Freitag, 6. August 2021

Wegerecht: Anspruch des Eigentümers auf Verschluss eines neu errichteten Tores ?

Das Grundstück des Klägers ist mit einer Grunddienstbarkeit in Form eines Geh- und Fahrrechts (Wegerechts) zugunsten des im Eigentum der Beklagten stehenden Hintergrundstücks belastet. Der Kläger errichte ein Tor an der Grenze zur Straße (vorderes Tor) und eines an der Grenze zum Grundstück der Beklagten (hinteres Tor). Der Kläger wollte mit seiner Klage erreichen, dass die Beklagten die Tore schließen; auf die Widerklage wurde der Kläger verurteilt es zu unterlassen, die Tore zu schließen.  Im Berufungsverfahren wurden die Beklagten unter Abweisung der Widerklage insoweit verurteilt, dass hintere Tor stets zu schließen, während die Berufung zum vorderen Tor zurückgewiesen wurde.

Auf die zugelassene Revision, mit der die Beklagten die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils zum hinteren Tor begehren, wurde das Berufungsurteil aufgehoben und der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Grundsätzlich könne der Eigentümer eines mit einem Wegerecht versehenen Grundstücks einen Anspruch darauf haben, dass der Berechtigte ein auf dem Weg befindliches Tor schließe (§ 1004 Abs. 1 S. 2 iVm. § 1020 BGB). § 1020 S. 1 BGB sehe vor, dass der Berechtigte bei der Ausübung der Grunddienstbarkeit das Interesse des Eigentümers des belasteten Grundstücks möglichst schone. Ein Verstoß dagegen stelle sich als Eigentumsbeeinträchtigung nach § 1004 Abs. 1 BGB dar.

Allerdings könne der Anspruch auf ein Schließen entgegen der Annahme des Berufungsgerichts nicht damit begründet werden, da ein berechtigtes Interesse an einer Einfriedung des Grundstücks bestünde und die Nutzung des Tores den Beklagten nicht unzumutbar sei. Abzuwägen seien die wechselseitigen Interessen: Zum Einen des Grundstückseigentümers an der ungehinderten Nutzung seines Grundstücks, zum Anderen das Interesse des berechtigten an der sachgemäßen Ausübung seines Rechts. Die Abwägung sei Gegenstrand der tatrichterlichen Würdigung, die revisionsrechtlich nur dahingehen geprüft werden könne, ob der Tatrichter wesentliche  Umstände übersehen oder nicht vollständig gewürdigt habe, Denkgesetze oder Erfahrungsfehler verletzt habe oder (gerügte) Verfahrensfehler vorliegen würden. Vorliegend habe das Berufungsgericht wesentliche Abwägungsgesichtspunkte nicht berücksichtigt.

Ein allgemeines und von einem konkreten Sicherungsbedürfnis losgelöstes Interesse des Klägers, sein Grundstück auch im Bereich des Weges an der Grenze zu dem Grundstück der Beklagten einzufrieden, wiege nicht von vorherein schwerer als das Interesse der Beklagten an einer ungehinderten Zufahrt, soweit die Behinderung keine Unzumutbarkeit darstelle. Es könne nicht dem Interesse des Eigentümers unabhängig von den Umständen des Einzelfalls ein Vorrang eingeräumt werden.

Das Berufungsgericht müsse daher konkret feststellen, welches Gewicht dem Interesse des Klägers an der Einfriedung ihres Grundstücks an der Grenze zum Grundstück der Beklagten im Bereich des Weges zukomme. Hier käme es darauf an, ob die Einfriedung gerade auch an dieser Stelle berechtigten Sicherungsinteressen diene, denen auch nicht mittels einer Einfriedung an anderer Stelle genügt werden könne. Das Sicherungsinteresse des Grundstückseigentümers sei höher zu bewerten, wenn es auf dem Grundstück oder im räumlichen Umfeld schon zu Einbrüchen o.ä.  gekommen sei und es sich nicht um eine allgemeine Gefahr handele; der BGH wies darauf hin, dass das Sicherungsinteresse auch tageszeitlich begrenzt sein könne (Abschließen zwischen 22 und 7 Uhr, BGH, Urteil vom 23.01.2015 - V ZR 184/14 -).

