Mittwoch, 14. September 2022

Förmliche Zustellung ohne Zustelldatum auf dem Zustellumschlag und Berechnung der Frist

Im Zusammenhang mit einer Klage gegen den Entzug der Anwaltszulassung musste sich der BGH damit auseinandersetzen, welche Bedeutung dem vom Zusteller auf dem Zustellungsumschlag anzubringenden Datum der Übergabe bzw. Niederlegung zukommt, hatte der der Zusteller im Rahmen der von ihm, vorgenommenen Ersatzzustellung des Widerrufsbescheids das Datum auf dem Umschlag nicht notiert. Die Zustellungsurkunde selbst benannt das Datum des 17.02.2016. Der Kläger nahm erst am 19.02.2016 davon Kenntnis. Eingehend am 21.03.2016 erhob der Kläger Klage. Der Anwaltsgerichtshof verwarf die Klage als unzulässig; die von ihm beginnend mit dem 17.02.2016 berechnete Monatsfrist für die Klage (§ 112a Abs. 1 S. 1 BRAO iVm. § 74 Abs. 1 S. 2 VwGO) sei bereits abgelaufen gewesen. Die Klage sei auch durch einen zugelassenen Anwalt zu erheben; zum Zeitpunkt der Einreichung der Klage sei aber bereits der Widerrufsbescheid bestandskräftig gewesen, der Kläger also nicht mehr postulationsfähig gewesen, weshalb die Klage auch nicht wirksam durch ihn selbst hätte erhoben werden können.

Gegen die Entscheidung legte der Kläger Berufung zum BGH ein. Dieser wurde unter Aufhebung des Urteils des Anwaltsgerichtshofes und Rückverweisung an diesem stattgegeben.

Verfahrensrechtlich wurde vom BGH festgehalten, dass der Widerruf der Zulassung dem Kläger förmlich zuzustellen gewesen sei, § 34 BRAO. Die Ausführung der Zustellung durch die Post richte sich nach §§ 177 bis 182 ZPO. Könne die Zustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 ZPO (Zustellung oder Ersatzzustellung in Wohnung oder Geschäftsräumen) nicht erfolgen, könne das Schriftstück nach § 180 S. 1 ZPO in den zur Wohnung / zum Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder einer ähnlichen Einrichtung eingelegt werden, die der Adressat für den Postempfang vorgesehen habe. Mit dieser Einlegung gelte das Schriftstück als zugestellt, § 180 S. 2 ZPO. Das Datum der Zustellung sie vom Zusteller auf dem Umschlag zu vermerken, § 180 S. 3 ZPO.

Der BGH verweist auf die unterschiedlichen Ansichten in Literatur und Rechtsprechung, wie mit einem hier vorliegenden Verstoß gegen § 180 S. 3 ZPO umzugehen sei: Entweder wird von einer gleichwohl wirksamen Zustellung zum Zeitpunkt der Einlegung gemäß Angabe auf der Postzustellungsurkunde ausgegangen, oder aber als Zeitpunkt der Fristberechnung vom tatsächlichen Zugang ausgegangen. Bei seiner Abwägung gab der BGH der letztgenannten Ansicht (m.E. völlig zutreffend) den Vorzug und folgt damit u.a. der Rechtsansicht des BFH in Steuersachen (z.B. Beschluss vom 15.05.2020 - IX B 119/19 -).  

Grundlegend würde der Gesetzgeber immer noch davon ausgehen, dass die Zustellung durch körperliche Übergabe erfolge, § 166 ZPO. Die Übergabe könne an jedem Ort erfolgen, an dem der Empfänger angetroffen würde, § 177 ZPO. Die Ersatzzustellung nach § 178 ZPO, die an eine andere Person als den Adressaten erfolge, habe zur Voraussetzung, dass sich diese in der Wohnung oder den Geschäftsräumen befindet und der Adressat nicht angetroffen würde. Sei diese auch nicht möglich, greife § 180 ZPO und gelte das Schriftstück mit der Einlegung in dem Behältnis als zugestellt, § 180 S. 2 ZPO. Der Nachteil dieser Art der Zustellung anstelle der körperlichen Übergabe würde durch § 180 S. 3 ZPO ausgeglichen.

