoß führe zu einer unfallursächlichen Erhöhung der allgemeinen Betriebsgefahr und rechtfertige eine Mithaftung von 20% (§ 17 Abs. 1 StVG).

LG Saarbrücken, Urteil vom 20.01.2023 - 13 S 60/22 -

Dienstag, 28. März 2023

Wer kann vom WEG-Verwalter Auskunft / Einsichtnahme in Unterlagen verlangen ?

Noch immer besteht in großen Umfang Unkenntnis über doch gravierende Änderungen, die die letzte umfassende Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes zum 01.12.2020 bewirkte. Dies gilt auch zum Umfang der Rechte der Wohnungseigentümer. Gegenständlich war das Begehren der klagenden Wohnungseigentümerin, die von der Beklagten (der bis kurz vor Klageerhebung Verwalterin der Wohnungseigentümergemeinschaft war) Einsicht in Kontoauszüge der Jahre 2018 bis 2020. Das Amtsgericht wies die Klage wegen fehlender Aktivlegitimation ab; die dagegen gerichtete Berufung wurde vom Landgericht zurückgewiesen.

Eine Rechtsbeziehung zwischen dem Wohnungseigentümer und dem Verwalter würde nicht bestehen und von daher könne nicht der einzelne Wohnungseigentümer Ansprüche, wie hier, gegen den Verwalter geltend machen, sondern nur (noch) der Verband (LG München, Beschluss vom 16.02.2022 - 36 T 1514/22 -). Die rechtliche Eigenständigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft (des Verbandes) wird immer deutlicher.

Auch könne die Klägerin hier keine Ansprüche aus dem Rechtsinstitut eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (hier der Wohnungseigentümer) herleiten. Aus diesem Rechtsinstitut würden sich keine hier geltend gemachte Leistungsansprüche herleiten lassen. Von daher könne hier auf sich beruhen, ob der Wohnungseigentümer in den Schutzbereich des Verwaltervertrages entsprechend einbezogen sei. Das Argument der Klägerin, das Einsichtnahmerecht geltend machen zu können, der Verwalter verwalte Fremdgelder, greife nicht, da das Verwaltungsvermögen schon nach der Rechtslage vor dem 01.12.2020 dem Verband zugeordnet gewesen sei und sich daran nichts geändert habe (§ 10 Abs. 6 WEG a.F., § 9a Abs. 3 WEG n.F.) und dies auch die Instandhaltungsrücklage beträfe.

Das Einsichtnahmerecht des Wohnungseigentümers in die Verwaltungsunterlagen sei abschließend in § 18 Abs. 4 WEG geregelt. Dieses Recht richte sich nach dem Wortlaut gegen den Verband („…kann von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Einsicht in die Verwaltungsunterlagen verlangen“). Den Verband habe die Klägerin hier aber nicht verklagt. Nach Angaben der Klägerin könne dieser auch den Anspruch nicht erfüllen, da der alte (von ihr verklagte) Verwalter die Unterlagen nicht an den aktuellen Verwalter herausgegeben habe. Auch dies begründe kein eigenes Recht der Klägerin. Der Herausgabeanspruch stünde dem Verband zu.

Zwar bestünde auch nach der jetzigen Rechtslage ein Rechenschaftsanspruch gegenüber dem (alten) Verwalter (trotz Streichung des § § 28 Abs. 2 WEG a.F., LG Dortmund, Urteil vom  01.0.2022 - 1 S 172/21 -), doch sei Gläubiger auch hier der Verband.

Auch konnte die Klägerin mit dem Argument, die anderen Wohnungseigentümer hätte kein Interesse an einer ordnungsgemäßen Verwaltung und würden gegen den ehemaligen Verwalter keine Ansprüche geltend machen wollen, nicht durchdringen. Das Landgericht verwies darauf, dass in diesem Fall die Klägerin entsprechende Beschlüsse der Gemeinschaft herbeiführen müsse und im Falle ihrer Ablehnung ggf. durch eine Beschlussersetzungsklage dagegen vorgehen müsse.

LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 21.10.2022 - 2-13 S 59/22 -

Donnerstag, 23. März 2023

Schadensersatz bei Schaden durch Explosion der (ausgebauten) E-Fahrzeug-Batterie ?