Zu berücksichtigen sei hier auf der anderen Seite, dass das Grundstück der Beklagten vollständig eingefriedet sei und nach den Feststellungen des Landgerichts (vom Berufungsgericht übernommen) nach den örtlichen Gegebenheiten keinen Schutz des Grundstücks des Klägers durch das zum Grundstück der Beklagten belegen Tor erfordere. Wenn danach ein Interesse des Klägers an dem Schließen dieses Tores nicht zu erkennen sei, müssten die Beklagten auch die durch das Schließen bedingten Erschwernisse nicht hinnehmen (OLG Saarbrücken, Urteil vom 02.10.2019 - 5 U 15/19 -).

Gegebenenfalls sei auch festzustellen, ob ein berechtigtes Sicherungsinteresse des Klägers anderweitig als durch Einfriedung mit einem Tor (etwa durch Abzäunung des Restgrundstücks gegenüber dem Weg) erfolgen könne.

BGH, Urteil vom 16.04.2021 - V ZR 17/20 -

Montag, 2. August 2021

Keine Schmälerung des Pflichtteilsanspruchs durch Grabpflegekosten

Die Frage, ob bei der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs Grabpflegekosten berücksichtigt werden können oder nicht lässt sich mit „Ja“ als auch „Nein“ beantworten – es kommt nämlich darauf an. Dies verdeutlicht ein Urteil des BGH. In dem diesem Urteil zugrundeliegenden Verfahren machte der Kläger gegen die Beklagten einen Zusatzpflichtteil geltend. Nach der testamentarischen Verfügung der Erblasserin sollten einige Erben 10%, andere 5% aus dem Erlös erhalten; der Rest sei für die Beerdigung und 20-jährige Grabpflege. Der Kläger vertrat die Ansicht, ihm stünde im Hinblick auf diese nach dem Testament bei der Verteilung der Erbmasse nicht berücksichtigten Grabpflegekosten ein  Zusatzpflichtteil gem. § 2305 BGB zu.

1. Der BGH verwies in seiner Entscheidung darauf, dass Grabpflegekosten bereits deshalb keine Nachlassverbindlichkeiten darstellen würden, da es sich bei ihnen nicht um Beerdigungskosten nach § 1968 BGB handeln würde, für deren Kosten der Erbe aufkommen müsse. Beerdigungskosten nach § 1968 BGB seien nur die Kosten des Bestattungsaktes selbst, der mit der Errichtung einer zur Dauereinrichtung bestimmten und geeigneten Grabstätte seinen Abschluss fände. Damit würden die Instandhaltung und Pflege der Grabstätte oder auch das Grabmal allenfalls eine sittliche Verpflichtung der Erben darstellen, nicht aber zu den Beerdigungskosten iSv. § 1968 zählen. Der Umstand, dass Grabpflegekosten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG erbschaftssteuerlich von dem ererbten Vermögen bei der Steuerberechnung in Abzug zu bringen sei, würde dies daran nichts ändern, da der Gesetzgeber in Ansehung des ErbStG keine Veranlassung gesehen habe, § 1968 BGB zu ändern (Hinweis: § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG benennt auch ausdrücklich Bestattungskosten, Grabdenkmal und Kosten üblicher Grabpflege, nicht pauschal Beerdigungskosten wie in § 1968 BGB).

Außerdem treffe die Instandhaltungspflicht für Grabstätten nach den Friedhofssatzungen den Grabnutzungsberechtigten, der nicht notwendig personenidentisch mit dem Erben sein müsse. Die ist m.E. ein nicht überzeugendes Argument, da bei fehlender Personenidentität auf die Erben entweder keine Kosten zukämen, mithin solche den Erbschaftserwerb nicht mindern würden. Eine Minderung würde nur eintreten, wenn die Erben zur Nutzung der Grabstätte an den Nutzungsberechtigten ein Entgelt entrichten bzw. dessen Zahlungspflicht ganz oder teilweise übernehmen müssten, was dann allerdings der Argumentation des BGH zur Nichtbeachtung entgegenstünde, da in diesem Fall nicht die Friedhofssatzung entgegenstünde.

