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Mittwoch, 11. Mai 2022

Wann unterfällt das Gesellschaftsverhältnis einer (nicht eingetragenen) OHG dem Recht der GbR ?

Nicht jede offene Handelsgesellschaft (OHG, § 105 HGB) ist tatsächlich im Rechtsinn eine solche, sondern kann auch nur eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR, § 705 BGB) sein. Das OLG musste sich anlässlich einer Ausschließungsklage eines Gesellschafters (§ 140 Abs. 1 HGB) einer unter Bezeichnung R & M OHG OHG damit auseinandersetzen, da für die GbR zur Ausschließung keine Ausschließungsklage zu erheben ist, sondern dies von den Gesellschaftern zu beschließen (§ 737 BGB) ist (wobei dieser Beschluss gerichtlich angegriffen werden kann).

Kläger und Beklagter waren Gesellschafter der M& R OHG, die nicht im Handelsregister eingetragen war. Sie betrieb ein Naturfreundehaus als Veranstaltungslokal für Events (Seminare, Hochzeitsfeiern u.a.).  Nachdem der Beklagte in der Nähe eine Blockhütte zum Betreib eines entsprechendes Eventlokals anmietet, erhob der Kläger Ausschließungsklage nach § 140 Abs. 1 HGB. Das Landgericht gab der Klage statt. Die Berufung des Beklagten hatte Erfolg, da das Oberlandesgericht (OLG) die R & M OKG als eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach § 705 BGB einstufte, bei der die Ausschließung eines Gesellschafters nicht mittels einer Ausschließungsklage zu erfolgen hat, sondern mittels eines Gesellschafterbeschlusses (§ 737 BGB).

Nicht entscheidend ist, wie die Gesellschaft firmiert, d.h. dass sie hier in der von ihr verwandten Firmierung des Gesellschaftsstatus einer OHG angab. Dies ergab sich bereits aus dem Umstand, dass die Gesellschaft nicht im Handelsregister eingetragen war, wie es § 107 HGB vorsieht. Auf die OHG finden die Vorschriften über die Gesellschaft bürgerlichen Rechts nur insoweit Anwendung, soweit nicht in den §§ 105 ff HGB zur OHG abweichendes geregelt ist. Vor diesem Hintergrund prüfte das OLG zutreffend, ob für die Gesellschaft das Recht der Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach §§ 705 ff BGB oder jenes der OHG nach §§ 105 ff HGB anzuwenden ist, also tatsächlich eine Ausschließungsklage erhoben werden konnte, da bei der GbR der Gesellschafter nicht durch Gerichtsurteil (Ausschließungsklage), sondern nur durch Gesellschafterbeschluss (§ 737 BGB) ausgeschlossen werden kann.

Grundlage der Überlegung des OLG war, dass es sich bei der OHG ebenso wie bei der GbR um eine Gesellschaft handelt, bei der die Haftung der Gesellschafter nicht beschränkt ist, aber die OHG ein Handelsgewerbe betreibt (§ 105 HGB). Eine GbR, die ein Handelsgewerbe betreibt, ist qua gesetzlicher Definition in § 105 HGB eine offene Handelsgesellschaft, und umgekehrt eine (jedenfalls nicht eingetragene) OHG, die keine solches betreibt, eine GbR. Damit wäre die Ausschließungsklage nach § 140 HGB nur zulässig, wenn die Gesellschaft ein Handelsgewerbe betreibt. Die Legaldefinition für ein Handelsgewerbe entnahm das OLG § 1 Abs. 2 HGB, demzufolge ein Handelsgewerbe jedes Gewerbe ist, es sei denn, es erfordert keine kaufmännische Einrichtung.

