Der BGH hatte sich in einem Verfahren der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e.V. (Klägerin) mit deren Antrag auf Unterlassung von bestimmten Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) eines Paktdienstleisters gegenüber Verbrauchern auseinanderzusetzen. Zwei dieser Klauseln sind Gegenstand dieser Darstellung, von denen eine Klausel für wirksam, die andere Klausel für unwirksam angesehen wurde.
1. Wirksam ist nach Auffassung des BGH die Klausel 2.3 der AGB:
„Weisungen, die nach Übergabe der Pakete vom Versender erteilt worden sind, müssen nicht befolgt werden. Die §§ 418 Abs. 1 bis 5 und 419 HGB finden keine Anwendung.“
Das OLG Frankfurt hatte Ergebnis diese Klausel wegen unangemessener Benachteiligung des Verbrauchers als unwirksam angesehen. Zutreffend habe das OLG nach Ansicht des BGH die Regelung unter Klausel 2.3 im Ergebnis als vollständige Abbedingung des Weisungsrechts des Absenders eingestuft. Anders als vom OLG angenommen, käme es hier nicht auf die kundenfeindlichste Auslegung an, da schon nach dem klaren Wortlaut ein vollständiger Ausschluss der in §§ 418, 419 HGB benannten Rechte des Absenders gegeben sei.
Allerdings sei dieser Ausschluss hier entgegen der Annahme des OLG wirksam. Dies vor dem Hintergrund, dass es sich bei der in Rede stehenden Besorgung von Paketversendungen um ein Massengeschäft handele. § 418 Abs. 1 S. 1 HGB eröffne dem Absender die Möglichkeit über das Gut nach Übergabe an den Frachtführer zu verfügen. So könne er u.a. könne nach § 418 Abs. 1 S. 2 HGB verlangen, dass das Gut nicht weiterbefördert wird oder an einen anderen Bestimmungsort und/oder Empfänger befördert wird. Allerdings sei der Frachtführer nach diesen Regelungen nur insoweit verpflichtet der Weisung zu folgen, als deren Ausführung weder Nachteile für den Betrieb seines Unternehmens noch Schäden für die Absender oder Empfänger anderer Sendungen bringe (§ 418 Abs. 1 S. 3 HGB) und zudem Ersatz der durch die Weisung entstehenden Aufwendungen sowie einen Vorschuss darauf verlangen. Ähnliches gelte auch im Rahmen des § 419 HGB, der eine Nachfrageobliegenheit des Frachtführers vorsieht.
Durch den Ausschluss der Rechte nach §§ 418, 419 HGB würde der Verbraucher bei der Versendung von Paketen im Massengeschäft nicht unangemessen benachteiligt. Eine unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB läge vor, wenn die Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen würde, nicht zu vereinbaren sei. Sei die Abweichung sachlich gerechtfertigt und der gesetzliche Schutzzweck anderweitig sichergestellt, läge Unangemessenheit nicht vor.
Zwar stünde die Regelung in den AGB im Widerspruch zu § 418 Abs. 1 HGB. Allerdings läge eine sachliche Rechtfertigung vor. Die Regelungen in §§ 418, 419 HGB seien auf ein praktisches Bedürfnis bei Transporten längerer Dauer ausgerichtet, bei denen sich während der Transportdauer des Gutes Veränderungen gegenüber den Umständen bei Absendung ergeben könnten. Hier allerdings würde ein Massentransport von kurzer Dauer (möglichst innerhalb von 24 Stunden) zu niedrigen Preisen erfolgen. Daher sei offenkundig, dass nachträgliche Weisungen bei der Vielzahl von Absendern und der großen Anzahl von Paketsendungen Nachteile für den Betrieb der Beklagten die Folge wären und ebenso die Schnelligkeit der Transporte beeinträchtigen würde. Deshalb sei zur Vereinfachung der Betriebsabläufe der Ausschluss eines nachträglichen Weisungsrechts geeignet und verhältnismäßig; auch erweise sich eine Befolgung von nachträglichen Weisungen während des laufenden Beförderungsvorgangs angesichts der kurzen Beförderungsdauer als tatsächlich nahezu unmöglich. Es würde mit der Klausel bei dem von der Beklagten betriebenen Pakettransport für jedermann und Auslegung dieser Transporte auf eine schnelle und kostengünstige Beförderung nicht in wesentliche Rechte des Verbrauchers eingegriffen, da - im Gegenteil - die Prüfung von nachträglichen Weisungen den Vertragszweck gefährden würde.
