Dienstag, 6. September 2022

Errichtung der E-Ladestation durch den Mieter

Der Kläger (Mieter) verlangte von der Beklagten (Vermieterin) die Erlaubnis zur Errichtung einer Elektroladestation zum Laden eines Elektro- bzw. Hybridfahrzeugs durch ein bestimmtes von ihm vorgegebenes Unternehmen. Das Amtsgericht wies die Klage ab. Die dagegen vom Kläger eingelegte Berufung war erfolgreich.

Der grundsätzliche Anspruch des Mieters auf bauliche Veränderungen an der Mietsache, die dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge dienen, nach § 554 Abs. 1 BGB, ergebe sich aus der Regelung des § 554 Abs. 1 BGB. Allerdings enthalte diese Norm keine Regelung dazu, wer den Unternehmer aussuchen dürfe, der mit der Bauausführung beauftragt würde. Da § 554 Abs. 1 BGB vorwiegend dem Interesse des Mieters dienen würde, sei die Kammer der Ansicht, dass der Mieter jedenfalls dann die Veränderungen vornehmen könne, wenn er einen geeigneten Fachunternehmer habe, was bedeute, dass er diesen Fachunternehmer auch selbst aussuchen dürfe.

Nur dann, wenn die bauliche Veränderung dem Vermieter auch unter Berücksichtigung der Interessen des Mieters nicht zugemutet werden könne, wäre der hier vom klagenden Mieter geltend gemachte Anspruch zu negieren.

Nach den amtsgerichtlichen Feststellungen und Ausführungen der Beklagten würde die Kapazität für 5 - 10 Ladestationen reichen. Derzeit seien nur drei vorhanden. Damit sei ei vom Kläger begehrte Ladestation machbar. Diese weitere Station sei für die Beklagte auch nicht unzumutbar. Der Umstand, dass künftig noch andere Mieter einen Anschluss für sich begehren würden und  die dafür notwendige technische Ausstattung dann eventuell nur seitens der Stadtwerke München installiert werden könne, ändere die derzeit ohne weiteres gegebene Möglichkeit für den Kläger nicht und könne der gegenwärtige Anspruch auch nicht in Ansehung der ungewissen Zukunft ausgeschlossen werden. Damit stelle sich auch derzeit (anders als vom Amtsgericht angenommen) nicht die Frage der Gleichbehandlung, die es im Mietrecht ohnehin nicht gäbe. Es gelte nur über § 242 BGB das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 3 GG. Es sei nicht willkürlich, wenn der Vermieter nach dem Prioritätsprinzip vorgehe mit der Folge, dass später Mieter bei entsprechenden Wunsch darauf angewiesen werden, sich dies von den Stadtwerken München einrichten zu lassen.

Die Beklagte erleide hier keinen Nachteil durch das vom Kläger angegebene Unternehmen, währen dies für den Kläger wirtschaftlich von Vorteil sei.

LG München I., Urteil vom 23.06.2022 - 31 S 12015/21 -


Aus den Gründen:

Tenor

1. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Amtsgerichts München vom 01.09.2021, Az. 416 C 6002/21, abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, den Klägern die bauliche Veränderung der angemieteten Garage mit der Nummer ... in der Tiefgarage zur Wohnung im 2. OG, ... in München, durch die Einrichtung einer Elektroladestation für das Laden eines Elektro-/Hybridfahrzeugs durch die ... GmbH & Co. KG gegen Kostenübernahme durch die Kläger zu erlauben.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 4.000,00 € festgesetzt.

Gründe

A) Mit der Klage begehren die Kläger die Erlaubnis zur Errichtung einer Elektroladestation für das Laden eines Elektro-/Hybridfahrzeuges durch ein ganz bestimmtes Unternehmen.

Die Kläger haben hierzu in erster Instanz beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, den Klägern die bauliche Veränderung der angemieteten Garage mit der Nummer ... in der Tiefgarage zur Wohnung im 2. OG, ... in München, durch die Einrichtung einer Elektroladestation für das Laden eines Elektro-/Hybridfahrzeugs durch die ... GmbH & Co. KG gegen Kostenübernahme durch die Kläger zu erlauben.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen mit der Begründung, dass die im Rahmen des § 554 Abs. 1 S. 2 BGB durchzuführende umfassende Interessenabwägung zwischen den Interessen der Kläger einerseits sowie den Interessen der Beklagten andererseits fällt zu Gunsten der Beklagten ausfällt. Hierbei hat das Amtsgericht insbesondere darauf abgestellt, dass die Beklagtenpartei die jetzigen Antragsteller und weitere potenzielle Antragsteller in nächster Zeit gleichbehandeln möchte. Es hat zudem insbesondere ausgeführt, dass ein Kontraktionszwang mit den Stadtwerken München als Vertragspartner für die Installation und den Betrieb im Hinblick auf die grundsätzliche Realisierungsmöglichkeit einer Installation der Ladestation den Klägern zumutbar ist. Dabei ist das Gericht aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme davon ausgegangen, dass die technische Einrichtung für mehr als 10 Ladestationen pro Hausanschluss nur seitens der Stadtwerke München möglich ist.