Es handele sich um ein Surrogat für die körperliche Übergabe weshalb der datumsvermerk auf dem Umschlag als notwendiger teil der Bekanntgabe anzusehen sei. Die Zustellungsurkunde diene nur dem Nachweis der Zustellung und sei daher kein konstitutiver Bestandteil derselben. Durch die nach § 180 S. 3 ZPO erforderliche Datumsangabe würde die Art und Weise der Ersatzzustellung geregelt und deutlich, dass dies wesentlicher Bestandteil der Zustellung sei. Dies ergäbe sich auch aus § 182 Abs. 2 Nr. 6 ZPO, wonach in der Zustellungsurkunde vermerkt werden müsse, dass das Datum der Zustellung auf dem Umschlag vermerkt wurde.

Auch spreche die Gesetzesbegründung für diese Auslegung, der zufolge das Datum zu vermerken sei, damit der Zustellungsempfänger einen Hinweis darauf habe, wann eine mit der Zustellung in Gang gesetzte Frist beginne. Würde das Datum auf dem Umschlag fehlen oder weiche dieses von dem Datum in der Zustellungsurkunde ab, so sei nach dem Willen des Gesetzgebers die Zustellung gleichwohl wirksam, doch sei dieser Umstand bei der Prüfung, ob und wann das Schriftstück zugestellt wurde, zu berücksichtigen (BT-Drucks. 14/4554, S. 22). Der Gesetzgeber habe es also für möglich gehalten, dass der fehlende Datumsvermerk die Wirksamkeit oder den Zeitpunkt der Zustellung beeinflusse.

Da hier der Kläger den Bescheid danach (nach seinen Angaben) erst am 19.02.2016 (Freitag) in die Hand bekommen habe, gelte dieser an diesem Tag als zugestellt. Die Anfechtungsklage damit sei am 21.03.2016 (Montag) noch rechtzeitig erhoben worden (§ 112c Abs. 1 S. 1 BRAO, § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 2 ZPO).

Hinweis: Die Entscheidung verdeutlicht die besondere Bedeutung eines Zustellumschlags bei förmlicher Zustellung. Die gilt für alle förmlichen Zustellungen, mit denen Bescheide, Mahn- oder Vollstreckungsbescheide, Klage o.a. zugestellt werden und insbesondere mit der Zustellung Fristen zu laufen beginnen. Es ist von daher dringend anzuraten, diese Umschläge zusammen mit dem zugestellten Schriftstück aufzubewahren, unabhängig davon, ob auf diesen ein Datum vermerkt wurde oder nicht. Ist kein Datum vermerkt worden, sollte der Empfänger sich selbst (nicht auf dem Umschlag, sic.) vermerken, wann er es erhalten hat; selbst wenn ein Datum vermerkt wurde, ist nicht gesichert, dass dieses mit dem Datum in der Zustellungsurkunde übereinstimmt und der Empfänger mithin ggf. den Nachweis des Zustellungsdatum bei ihm erbringen muss, um nicht durch Fristversäumnis Rechtsnachteile zu haben.

Es empfiehlt sich ferner, bei Mängeln von Zustellungen unverzüglich bei dem zuständigen Zustellbetrieb (in der Regel die Deutsche Post) Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Zusteller zu erheben (z.B. wenn das zuzustellende Schriftstück in einen Briefkasten eines Dritten eingelegt wird, das Datum fehlt, eine persönliche Übernahme möglich gewesen wäre aber unterlassen wurde usw.) und im Rahmen des Verfahrens auch die zuständige Behörde / das Gericht darüber zu informieren. Kommt es häufiger zu entsprechenden Unregelmäßigkeiten könnte so der Empfänger leichter eine Wiedereinsetzung wegen der versäumten Frist erreichen.