2. Die Klausel 2.5.5
„Hat der Empfänger G. eine Abstellgenehmigung erteilt, gilt das Paket als zugestellt, wenn es an der in der Genehmigung bezeichneten Stelle abgestellt worden ist.“
hatte das OLG als wirksam angesehen. Anders der BGH.
Zwischenanmerkung: Es handelt sich hier nicht um einen der häufig vorkommenden Fälle, dass der Paktzusteller (ohne dass eine Einwilligung des Empfängers vorliegt) das Paket vor der Haus-, Wohnungs- oder Geschäftsraumtür (im Treppenhaus) abstellt, ein leider immer wieder vorkommender Fall. Vielmehr hat der Empfänger in dem der Klausel zugrunde liegenden Fall dem Paketzusteller eine bestimmte Stelle angegeben, an der das Paket, wenn er nicht angetroffen wird, abstellen kann.
Dass das Abstellen des Pakets an irgendeiner Stelle vor dem Haus oder in einem Mehrparteienhaus unzulässig ist, bedarf keiner Erörterung. Unabhängig davon hält der BGH aber auch die hier fragliche Klausel, nach der ein Abstellen an einem mit dem Empfänger vereinbarten Ort als Zustellung (Zugang) gilt, für unwirksam, da diese Regelung nach Empfänger nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB entgegen dne Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteilige.
Die Klausel als solche sei klar und verständlich und verstoße daher nicht gegen § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Allerdings würde sie den Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen, da sie nicht vorsähe, dass der Empfänger von der Bereitstellung des Pakets an der Ablieferungsstelle und dem Zeitpunkt der Abstellung in Kenntnis gesetzt würde.
Grundsätzlich seien Pakete nach § 3 Nr. 3 S. 1 PUDLV zuzustellen, sofern der Empfänger nicht erklärt habe, dass er die Sendung abholen wolle. Die Zustellung habe an der in der Anschrift benannten Wohn- oder Geschäftsadresse durch Aushändigung an den Empfänger oder einen Ersatzempfänger zu erfolgen, soweit nicht gegenteilige Weisungen des Absenders oder Empfängers vorlägen (§ 3 Nr. 3 S. 2 PUDLV). Nach § 3 Nr. 3 S. 2 PUDLV würden aber Absender oder Empfänger die Weisung erteilen, dass auch in anderer Weise als durch persönliche Aushändigung an den Empfänger oder eine empfangsberechtigte Person an der in der Anschrift genannten Wohn- oder Geschäftsadresse zustellen.
Die Art und Weise der Zustellung in einem Fall des § 3 Nr. 3 PUDLV sei dort nicht geregelt. Die Zulassung der Form der Zustellung entspräche grundsätzlich den Interessen des Versenders, Beförderers und Empfängers, da dies die Zustellung beschleunige und vereinfache. Sie bedeute aber auch die Gefahr, dass ein Unbefugter die Sendung an sich nehme; es läge in der Natur der Sache, dass als Abstellort ein allgemein zugänglicher Ort - da er auch für den Frachtführer erreichbar sein müsse - gewählt würde. Das Risiko sei dann besonders groß, wenn die Abstellgenehmigung nicht nur für eine konkrete Lieferung erfolge, sondern für eine Vielzahl von Fällen. In diesen Fällen müsse gewährleistet werden, dass der Empfänger von einer bestimmten Sendung erfahre und in Kenntnis gesetzt würde, dass er sie an der in der Genehmigung benannten Stelle in Besitz nehmen könne. Nur so sei gewährleistet, dass der Empfänger in der Lage ist, die Sendung bald an sich zu nehmen, bevor es ein unberechtigter Dritter tut.
Die Erfüllung dieser Verpflichtung sei der Beklagten auch möglich. Nach der Lebenserfahrung würden dem Paketzusteller Abstellgenehmigungen elektronisch erteilt, weshalb er in der Lage sei, auf demselben Weg eine Benachrichtigung dem Empfänger zuzuleiten.