Die Kläger beantragen in der Berufung:

1. Das Endurteil des Amtsgerichts München vom 01.09.2021, zugestellt am 01.09.2021 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, den Klägern die bauliche Veränderung der angemieteten Garage mit der Nr. U. 1. 52 in der Tiefgarage zur Wohnung im 2. OG, ... in München durch die Einrichtung einer Elektroladestation für das Laden eines Elektro-/Hybridfahrzeugs durch die ... gegen Kostenübernahme durch die Kläger zu erlauben

Sie sind der Ansicht, dass der Vermieter nicht berechtigt ist, hier einen besonderen Vertrag und nur einen einzigen Vertragspartner vorzugeben. Zudem wird weiter bestritten, dass nur eine Kapazität für maximal 5 bis 10 Ladestationen besteht. Abgesehen davon könne eine ausreichende Kapazität an Ladestationen im streitgegenständlichen Anwesen unschwer geschaffen werden. Im Übrigen sei auch die Interessenabwägung unzutreffend vorgenommen worden. Weshalb hier die Interessenabwägung zugunsten der Beklagten ausfallen soll, erschließe sich nicht. Insbesondere sei zu berücksichtigen, dass auch allgemeinpolitisch die Verbreitung von Elektrofahrzeugen gewünscht ist und gerade dies Voraussetzung für die gesetzliche Regelung des § 554 Abs. 1 S. 1 BGB war. Im Übrigen sei es völlig offen, ob sich überhaupt weitere Mieter dazu entschließen, Elektrofahrzeuge anzuschaffen.

Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Berufung.

Hierzu trägt sie insbesondere vor, dass es ihr letztlich darum geht, dass eine technische Vorrichtung installiert wird, welche es ermöglicht, dass auch später noch eine Vielzahl weiterer Elektroladestationen installiert werden können.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO), auf das Sitzungsprotokoll sowie auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen, insbesondere auf die Berufungsbegründung und Berufungserwiderung wird ergänzend Bezug genommen. Etwaige Änderungen bzw. Ergänzungen sind weder erforderlich noch zulässig.

Von der Darstellung des Tatbestands wird im Übrigen abgesehen (§§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S.1 ZPO).

B) Die zulässige Berufung ist begründet.

Die Kläger haben gegenüber der Beklagten den geltend gemachten Anspruch.

Nach § 554 Abs. 1 BGB hat der Mieter grundsätzlich einen Anspruch dahingehend, dass ihm der Vermieter bauliche Veränderungen der Mietsache erlaubt, die dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge dienen.

Wer für die Ausführung jedoch insbesondere das Unternehmen bzw. die Handwerker auswählen darf, regelt § 554 Abs. 1 BGB nicht ausdrücklich. Rechtsprechung hierzu ist nicht bekannt. In der einschlägigen Kommentarliteratur wird lediglich auf das angefochtene Urteil des Amtsgerichts München verwiesen (z.B. Schepers beck-online.GROSSKOMMENTAR GesamtHrsg: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann Hrsg: H. Schmidt Stand: 01.04.2022 § 554 BGB Rn.47, Fn.36). Zu § 554a Abs. 1 BGB a.F. (Barrierefreiheit) wurde vertreten, dass die Auswahl des konkreten Handwerkers nach der gesetzlichen Zuständigkeitsverteilung dem Mieter zufällt (Mersson, NZM 2002, 313, 315).

Der vorwiegend dem Interesse des Mieters dienende Regelung des § 554 Abs. 1 BGB ist nach Ansicht der Kammer zu entnehmen, dass der Mieter grundsätzlich selbst diese Veränderungen - jedenfalls mittels eines geeigneten Fachunternehmens - durchführen darf, was beinhaltet, dass er befugt ist dieses auch auszuwählen und auch die konkrete Ausgestaltung des Anschlusses zu bestimmen.

Dieser Anspruch besteht nach dem Wortlaut dieser Bestimmung nur dann nicht, "wenn die bauliche Veränderung dem Vermieter auch unter Würdigung der Interessen des Mieters nicht zugemutet werden kann".

Der Einbau des konkreten Elektroanschlusses seitens des Mieters muss somit dem Vermieter - als Ausnahme von der Regel - unzumutbar sein. Nur sofern das Fall ist, hat das Interesse des Mieters zurückzustehen, welches sonst Vorrang hat. Letztlich hat bereits der Gesetzgeber eine Interessenabwägung getroffen (vgl. BGH, Urteil vom 18.05.1955 - I ZR 8/54: "Jedem Gesetz liegt eine Interessenabwägung zugrunde, die in bestimmter Weise auf das soziale Leben einwirken soll").

