Samstag, 5. Dezember 2015

Zeugnisverweigerungsrecht des geschiedenen Ehegatten eines gesetzlichen Vertreters

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Der Insolvenzverwalter über das Vermögen des weiteren Beteiligten  verklagte die Beklagte auf Herausgabe von Maschinen und die Beklagte, ebenfalls eine juristische Person, erhob Widerklage. Beide Parteien haben sich auf das Zeugnis des weiteren Beteiligten berufen, bei dem es sich um den geschiedenen Ehemann der Geschäftsführerin der Beklagten handelt. Er hat von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Zu Recht, so das Landgericht. Gegen das entsprechende Zwischenurteil des Landgerichts legte die Beklagte Beschwerde ein, die ebenso erfolglos blieb wie die zugelassene Rechtsbeschwerde zum BGH.

Der BGH verweist auf § 383 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Danach hat der Ehegatte einer Partei, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht, ein Zeugnisverweigerungsrecht. Die Vorschrift gilt entsprechend wenn Partei wie hier eine juristische Person ist  und der Ehegatte gesetzlicher Vertreter (hier: Geschäftsführer) derselben.

Nicht entscheidend sei, ob der Zeuge tatsächlich bei einer Aussage in einen Konflikt gerät, wie er hier durch § 383 Abs. 1 Nr. 1 ZPO verhindert werden soll.


BGH, Beschluss vom 29.09.2015 – XI ZB 6/15 -

WEG: Instandhaltungsrücklage und Sachverständigenkosten

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Der BGH musste sich im Rahmen eines Rechtsbeschwerdeverfahrens mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die Zahlung an einen zur Trittschallmessung  beauftragten Sachverständigen aus der Instandhaltungsrücklage bezahlt werden darf. Der Kläger hatte einen Beschluss der Eigentümergemeinschaft angefochten, mit dem die Beauftragung eines Sachverständigen zur Trittschallmessung zwischen der Wohnung des Klägers und einer darunter liegenden Wohnung zu einem Betrag von bis zu € 1.500,00 zu Lasten der Instandhaltungsrücklage beschlossen wurde.


Die Klage wurde abgewiesen. Die Berufung und die Rechtsbeschwerde hatten keinen Erfolg.

Der BGH sah keine Veranlassung zur Annahme, da es sich hier nicht um eine klärungsbedürftige Rechtsfrage handeln würde. Es wäre in der Vergangenheit bereits entschieden, dass der Verwalter seine Vergütung nicht aus der Instandhaltungsrücklage entnehmen dürfe (OLG Düsseldorf NZM 2006, 628). Damit sei der vorliegende Sachverhalt nicht vergleichbar; vorliegend ginge es um die Kosten für eine Trittschalldämmung um daran festzustellen, ob und in welchem, Umstand das Gemeinschaftseigentum instand gesetzt werden müsse. Der Sachverhalt würde auch nicht die grundsätzliche Frage aufwerfen, ob (und unter welchen Voraussetzungen) Sachverständigenkosten stets aus der Instandhaltungsrücklage bezahlt werden könnten (dies negierend OLG Frankfurt MDR 1974, 848). Vielmehr behandle der vorliegende Sachverhalt lediglich die in Rechtsprechung und Literatur bisher bejahte Frage, ob die Kosten für die Feststellung des Instandsetzungsbedarfs aus der Instandhaltungsrücklage bezahlt werden dürfen (z.B. OLG München ZMR 2006, 311).


BGH, Beschluss vom 11.06.2015 – V ZB 78/14 -

Montag, 30. November 2015

Rentennachzahlung: Zinsen als Einkünfte aus Kapitalvermögen

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Die Klägerin erhielt Renten als Alters- sowie Witwenrente. Nach einem Bescheid der Deutschen Rentenversicherung vom 02.11.2005 wurden diese Renten neu festgestellt und sie erhielt Nachzahlungen aus einem Zeitraum ab 1999 zuzüglich Zinsen gemäß § 44 Abs. 1 SGB I (€ 1.399,75). Sie deklarierte die Zinsen als Einkünfte aus Kapitalvermögen, wonach darauf nach Abzug des Werbungskostenpauschbetrages, des Sparerfreibetrages keine Steuern zu zahlen wären. Das Finanzamt behandelte die Zinsen allerdings gemäß einem BMF-Schreiben vom 13.09.2010 als sonstige  Einkünfte nach § 22 Nr. 1 Satz 3 EStG. Einspruch und Klage blieben erfolglos.