Im Ergebnis ist aber dem BGH zuzustimmen, da in § 10 Abs. 3 Nr. 5 EstG nicht der Terminus des § 1968 übernommen wurde und der Gesetzgeber auch keine Angleichung der Tatbestände in § 1968 vornahm (woraus auch der BGH verwies). 

2. Die testamentarische Regelung, einen näher dargelegten Vermögenswert für eine 20-jährige Pflege zu nutzen, könne hier auch keine dem Pflichtteilsberechtigten entgegenzuhaltende Nachlassverbindlichkeit begründen. Zu berücksichtigende Nachlassverbindlichkeiten seien in § 1967 Abs. 2 BGB aufgelistet; hierbei handele es sich um vom Erblasser herrührende Schulden als auch Verbindlichkeiten, die den Erben treffen (wie Verbindlichkeiten aus Pflichtteilsrechten,  Vermächtnissen und Auflagen; BGH, Beschluss vom 27.08.2014 - XII ZB 133/12 -).  

Die Regelung zur Grabpflege stelle sich auch nicht als berücksichtigungsfähige Auflage iSv. § 1967 Abs. 2 BGB dar. Eine Auflage sei eine Verfügung von Todes wegen, durch die einem Erben oder Vermächtnisnehmer eine Verpflichtung auferlegt würde, ohne dass eine begünstigte Person ein Recht auf Leistung habe.  Da hier allen Erben aufgegeben worden sei, nach dem Verkauf und der prozentualen Aufteilung den Rest für die Beerdigung und die Grabpflege auszugeben, führe dies zu einer Nachlassverbindlichkeit in Form einer Erbfallschuld. Auflagen und Vermächtnisse seien aber gegenüber Pflichtteilsansprüchen nachrangig. Der Vorrang des Pflichtteilsanspruchs ergäbe sich aus § 1991 Abs. 4 BGB, in dem für die Berichtigung von solchen durch die Erben für Pflichtteilsansprüche, Auflagen und Vermächtnisse auf eine Berichtigung in einem Insolvenzverfahren abgestellt werde. Nach § 327 Abs. 1 InsO seien Pflichtteilsansprüche vor Verbindlichkeiten des Erblassers aus von diesem angeordneten Auflagen und Vermächtnissen zu  befriedigen; damit solle verhindert werden, dass der Erblasser durch freigiebige Vermächtnisanordnungen und Auflagen den Pflichtteilsanspruch aushöhlt oder schmälert.

Als Nachlassverbindlichkeiten könnten die Grabpflegekosten nur angesehen werden, wenn der Erblasser bereits zu Lebzeiten einen Grabpflegevertrag abgeschlossen hätte, der gemäß § 1922 BGB (Gesamtrechtsnachfolge) bindet. Ein solcher Vertrag sei aber nicht geschlossen worden. Der Unterschied eines vom Erblasser abgeschlossenen Grabpflegevertrages zu dem hier vorliegenden Fall bestünde darin, dass der Grabpflegevertrag keine Auflage im Testament darstelle, sondern eine Nachlassverbindlichkeit nach § 1967 Abs. 1 BGB.

BGH, Urteil vom 26.05.2021 - IV ZR 174/20 -

Mittwoch, 28. Juli 2021

Nachbarrecht: Beseitigung von überhängenden Ästen auch bei Gefahr für Baum (§ 910 BGB)

Die Äste, von denen Nadeln und Zapfen abfallen, ragten von der 40-jährigen Schwarzkiefer seit 20 Jahren auf das Nachbargrundstück der Kläger. Nachdem diese die Äste nicht zurückschnitten, haben die Beklagten dann überhängende Äste selbst abgeschnitten. Die Kläger begehrten gerichtlich eine Unterlassung von Rückschnitt von Ästen oberhalb von 5m. Das Amtsgericht gab der Klage statt. Das Landgericht (LG), welches die Revision zuließ, wies die Berufung zurück. Die Revision führte Zur Aufhebung der Vorentscheidungen und Zurückverweisung an das Landgericht.

