Der BGH hatte sich in einem
Verfahren der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e.V. (Klägerin) mit deren
Antrag auf Unterlassung von bestimmten Klauseln in den Allgemeinen
Geschäftsbedingungen (AGB) eines Paktdienstleisters gegenüber Verbrauchern auseinanderzusetzen.
Zwei dieser Klauseln sind Gegenstand dieser Darstellung, von denen eine Klausel
für wirksam, die andere Klausel für unwirksam angesehen wurde.
1. Wirksam ist nach Auffassung
des BGH die Klausel 2.3 der AGB:
„Weisungen, die nach Übergabe der Pakete vom Versender
erteilt worden sind, müssen nicht befolgt werden. Die §§ 418 Abs. 1 bis 5 und
419 HGB finden keine Anwendung.“
Das OLG Frankfurt hatte Ergebnis
diese Klausel wegen unangemessener Benachteiligung des Verbrauchers als
unwirksam angesehen. Zutreffend habe das OLG nach Ansicht des BGH die Regelung
unter Klausel 2.3 im Ergebnis als vollständige Abbedingung des Weisungsrechts
des Absenders eingestuft. Anders als vom OLG angenommen, käme es hier nicht auf
die kundenfeindlichste Auslegung an, da schon nach dem klaren Wortlaut ein vollständiger
Ausschluss der in §§ 418, 419 HGB benannten Rechte des Absenders gegeben sei.
Allerdings sei dieser Ausschluss
hier entgegen der Annahme des OLG wirksam. Dies vor dem Hintergrund, dass es
sich bei der in Rede stehenden Besorgung von Paketversendungen um ein Massengeschäft
handele. § 418 Abs. 1 S. 1 HGB eröffne dem Absender die Möglichkeit über das
Gut nach Übergabe an den Frachtführer zu verfügen. So könne er u.a. könne nach
§ 418 Abs. 1 S. 2 HGB verlangen, dass das Gut nicht weiterbefördert wird oder
an einen anderen Bestimmungsort und/oder Empfänger befördert wird. Allerdings
sei der Frachtführer nach diesen Regelungen nur insoweit verpflichtet der Weisung
zu folgen, als deren Ausführung weder Nachteile für den Betrieb seines
Unternehmens noch Schäden für die Absender oder Empfänger anderer Sendungen
bringe (§ 418 Abs. 1 S. 3 HGB) und zudem Ersatz der durch die Weisung entstehenden
Aufwendungen sowie einen Vorschuss darauf verlangen. Ähnliches gelte auch im
Rahmen des § 419 HGB, der eine Nachfrageobliegenheit des Frachtführers
vorsieht.
Durch den Ausschluss der Rechte
nach §§ 418, 419 HGB würde der Verbraucher bei der Versendung von Paketen im
Massengeschäft nicht unangemessen benachteiligt. Eine unangemessene
Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB läge vor, wenn die Bestimmung mit
wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen würde,
nicht zu vereinbaren sei. Sei die Abweichung sachlich gerechtfertigt und der
gesetzliche Schutzzweck anderweitig sichergestellt, läge Unangemessenheit nicht
vor.
Zwar stünde die Regelung in den
AGB im Widerspruch zu § 418 Abs. 1 HGB. Allerdings läge eine sachliche Rechtfertigung
vor. Die Regelungen in §§ 418, 419 HGB seien auf ein praktisches Bedürfnis bei
Transporten längerer Dauer ausgerichtet, bei denen sich während der
Transportdauer des Gutes Veränderungen gegenüber den Umständen bei Absendung ergeben
könnten. Hier allerdings würde ein Massentransport von kurzer Dauer (möglichst
innerhalb von 24 Stunden) zu niedrigen Preisen erfolgen. Daher sei offenkundig,
dass nachträgliche Weisungen bei der Vielzahl von Absendern und der großen
Anzahl von Paketsendungen Nachteile für den Betrieb der Beklagten die Folge
wären und ebenso die Schnelligkeit der Transporte beeinträchtigen würde.
Deshalb sei zur Vereinfachung der Betriebsabläufe der Ausschluss eines nachträglichen
Weisungsrechts geeignet und verhältnismäßig; auch erweise sich eine Befolgung
von nachträglichen Weisungen während des laufenden Beförderungsvorgangs angesichts
der kurzen Beförderungsdauer als tatsächlich nahezu unmöglich. Es würde mit der
Klausel bei dem von der Beklagten betriebenen Pakettransport für jedermann und
Auslegung dieser Transporte auf eine schnelle und kostengünstige Beförderung
nicht in wesentliche Rechte des Verbrauchers eingegriffen, da - im Gegenteil -
die Prüfung von nachträglichen Weisungen den Vertragszweck gefährden würde.