Der BFH gab der Revision der Klägerin statt.

Nach Auffassung des BFH unterliegen die nach § 44 SGB I gezahlten Zinsen auch nach der Änderung von § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a aa EStG entgegen der Rechtsauffassung des beklagten Finanzamtes und des im BMF-Schreibens des Bundesfinanzministeriums geäußerten Rechtsansicht der Steuerpflicht nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG.


BFH, Urteil vom 09.06.2015 – VIII R 18/12 -

Handelsvertreter: Anspruch auf Bürokostenvorschuss auch bei Kündigung durch den Handelsvertreter

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Der Kläger war bei der Beklagten  als Vermögensberater im Strukturvertrieb tätig. Er erhielt neben einer Provision einen Bürokosten- und Organisationsleistungszuschuss (nachfolgend Bürokostenzuschuss), dessen Höhe sich nach dem jeweiligen Umsatz des zurückliegenden Quartals orientierte und der zur zweckentsprechenden  Errichtung, Unterhaltung und den Betrieb eines Büros gezahlt wurde. Grundlage war eine im Intranet der beklagten bekanntgegebene Vertragsbedingung, der zufolge der Zuschuss nur freiwillig an die Vermögensberater gezahlt würde und sich die beklagte Veränderungen vorbehalte, ferner, dass Voraussetzung wäre, dass zum Zeitpunkt der Zahlung des Vertragsverhältnis ungekündigt sei.


Die Klage auf Zahlung des Bürokostenzuschusses hatte im Revisionsverfahren umfassend Erfolg.
Der BGH verwies darauf, dass es sich bei den Vertragsbedingungen um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 BGB handele. Diese wären nach ihren objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich auszulegen.

Dem Zahlungsanspruch stünde nicht entgegen, dass es sich um eine freiwillige Leistung handele. Die entsprechende Klausel im Intranet wäre nach der Unklarheitenregelung in § 305c Abs. 2 BGB dahingehend auszulegen, dass nicht der Rechtsanspruch auf Zahlung, sondern nur die Fortwirkung für die Zukunft ausgeschlossen werden sollte.

Vorliegend führte auch die Kündigung des Vertrages durch den Kläger den Rechtsanspruch nicht erlöschen lassen. Die entsprechende Klausel in den Bedingungen sei im Hinblick auf §§ 89 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz, 134 BGB nichtig. Nach § 89 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz BGB dürfe die für die Kündigung des Handelsvertretervertrags einzuhaltende Frist für den Unternehmer nicht kürzer sein darf als für den Handelsvertreter; es handele sich um eine Schutzvorschrift zu Gunsten des Handelsvertreters. Eine damit auszuschließende einseitige Beeinträchtigung des Handelsvertreters sei aber auch dann gegeben, wenn seine Kündigung von erschwerten Bedingungen, wie hier den Verzicht auf den Bürokostenzuschuss, abhängig gemacht würde. Der Handelsvertreter sei bis zum Ablauf der Kündigungsfrist verpflichtet, weiterhin tätig zu sein und damit sein Büro zu unterhalten. Jedenfalls dann, wenn wie hier der Handelsvertreter eine mehrjährige Kündigungsfrist einzuhalten habe, stelle die Klausel eine wesentliche Erschwerung dar; ausdrücklich gab der BGH die bisherige anderweitige Rechtsprechung des ehedem zuständigen 8. Zivilsenats (ergangen zum Vertragshändlervertrag) auf.


BGH, Urteil vom 05.11.2015 – VII ZR 59/14 -

Samstag, 28. November 2015

Beschlagnahme zur Unterbringung von Flüchtlingen/Obdachlosen

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Das Verwaltungsgericht (VG) musste sich mit dieser Frage  im Rahmen eines Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO auseinandersetzen, nachdem die Antragsgegnerin sein Grundstück, ein ehemaliges Kinder- und Jugendheim) unter Anordnung der sofortigen Vollziehung für Flüchtlinge beschlagnahmte. Der Antragsteller legte gegen den Bescheid Widerspruch ein und beantragte, nachdem die Behörde seinem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nicht entsprach, erfolgreich vor dem VG Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gem. § 89 Abs. 5 VwGO.