Grundsätzlich sei die vorliegende Vermietung einer Lokalität zum Zwecke der Gewinnerzielung ein Gewerbe. Damit spräche die gesetzliche Vermutung dafür, dass es sich um ein Handelsgewerbe handele, weshalb der Beklagte die Darlegungs- und Beweislast trage, dass es sich nicht um ein solches handelt, da er sich darauf berief, dass die Regelung des § 140 HGB zur Ausschließungsklage nicht greift.

Im Hinblick darauf prüfte das OLG die einzelnen Umstände, die für bzw. gegen ein Handelsgewerbe im konkreten Fall sprachen.

Die Gesellschaft verfügte über kein Personal, was gegen das Erfordernis einer kaufmännischen Einrichtung spräche.  Zur Kapitalstruktur stellte das OLG fest, dass die Gesellschaft ohne Fremdkapital arbeitete und das Anlagevermögen mit einer Geschirrspülmaschine, einem Laubbläser, einem Pkw und einem „Sammelposten“ im Wert von € 891,00 überschaubar sei und auch keine kaufmännische Einrichtung erfordere. Zur Lagerhaltung stellte es fest, dass die Käufe sich im dreistelligen, selten im vierstelligen Bereich bewegt hätten, die Kunden zwar Getränke von der Gesellschaft erwerben konnten (weshalb sich der Anlieferverkehr auf Getränke beschränke, die Verköstigung im Übrigen über einen Caterer erfolge, weshalb hier für Veraltung des Getränkelagers auch keine kaufmännische Einrichtung erforderlich sei. Da auch keine weiteren Leistungen neben der Zurverfügungstellung der Räume und Getränke nicht angeboten worden seien (allenfalls der Caterer unter Vermittlung der Gesellschaft), sei das Angebot nicht vielfältig sondern überschaubar, was eher gegen das Erfordernis einer kaufmännischen Einrichtung spräche. Da auch das Werbevolumen meist nur zweistellige Beträge ausweise, erfordere dies auch keine kaufmännische Einrichtung. Auch die klägerseits benannte Internetpräsenz ließe keinen Rückschluss auf eine Kaufmannseigenschaft zu, auch wenn „heutzutage jeder Kaufmann im Internet präsent sei“, da man für den Internetauftritt nur PC und Internetzugang benötige (den notwendigen Provider benennt das OLG nicht, doch dürfte es darauf auch nicht ankommen). Die Kundenzahl von 706 (auch mit namhaften Firmen), bei der auch nicht ersichtlich sei, dass es sich um Stammkunden handeln würde, sei nicht entscheidend, da die Vermietung bedinge, dass immer nur ein Kunde pro Zeiteinheit buchen könne und von daher auch keine kaufmännische Einrichtung erforderlich sei. Es würde kein schriftlicher Gesellschaftsvertrag existieren, keine ausdrücklichen Regelungen über die Vertretungsmacht (sondern nur eine konkludente Einigung zur Einzelvertretung durch stillschweigende Handhabung), keine Prokuristen (was mangels Eintragung im Handelsregister auch nicht möglich ist) und keine Bevollmächtigten bestellt sein, was für ein kaufmännisches Unternehmen untypisch sei.

Als Resümee fasste das OLG zusammen, dass allenfalls die Kundenzahl und die Umsatzzahl in den Grenzbereich eines Handelsgewerbes fallen würden, wobei die Buchführungspflicht aus steuerlichen Gründen nichtssagend sei. Kapitalstruktur, fehlende Angestellte und das überschaubare Angebot der Gesellschaft würden hingegen eindeutig gegen die Notwendigkeit einer kaufmännischen Einrichtung sprechen. Es würde sich der Eindruck aufdrängen, dass die Gesellschafter den Geschäftsbetrieb möglichst schlank halten wollten und möglichst viel in Eigenregie bzw. durch Fremddienstleister erledigen wollten. Von daher wurde die Gesellschaft vom OLG als GbR und nicht als OHG angesehen, weshalb eine Ausschließungsklage unzulässig war.

OLG München, Urteil vom 19.01.2022 - 7 U 3250/20 -