Fehlerhaft habe das LG bereits eine Duldungspflicht der Kläger iSv. § 1004 Abs. 2 BGB negiert, da es die Regelung des § 910 BGB für eine Beeinträchtigung durch den Nadel- und Zapfenabfall für nicht anwendbar gehalten habe. Allerdings stelle § 910 BGB eine spezialgesetzliche und abschließende Regelung für die Beseitigung von Überhang dar, die unmittelbare und mittelbare Beeinträchtigungen erfasse (BGH, Urteil vom 14.06.2019 – V ZR 102/18 -).

Das Selbsthilferecht wäre nur ausgeschlossen, wenn es an einer Beeinträchtigung ermangeln würde. Ob eine solche vorliegt sei objektiv festzustellen. Damit sei eine Beeinträchtigung bei einem in 5m Höhe 40cm hierüberragenden Ast zu verneinen (BGH, Urteil vom 14.11.2003 – V ZR 102/03 -). Die darlegungs- und Beweislast, dass von dem Baum keine Beeinträchtigung ausgehen, trage derjenige, auf dessen Grundstück der Baum stünde (BGH aaO.).

Eine Unzumutbarkeit könne nicht mit der Begründung geltend gemacht werden, bei Beseitigung des Überhangs drohe das Absterben des Baumes oder der Verlust seiner Standfestigkeit. Das Selbsthilferecht bestünde ohne Einschränkungen, wenn seine tatsächlichen Voraussetzungen vorlägen. Eingeschränkt würde es nach § 910 Abs. 2 BGB nur insoweit, als das Selbsthilferecht entfällt, wenn die Wurzeln oder Zweige das Nachbargrundstück nicht beeinträchtigen. Verhältnis- und Zumutbarkeitsprüfungen seien nach dem gesetzgeberischen Willen ausgeschlossen. 

Das Recht aus § 910 BGB würde nicht durch nachbarschaftsrechtliche Landesregelungen ausgeschlossen, nach denen Ausschlussfristen bestehen (so § 32 NachbG Bln) und bei Nichteinhaltung von Mindestabständen (wie hier nach § 27 NachbG Bln) eine Klage auf Beseitigung nach fünf Jahren ausschließen würden. Nach Art. 124 EGBGB könnten die Regelungen nicht dem Nachbarn (hier beklagten) Rechte nehmen, die das BGB biete. Mithin könne das Landesrecht § 910 BGB nicht einschränken. Das selbsthilferecht des § 910 Abs. 1 S. 2 BGB begründe ein Recht und keinen Anspruch und unterliege daher nicht der Verjährung. Es sei auch nicht verwirkt, wenn kein Vertrauenstatbestand geschaffen worden sei, der Beklagte würde sein Recht nicht mehr geltend machen. Auch aus dem Gedanken des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis ergäben sich keine Einschränkungen; eine daraus abgeleitete Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme habe zur Voraussetzung, dass ein über die gesetzliche Regelung hinausgehender billiger Ausgleich der widerstreitenden Interessen dringend geboten erscheine (BGH, Urteil vom 20.09.2019 – V ZR 218/18 -), was dann nicht der Fall sei, wenn der Grundstückseigentümer einen auf seinem Grundstück stehenden Baum nicht – wie geboten – regelmäßig beschneide oder beschneiden ließe mit der Folge, dass dessen Äste auf das Nachbargrundstück hinüberwachsen. 

Nur aus naturschutzrechtlichen Gründen könnte käme daher hier eine Beschränkung des Selbsthilferechts in Betracht, was das LG nicht geprüft habe. Von daher sei der Rechtstreit an das LG zurückzuverweisen.