Das VG stellte zunächst fest, dass der Verwaltungsakt an einem Verfahrensfehler leiden würde. So war die nach Gesetz notwendige vorherige Anhörung des Antragstellers unterblieben. Zwar wurde von der Antragsgegnerin eingewandt, man habe zuvor mit dem Antragsteller über eine Anmietung verhandelt, der dieser nicht zustimmte. Die Verhandlungen aber, so das VG, würden nicht die notwendige Anhörung vor Erlass eines beschwerenden Verwaltungsaktes  ersetzen können. Von der Anhörung könne nur bei Gefahr in Verzug abgesehen werden. Dies würde voraussetzen, dass eine Zeitversäumung durch die Anhörung die Gefahr bestünde, dass die zu treffende Reglung zu spät käme. Dies sei hier nicht ersichtlich, wie sich auch daraus ergibt, dass die Antragsgegnerin auch Zeit hatte, zunächst mit dem Antragsteller über die Anmietung zu verhandeln.

Aber auch materiellrechtlich hatte das VG Bedenken an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme.

Eine drohende unfreiwillige Obdachlosigkeit sei zu bejahen und damit läge eine Gefahr iSv. §§ 11, 2 Nr. 1 a NdsSOG vor. Den Flüchtlinge, die in den kommenden Monaten in Lüneburg erwartet würden, drohe aufgrund der Ausschöpfung der Kapazitäten in den vorhandenen und kurzfristig zu organisierenden Flüchtlingsunterkünften Obdachlosigkeit. Gleichwohl aber lägen die besonderen Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 NdsSOG eines sogenannten polizeilichen Notstandes nicht vor.

Die Antragsgenerin habe nicht dargelegt und es wäre auch nicht ersichtlich, dass die Antrasgegnerin die Gefahr nicht selbst oder durch Beauftragte abwehren könne, § 3 Abs. 1 Nr. 3 NdsSOG. Bei der Beschlagnahme von Grundstücken oder Wohnungen und dem damit verbundenen Eingriff in Eigentumsrechte würden ebsonders hohe Anforderungen bestehen (Nds. OVG vom 14.12.2009 – 11 ME 316/09 -). Es müsste daher dargelegt werden, dass der Verwaltungsbehörde im fraglichen Zeitpunkt keine gemeinschaftlichen Unterkünfte zur Verfügung stünden und sie solche auch nicht bei Dritten rechtzeitig beschaffen könne. Im Rahmen des polizeilichen Notstandes sei die Beschlagnahme von Privateigentum zur Unterbringung von Obdachlosen nur als eine vorrübergehende und kurzfristige Maßnahme möglich, wobei von einer Höchstdauer von bis zu sechs Monaten auszugehen wäre. Die Behörde müsse also zunächst alle Bemühungen zur Beschaffung von Unterkünften unternehmen; dabei müsse sie auch auf Beherbergungsbetriebe zurückgreifen, auch wenn dies gegenüber einer beschlagnahme und Zahlung einer Nutzungsentschädigung kostenintensiver ist (Saarl. OVG, Beschluss vom 14.04.2014 – i B 213/14 -). Es muss sich bei der Unterkunft auch nicht um eine solche handeln, die eine wohnungsmäßige Voll- und Dauerversorgung darstellt; ausreichend ist, dass eine Unterkunft zur Verfügung gestellt wird, die vorrübergehenden Schutz vor den Unbilden des Wetters bildet und Raum für notwendige Lebensbedürfnisse belässt (Saarl. OVG aaO.).

Vorliegend wurde dazu, so das VG, nichts vorgetragen. Insbesondere wäre auch nicht vorgetragen worden, eine Unterbringung in der Lüneburger Jugendherberge mit 148 Betten nicht möglich wäre. Auch könnten Hotels und Ferienwohnungen angemietet werden, auch wenn dies mit höheren Kosten verbunden ist. Selbst die Unterbringung in Turnhallen sei grundsätzlich vorrangig gegenüber einer Beschlagnahme (wobei die dortige Unterbringung von der Behörde nicht geprüft wurde).

Die Entscheidung ist rechtskräftig. Mit Beschluss vom 01.12.2015 hat das OVG Lüneburg - 11 ME 230/15 - die Beschwerde der Hansastadt Lüneburg zurückgewiesen.