BGH, Urteil vom 07.04.2022
- I ZR 212/ 20 -
Aus den Gründen:
Tenor
Auf die
Revisionen der Klägerin und der Beklagten wird unter Zurückweisung der
weitergehenden Rechtsmittel das Urteil des 1. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 19. November 2020 teilweise aufgehoben
und wie folgt neu gefasst:
Auf die
Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin wird unter
Zurückweisung der weitergehenden Berufung der Beklagten das Urteil der 24.
Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 24. Oktober 2019 teilweise
abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte
wird unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht
festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis
zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten verurteilt, es zu
unterlassen, nachfolgende oder mit diesen inhaltsgleiche Bestimmungen in ihren
Allgemeinen Geschäftsbedingungen G.
GmbH & Co.
OHG in Verträge mit Verbrauchern über die Beförderung und Ablieferung von
Sendungen einzubeziehen sowie sich auf die Bestimmungen bei der Abwicklung
derartiger Verträge zu berufen:
2.5.5 Hat der
Empfänger G. eine Abstellgenehmigung erteilt, gilt das Paket als zugestellt,
wenn es an der in der Genehmigung bezeichneten Stelle abgestellt worden ist.
...
Im Übrigen wird
die Klage abgewiesen.
Von den Kosten
des Rechtsstreits haben die Klägerin 6/13, die Beklagte 7/13 zu tragen.
Von Rechts
wegen
Tatbestand
Die Klägerin,
die in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragene
Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e.V., ist ein gemeinnütziger
Verbraucherschutzverein.
Die Beklagte
ist ein Paket- und Expressdienstleister, der Paketversendungen besorgt. Für
ihre geschäftliche Tätigkeit im Paketversand verwendet die Beklagte Allgemeine
Geschäftsbedingungen.
Die Klägerin
hält einzelne Klauseln der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten im
Rechtsverkehr mit Verbrauchern für unwirksam und forderte sie mit Schreiben vom
12. Juni 2017 erfolglos zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung
auf.
Die Klägerin
hat beantragt, die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel
zu verurteilen, es zu unterlassen,
nachfolgende
oder mit diesen inhaltsgleiche Bestimmungen in Verträge mit Verbrauchern über
die Beförderung und Ablieferung von Sendungen in ihre Allgemeinen
Geschäftsbedingungen G.
GmbH & Co.
OHG einzubeziehen sowie sich auf die Bestimmungen bei der Abwicklung derartiger
Verträge, geschlossen nach dem 1. April 1977, zu berufen:
2.3 Weisungen,
die nach Übergabe der Pakete vom Versender erteilt worden sind, müssen nicht
befolgt werden. Die §§ 418 Abs. 1 bis 5 und 419 HGB finden keine
Anwendung.
2.5.5 Hat der
Empfänger G. eine Abstellgenehmigung erteilt, gilt das Paket als zugestellt,
wenn es an der in der Genehmigung bezeichneten Stelle abgestellt worden ist.
...
Entscheidungsgründe
5. Die Klausel
in den AGB der Beklagten, die einen Ausschluss des Weisungsrechts des
Versenders (dazu B I 5 a) vorsieht, ist wirksam, die Klausel zur Erteilung
einer Abstellgenehmigung durch den Empfänger (dazu B I 5 b) ist dagegen
unwirksam. Die von der Beklagten in Ziffer 3.1 ihrer AGB vorgesehenen
Beförderungsausschlüsse sind teilweise unwirksam (dazu B I 5 c). Soweit in den
AGB ein Recht der Beklagten zur Öffnung von Paketsendungen (dazu B I 5 d), eine
Kostentragungs- und Schadensersatzpflicht des Versenders (dazu B I 5 e) sowie
ein Haftungsausschluss der Beklagten für Folgeschäden und Folgekosten (dazu B I
5 f) vorgesehen ist, sind die entsprechenden Klauseln unwirksam.
a) Die Revision
der Beklagten wendet sich mit Erfolg gegen die Beurteilung des
Berufungsgerichts, die Regelung in den AGB der Beklagten
2.3
Weisungen, die nach Übergabe der Pakete vom Versender erteilt worden sind,
müssen nicht befolgt werden. Die §§ 418 Abs. 1 bis 5 und 419 HGB
finden keine Anwendung.