BGH, Urteil vom 11.06.2021 - V ZR 234/19 -

Dienstag, 27. Juli 2021

Kaufvertragliches Gewährleistungsrecht und Rückabwicklungsanspruch bei Mängeln durch Nachbesserung

Der Kläger hatte bei einem von ihm bei der Beklagten gekauften Gebrauchtwagen einen Mangel in Form von Ölverlust geltend gemacht. Das Fahrzeug war bei der Beklagten zur Reparatur, bei der auch das Automatikgetriebe ausgebaut und der Vorderachsträger gelöst werden mussten. Nach Durchführung der Arbeiten teilte der Kläger der beklagten mit, dass zwar kein Ölverlust mehr bestünde, machte aber nunmehr Mängel geltend, die bei der Nachbesserung eingetreten sein sollen. Darauf berufend begehrte der Kläger die Rückabwicklung des Kaufvertrages.

Das Landgericht (LG) wies die Klage mit der Begründung ab, dass der Mangel Ölverlust beseitigt worden sei und die weiterhin neu benannten Mängel nicht nachgewiesen seien, jedenfalls aber noch nicht fehlgeschlagen seien iSv. § 440 S. 2 BGB (erfolgloser zweiter Nachbesserungsversuch).

Zwar sollte das Oberlandesgericht (OLG) die Berufung gemäß dem Hinweisbeschluss zurückweisen, folgte aber der vom LG benannten Begründung in einem entscheidenden Punkt nicht: Es war nicht der Ansicht, dass die Rückabwicklung für den Fall, dass bei der Nachbesserung des Mangels Ölverlust ein zweiter Nachbesserungsversuch nach § 440 S. 2 BGB ermöglicht werden müsste.

Ein Rücktrittsrecht aus dem Sachmängelgewährleistungsrecht nach §§ 437 Nr. 2, 323, 440 BGB käme nicht in Betracht, da dies zur Voraussetzung habe, dass ein Mangel iSv. § 434 BGB bei Gefahrübergang vorlag und eine Nacherfüllung, wie sie in § 439 BGB vorgesehen sei, entweder ausgeschlossen sei (§ 275 Abs. 1 BGB), fehlgeschlagen (§ 440 S. 2 BGB) oder verweigert (§ 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB) worden sei.  

Der Ölverlust sei ein Sachmangel, der bei Gefahrübergang vorgelegen habe. Dieser sei unstreitig behoben worden. Ein Rücktrittsrecht könne sich daher darauf nicht beziehen. In den jetzt benannten Mängeln (fehlerhafte Einstellung der Spur pp.) läge auch kein Fehlschlagen der Nacherfüllung. Ein Fehlschlagen der Nacherfüllung sei alleine danach zu beurteilen, ob der dem Nacherfüllungsverlangen zugrunde liegende Mangel behoben worden sei. Die nunmehr geltend gemachten Mängel hätten allerdings auch nicht bei Gefahrübergang vorgelegen und beträfen andere Bauteile des Fahrzeugs.  Diese eventuellen neuen Mängel seien bei Gelegenheit der Nacherfüllung verursacht worden. Damit sei nicht das Äquivalenz- bzw. Erfüllungsinteresse des Klägers (Beseitigung des Mangels), sondern sein Integritätsinteresse (Mangelverursachung an einer zuvor mangelfreien Sache) betroffen. Es könne deshalb nicht die Kaufpreisrückzahlung als Schadensersatz statt der Leistung mit der Rückabwicklungsfolge der §§ 282 Abs. 5, 346 bis 348 BGB verlangt werden. Geltend gemacht werden könne nur Schadensersatz neben der Leistung aus § 280 Abs. 1 BGB; dieser Anspruch sei aber nur auf Beseitigung des neuen Schadens gerichtet, nicht aber auf Rückabwicklung des Kaufvertrages.

Der bei einer Nachbesserung einen neuen Schaden verursachende Verkäufer verletze idR. die aus § 241 Abs. 2 BGB resultierende Nebenpflicht, auf Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils Rücksicht zu nehmen und könne ggf. ein Rücktrittsrecht nach § 324 BGB bzw. einen Anspruch aus Schadensersatz statt der ganzen Leistung nach §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 282 BGB begründen. Eine Analogie nach §§ 282 Abs. 5, 346 bis 348 BGB scheide aus.