BGH, Beschluss vom 29.07.2022 - AnwZ (Brfg) 28/20 -

Montag, 12. September 2022

Probleme des Käufers bei Löschung des Nacherbenvermerks im Grundbuch

Im Grundbuch war in Abt. II ein Nacherbenvermerk eingetragen, den der Käufer (Beschwerdeführer) als nunmehr eingetragener Eigentümer gelöscht haben wollte. Nach dem Nacherbenvermerk war die JW in E befreite (Mit-) Vorerbin nach FW, und die ehelichen Abkömmlinge von ihr sollten Nacherben sein, ersatzweise wurden Dritte als Nacharben benannt. Zur Begründung seines Löschungsantrags verwies der Beschwerdeführer darauf, dass in 1963 die die JW und eine weitere Mitvollerbin die Immobilie an G und KL veräußert und aufgelassen worden, wodurch diese aus dem der Nacherbschaft unterliegenden Nachlass ausgeschieden und der grundbuchliche Nacherbenvermerk unrichtig geworden sei. Das Grundbuchamt wies den Löschungsantrag mit der Begründung zurück, vor der Löschung sei rechtliches Gehör zu gewähren, doch seien die (insbesondere ehelichen) Abkömmlinge von JW nicht zu ermitteln und auch kein Zustellungsvertreter oder Pfleger für die unbekannten Nacherben bestellt worden und es sei Sache des Antragstellers (jetzigen Beschwerdeführers) hier die Ermittlungen durchzuführen.

Die Beschwerde dagegen war erfolgreich und führte zur Aufhebung des Beschlusses des Grundbuchamtes und Zurückverweisung an dieses. Sie war zulässig, da hier in Ansehung der §§ 71 ff GBO die Beschränkungen des § 69 Abs. 1 FamFG nicht gelten würden.

Grundsätzlich zutreffend sei die Auffassung des Grundbuchamtes, dass der Nacherbenvermerk u.a. dann gelöscht werden könne, wenn die Unrichtigkeit des Grundbuchs (§ 22 GBO) in der Form des § 29 GBO nachgewiesen sei. Wenn das Grundstück aus dem der Nacherbschaft unterliegenden Nachlass ausgeschieden sei, könne dies der Fall sein. Dass sei dann der Fall, wenn die Verfügung des Vorerben auch ohne Zustimmung der Nacherben wirksam war, da der Vorerbe in vollem Umfang entgeltlich verfügt habe (so auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.03.2012 - 3 Wx 299/11 -).

Ebenfalls zutreffend sei die Auffassung des Grundbuchamtes, dass die durch eine Löschung betroffenen Nacherben vor der Löschung anzuhören seien.  

Fehlerhaft sei es allerdings gewesen, dass das Grundbuchamt die Ermittlung der zu beteiligenden Nacherben dem antragstellenden Beteiligten aufgegeben habe. Die materielle Ermittlung träfe das Grundbuchamt, welches dieses von Amts wegen vorzunehmen habe (OLG Düsseldorf aaO.), und dem es bisher nicht vollumfänglich nachgekommen sei. Das Grundbuchamt habe lediglich die alten Grundbuchakten angefordert und über das Grundbuchamt versucht festzustellen, ob die befreite Mitvorerben JW noch im Melderegister eingetragen sei und dort ihre aktuelle Anschrift verzeichnet sei, ferner(vergeblich), ob Nachlassvorgänge zu JW vorhanden seien. Es habe auch die Nachlassakte des Erblassers FW angefordert. Dies sei nicht ausreichend.

So habe das Grundbuchamt nicht abgewartet, bis die angeforderte Nachlassakte des FW vorlag. Aus dessen Testament könnten sich Anschriften ergeben, weshalb sich nach der Einsicht weitere Ermittlungsansätze ergeben könnten. Ferner habe das Grundbuchamt Ermittlungen über das für JW zuständige Standesamt unterlassen (Geburtseintraf, ggf. vorhandener Eintrag in das Eheregister und dort ggf. verzeichnete eheliche Kinder). Auch wären Nachfragen bei den Erben der 2008 verstorbenen Ersatzerbin JS und dem weiteren Ersatzerben für die weitere Ermittlung erforderlich.

Wenn alle Ermittlungsmöglichkeiten fruchtlos ausgeschöpft worden seien, sei vom Grundbuchamt von Amts wegen eine Pflegschaft für unbekannte Beteiligte (§ 1913 BGB) beim zuständigen Gericht anzuregen. Lediglich wenn die Einrichtung einer Pflegschaft vom zuständigen Gericht abgelehnt würde, könne dem Beschwerdeführer im Wege der Zwischenverfügung die Möglichkeit gegeben werden, selbst für eine Pflegerbestellung zu sorgen (OLG Stuttgart, Beschluss vom 13.09.2018 - 20 W 197/18 -; a.A. für den Fall, dass alle Nacharben erst mit dem Eintritt des Nacherbfalls feststehen würden, OLG Frankfurt, Beschluss vom 13.09.2018 - 20 W 197/18 -).