sei gegenüber
Verbrauchern unwirksam.
aa) Das
Berufungsgericht hat angenommen, der durch die Beklagte in ihren AGB
vorgesehene Weisungsausschluss sei wegen unangemessener Benachteiligung des
Verbrauchers unwirksam. Die verwendete Formulierung, wonach die Beklagte
Weisungen nicht beachten müsse, sei bei der gebotenen verbraucherfeindlichsten
Auslegung so zu verstehen, dass ein Weisungsrecht des Versenders nicht mehr
bestehe. Zwar sei nach den frachtrechtlichen Vorschriften eine Abbedingung des
nachträglichen Weisungsrechts gemäß § 418 Abs. 1 Satz 1 HGB
grundsätzlich zulässig. Daraus folge jedoch nicht ohne weiteres die
Abdingbarkeit nach dem Maßstab des § 307 BGB. Bereits die gesetzliche
Ausgestaltung des Weisungsrechts in § 418 HGB berücksichtige die Interessen
des Frachtführers hinreichend. Die vollständige und ersatzlose Abbedingung des
Weisungsrechts des Versenders benachteilige demgegenüber den Versender weit
über die gesetzliche Regelung hinaus und verändere einen Grundgedanken der
gesetzlichen Regelung. Es sei nicht ersichtlich, dass die Interessen der
Beklagten an der zügigen Beförderung einer großen Zahl von Paketen zu geringen
Kosten durch die vorhandene gesetzliche Regelung, insbesondere durch § 418
Abs. 1 Satz 3 HGB, nicht hinreichend gewahrt werden könnten. Soweit
der Beklagten die Umsortierung einer Sendung nach Weisung des Versenders wegen
unverhältnismäßig hohen Aufwands an Kosten und Personal nicht möglich sei,
könne sie sich auf diese Vorschrift berufen. Aus dem bloßen Wunsch der
Beklagten, die Notwendigkeit der Durchführung einer Weisung im Einzelfall schon
nicht prüfen zu müssen, ergebe sich keine Widerlegung der gesetzlichen
Vermutung, wonach der Ausschluss einer gesetzlichen Regelung unangemessen sei.
Dass der Beklagten eine Befolgung von Einzelweisungen möglich sei, ergebe sich
aus dem von ihr angebotenen "FlexDeliveryService". Nach der Auswahl
dieses Service durch den Versender könne der Empfänger auf die Zustellung des
Pakets unmittelbar Einfluss nehmen. Diese Beurteilung hält der rechtlichen
Nachprüfung nicht stand.
bb) Das
Berufungsgericht hat die Klausel 2.3 in den AGB der Beklagten im Ergebnis zu
Recht dahin ausgelegt, dass sie das Weisungsrecht gemäß § 418 Abs. 1
bis 5 und § 419 HGB vollständig abbedingt.
(1) Die
Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch das Berufungsgericht ist
revisionsrechtlich in vollem Umfang überprüfbar. Allgemeine
Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn
einheitlich so auszulegen, wie ein verständiger und redlicher Vertragspartner
sie unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise
versteht, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die
des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind.
Ausgangspunkt für eine solche Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in
erster Linie deren Wortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es entscheidend
darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften der
in Rede stehenden Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der
Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner zu beachten ist (BGH,
Urteil vom 4. Juli 2013 - I ZR 156/12, TranspR 2014, 146 Rn. 25 mwN).
Verbleiben nach Ausschöpfung aller in Betracht kommenden
Auslegungsmöglichkeiten Zweifel und sind zumindest zwei Auslegungsergebnisse
rechtlich vertretbar, geht die Unklarheit nach § 305c Abs. 2 BGB zu
Lasten des Verwenders. Dabei ist die kundenfeindlichste Auslegung maßgeblich,
also diejenige Auslegung, die zur Unwirksamkeit der Klausel und zur Anwendung
des dispositiven Rechts führte. Allerdings bleiben solche
Auslegungsmöglichkeiten außer Betracht, die zwar theoretisch denkbar, praktisch
aber fernliegend und daher nicht ernstlich in Betracht zu ziehen sind (BGH,
Urteil vom 29. April 2021 - I ZR 193/20, GRUR 2021, 1290 Rn. 17 = WRP 2021,
1461 - Zugangsrecht des Architekten, mwN).