Der Versicherungsnehmer der beklagten Haftpflichtversicherung brachte seinen E-Roller (nach Typenangabe in dem Urteil kein Tret-Elektroroller, sondern wohl ein dreirädriger Roller mit 45 km/h) zur Inspektion in eine Werkstatt. Ein Monteur entnahm sie dort zum Aufladen. Als dieser bemerkte dass die Batterie stark erhitzte, legte er sie nach Trennung vom Stromnetz zum Abkühlen auf den Boden, wo sie dann explodierte. Der dadurch am Werkstattgebäude entstandene Schaden wurde vom Gebäudeversicherer bei der Beklagten als Versicherer des Rollerhalters geltend gemacht.

Die Klage und die Berufung gegen das klageabweisende Urteil blieben erfolglos, ebenso die vom Berufungsgericht zugelassene Revision. Letztlich handelt es sich um die Frage, wieweit die in § 7 Abs. 1 StVG sanktionierte Betriebsgefahr greift. Das Berufungsgericht hatte entschieden, die Explosion sei nicht bei dem Betrieb (Betrieb iSv. § 7 Abs. 1 StVG) des Elektrorollers eingetreten.  Nur wenn man eine Zurechnung zum Betrieb annehmen wollte, wäre die Klage (jedenfalls dem Grunde nach) begründet gewesen.

Der BGH verwies zunächst darauf, dass Voraussetzung der Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG sei, dass „bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs“ Rechtsgüter verletzt oder beschädigt wurden. Die umfassende Haftung dort sein der Preis dafür, dass durch die Verwendung eines Kraftfahrzeuges (erlaubt) eine Gefahrenquelle eröffnet würde. Dies sei dann der Fall, wenn das Schadensgeschehen durch das Kraftfahrzeug (mit-) geprägt sei. Es müsse sich allerdings um eine Auswirkung derjenigen Gefahren handeln, hinsichtlich derer der Verkehr schadlos gehalten werden soll, für die also die Norm erlassen wurde. Dies erfordere einen nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs (BGH, Urteil vom 20.10.2020 - VI ZR 319/18 -).

Dass Dritte durch einen Defekt einer Betriebseinrichtung (hier: Batterie) eines Kraftfahrzeuges einen Schaden erleiden, würde zu den speziellen Auswirkungen derjenigen Gefahren zählen, vor denen § 7 Abs. 1 StVG den Verkehr schadlos halten wolle. Gleichgültig sei dabei, ob der Brand unabhängig vom Fahrbetrieb selbst vor, während oder nach der Fahrt eintrete. Die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG könne nicht auf die Schadensfolgen durch Fahrbetrieb oder seine Nachwirkungen begrenzt werden, da die Norm dann in Fällen nicht greifen würde, in denen unabhängig vom Betriebsvorgang ein technischer Defekt einen Schaden verursache.

Vorliegend war zwar eine Betriebseinrichtung des E-Rollers ursächlich (Batterie), weshalb an sich dem Anspruch der Klägerin stattgegeben werden müssen  -  wäre da nicht der Ausbau der Batterie gewesen. Es sei von der Klägerin nicht dargelegt worden, dass die Erhitzung und die nachfolgende Explosion in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einer Betriebseinrichtung iSv. § 7 Abs. 1 StVG gestanden habe; Die Batterie sei zu diesem Zeitpunkt bereits ausgebaut und ohne Verbindung zum Kraftfahrzeug (E-Roller) gewesen.  Sie sei also nicht mehr Teil der Betriebseinrichtung gewesen (Anm.: wenn auch nur in Erwartung eines vorübergehenden Ausbaus), ebenso wie bei beabsichtigten Einbau einer Batterie die noch nicht eingebaute Batterie nicht Betriebseinrichtung sei.

Der bloße Ausbau der Batterie führt mithin nach dieser Entscheidung des BGH dazu, dass diese nicht mehr Betriebseinrichtung des E-Rollers war und damit deren zeitlich spätere Explosion nicht mehr dem Betrieb des Fahrzeugs nach § 7 Abs. 1 StrVG zugerechnet werden kann.