OLG Hamm, Beschluss vom 22.04.2022 - I-15 W 76/22 -

Donnerstag, 8. September 2022

Mängelbeseitigung durch Besteller in Schwarzarbeit

Die Klägerin macht restlichen Werklohn geltend. Nachdem es schon im Sommer 2015 zu Differenzen wegen vermeintlich mangelhafter Arbeiten kam, stellte die Klägerin diese endgültig ein und das Bauvorhaben wurde von der Beklagten anderweitig fertiggestellt. Die Klägerin machte restlichen Werklohn geltend; von der Beklagten wurden diverse Mängel gerügt. Alleine wegen der Mängel am Garagenfußboden berief sich die Beklagte auf eine Minderung mindestens in Höhe der Klageforderung.

Das Landgericht (LG) wies die Klage nach Beweisaufnahme ab. Die Klägerin legte Berufung ein, die teilweise erfolgreich war.

Als fehlerhaft sah das OLG als Berufungsgericht die Bewertung eines Minderungsanspruchs der Beklagten für den Garagenboden an. Die Minderung habe das LG dem von ihm eingeholten Sachverständigengutachten entnommen, und zwar nach den dort geschätzten Kosten, unbeschadet des Umstandes, dass die Beklagte vorgetragen habe, dass die Arbeiten zur Mangelbeseitigung bereits ausgeführt worden seien. Entscheidend seien aber für Schadensersatz und Minderung nach der Rechtsprechung des BGH die tatsächlichen Kosten (BGH, Urteil vom 22.02.2018 - VII ZR 46/17 -); abzustellen sei daher nur auf die von der Beklagten dargelegten Mängelbeseitigungskosten.

Die Beklagte hatte (zweitinstanzlich) weiterhin eine Rechnung einer angeblich auf den British Virgin Islands registrierten Gesellschaft vorgelegt. Ob eine solche Gesellschaft tatsächlich existierte, ließ das OLG offen, da es davon ausging, dass dieser Rechnung, mit der die Beklagte weitere Sanierungsaufwendungen belegen wollte, ein sogen. Schwarzgeldgeschäft betraf.  

Es würde auf der Rechnung der nach § 14 Abs. 4 UStG erforderliche Umsatzsteuerausweis fehlen. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten habe auf Nachfrage auch nicht erklären können, wann konkret wer die Arbeiten durchgeführt habe. Sollten also von diesem Unternehmer überhaupt irgendwelche Arbeiten ausgeführt worden sein, wären diese in Schwarzarbeit ausgeführt worden. Schwarzarbeiten müssten aber nicht vergütet werden (BGH, Urteil vom 10.04.2014 - VII ZR 241/13 -). Erst recht könne dann der Beklagte nicht eine solche Rechnung dem Restwerklohnanspruch der Klägerin im Rahmen der Abrechnung als eigene Aufwendungen für Mängelbeseitigungsarbeiten entgegensetzen.

Soweit sich die Beklagte zum Beweis der Durchführung von Mängelbeseitigungsarbeiten auf die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens bezog, habe dem das Gericht nicht nachkommen müssen. Zum Einen habe die Beklagte nicht substantiiert vorgetragen, von wem wann die Arbeiten ausgeführt wurden, und zum Anderen hätte die Beklagte den Verdacht der Schwarzarbeit ausräumen müssen, was auch nicht erfolgt sei. Erst wenn diese Punkte beklagtenseits abgearbeitet worden wären, hätte dem Beweisangebot in Ansehung des klägerischen Bestreitens der Vornahme von Mängelbeseitigungsarbeiten durch die Beklagte nachgekommen werden müssen. Anmerkung: Es konnte nicht darauf ankommen, ob tatsächlich die Beklagte Mängelbeseitigungsarbeiten veranlasst hatte, da sie die von ihr konkret benannten Kosten in Form der Rechnung der auf den British Virgin Islands registrierten Gesellschaft infolge des Umstandes, dass hier konkrete Anhaltspunkte für Schwarzarbeit bestanden, nicht in die Abrechnung hatte einstellen können.

Da unstreitig Mängel am klägerischen Gewerk vorgelegen hätten, sah sich das OLG veranlasst den danach abzuziehenden Minderungsbetrag nach § 287 ZPO zu schätzen und in das Abrechnungswerk nach den vom BGH aaO. entwickelten Grundsätzen einzustellen. Dazu legte es das Angebot der Klägerin für die Betonarbeiten an der Garage zugrunde und zog Positionen ab, die von den Mängelbeseitigungsarbeiten nicht betroffen sein konnten.

