Das Landgericht (LG) wies den Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils zurück, da die Klageschrift nach seiner Auffassung dem Beklagten nicht wirksam zugestellt worden sei. Es sei nicht belegt, dass der Beklagte tatsächlich unter Anschrift der Zustellung, bei der es sich um eine c/o-Anschrift handelt, auch tatsächlich wohne; es sei lediglich ein Einwurf in den Briefkasten erfolgt (also wohl der Person, die im c/o benannt wurde), keine Übergabe an den Beklagten. Die gegen diese Entscheidung von der Klägerin eingelegte Beschwerde wurde vom Oberlandesgericht (OLG) nach Nichtabhilfe durch das LG zurückgewiesen.
Die Voraussetzungen für ein Versäumnisurteil wurden auch vom OLG negiert. Eine Zustellung an den Beklagten sei nicht wirksam erfolgt.
Eine wirksame Zustellung hätte vorgelegen, wenn diese direkt durch persönliche Übergabe an den Beklagten oder einen Familienangehörigen oder Mitbewohner erfolgt wäre, § 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Dies sei hier nicht der Fall gewesen. Da eine persönliche Übergabe erfolglos versucht wurde, wurde das Schriftstück in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten eingeworfen. Dieser Einwurf stelle sich aber nicht als eine wirksame Ersatzzustellung (§§ 180, 178 Ans. 1 Nr. 1 ZPO) dar.
Der in §§ 178 Abs. 1 Nr. 1, 180 ZPO verwandte begriff der Wohnung sei im Zustellungsrecht eigenständig nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift zu bestimmen. Dies erfordere, dass die Partei durch die Anschrift eindeutig identifiziert werden könne und mithin an sie eine wirksame Zustellung erfolgen könne. Bei einer c/o-Anschrift sei strittig, on diese Angabe dann genügt, wenn ein ordnungsgemäßer Prozessablauf sichergestellt sei (BGH, Urteil vom 06.04.2022 - VIII ZR 262/20 -) oder für eine ordnungsgemäße Klageerhebung grundsätzlich nicht ausreicht (OLG Frankfurt, Urteil vom 15.05.2014 - 16 U 4/14 -). Allerdings könne dies hier dahinstehen, da nicht feststehen würde, dass der Beklagt tatsächlich unter der c/o-Anschrift wohnhaft sei. Wohnung seien die Räume, in denen der Adressat auch (wenn auch nur vorübergehend) tatsächlich lebe und insbesondere schläft.
Der handschriftliche Vermerk auf der Postzustellungsurkunde unter der c/o-Adresse beinhalte keine Aussage dazu, welche Tatsachen dem Vermerk zugrunde liegen und ob der Beklagte unter dieser Anschrift bei dem Zustellversuch auch (noch) wohnte. § 180 ZPO bürde dem Empfänger nicht das Risiko der Wirksamkeit zweifelhafter Ersatzzustellungen auf.
Auch ließe sich nicht feststellen, dass der Beklagte nach außen den Anschein aufrechterhalten hätte, am fraglichen Ort eine Wohnung zu haben, weshalb er mit einer dortigen Zustellung hätte rechnen müssen. Nur dann, wenn der Zustellungsadressat einen solchen Anschein zielgerichtet herbeigeführt hätte, könnte er sich nicht auf eine fehlerhaft dort bewirkte Ersatzzustellung berufen (OLG Dresden, Hinweisbeschluss vom 26.10.2020 - 4 U 1563/20 -).
Die Klägerin habe auch als darlegungs- und beweispflichtige Partei nicht dargelegt, dass die Zustellung dem Beklagten tatsächlich zugegangen sei.
OLG Nürnberg, Beschluss vom
20.02.2023 - 13 W 44/23 -
Aus den Gründen:
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Klägerin
gegen den Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 15.11.2022, Az. 19 O
2576/22, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin
trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
I.