BGH, Urteil vom 24.01.2023 - VI ZR 1234/20 -

Mittwoch, 22. März 2023

Gerichtliche Entscheidung während der Aussetzung des Verfahrens

Das Amtsgericht hatte den Antragsgegner zur Zahlung von Trennungsunterhalt verpflichtet. Gegen diesen Beschluss legte durch seinen damaligen Verfahrensbevollmächtigten Beschwerde ein. Die Begründungsfrist für die Beschwerde wurde vom Oberlandesgericht (OLG) bis zum 12.10.2021 verlängert. Da der Antragsgegner gegen die Antragstellerin Strafanzeige wegen Prozessbetruges erstattet hatte, setzte das OLG das Verfahren mit Beschluss vom 17.09.2021 „bis zur Erledigung des Ermittlungsverfahrens“ aus. Mit Schriftsatz vom 11.10.2021 beantragte der Antragsgegner eine weitere Verlängerung der Begründungsfrist und wies darauf hin, dass die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren eingestellt habe, er aber dagegen Beschwerde eingelegt habe; gleichzeitig stellte er einen neuen Aussetzungsantrag. Die Antragstellerin, der der Schriftsatz zur Stellungnahme überlassen wurde, stimmte der weiteren Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist nicht zu. Das OLG verwarf nunmehr die Beschwerde wegen fehlender Begründung.

Die dagegen vom Antragsgegner eingelegte Rechtsbeschwerde hatte Erfolg und führte zur Aufhebung des Beschlusses und Zurückverweisung.

Entgegen der Annahme des OLG sei das Verfahren zum Zeitpunkt seiner Entscheidung noch ausgesetzt gewesen. Ergäbe sich im Laufe eines Rechtsstreits der Verdacht einer Straftat, könne das erkennende Gericht das Verfahren bis zur Erledigung des Strafverfahrens aussetzen (§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG iVm. § 149 ZPO). Sollte das Gericht dies nicht aufheben (§ 150 S. 1 ZPO), ende die Aussetzung automatisch mit rechtskräftigen Abschluss des Ermittlungsverfahrens (BGHZ 106, 295, 298).

Die Aussetzung führe nach § 113 FamFG Abs. 1 S. 1 FamFG iVm. § 149 Abs. 1 ZPO dazu, dass der Lauf jeglicher Frist aufhöre und erst nach Beendigung wieder zu laufen beginne, ohne dass die vor Aussetzung verstrichene Frist angerechnet würde oder es einer 8neuen) Fristsetzung bedürfe (BGH, Beschluss vom 24.09.2020 - IX ZB 22/19 -).  Prozesshandlungen einer Partei während der Unterbrechung oder Aussetzung (durch Parteien oder Gericht) blieben ohne rechtliche Wirkung, § 149 ZPO. Allerdings seien gerichtliche Entscheidungen, die trotz Unterbrechung oder Aussetzung ergehen würden, nicht nichtig, müssten vielmehr mit den gegebenen Rechtsmitteln angefochten werden.  

Der Fortbestand der Aussetzung ergäbe sich vorliegend daraus, dass das Ermittlungsverfahren mit dem Einstellungsbeschluss der Staatsanwaltschaft wegen der (auch nach der Rechtmittelbelehrung auf dem Einstellungsbeschluss) erfolgten Beschwerde noch nicht seine Erledigung gefunden habe. Damit hätte die Aussetzung des Verfahrens erst mit der weiteren Einstellungsverfügung vom 09.12.2021der Staatsanwaltschaft nach § 170 Abs. 2 StPO geendet. Hier begann erst die Beschwerdebegründungsfrist wieder zu laufen. Die Beschwerde hätte also am Tag der Zurückweisung der Beschwerde noch nicht begründet gewesen sein müssen.

Allerdings hätte der Antragsgegner seiner Beschwerde unbeschadet des Verwerfungsbeschlusses des OLG seine Beschwerde fristgerecht begründen müssen, was evtl. nicht erfolgte. Es sei dem Antragsgegner zuzumuten, sich so zu verhalten, als habe die Rechtsbeschwerde gegen die Verwerfungsentscheidung Erfolg (BGH, Beschluss vom 12.12.100ß - XII ZB 64/90 -). „Rechtsbeschwerderechtlich“ sei aber gleichwohl davon auszugehen, dass der Antragsgegner seine Beschwerde fristgerecht begründet habe. Er habe behauptet, diese am 25.10.2021 per Telefax eingehend beim OLG begründet zu haben. Diese wurde nicht mehr aufgefunden; aus den Akten ergäbe sich aber ein Eingang eines Schriftsatzes, der an den Antragsgegner zurückgesandt worden sei. Damit könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Beschwerde nicht fristgerecht begründet wurde; dem Gericht zuzurechnende Fehler, Unklarheiten und Versäumnisse könnten keine Verfahrensnachteile begründen.

BGH, Beschluss vom 11.01.2023 - XII ZB 538/21 -