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten gegen dieses Urteil wurde vom BGH mit Beschluss vom 12.01.2022 - VII ZR 122/19 - zurückgewiesen.

Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 30.04.2019 - 7 U 152/18 -

Dienstag, 6. September 2022

Errichtung der E-Ladestation durch den Mieter

Der Kläger (Mieter) verlangte von der Beklagten (Vermieterin) die Erlaubnis zur Errichtung einer Elektroladestation zum Laden eines Elektro- bzw. Hybridfahrzeugs durch ein bestimmtes von ihm vorgegebenes Unternehmen. Das Amtsgericht wies die Klage ab. Die dagegen vom Kläger eingelegte Berufung war erfolgreich.

Der grundsätzliche Anspruch des Mieters auf bauliche Veränderungen an der Mietsache, die dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge dienen, nach § 554 Abs. 1 BGB, ergebe sich aus der Regelung des § 554 Abs. 1 BGB. Allerdings enthalte diese Norm keine Regelung dazu, wer den Unternehmer aussuchen dürfe, der mit der Bauausführung beauftragt würde. Da § 554 Abs. 1 BGB vorwiegend dem Interesse des Mieters dienen würde, sei die Kammer der Ansicht, dass der Mieter jedenfalls dann die Veränderungen vornehmen könne, wenn er einen geeigneten Fachunternehmer habe, was bedeute, dass er diesen Fachunternehmer auch selbst aussuchen dürfe.

Nur dann, wenn die bauliche Veränderung dem Vermieter auch unter Berücksichtigung der Interessen des Mieters nicht zugemutet werden könne, wäre der hier vom klagenden Mieter geltend gemachte Anspruch zu negieren.

Nach den amtsgerichtlichen Feststellungen und Ausführungen der Beklagten würde die Kapazität für 5 - 10 Ladestationen reichen. Derzeit seien nur drei vorhanden. Damit sei ei vom Kläger begehrte Ladestation machbar. Diese weitere Station sei für die Beklagte auch nicht unzumutbar. Der Umstand, dass künftig noch andere Mieter einen Anschluss für sich begehren würden und  die dafür notwendige technische Ausstattung dann eventuell nur seitens der Stadtwerke München installiert werden könne, ändere die derzeit ohne weiteres gegebene Möglichkeit für den Kläger nicht und könne der gegenwärtige Anspruch auch nicht in Ansehung der ungewissen Zukunft ausgeschlossen werden. Damit stelle sich auch derzeit (anders als vom Amtsgericht angenommen) nicht die Frage der Gleichbehandlung, die es im Mietrecht ohnehin nicht gäbe. Es gelte nur über § 242 BGB das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 3 GG. Es sei nicht willkürlich, wenn der Vermieter nach dem Prioritätsprinzip vorgehe mit der Folge, dass später Mieter bei entsprechenden Wunsch darauf angewiesen werden, sich dies von den Stadtwerken München einrichten zu lassen.

Die Beklagte erleide hier keinen Nachteil durch das vom Kläger angegebene Unternehmen, währen dies für den Kläger wirtschaftlich von Vorteil sei.

LG München I., Urteil vom 23.06.2022 - 31 S 12015/21 -

Freitag, 2. September 2022

Nachtragsliquidation nach Löschung der GmbH: Eintragung des Liquidators im Handelsregister

Die GmbH wurde 2006 gem. § 141a FGG wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister gelöscht. In 2019 bestellte das Amtsgericht K. gem. § 66 Abs. 5 S. 2 GmbHG zum Liquidator mit dem Wirkungskreis des Nachtragsliquidators zur Vertretung der Gesellschaft hinsichtlich deren Eigentum an im Grundbuch verzeichneten Teileigentum. Im Hai 2021 beantragte K. seine Eintragung als Nachtragsliquidator im Handelsregister mit Hinweis darauf, dass das Grundbuch für Eintragungen ein Hindernis daran sähe, dass seine Vertretungsberechtigung nicht nach § 32 GBO nachgewiesen sei. Der Antrags wurde zurückgewiesen, ebenso die dagegen erhobene Beschwerde. Die zugelassene Rechtsbeschwerde führte aber zum Erfolg in der Sache.