2. Die Klausel 2.5.5
„Hat der Empfänger G. eine Abstellgenehmigung erteilt, gilt
das Paket als zugestellt, wenn es an der in der Genehmigung bezeichneten Stelle
abgestellt worden ist.“
hatte das OLG als wirksam
angesehen. Anders der BGH.
Zwischenanmerkung: Es handelt sich hier nicht
um einen der häufig vorkommenden Fälle, dass der Paktzusteller (ohne dass eine
Einwilligung des Empfängers vorliegt) das Paket vor der Haus-, Wohnungs- oder Geschäftsraumtür
(im Treppenhaus) abstellt, ein leider immer wieder vorkommender Fall. Vielmehr
hat der Empfänger in dem der Klausel zugrunde liegenden Fall dem Paketzusteller
eine bestimmte Stelle angegeben, an der das Paket, wenn er nicht angetroffen
wird, abstellen kann.
Dass das Abstellen des Pakets an
irgendeiner Stelle vor dem Haus oder in einem Mehrparteienhaus unzulässig ist,
bedarf keiner Erörterung. Unabhängig davon hält der BGH aber auch die hier
fragliche Klausel, nach der ein Abstellen an einem mit dem Empfänger
vereinbarten Ort als Zustellung (Zugang) gilt, für unwirksam, da diese Regelung
nach Empfänger nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB entgegen dne Geboten von Treu und
Glauben unangemessen benachteilige.
Die Klausel als solche sei klar
und verständlich und verstoße daher nicht gegen § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Allerdings
würde sie den Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben
unangemessen benachteiligen, da sie nicht vorsähe, dass der Empfänger von der
Bereitstellung des Pakets an der Ablieferungsstelle und dem Zeitpunkt der Abstellung
in Kenntnis gesetzt würde.
Grundsätzlich seien Pakete nach §
3 Nr. 3 S. 1 PUDLV zuzustellen, sofern der Empfänger nicht erklärt habe, dass
er die Sendung abholen wolle. Die Zustellung habe an der in der Anschrift
benannten Wohn- oder Geschäftsadresse durch Aushändigung an den Empfänger oder
einen Ersatzempfänger zu erfolgen, soweit nicht gegenteilige Weisungen des
Absenders oder Empfängers vorlägen (§ 3 Nr. 3 S. 2 PUDLV). Nach § 3 Nr. 3 S. 2
PUDLV würden aber Absender oder Empfänger die Weisung erteilen, dass auch in
anderer Weise als durch persönliche Aushändigung an den Empfänger oder eine empfangsberechtigte
Person an der in der Anschrift genannten Wohn- oder Geschäftsadresse zustellen.
Die Art und Weise der Zustellung
in einem Fall des § 3 Nr. 3 PUDLV sei dort nicht geregelt. Die Zulassung der
Form der Zustellung entspräche grundsätzlich den Interessen des Versenders,
Beförderers und Empfängers, da dies die Zustellung beschleunige und vereinfache.
Sie bedeute aber auch die Gefahr, dass ein Unbefugter die Sendung an sich nehme;
es läge in der Natur der Sache, dass als Abstellort ein allgemein zugänglicher
Ort - da er auch für den Frachtführer erreichbar sein müsse - gewählt würde.
Das Risiko sei dann besonders groß, wenn die Abstellgenehmigung nicht nur für
eine konkrete Lieferung erfolge, sondern für eine Vielzahl von Fällen. In
diesen Fällen müsse gewährleistet werden, dass der Empfänger von einer bestimmten
Sendung erfahre und in Kenntnis gesetzt würde, dass er sie an der in der Genehmigung
benannten Stelle in Besitz nehmen könne. Nur so sei gewährleistet, dass der
Empfänger in der Lage ist, die Sendung bald an sich zu nehmen, bevor es ein unberechtigter
Dritter tut.
Die Erfüllung dieser
Verpflichtung sei der Beklagten auch möglich. Nach der Lebenserfahrung würden
dem Paketzusteller Abstellgenehmigungen elektronisch erteilt, weshalb er in der
Lage sei, auf demselben Weg eine Benachrichtigung dem Empfänger zuzuleiten.
BGH, Urteil vom 07.04.2022
- I ZR 212/ 20 -