(2) Danach
hätte das Berufungsgericht nicht auf die verbraucherfeindlichste Auslegung
abstellen dürfen, weil nach Ausschöpfung aller Auslegungsmöglichkeiten angesichts
des klaren und eindeutigen Wortlauts der in Rede stehenden Klausel nicht
mindestens zwei Auslegungsergebnisse rechtlich vertretbar sind, sondern nur ein
Auslegungsergebnis in Frage kommt. Die vom Berufungsgericht vorgenommene
Auslegung ist die einzig mögliche Auslegung und ersichtlich zutreffend. Sie
wird von der Revision der Beklagten auch nicht angegriffen.
cc) Diese
vollständige Abbedingung des Weisungsrechts des Versenders gegenüber
Verbrauchern ist bei der hier in Rede stehenden Besorgung von Paketversendungen
im Massengeschäft wirksam.
(1) Nach
§ 418 Abs. 1 Satz 1 HGB ist der Absender berechtigt, über das
Gut zu verfügen. Er kann nach § 418 Abs. 1 Satz 2 HGB
insbesondere verlangen, dass der Frachtführer das Gut nicht weiterbefördert
oder es an einem anderen Bestimmungsort, an einer anderen Ablieferungsstelle
oder an einen anderen Empfänger abliefert. Der Frachtführer ist nur insoweit
zur Befolgung solcher Weisungen verpflichtet, als deren Ausführung weder
Nachteile für den Betrieb seines Unternehmens noch Schäden für die Absender
oder Empfänger anderer Sendungen mit sich zu bringen droht. Er kann vom
Absender Ersatz seiner durch die Ausführung der Weisung entstehenden
Aufwendungen sowie eine angemessene Vergütung verlangen; der Frachtführer kann die
Befolgung der Weisung von einem Vorschuss abhängig machen (§ 418
Abs. 1 Satz 3 und 4 HGB). Nach § 418 Abs. 2 Satz 1 und
2 HGB erlischt das Verfügungsrecht des Absenders nach Ankunft des Gutes an der
Ablieferungsstelle und geht auf den Empfänger über. Hat der Empfänger in
Ausübung seines Verfügungsrechts die Ablieferung des Gutes an einen Dritten
angeordnet, so ist dieser nicht berechtigt, seinerseits einen anderen Empfänger
zu bestimmen (§ 418 Abs. 3 HGB). Ist ein Frachtbrief ausgestellt und
von beiden Parteien unterzeichnet worden, so kann der Absender sein
Verfügungsrecht nur gegen Vorlage der Absenderausfertigung des Frachtbriefs
ausüben, sofern dies im Frachtbrief vorgeschrieben ist (§ 418 Abs. 4
HGB). Nach § 418 Abs. 5 HGB hat der Frachtführer denjenigen, der die
Weisung gegeben hat, unverzüglich zu benachrichtigen, wenn er beabsichtigt,
eine ihm erteilte Weisung nicht zu befolgen. Nach § 419 Abs. 1 HGB
hat der Frachtführer bei Beförderungs- und Ablieferungshindernissen Weisungen
einzuholen, bei deren Befolgung ihm Ansprüche auf Ersatz seiner Aufwendungen
sowie eine angemessene Vergütung zustehen, wenn das Hindernis nicht in seinem
Risikobereich liegt. Tritt das Beförderungs- oder Ablieferungshindernis ein,
nachdem der Empfänger auf Grund seiner Verfügungsbefugnis nach § 418 HGB
die Weisung erteilt hat, das Gut an einen Dritten abzuliefern, so nimmt bei der
Anwendung des § 419 Abs. 1 HGB der Empfänger die Stelle des Absenders
und der Dritte die des Empfängers ein (§ 419 Abs. 2 HGB). Falls der
Frachtführer Weisungen, die er nach § 418 Abs. 1 Satz 3 HGB
befolgen müsste, nicht in angemessener Zeit erlangen kann, hat er
gegebenenfalls Maßnahmen zu ergreifen, die im Interesse des
Verfügungsberechtigten die besten zu sein scheinen (§ 419 Abs. 3
HGB). Hierfür hat er nach § 419 Abs. 4 HGB Anspruch auf Ersatz der
erforderlichen Aufwendungen und auf angemessene Vergütung, es sei denn, dass
das Hindernis seinem Risikobereich zuzurechnen ist.