Selbst bei Wahrunterstellung der Angaben des Klägers könne nicht davon ausgegangen werden, dass ihm ein Festhalten an dem Vertrag nicht zumutbar sei. Es habe eine Interessensabwägung zu erfolgen. Danach sei eine besonders schwerwiegende Schutzpflichtverletzung des Verkäufers erforderlich. Die benannten, bei der Mängelbeseitigung Ölverlust angeblich verursachten Mängel ließen sich folgenlos beheben und das Fahrzeug sei auch weiterhin nutzbar und sei vom Kläger auch genutzt worden (13.000 km).

OLG Zweibrücken, Urteil vom 22.04.2021 - 2 U 46/20 -

Sonntag, 25. Juli 2021

In eigener Sache: E-Mail Abonnements



Nach einer Mitteilung von Google wird der E-Mail-Abonnementdienst eingestellt. Sie erhalten also darüber keine Benachrichtigungen mehr. Dies bedauern wir sehr, können es aber nicht ändern.

Wir werden die E-Maildaten nicht herunterladen und nicht speichern. Sollten wir einen alternativen E-Mail-Abonnementdienst finden, werden wir  dies auf dieser Seite mitteeilen. 

RA R. Niehus


Mittwoch, 21. Juli 2021

Miete: Zahlung durch Dritte und Erfüllungswirkung (hier: berechtigte Räumungsklage)

Der Hinweisbeschluss des LG Berlin, nach dem die Berufung des Mieters gegen das der Räumungsklage stattgebende Urteil als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen werden soll, ist ebenso kurz wie präzise.  Dabei wird sich (vielleicht) der Mieter bei dem von ihm gewählten Vorgehen nichts weiter gedacht haben, insoweit nicht der Mieter den Mietzins zahlte sondern (für diesen) ein Dritter.

Das Landgericht musste sich mit der Frage auseinandersetzen, wann bei einer Mietzahlung Erfüllungswirkung eintritt. Die ist z.B. bedeutsam auch für  eine Kündigung des Mietverhältnisses wegen Mietrückstandes; die fristlose Kündigung setzt nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB voraus, dass der Mieter mit der Zahlung von zwei aufeinanderfolgenden Mieten oder einem wesentlichen Teil davon bzw. über einen Zeitraum von mehr als zwei Terminen mit Miete in Höhe von zwei Terminen in Verzug ist. Erfüllte der Mieter, liegt kein Verzug vor. Erfüllung bedeutet, dass durch die Leistung (Zahlung) das Schuldverhältnis erlischt, hier also durch Zahlung der Miete für einen bestimmten Monat der Anspruch des Vermieters auf die Miete.

Der Mieter ist nicht verpflichtet, die Miete selbst z zahlen. Er kann die Miete auch durch Hilfspersonen oder Dritte zahlen lassen, wie auch Dritte – aus welchem Grund auch immer – für den Mieter die Miete zahlen können. Während aber bei einer Zahlung durch den Mieter angenommen wird, dass dieser auf die von ihm geschuldete Miete zahlen will (mangels einer Bestimmung des Mieters, auf was er zahlt, greifen die Regelungen der §§ 366, 367 BGB, wenn sich nicht aus der Art der Zahlung eine Bestimmung ergibt [z.B.: ist die Septembermiete offen und leistet der Mieter pünktlich im Oktober wieder eine Mietzahlung, gilt sie als für Oktober entrichtet und September bleibt offen]). Leistet aber ein Dritter oder eine Hilfsperson, ohne den Zahlungsgrund anzugeben, so führt dies nicht zum Erlöschen der Mietforderung nach § 362 BGB.

