Der Mieter in der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft hatte ein Hybrid-Fahrzeug und von der klagenden Sondereigentümerin einen Tiefgaragenabstellplatz angemietet, an dem dieser ein Sondernutzungsrecht hatte. In einer Eigentümerversammlung beschloss diese mehrheitlich, dass das Abstellen von Elektrofahrzeugen in der Tiefgarage bis auf weiteres untersagt wird. Die WEG verteidigte den Beschluss u.a. mit Hinweis darauf, dass sich die Lithium-Ionen-Batterien, mit denen E-Fahrzeuge betrieben würden, entzünden und im Brandfall der Brandverlauf länger als bei einem Benzinbrand sei und im Gegensatz zu diesem nicht mit Löschschaum gelöscht werden könne und ein Hineinfahren mit einem Container, wie dies für den Vorgang bei E-Fahrzeugen (zum Zwecke des Ausbrennens) erforderlich sei, hier nicht möglich sei. Die Klage gegen diesen Beschluss war erfolgreich.
Soweit die Klägerin die Auffassung vertrat, der Beschluss sei schon wegen mangelnder Beschlusskompetenz nichtig, folgte dem das Amtsgericht nicht. Es handele sich um eine Nutzungsregelung. Nach § 19 Abs. 1 WEG habe die Eigentümerversammlung die Beschlusskompetenz für Nutzungsregelungen des Sonder- und Gemeinschaftseigentums. Zwar sei ein solcher Beschluss nichtig, wenn er das Sondernutzungsrecht aushöhlen würde, doch sei dies hier nicht der Fall, da nur das Abstellen bestimmter Fahrzeuge untersagt worden sei.
Allerdings verstoße der Beschluss gegen die ordnungsgemäße Verwaltung iSv. § 18 Abs. 2 WEG. Nach § 20 Abs. 2 Nr. 2 WEG bestünde ein individueller Rechtsanspruch von jedem Wohnungseigentümer auf Gestattung von Maßnahmen, die dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge dienen würden. Dieser individuelle Anspruch sei nicht abdingbar und würde durch den Beschluss ins Leere laufen, da zwar der Wohnungseigentümer die Ermöglichung der Installation einer Ladestation erzwingen könne, diese aber nicht nutzen könnte. Selbst wenn man hier eine besondere Brandgefahr durch E-Fahrzeuge bejahen würde, entspräche die Untersagung des Abstellens von E-Fahrzeugen damit nicht ordnungsgemäßer Verwaltung.
Anmerkung: Dieser Rechtsansicht des Amtsgerichts kann nicht zugestimmt werden. Zutreffend, dass zur ordnungsgemäßen Verwaltung notwendig auch die Verwirklichung des gesetzgeberischen Ziels in § 20 Abs. 2 Nr. 2 WEG gehört. Dass durch E-Fahrzeuge eine besondere Brandgefahr ausgeht, ist bekannt, wie auch, dass ein Löschen wie bei herkömmlichen Vergaserfahrzeugen nicht möglich ist. Der Umstand, dass die Tiefgaragen nicht den Anforderungen an diese besondere Gefahr entsprechen, ist nicht explizit im Rahmen des § 20 Abs. 2 Nr. 2 WEG berücksichtigt. Allerdings wird nicht zum Ausdruck gebracht, dass die Lademöglichkeit notwendig in der Tiefgarage gegeben sein muss. Könnte die WEG einen anderen Bereich - alleine zum Laden der Batterien - zur Verfügung stellen, könnte der Anspruch auf eine Ladestation in der Tiefgarage wohl jedenfalls dann versagt werden, wenn zum Laden (wenn auch nicht zum dauerhaften Abstellen) ein anderer Platz zur Verfügung gestellt wird. Für den Fall, dass nur die Tiefgarage bleibt, um eine Ladestation zu installieren, wird man dem Amtsgericht zustimmen müssen. Dies aber hätte wohl zur Konsequenz, dass die WEG das Brandschutzkonzept überprüfen müsste und ggf. durch bauliche Maßnahmen zum Brandschutz ergreift. § 20 Abs. 2 Nr. 2 WEG begründet keinen Rechtsanspruch darauf, dass die Ladestation am Abstellplatz des Fahrzeuges errichtet werden müsset, sondern stellt auch im Rahmen der Entscheidung auf eine ordnungsgemäße Verwaltung ab.
AG Wiesbaden, Urteil vom
04.02.2022 - 92 C 2541/21 -
Aus den Gründen:
Tenor
Der Beschluss
der Eigentümerversammlung vom 24.08.2021 zu TOP 11 wird für ungültig erklärt.
Die Beklagte
hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist
vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil zu vollstreckenden
Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in
Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Beklagte
ist die Wohnungseigentümergemeinschaft A in Wiesbaden. Die Klägerin ist
Eigentümerin des Sondereigentums an einer Erdgeschosswohnung verbunden mit dem
Sondernutzungsrecht an einem Tiefgaragenstellplatz. Die Wohnung der Klägerin
nebst Tiefgaragenstellplatz war zum Zeitpunkt der Klageerhebung vermietet. Der
Mieter nutzte ein Hybrid-Fahrzeug, das er auf dem angemieteten Stellplatz in
der Tiefgarage abstellte. Dieses Mietverhältnis ist zwischenzeitlich beendet.
In der
Eigentümerversammlung am 24.08.2012 beschlossen die Wohnungseigentümer unter
TOP 11 mehrheitlich, dass das Abstellen von E-Autos in der Tiefgarage bis auf
weiteres untersagt wird. Wegen des genauen Wortlauts des Beschlusses wird auf
das Versammlungsprotokoll (Bl. 27 d.A.) Bezug genommen.