(2) Verbraucher
werden durch den Ausschluss dieser Regelungen in den AGB der Beklagten, die die
Versendung von Paketen im Massengeschäft besorgt, nicht im Sinne von § 307
Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB unangemessen
benachteiligt.
Nach § 307
Abs. 2 Nr. 1 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel
anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der
gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Der
Verstoß der Allgemeinen Geschäftsbedingungen gegen das gesetzliche Leitbild
führt im Zweifel zu deren Unwirksamkeit. Anderes gilt, wenn die
Leitbildabweichung sachlich gerechtfertigt ist und der gesetzliche Schutzzweck
auf andere Weise sichergestellt wird (BGH, Urteil vom 7. März 2013 - VII ZR
162/12, NJW 2013, 1431 Rn. 26 mwN).
Der von der
Beklagten vorgesehene vertragliche Ausschluss des nachträglichen Weisungsrechts
des Absenders steht mit § 418 Abs. 1 HGB in Widerspruch. Es kann
offenbleiben, ob den Regelungen in den §§ 418 und 419 HGB allgemein
Leitbildfunktion für das Frachtrecht zukommt und ob sie durch eine Vereinbarung
der Frachtvertragsparteien modifiziert werden können (vgl. hierzu
MünchKomm.HGB/Thume, 4. Aufl., § 418 Rn. 4). Jedenfalls wäre die
Leitbildabweichung vorliegend sachlich gerechtfertigt. Für die Regelungen in
den §§ 418 und 419 HGB besteht ein praktisches Bedürfnis bei einem
Transport von längerer Dauer, bei dem sich während der Zeit des Transports des
Guts Veränderungen gegenüber den Umständen bei dessen Absendung ergeben können
(Koller, Transportrecht, 10. Aufl., § 418 HGB Rn. 1). Die Beklagte besorgt
demgegenüber den Massentransport von Paketen bei kurzer Beförderungsdauer -
möglichst innerhalb von 24 Stunden - zu niedrigen Preisen. Es liegt auf der
Hand, dass die Prüfung von nachträglichen Weisungen bei einer Vielzahl von
Absendern und einer großen Anzahl von Paketsendungen Nachteile für den Betrieb
der Beklagten zur Folge haben und die Schnelligkeit der von ihr besorgten
Transporte beeinträchtigen würde. Der Ausschluss des nachträglichen
Weisungsrechts ist daher zur Vereinfachung der Betriebsabläufe geeignet und
verhältnismäßig. Demgegenüber erweist sich eine Befolgung nachträglicher
Weisungen während des laufenden Beförderungsvorgangs angesichts der kurzen
Beförderungsdauer als tatsächlich nahezu unmöglich (LG Köln, Urteil vom 15. Mai
2019 - 26 O 343/18, juris Rn. 35).
(3) Verbraucher
werden durch den Ausschluss des nachträglichen Weisungsrechts des Absenders
auch nicht im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2
Nr. 2 BGB unangemessen benachteiligt.
Nach § 307
Abs. 2 Nr. 2 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel
anzunehmen, wenn eine Bestimmung wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich
aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des
Vertragszwecks gefährdet ist. Allerdings wird im Schrifttum die Ansicht
vertreten, dass ein formularvertraglicher Ausschluss jeglichen Weisungsrechts
im Frachtrecht nach dieser Vorschrift unwirksam sei (vgl. Staub/Schmidt, HGB,
5. Aufl., § 418 Rn. 58; MünchKomm.HGB/Thume aaO § 418 Rn. 4). Diese
Ansicht trifft jedenfalls nicht auf entsprechende Klauseln von Dienstleistern
zu, die wie die Beklagte den Pakettransport für jedermann besorgen. Solche
Transporte sind auf eine schnelle und kostengünstige Beförderung ausgelegt.