Das Landgericht
Nürnberg-Fürth hat mit Beschluss vom 15.11.2022 den Antrag der Klägerin auf
Erlass eines Versäumnisurteils mit der Begründung zurückgewiesen, die
Klageschrift habe dem Beklagten nicht wirksam zugestellt werden können. Es sei
nicht belegt, dass der Beklagte an der angegebenen „c/o-Adresse“ tatsächlich
wohnhaft sei; die Klageschrift sei ihm nicht persönlich dort ausgehändigt,
sondern lediglich in den Briefkasten eingeworfen worden. Es bestehe daher ein
Erlasshindernis nach § 335 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 4 ZPO.
Gegen diese den
Klägervertretern am 17.11.2022 zugestellte Entscheidung wendet sich die
Klägerin mit ihrer am 24.11.2022 beim Landgericht eingegangenen sofortigen
Beschwerde, die mit Schriftsatz vom 14.12.2022 begründet wurde. Hierin wird im Wesentlichen
ausgeführt, die Zustellung der Klageschrift sei wirksam erfolgt, sodass dem
Antrag auf Erlass eines stattgebenden Versäumnisurteils im schriftlichen
Verfahren gemäß § 331 Abs. 3 Satz 2 ZPO stattzugeben sei. Das
Gericht selbst sei in seiner Verfügung vom 08.08.2022 davon ausgegangen, dass
an der auf die PZU geschriebenen c/o-Adresse zugestellt werden könne.
Andernfalls wäre das Gericht dazu verpflichtet gewesen, die Zustellung an die
Adresse zu verweigern oder zumindest einen richterlichen Hinweis zu erteilen.
Das Landgericht
hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 16.12.2022 nicht abgeholfen und
darauf verwiesen, dass die Anfrage des Gerichts vom 08.08.2022, ob unter der
c/o-Anschrift in N. eine Zustellung versucht werden solle, erfolgt sei, um die
Chance einer persönlichen Übergabe des zuzustellenden Dokuments zu nutzen.
II.
Die zulässige
sofortige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.
1. Die
sofortige Beschwerde ist gegen den Beschluss, mit dem der Erlass des
beantragten Versäumnisurteils zurückgewiesen wurde, gemäß § 336
Abs. 1 Satz 1 ZPO statthaft. Die sofortige Beschwerde wurde auch
innerhalb der Notfrist von zwei Wochen gemäß § 569 Abs. 1 Satz 1
ZPO beim Ausgangsgericht eingelegt.
2. Die
sofortige Beschwerde erweist sich jedoch als unbegründet, weil das Erstgericht
zu Recht das Vorliegen der Voraussetzungen für den Erlass eines
Versäumnisurteils im schriftlichen Vorverfahren gemäß § 331 Abs. 3
ZPO zurückgewiesen hat.
Die Auffassung
des Landgerichts, dass die Klageschrift sowie die Verfügung zur Durchführung
des schriftlichen Vorverfahrens dem Beklagten nicht wirksam zugestellt worden
seien, ist zutreffend, sodass der Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils
gemäß § 335 Abs. 1 Nr. 4 ZPO zurückzuweisen war.
Die Zustellung
vom 16.08.2022 ist nicht wirksam erfolgt.
a) Es
ist weder eine persönliche Übergabe an den Beklagten noch eine solche an einen
Familienangehörigen oder Mitbewohner im Sinne von § 178 Abs. 1
Nr. 1 ZPO erfolgt. Ausweislich der Postzustellungsurkunde vom 16.08.2022 wurde
versucht, die Zustellung unter der Anschrift c/o K., K.straße, N., durch
Übergabe zu bewirken; weil die Übergabe des Schriftstücks in der Wohnung nicht
möglich war, sei das Schriftstück in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten
oder eine ähnliche Vorrichtung eingelegt worden.
b)
Dieser Einwurf in den Briefkasten stellt keine wirksame Ersatzzustellung im
Sinne von §§ 180, 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO dar, weil nicht
feststeht, dass der Beklagte unter der c/o-Anschrift (zu diesem Zeitpunkt)
tatsächlich wohnhaft war.