Vorliegend hatte der Vermieter wegen Mietrückstandes gem. § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB gekündigt. Der darauf beruhenden Räumungsklage wurde stattgegeben. Im Berufungsverfahren machte der Mieter geltend, Zahlungen eines Dritten vom 07.10. und 08.11.2019 seien auf seine Mieten gezahlt worden. Dies half ihm aber nicht weiter. Zutreffend wies das Berufungsgericht darauf hin, dass bei Zahlung durch Hilfspersonen oder Dritte Erfüllung nur eintreten würde, wenn die Zahlung unter Angabe einer für den Vermieter nachvollziehbaren Tilgungsbestimmung erfolge (BGH, Urteil vom 27.06.2008 - V ZR 83/07 -). Daran habe es ermangelt. Auch wenn nunmehr am 20.10.2020 dies nachgeholt wurde, würde dies nicht die Berufung rechtfertigen können, da erst mit dieser Mitteilung die Erfüllungswirkung des § 362 BGB eingetreten sei und die Schonfrist bei Wohnraum nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 S. 1 BGB (Zahlung der offenen Miete innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Räumungsklage) längst abgelaufen sei.

Wäre die Erklärung innerhalb der Frist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 S. 1 BGB rechtzeitig erfolgt, hätte der Vermieter die Räumungsklage in der Hauptsache für erledigt erklären müssen und wären dem Mieter, der Veranlassung zur Klage gegeben hatte, die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen gewesen, § 91a ZPO. Sollte der Vermieter in einem Fall wie dem Vorliegenden die Räumungsklage mit einer Zahlungsklage verbinden oder auch nur Zahlungsklage erheben, müsste er bei einer Nachholung der Tilgungsbestimmung durch den Mieter die Hauptsache im Hinblick auf den Zahlungsanspruch für erledigt zu erklären mit der Rechtsfolge, dass dem Mieter die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen wären. Allerdings hätte der Vermieter, da die Erfüllungswirkung erst mit der Erklärung eingetreten wäre, einen Anspruch auf Verzugszinsen auf die Mietforderung bis zu dem als Erfüllung anzusehenden Datum des Zugangs der Erklärung zu zahlen.

LG Berlin, Beschluss vom 02.03.2021 - 67 S 319/20 -

Montag, 19. Juli 2021

Betriebsgefahr nach § 7 StVG bei Baumfällarbeiten mit Hilfe eines Traktors

Immer wieder haben Gerichte festzustellen, ob sich bei einem Schadensfall die Betriebsgefahr eines Kraftfahrzeugs als verschuldensunabhängige Betriebsgefahr iSv. § 7 Abs. 1 StVG darstellt. Dabei geht es häufig um die Frage, ob das Kraftfahrzeug als Fortbewegungs- und Transportmittel oder als Arbeitsmaschine genutzt wurde. So auch in dem hier vorliegenden  Fall der Nutzung eines Traktors im Zusammenhang mit einer Baumfällung. 

Der Antragsteller (AS) wurde vom Antragsgegner zu 1. (AG 1) gebeten, mehrere trockene Bäume auf dem Grundstück AS zu fällen. Im Rahmen dessen legte der AG 1 eine Kette um einen Baum und befestigte diese an einer an seinem Traktor befindlichen Stange, um den Baum zu sichern und ich anschließend, nach der Fällung, abzutransportieren. Der Traktor, der bei der Antragsgegnerin zu 2. (AG 2) haftpflichtversichert war, war bei diesem Vorgang auf der an das Grundstück angrenzenden öffentlichen Straße abgestellt. Der AS, der vom AG 1 angewiesen wurde, den Baum möglichst weit unten abzusägen, sägte den Baum ab, der dann auf der (abgesperrten) Straße neben dem Führerhaus des Traktors landete und sich aufgrund seiner Länge an einem Zaun und einem Busch verkeilte. Der Versuch, diesen mit dem Traktor frei zu bekommen scheiterte, weshalb der AG 1 den AS aufforderte, die Spitze der Tanne abzusägen. Bei dieser Arbeit brach der trockene Stamm, dessen Spannung durch den vorangegangenen Versuch der Lösung mittels Traktors erhöht war, wodurch der AS nach hinten geschleudert wurde und sich erhebliche Verletzungen zuzog. Er beabsichtigte eine Schadensersatzklage gegen die AG 1 und AG 2 und beantragte dazu die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH), die das Landgericht (LG) versagte. Die dagegen eingelegt Beschwerde wurde vom Oberlandesgericht (OLG) zurückgewiesen.