Nicht der Ausschluss des nachträglichen Weisungsrechts des Absenders, sondern
im Gegenteil die Prüfung von nachträglichen Weisungen würde diesen
Vertragszweck gefährden.
b) Die Revision
der Klägerin wendet sich mit Erfolg gegen die Beurteilung des
Berufungsgerichts, die von der Beklagten verwendete Klausel
2.5.5 Hat
der Empfänger G. eine Abstellgenehmigung erteilt, gilt das Paket als
zugestellt, wenn es an der in der Genehmigung bezeichneten Stelle abgestellt
worden ist.
sei wirksam.
Diese Klausel benachteiligt Verbraucher im Sinne von § 307 Abs. 1
Satz 1 BGB entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und ist
deshalb unwirksam.
aa) Das
Berufungsgericht hat angenommen, zwar sei eine Bestimmung in den AGB eines
Frachtführers, durch die dieser sich ausbedinge, die Sendung statt an den
vertragsgemäßen Empfänger auch an dessen Nachbarn zustellen zu dürfen, gemäß
§ 307 BGB unwirksam. Es werde für erforderlich erachtet, dass dem
Empfänger eine Benachrichtigung über eine solche Ersatzzustellung zukomme. Die
hier in Rede stehende Abstellgenehmigung betreffe aber nicht den Fall einer
Ersatzzustellung. Sie sei inhaltlich als Willenserklärung des Empfängers zu
verstehen, wonach die Ware bei Ablieferung an der in der Genehmigung
bezeichneten Stelle auch ohne persönliche Aushändigung an den Empfänger oder
eine empfangsberechtigte Person abgestellt werden könne. Sie stelle damit eine
zulässige Form der Zustellung gemäß § 3 Nr. 3
Post-Universaldienstleistungsverordnung (PUDLV) dar. Soweit die beanstandete
Klausel formuliere, dass die Ware damit als zugestellt gelte, formuliere sie
eine Rechtsfolge der Abstellgenehmigung und keine Fiktion. Damit versetze der
Frachtführer den Empfänger in die Lage, die tatsächliche Gewalt über das Gut
auszuüben. Hänge das Ende der vertragsgemäßen Beförderung des Transportguts vom
Empfänger selbst ab, seien Rechte des Absenders nicht dadurch beeinträchtigt,
dass eine vorab eingeholte Erklärung des Empfängers über die Art und Weise der
Zustellung auch als Erfüllung ihm gegenüber wirke. Diese Beurteilung ist nicht
frei von Rechtsfehlern.
bb) Die Klausel
ist allerdings - entgegen der Ansicht der Revision der Klägerin - nicht gemäß
§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB wegen fehlender Klarheit und
Verständlichkeit unwirksam.
Nach den für
die Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen geltenden Maßstäben (dazu
oben Rn. 21) wahrt die angegriffene Klausel die Transparenzanforderungen. Aus
ihr geht zweifelsfrei hervor, dass für den Fall der Erteilung einer
Abstellgenehmigung sämtliche Rechtsfolgen der Zustellung mit dem Abstellen des
Pakets an der in der Genehmigung bezeichneten Stelle eintreten sollen, ohne
dass die Beklagte weitere Handlungen vorzunehmen hätte, wie etwa die von der
Revision der Klägerin für erforderlich gehaltene Benachrichtigung des
Empfängers über die erfolgte Abstellung. Die Voraussetzungen (eine vom Empfänger
erteilte Abstellgenehmigung und das Abstellen des Pakets an der in der
Genehmigung bezeichneten Stelle) sowie die daran anknüpfende Rechtsfolge (dass
das Paket als zugestellt gilt) sind in der Klausel eindeutig beschrieben.
cc) Die
Revision der Klägerin macht jedoch mit Erfolg geltend, die Klausel
Nr. 2.5.5 verstoße gegen das Verbot, den Vertragspartner entgegen den
Geboten von Treu und Glauben unangemessen zu benachteiligen, weil sie nicht
vorsieht, dass der Empfänger von der Bereitstellung des Pakets an der
Ablieferungsstelle und dem Zeitpunkt der Abstellung in Kenntnis gesetzt wird.