aa) Der
für die Ersatzzustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1, § 180 ZPO
maßgebliche Begriff der Wohnung ist im Zustellungsrecht eigenständig zu
bestimmen und hat Sinn und Zweck der Vorschriften der Ersatzzustellung Rechnung
zu tragen (Zöller/Schultzky, ZPO, 34. Aufl., § 178 Rn. 3). Der Zweck der
Angabe einer ladungsfähigen Anschrift ist dann erfüllt, wenn die Partei durch
die angegebene Anschrift eindeutig identifiziert wird und an sie wirksam
Zustellungen vorgenommen werden können (BGH, Urteil vom 06.04.2022 - VIII ZR
262/20; MDR 2022, 782, 783). Abzustellen ist auf die Umstände des Einzelfalles
und den Sinn und Zweck der Ersatzzustellung (BeckOK ZPO/Dörndorfer, 47. Ed.
1.12.2022, ZPO § 178 Rn. 3). Bei der vorliegend erfolgten Zustellung unter
einer c/o-Anschrift ist umstritten, ob diese Adressangabe jedenfalls dann
genügt, wenn sie einen ordnungsgemäßen Ablauf des gerichtlichen Verfahrens
sicherstellt (so: BGH, a.a.O. ) oder für eine ordnungsgemäße Klageerhebung
grundsätzlich nicht ausreicht (so: OLG Frankfurt, Urteil vom 15.05.2014 - 16 U
4/14 -, Rn. 15, juris; Anders/Gehle/Anders, 81. Aufl. 2023, ZPO § 253 Rn.
24).
bb) Dies
kann jedoch vorliegend dahinstehen, weil jedenfalls nicht feststellbar ist,
dass der Beklagte zum Zeitpunkt der Zustellung unter der angegebenen
c/o-Anschrift überhaupt wohnhaft war.
Wohnung sind
die Räume, in denen der Adressat wenn auch nur vorübergehend tatsächlich lebt
und insbesondere schläft (Zöller/Schultzky, ZPO, 34. Aufl., § 178, Rn. 4).
Vorliegend
beruht die Zustellung unter der c/o-Anschrift auf einem handschriftlichen
Vermerk auf der im Zusammenhang mit dem Zustellungsversuch vom 06.07.2022 in
Rücklauf gekommenen Postzustellungsurkunde. Dieser beinhaltet keinerlei Aussage
dazu, welche Tatsachen dem Vermerk zugrundeliegen und ob der Beklagte unter
dieser Anschrift tatsächlich auch beim Zustellungsversuch vom 16.08.2022 (noch)
wohnhaft war. § 180 ZPO sieht jedoch nicht vor, dem Empfänger das Risiko
der Wirksamkeit zweifelhafter Ersatzzustellungen aufzuerlegen (vgl. BGH, Beschluss
vom 22.10.2009 - IX ZB 248/08 -, Rn. 21, juris).
Es ist auch
nicht feststellbar, dass der Beklagte nach außen den Anschein aufrechterhalten
hätte, dass er an diesem Ort eine Wohnung unterhält, und er sich diese deshalb
bei der Zustellung zurechnen lassen müsste. Dem Zustellungsadressaten kann es
nämlich nur dann versagt werden, sich auf die Unwirksamkeit der
Ersatzzustellung zu berufen, wenn er diesen Anschein zumindest insofern
zielgerichtet herbeigeführt hat (OLG Dresden Hinweisbeschluss vom 26.10.2020 -
4 U 1563/20, BeckRS 2020, 37503 Rn. 10, beck-online).
Schließlich hat
der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Kläger (Zöller/Schultzky, ZPO, 34.
Aufl., § 189 Rn. 14) schon nicht dargelegt, dass die Zustellung dem
Beklagten tatsächlich zugegangen ist, sodass auch eine Heilung des
Zustellungsmangels nach § 189 ZPO nicht eingetreten ist.
III.
Die
Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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