Dieser
Beschluss wird von der Klägerin mit der vorliegenden Klage angefochten. Die
Klägerin ist der Auffassung, der Beschluss sei bereits wegen mangelnder
Beschlusskompetenz nichtig. Der Beschluss greife unzulässigerweise in das
Sondernutzungsrecht der Klägerin ein und verstoße gegen das gesetzgeberische
Ziel der Förderung der Elektromobilität.
Die Klägerin beantragt,
den Beschluss
der Eigentümerversammlung vom 24.08.2021 zu TOP 11 für ungültig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage
abzuweisen.
Die Beklagten
sind der Auffassung, die Klägerin besitze für die Anfechtungsklage kein
Rechtsschutzbedürfnis, da das Mietverhältnis mit dem Mieter, der ein
Hybrid-Fahrzeug nutzte, mittlerweile beendet ist. Die Beklagte behauptet, es
bestehe die Gefahr, dass sich die Lithium-Ionen-Batterien, mit den
Elektrofahrzeuge betrieben werden, entzünden. Komme es zu einem Brand, sei die
Dauer des Brandverlaufs länger als bei einem Benzinbrand. Hinzu komme, dass ein
Brand einer solchen Batterie - im Gegensatz zu einem Benzinbrand - nicht mit
Löschschaum gelöscht werden könne. Ein Elektrofahrzeug müsse im Brandfall durch
die Feuerwehr in einen Container gezogen werden, um dort auszubrennen. Das
Hineinfahren mit einem solchen Container sei in der Tiefgarage des Anwesens nicht
möglich. Somit müsste in einem Brandfall das Elektroauto in der Tiefgarage
ausbrennen, was eine nicht hinzunehmende Gefahr für das Gemeinschaftseigentum
darstelle. Somit diene die beschlossene Einschränkung der Nutzung des
Sondernutzungsrechts dem Schutz des Gemeinschaftseigentums und entspreche daher
ordnungsgemäßer Verwaltung.
Wegen des
weiteren Vorbringens der Parteien wird ergänzend auf die gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist
zulässig. Das Amtsgericht Wiesbaden ist gemäß § 43 Abs. 2 Nr. 4
WEG ausschließlich zuständig.
Die Klägerin
besitzt auch das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Da das Anfechtungsrecht
nicht dem persönlichen Interesse des Anfechtenden dient, sondern dem Interesse
aller Wohnungseigentümer auf ordnungsgemäße Verwaltung, muss der anfechtende
Wohnungseigentümer durch den angefochtenen Beschluss nicht persönlich betroffen
sein (s. BGH Beschluss vom 17.07.2003 Az. V ZB 11/03 zitiert nach juris). Somit
lässt die Tatsache, dass das Mietverhältnis mit dem Mieter, der ein
Hybrid-Fahrzeug nutzt, mittlerweile beendet ist, das Rechtsschutzbedürfnis der
Klägerin nicht entfallen.
Die Klage ist
auch begründet.
Die
Anfechtungsklage wurde fristgerecht eingereicht und begründet (§ 45
S. 1 WEG) und demnächst zugestellt (§ 167 ZPO).
Entgegen der
Auffassung der Klägerin ist der angegriffene Beschluss nicht mangels
Beschlusskompetenz nichtig. Gemäß § 19 Abs. 1 WEG besitzen die
Wohnungseigentümer die Beschlusskompetenz Nutzungsregelungen hinsichtlich des
Gemeinschafts- und des Sondereigentums zu treffen. Der angegriffene Beschluss
ist durch diese Beschlusskompetenz gedeckt. Die Klägerin weist zwar zu Recht
darauf hin, dass ein solcher Beschluss über eine Nutzungsregelung nichtig ist,
wenn sie das Sondernutzungsrecht „aushöhlt“ (s. Hügel/Elzer „WEG“ 3. Aufl. 2021
§ 23 Rdnr. 8 Stichwort „Sondernutzungsrecht“), diese Grenze wird jedoch
durch den angegriffenen Beschluss nicht überschritten, da dieser nur das
Abstellen bestimmter Fahrzeuge untersagt, so dass die zweckbestimmte Nutzung
der Sondernutzungsfläche als Pkw-Abstellfläche erhalten bleibt.
Der
angegriffene Beschluss verstößt jedoch gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer
Verwaltung. Mit dem Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz hat der Gesetzgeber
jedem einzelnen Wohnungseigentümer ein individuelles Recht auf die Gestattung
baulicher Maßnahmen, die dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge dienen,
gegeben (§ 20 Abs. 2 Nr. 2 WEG). Dieser individuelle Anspruch,
der nicht abdingbar ist (s. Hügel/Elzer a.a.O. § 20 Rdnr. 188), würde
durch den angegriffenen Beschluss ins Leere laufen. Der einzelne
Wohnungseigentümer könnte zwar die Installation einer Lademöglichkeit
erzwingen, könnte sie jedoch anschließend nicht nutzen. Damit verstößt der
angegriffene Beschluss gegen ein wesentliches gesetzgeberisches Ziel der
WEG-Reform, da die Schaffung von Ladeinfrastruktur die „Triebfeder“ der
WEG-Reform war (so Dötsch/Schultzky/Zschieschack „WEG-Recht 2021“ Kapitel 6
Rdnr. 169) und macht einen individuellen Rechtsanspruch zunichte. Daher
verstößt der angegriffene Beschluss gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer
Verwaltung, selbst wenn man zu Gunsten der Beklagten die behauptete besondere
Brandgefahr von Elektrofahrzeugen als wahr unterstellt.
Die Beklagte
hat die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 91 Abs. 1 ZPO).
Die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708
Nr. 11, 711 ZPO.
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