(1) Das
Berufungsgericht hat allerdings mit Recht angenommen, dass es sich bei der von
der Beklagten in der Klausel 2.5.5 vorgesehenen Form der Zustellung von Paketen
um eine Zustellung handelt, die nach § 3 Nr. 3 PUDLV grundsätzlich
zulässig ist. Nach § 3 Nr. 3 Satz 1 PUDLV sind Pakete
zuzustellen, sofern der Empfänger nicht erklärt hat, dass er die Sendungen
abholen will. Die Zustellung hat an der in der Anschrift genannten Wohn- oder
Geschäftsadresse durch persönliche Aushändigung an den Empfänger oder einen
Ersatzempfänger zu erfolgen, soweit keine gegenteilige Weisung des Absenders
oder Empfängers vorliegt (§ 3 Nr. 3 Satz 2 PUDLV). Wie sich aus
§ 3 Nr. 3 Satz 2 PUDLV ergibt, kann der Absender oder der
Empfänger die Weisung erteilen, eine Paketsendung in anderer Weise als durch
persönliche Aushändigung an den Empfänger oder eine empfangsberechtigte Person
an der in der Anschrift genannten Wohn- oder Geschäftsadresse zuzustellen.
(2) § 3
Nr. 3 PUDLV legt aber nicht fest, in welcher Weise die Zustellung in einem
solchen Fall zu erfolgen hat. Die Revision macht mit Erfolg geltend, dass sich
die Beklagte dadurch, dass sie sich im Fall der Erteilung einer
Abstellgenehmigung durch den Empfänger nicht verpflichtet, den Empfänger von
der erfolgten Abstellung zu unterrichten, einseitig von sämtlichen Risiken
freizeichnet, die diese Form der Zustellung birgt, und den Interessen von
Absender und Empfänger nicht im gebotenen Umfang Rechnung trägt.
Die Zulassung
dieser Form der Zustellung entspricht grundsätzlich den Interessen des
Versenders, des Beförderers wie auch des Empfängers von solchen Sendungen,
mithin aller Beteiligten, weil sie die Zustellung beschleunigt und vereinfacht.
Es liegt jedoch auf der Hand, dass diese Form der Zustellung die Gefahr birgt,
dass Sendungen nach dem Abstellen durch den Frachtführer von Unbefugten an sich
genommen werden. Es liegt in der Natur der Sache, dass der Empfänger eine
Abstellgenehmigung nur für solche Orte erteilen kann, die für den Frachtführer
- und damit auch für Dritte - frei zugänglich sind. Dadurch entsteht das
Risiko, dass die Sendung nach der Abstellung durch den Frachtführer entwendet
wird. Dieses Risiko ist besonders groß, wenn die Abstellgenehmigung nicht nur
für eine konkrete Sendung, sondern im Voraus generell für eine Vielzahl von
Sendungen erteilt wird. Gerade in solchen Fällen ist nicht gewährleistet, dass
der Empfänger von einer bestimmten Sendung erfährt und davon in Kenntnis gesetzt
wird, dass er sie durch das Aufsuchen der in der Genehmigung bezeichneten
Stelle in Besitz nehmen und dem Zugriff Unbefugter entziehen kann. Diesem
Risiko kann nur dadurch begegnet werden, dass der Empfänger vom Frachtführer
über die erfolgte Abstellung informiert und damit in die Lage versetzt wird,
die Sendung bald an sich zu nehmen, bevor es hierzu nicht berechtigte Dritte
tun (vgl. zum Erfordernis einer Benachrichtigung des Empfängers bei einer
Zustellung an einen Ersatzempfänger OLG Köln, WRP 2011, 1492 [juris Rn. 14]).
(3) Die
Erfüllung einer solchen Benachrichtigungspflicht ist der Beklagten möglich.
Nach der Lebenserfahrung werden dem Paketzusteller Abstellgenehmigungen vom
Empfänger elektronisch erteilt, so dass die Beklagte in der Lage ist, auf
demselben Weg eine entsprechende Benachrichtigungspflicht gegenüber dem
Empfänger zu erfüllen. Eine umgehende Benachrichtigung ist der Beklagten auch
zumutbar. Die Beklagte macht nicht geltend, dass es für sie einen übermäßigen
Aufwand erfordern würde, dem Empfänger der Sendung eine entsprechende
Benachrichtigung zu übermitteln. Hierfür ist auch nichts ersichtlich.
...
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