Hierzu ist zunächst festzustellen, dass nach dem angefochtenen Urteil des AG München und den Ausführungen der Beklagtenpartei die derzeitige Kapazität für jedenfalls 5-10 Ladestationen ausreicht. Da derzeit nur 3 Ladestationen vorhanden sind, ist die vom Kläger begehrte Station aus technischer Sicht machbar.

Die Einrichtung dieser einen weiteren Station für die Klagepartei kann für die Beklagte auch nicht als unzumutbar angesehen werden.

Dass möglicherweise noch andere Mieter künftig einen solchen Anschluss für sich beanspruchen und die hierfür technische Ausstattung dann gegebenenfalls nur seitens der Stadtwerke München installiert werden kann, ändert nichts daran, dass jedenfalls derzeit die begehrte Station für die Klagepartei ohne weiteres eingerichtet werden kann. Aufgrund einer unbestimmten künftigen Entwicklung, deren Eintritt überhaupt noch nicht sicher ist, kann der gegenwärtige Anspruch der Klagepartei nicht eingeschränkt werden.

Der seitens des Amtsgerichts als maßgeblich angesehene Gesichtspunkt der Gleichbehandlung aller Mieter stellt sich derzeit nicht, wobei es im Wohnraummietrecht - worauf das Amtsgericht zutreffend hingewiesen hat - keinen allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz gibt. Der Vermieter hat lediglich über § 242 BGB das Willkürverbot aus Art. 3 Abs. 3 GG (Eisenschmid in Schmidt-Futterer, Mietrecht 15. Auflage 2021 § 535 Rn. 104) sowie das Schikaneverbot im Sinne von § 226 BGB (Zehelein BeckOK BGB, Hau/Poseck 61. Edition Stand: 01.02.2022 § 535 Rn. 490) zu beachten. Auch wenn - wie das Amtsgericht ausführt - es dem Vermieter grundsätzlich nicht verwehrt ist, eine Gleichbehandlung mehrerer Mietparteien anzustreben, stellt sich diese Frage derzeit eben nicht, sondern allenfalls dann, wenn später auch noch andere Mieter einen Elektroanschluss wünschen.

Es ist auch nicht als willkürlich anzusehen, wenn der Vermieter nach dem Prioritätsprinzip vorgeht und nachfolgenden Mietern ein Elektroanschluss möglicherweise nur gewährt werden kann, wenn dieser durch die Stadtwerke München eingerichtet wird (vgl. Eisenschmid aaO. Rn. 105 a.E.; Hubmann, Wertung und Abwägung im Recht, 1977 S. 78: "Ohne Zweifel handelt es sich also beim Prioritätsgedanken um ein Ordnungsprinzip ersten Ranges im Widerstreit gleichwertiger Interessen"). Damit wird auch nicht die, in der Berufungserwiderung angesprochene Gesetzesintention, nämlich möglichst vielen Parteien die Nutzung von Elektrofahrzeugen zu ermöglichen, verhindert. Dem steht die Errichtung des seitens der Kläger begehrten Anschlusses durch die ... GmbH Co. KG nicht entgegen. Damit wird nicht verhindert, dass zu einem späteren Zeitpunkt seitens der Stadtwerke München die entsprechenden Voraussetzungen geschaffen werden, sofern dies erforderlich sein sollte.

Durch die Einrichtung der Ladestation durch die ... GmbH Co. KG erleidet die Beklagte auch keinen Nachteil, während dies für die Kläger wirtschaftlich von Vorteil ist. Denn die Kosten für den regelmäßigen Betrieb und Unterhalt der von der Beklagten geforderten Installation durch die Stadtwerke München wäre auf Dauer gesehen für die Kläger nach den Feststellungen des Amtsgerichts nicht unwesentlich teurer.

Der seitens des Amtsgerichts angesprochene Gesichtspunkt, dass der Vermieter die Mietsache keinesfalls in einer Weise technisch aufrüsten muss "mit entsprechenden Kosten, dass entsprechende Installationen für die Mieter möglichst kostengünstig sind", spielt hier keine Rolle, da die Kosten die Kläger tragen. Schließlich wird weder vorgetragen und ist auch nicht ersichtlich, dass das seitens der Klagepartei ausgewählte Unternehmen für die Durchführung der Installationen fachlich ungeeignet wäre, zumal dieses auch die bestehenden Elektroinstallationen im Gebäude ausgeführt hat. Da es außerdem im Haus bereits 3 Ladeboxen gibt, die nicht über die Stadtwerke München betrieben werden, kann auch der Gesichtspunkt der Vermeidung einer Zerstückelung von Anbietern keine Rolle spielen, sofern man diesen als ein berechtigtes Anliegen des Vermieters ansehen sollte (BeckOGK/Schepers, 1.4.2022, BGB § 554 Rn. 47).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO; der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 3 ZPO; 47, 48 GKG.


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