VG Lüneburg, Beschluss vom 09.10.2015 – 5 B 98/15 -

Freitag, 27. November 2015

Mietrecht: Kein Austausch eines Teppichbodens durch Laminatboden durch den Vermieter

Was darf der Vermieter ? Der Mieter (Kläger) reklamierte, dass der Teppichboden verschlissen sei. Der Vermieter war auch zu einer Abhilfe bereit, wollte aber statt des Teppichbodens Laminat verlegen. Dies aber wollte der Mieter nicht.  Er klagte auf die fachgerechte Verlegung eines Teppichbodens. Das Amtsgericht hatte die Klage abgewiesen. Auf die Berufung gab das Landgericht der Klage statt.
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Der Austausch des Teppichbodens gegen einen Laminatboden stellt sich nach Auffassung des Landgerichts als eine wesentliche Abweichung von dem vermieteten Zustand dar. Unabhängig davon würde auch das Interesse des Mieters an der Beibehaltung des Teppichbodens den Interessen des Vermieters vorgehen. Es ginge hier um das Wohngefühl, welches auch durch den Bodenbelag bestimmt würde. Auch wenn Laminatboden langlebiger wäre, müsse der Vermieter (Beklagter) hinnehmen, dass dieser wieder verlegt wird, nachdem er die Wohnung mit dem Teppichboden vermietet habe. Der Hygieneeinwand des Beklagten greife nicht, da dies, so das Landgericht, lediglich eine Frage des Pflegeaufwandes sei (was allerdings tatsächlich wohl falsch ist, aber letztlich auf sich beruhen kann, da die anderweitigen Erwägungen des Landgerichts wohl zutreffend sein dürften).


LG Stuttgart, Urteil vom 01.07.2015 – 13 S 154/15 -

Donnerstag, 26. November 2015

Keine wechselseitige Haftung bei Motorradfahren im Pulk

Das OLG Frankfurt musste sich mit dem (nicht ?) alltägliche Sachverhalt auseinandersetzen, bei dem es zu einem Auffahrunfall zwischen Motorradfahrern kam, die im Pulk fuhren. Dabei soll es keine feste Reihenfolge gegeben haben und auch der Sicherheitsabstand soll (einvernehmlich) nicht eingehalten worden sein.
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Nach Auffassung des OLG sind damit alle Beteiligten ein besonderes Risiko eingegangen und jedem Mitglied hätte das gleiche passieren können wie dem Kläger: Der vorderste Motorradfahrer kollidierte in einer Kurve mit einem entgegenkommenden Fahrzeug. Der Kläger fuhr dahinter und stürzte; es lässt sich nicht ausschließen, dass der Beklagte zu 1. Mit seinem Motorrad von hinten gegen das Motorrad des Klägers fuhr und dieser deswegen zu Fall kam. Das Landgericht hat diesen Vorgang allerdings als nicht erwiesen angesehen und deshalb die Klage abgewiesen. Die Berufung wurde vom OLG, wenn auch aus anderen Gründen, zurückgewiesen.

Das OLG vergleicht den Vorgang mit sportlichen Wettbewerben. Bei diesen hätte der BGH die Inanspruchnahme eines Schädigers ausgeschlossen, wenn typischerweise auch bei Einhaltung der Regeln oder geringfügigen Abweichungen von den Regeln die Gefahr gegenseitiger Schadensverursachung bestünde (z.B. BGH vom 01.04.2003  - VI ZR 321/03 -). Daraus sei zu entnehmen, dass nach § 242 BGB der Geschädigte einen Schädiger dann nicht in Anspruch nehmen soll/darf, wenn er bei einer getauschten Position in der gleichen Lage wäre (so auch BGH vom 05.11.1974  -  VI ZR 100/73 -).  Wird die Gefahr, die mit der gemeinsamen Betätigung verbunden ist, wie hier von den beteiligten bewusst auf sich genommen und kann kein zusätzlich kein weiterer Vorwurf gemacht werden, so bestünde keine Veranlassung jemanden mit einem Haftungsrisiko zu belasten. Vorliegend sei den Teilnehmern die Gefahr ersichtlich gewesen, da sie bewusst auf Sicherheitsabstände verzichtet hätten, was aber gleichzeitig die bewusste Inkaufnahme eines damit verbundenen Sturzrisikos bedeute.

Vor diesem Hintergrund sei von einer stillschweigenden Vereinbarung auszugehen, nach der durch die Nichteinhaltung des an sich gebotenen Sicherheitsabstandes keine Ersatzansprüche geltend gemacht werden können.


OLG Frankfurt, Urteil vom 18.08.2015 – 22 U 39/14 -