In Literatur und Schrifttum sei umstritten, ob bei einer wegen Vermögenslosigkeit gelöschten Gesellschaft Liquidatoren ins Handelsregister eingetragen werden müssten. Hierzu vertrat der BGH die Ansicht, dass auch bei einer gelöschten GmbH nach § 67 Abs. 4 GmbHG die Liquidatoren von Amts wegen einzutragen seien, wenn sie vom Gericht ernannt worden seien und sich nach der Löschung herausstelle, dass Vermögen vorhanden sei, welches der Verteilung unterliege (§ 66 Abs. 5 GmbHG). § 67 Abs. 4 GmbHG erfasse auch die nach § 66 Abs. 5 GmbHG ernannten Liquidatoren und das Gesetz biete auch keine Anhaltspunkte für eine einschränkende Auslegung. Der BGH wies aber auch darauf hin, dass es auch um die Publizierung des Liquidators gehen würde; schweige das Handelsregister, würde sich vielfach ein Gläubiger nicht veranlasst sehen ihre Forderungen geltend zu machen, die im Rahmen der Nachtragsliquidation befriedigt werden könnten.

Gegen die Eintragung könnten nur verfahrensökonomische Gründe sprechen. Vorliegend handele es sich um fünf Teileigentumsrechten mit einem Wert von 700.000,00 bis 750.000.000 Euro.  Es könne bei diesem Vermögen nicht die Rede davon sein, dass nur noch einzelne, schnell zu erledigende Abwicklungsmaßnahmen notwendig seien, die verfahrensökonomisch der Eintragung entgegenstehen könnten. Es würden gem. § 66 Abs. 5 GmbHG die §§ 68ff GmbHG grundsätzlich Anwendung finden, wonach der Liquidator zur Rechnungslegung (§ 71 Abs. 1, § 74 Abs. 1 S. 1 GmbHG) und zur Umsetzung der Teileigentumsrechte in Geld (§ 70 Abs. 1 GmbHG) verpflichtet sei. Er dürfe dazu auch neue Geschäfte eingehen (z.B. Beauftragung von Renovierungsarbeiten, Bestellung von Grundpfandrechten zur Kaufpreisfinanzierung). Die erforderliche Vertretungsmacht könne der Liquidator gegenüber dem Grundbuchamt nach § 32 GBO durch den Handelsregistereintrag nachweisem. Da ihm § 32 GBO die Möglichkeit zu dem entsprechenden Nachweis eröffne, käme es nicht darauf an, ob er (wie das Beschwerdegericht meinte) seine Vertretungsberechtigung auch durch eine Ausfertigung des Bestellungsbeschlusses nachweisen könne.

Auch käme es nicht darauf an, dass die Eintragung eine überschießende Vertretungsmacht gegenüber dem Bestellungsbeschluss darstellen könne. Denn die Eintragung nach § 67 Abs. 4 GmbHG habe nur deklaratorische Wirkung und seine Befugnis ergäbe sich aus dem Gesetz, wonach seine Vertretungsbefugnis nach § 71 Abs. 4, § 37 Abs. 2 GmbHG grundsätzlich unbeschränkt und unbeschränkbar sei.  

BGH, Beschluss vom 26.07.2022 - II ZB 20/21 -

Dienstag, 30. August 2022

WEG: Kann das Abstellen von E-Autos in Tiefgarage untersagt werden ?

Der Mieter in der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft hatte ein Hybrid-Fahrzeug und von der klagenden Sondereigentümerin einen Tiefgaragenabstellplatz angemietet, an dem dieser ein Sondernutzungsrecht hatte.  In einer Eigentümerversammlung beschloss diese mehrheitlich, dass das Abstellen von Elektrofahrzeugen in der Tiefgarage bis auf weiteres untersagt wird. Die WEG verteidigte den Beschluss u.a. mit Hinweis darauf, dass sich die Lithium-Ionen-Batterien, mit denen E-Fahrzeuge betrieben würden, entzünden und im Brandfall der Brandverlauf länger als bei einem Benzinbrand sei und im Gegensatz zu diesem nicht mit Löschschaum gelöscht werden könne und ein Hineinfahren mit einem Container, wie dies für den Vorgang bei E-Fahrzeugen (zum Zwecke des Ausbrennens) erforderlich sei, hier nicht möglich sei.  Die Klage gegen diesen Beschluss war erfolgreich.