Der AS stützte seinen Anspruch auf § 7 Abs. 1 StVG (im Hinblick auf die AG 2 iVm. § 115 Abs. 1 VVG). Das OLG folgte der Annahme des LG, dass für die beabsichtigte Klage keine hinreichenden Erfolgsaussichten bestünde, was u.a. Voraussetzung für die Bewilligung der PKH wäre.

Das OLG stellte bei seiner Entscheidung auf das Tatbestandmerkmal des § 7 Abs. 1 StVG ab, wonach sich der den Anspruch begründende Schadensfall „bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs“ ereignet haben müsste. „Bei dem Betrieb“ eines Kraftfahrzeuges sei ein Schaden dann entstanden, wenn sich in dem Schaden die von dem Fahrzeug ausgehende Gefahr verwirkliche. Dies verlange, dass das Schadensgeschehen durch das Kraftfahrzeug geprägt oder jedenfalls mitgeprägt sein müsse. Ferner müsse es sich bei dem Schaden um eine Auswirkung derjenigen Gefahren handeln, hinsichtlich derer der Verkehr nach dem Sinn der Haftungsvorschrift schadlos gehalten werden soll; dies setze voraus, dass die Schadensfolge in den Bereich der Gefahren fallen müsse, um derentwillen die Rechtsnorm erlassen worden sei.

Dies zugrunde legend käme es darauf an, dass der Unfall im zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit einem Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs stünde (BGH, Urteil vom 20.10.2020 - VI ZR 158/19 -).  Bei Kraftfahrzeugen mit Arbeitsfunktion wäre damit erforderlich, dass ein Zusammenhang mit der Bestimmung des Fahrzeugs als eine der Fortbewegung und dem Tramsport dienende Maschine bestünde, was sich aus § 1 Abs. 2 StVG ergäbe. Wenn aber die Fortbewegungs- und Transportfunktion keine Rolle spiele und das Fahrzeug nur als Arbeitsmaschine eingesetzt worden sei oder sich eine Gefahr aus einem nicht der Betriebsgefahr zuzuordnenden Gefahrenkreis verwirkliche entfalle die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG (BGH, Urteil vom 24.03.2015 - V ZR 265/14 -). Verwirkliche sich die Gefahr  während der Fahrt bei Verrichtung bestimmungsgemäßer Arbeiten einer fahrbaren Arbeitsmaschine sei allerdings der Betrieb iSv. § 7 StVG zu bejahen.

Danach habe sich hier nicht das Risiko des § 7 StVG verwirklicht. Zu berücksichtigen sei in diesem Zusammenhang, dass die Straße, auf der sich der Traktor befunden habe, für die Arbeiten für den gesperrt gewesen sei. Ein ursprünglich geplanter Abtransport des Baumes mittels des Traktors sei aufgrund der Stammlänge des Baumes nicht möglich gewesen. Deshalb sei der konkrete zum Unfall führende Einsatz des Traktors auf die Arbeitstätigkeit vor Ort beschränkt gewesen. Hinzu käme, dass der Schaden nicht unmittelbar durch den Einsatz des Traktors selbst, sondern erst nach dem erfolglosen Versuch des Wegziehens bzw. -drückens des Stammes bei den nachfolgenden Sägearbeiten des AS eingetreten sei. Bei dem Versuch des Wegziehens bzw. -drückens mittels des Traktors habe die Funktion des Traktors als Arbeitsmaschine im Vordergrund gestanden; de Schadensablauf sei nicht durch den Betrieb des Traktors iSv. § 7 StVG geprägt worden.

Ansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB bzw. Vertrag würden nicht bestehen, da es dafür an den Voraussetzungen ermangele (Anm.: so einem fehlenden Verschulden), was auch im Rahmen der Beschwerde nicht weiter geltend gemacht worden sei.

OLG Hamm, Beschluss vom 18.05.2021 - I-9 W 14/21 -