Soweit die Klägerin die Auffassung vertrat, der Beschluss sei schon wegen mangelnder Beschlusskompetenz nichtig, folgte dem das Amtsgericht nicht. Es handele sich um eine Nutzungsregelung. Nach § 19 Abs. 1 WEG habe die Eigentümerversammlung die Beschlusskompetenz für Nutzungsregelungen des Sonder- und Gemeinschaftseigentums. Zwar sei ein solcher Beschluss nichtig, wenn er das Sondernutzungsrecht aushöhlen würde, doch sei dies hier nicht der Fall, da nur das Abstellen bestimmter Fahrzeuge untersagt worden sei.

Allerdings verstoße der Beschluss gegen die ordnungsgemäße Verwaltung iSv. § 18 Abs. 2 WEG. Nach § 20 Abs. 2 Nr. 2 WEG bestünde ein individueller Rechtsanspruch von jedem Wohnungseigentümer auf Gestattung von Maßnahmen, die dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge dienen würden. Dieser individuelle Anspruch sei nicht abdingbar und würde durch den Beschluss ins Leere laufen, da zwar der Wohnungseigentümer die Ermöglichung der Installation einer Ladestation erzwingen könne, diese aber nicht nutzen könnte. Selbst wenn man hier eine besondere Brandgefahr durch E-Fahrzeuge bejahen würde, entspräche die Untersagung des Abstellens von E-Fahrzeugen damit nicht ordnungsgemäßer Verwaltung.

Anmerkung: Dieser Rechtsansicht des Amtsgerichts kann nicht zugestimmt werden. Zutreffend, dass zur ordnungsgemäßen Verwaltung notwendig auch die Verwirklichung des gesetzgeberischen Ziels in § 20 Abs. 2 Nr. 2 WEG gehört. Dass durch E-Fahrzeuge eine besondere Brandgefahr ausgeht, ist bekannt, wie auch, dass ein Löschen wie bei herkömmlichen Vergaserfahrzeugen nicht möglich ist. Der Umstand, dass die Tiefgaragen nicht den Anforderungen an diese besondere Gefahr entsprechen, ist nicht explizit im Rahmen des § 20 Abs. 2 Nr. 2 WEG berücksichtigt. Allerdings wird nicht zum Ausdruck gebracht, dass die Lademöglichkeit notwendig in der Tiefgarage gegeben sein muss. Könnte die WEG einen anderen Bereich - alleine zum Laden der Batterien - zur Verfügung stellen, könnte der Anspruch auf eine Ladestation in der Tiefgarage wohl jedenfalls dann versagt werden, wenn zum Laden (wenn auch nicht zum dauerhaften Abstellen) ein anderer Platz zur Verfügung gestellt wird. Für den Fall, dass nur die Tiefgarage bleibt, um eine Ladestation zu installieren, wird man dem Amtsgericht zustimmen müssen. Dies aber hätte wohl zur Konsequenz, dass die WEG das Brandschutzkonzept überprüfen müsste und ggf. durch bauliche Maßnahmen zum Brandschutz ergreift. § 20 Abs. 2 Nr. 2 WEG begründet keinen Rechtsanspruch darauf, dass die Ladestation am Abstellplatz des Fahrzeuges errichtet werden müsset, sondern stellt auch im Rahmen der Entscheidung auf eine ordnungsgemäße Verwaltung ab.

AG Wiesbaden, Urteil vom 04.02.2022 - 92 C 2541/21 -

Samstag, 27. August 2022

Zum Substantiierungserfordernis bei Zeugenbenennung

Die Klägerin war im Empfang des von der Beklagten betriebenen Krankenhauses tätig. Im Januar teilte die Beklagte ihr mit, sie wolle sie im Früh- und Spätdienst eisnetzen. Unter Hinweis auf den Grad der Behinderung von 50 begehrte von der Beklagten als Arbeitgeberin, aus gesundheitlichen Gründen nur im Frühdienst eingesetzt zu werden; sie sei nicht in der Lage im Spätdienst bzw. im Wechsel im Früh- wie auch im Spätdienst tätig zu werden und verwies dazu auf Stellungnahmen ihrer behandelnden Ärzte. Eine entsprechende gesundheitliche Beeinträchtigung bestritt die Beklagte unter Verweis auf die Einschätzung ihrer Betriebsärztin. Das Arbeitsgericht gab der Klage statt. Die Berufung der beklagten wurde zurückgewiesen. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht (BAG) der Beklagten wurde das Berufungsurteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) aufgehoben und der Rechtsstreit an dieses zurückverwiesen.

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde machte die Beklagte die Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 GG) geltend, da das LAG  von der Vernehmung der von ihr als sachverständigen Zeugin benannten Betriebsärztin abgesehen habe.

Das BAG verwies auf die Rechtsprechung des BGH (Urteile vom 14.01.2020 - VI ZR 97/19 - und vom 15.10.2019 - VI ZR 377/18 -), demzufolge ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG vorläge, wenn das Gericht die an eine hinreichende Substantiierung zu stellenden Anforderungen überspanne und deshalb den Beweis nicht erhebe. § 373 ZPO würde von der Partei, die die Zeugeneinvernahme beantrage, verlangen, den Zeugen zu benennen und die Tatsachen zu bezeichnen, über die der Zeuge vernommen werden soll. Es verlange von der Partei nicht sich dazu zu äußern, welche Anhaltspunkte sie für die Richtigkeit der in das Wissen des Zeugen gestellten Behauptung habe. Die Substantiierungspflicht eines Sachvortrags hänge vom Kenntnisstand der Partei ab (BGH, Urteil vom 14.01.2020, aaO.). Die Partei sei nicht verpflichtet, Ermittlungen von ihr unbekannten Umständen (oder solchen Umständen, die ihr unbekannt sein könnten) vorzunehmen.

Das LAF sei, ohne die Zeugin zu vernehmen, davon ausgegangen, dass die Zeugin nur Schlussfolgerungen tätigen könne, die für die Überzeugungsfindung des Gerichts nicht erheblich seien, da die Beklagte nicht mitgeteilt habe, auf welchen Tatsachen die Schlussfolgerungen beruhen würden. Darin läge der Gehörsverstoß, da nicht ausgeschlossen werden könne, dass das LAG nach deren Vernehmung zu der Überzeugung (§ 286 ZPO) gelangt wäre, dass der Einsatz der Klägerin im Spätdienst bzw. im Wechsel zwischen Früh- und Spätdienst möglich ist.

Das BAG wies ergänzend darauf hin, dass die Klägerin die Betriebsärztin von ihr Schweigepflicht befreien müsse, du für den Fall, dass sie dies unterlässt, dieser Umstand im Rahmen der Beweiswürdigung durch das LAG im Rahmen des § 286 ZPO berücksichtigt werden müsse.

Anmerkung: Nach dem Inhalt des Beschlusses des BAG bezog sich die Klägerin lediglich auf schriftliche Gutachten behandelnder Ärzte, die Beklagte auf das Zeugnis des Betriebsarztes. Bei allen Ärzten handelte es sich um sachverständige Zeugen, wobei die schriftlichen Angaben der die Klägerin behandelnden Ärzte allenfalls als Privaturkunden im Verfahren verwertet werden können (§ 416 ZPO). Die unterschriebene Privaturkunde bezeugt aber grundsätzlich nur, dass sie von dem unterschreibenden Aussteller stammt, nicht deren inhaltliche Richtigkeit (anders öffentliche Urkunden, § 418 ZPO). Ein sachverständiger Zeuge ist auch nur Zeuge, nicht Sachverständiger gem. §§ 402 ff ZPO. Der sachverständige Zeuge ist nicht berufen, Schlussfolgerungen zu ziehen, sondern kann aufgrund seines Sachverstandes nur die Grundlagen klären, die dann letztlich von einem Sachverständigen zu würdigen wären. Mithin könnte nach der Beweiserhebung durch die als Zeugin benannte Betriebsärztin lediglich geklärt werden, welche gesundheitlichen Einschränkungen es bei der Klägerin gibt, dürfte aber nicht geklärt werden, ob dies auch einem Spät- oder Wechseldienst entgegensteht. Dies wäre letztlich durch ein Sachverständigengutachten zu klären. Bestreitet zudem die Beklagte die Richtigkeit der Feststellungen und die Richtigkeit der Schlussfolgerungen in den von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen, wäre die Klägerin auch hier beweisbelastet für die Richtigkeit, wobei auch insoweit wiederum für die Schlussfolgerung an sich ein Sachverständigengutachten erforderlich wäre.

BAG, Beschluss vom 06.04.2022 -5 AZN 700/21 -