Freitag, 28. August 2015

Mietrecht: Wirtschaftlichkeit bei Anmietung in neuem Einkaufszentrum und Vertragsgrundlage

Einkaufszentren werden weiterhin gebaut, sei in Innenstädten, an Stadträndern oder gar „auf der grünen Wiese“. Ihr Schicksal ist ungewiss: Wird das Einkaufszentrum vom Verbraucher angenommen und – wenn ja – wie lange dauert es ? Damit geht der Mieter ein wirtschaftliches Risiko ein. Für dieses wirtschaftliche Risiko ist aber in der Regel nicht der Vermieter haftbar. In Auseinandersetzung mit der Entscheidung des BGH vom 19.07.2000 – XII ZR 176/98 bestätigt das OLG Koblenz in seiner Entscheidung die Entscheidung des BGH, , wonach der Vermieter für das Ausbleiben des erwarteten Kundentroms verantwortlich sein kann. Der Entscheidung des BGH lag eine Klausel im Mietvertrag zugrunde, derzufolge die Vermieterin die Aufgabe der Organisation eines objektbezogenen Center-Managements übernommen hatte, wodurch „die Voraussetzungen und Grundlagen für den wirtschaftlichen Erfolg des Objekts geschaffen und gefördert werden“ sollten. In dem vom OLG Koblenz entschiedenen Fall fehlte es an einer solchen oder ähnlichen Formulierung. Es fehle in dem Vertrag jeder Hinweis auf eine (zugesagte) bestimmte Kundenfrequenz. Auch war nicht eine bestimmte Werbemaßnahme (durch den Vermieter) vorgesehen. Auch aus den Vertragsverhandlungen ließe sich dies nicht entnehmen. Da das Einkaufszentrum neu war, wie der Mieter wusste, sei auch die Behauptung des Mieters lebensfremd, eine bestimmte Kundenfrequenz, für die es schließlich keine Erfahrungswerte geben könne, sei zugesagt worden. Auch soweit der beklagte Mieter auf den Abschluss eines Vertrages mit einem Dritten zur Centerwerbung hinweise, ließe sich daraus nichts herleiten, da der Dritte nicht Erfüllungsgehilfe des klagenden Vermieters sei.



OLG Koblenz, Beschluss vom 14.04.3015 – 5 U 1483/14 -

Datenschutz: Auskunftspflicht zur Adresse eines Mitpatienten

Bild: pixabay
Wie weit reicht Datenschutz ? Damit musste sich der BGH in seinem Urteil vom 09.07.2015 auseinandersetzen. Hintergrund war das Verlangen eines Patienten an die von ihm verklagte Klinikleitung , ihm die Anschrift eines Mitpatienten zu offenbaren. Zur Begründung behauptete er eine Körperverletzung durch diesen Mitpatienten. Die Klinikleitung verweigerte die Offenlegung der Anschrift und berief sich dafür auf §§ 203 StGB, 32, 35 LKHG M-V.


Der Klage wurde stattgegeben. Weder datenschutzrechtliche Vorschriften noch des Strafnorm des § 203 StGB würden dem Auskunftsbegehren entgegenstehen. Zwar sei der Träger der Klinik zum Schutz der Patientendaten verpflichtet. Doch würde dies nicht gelten, wenn die Weitergabe zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leben, körperliche Unversehrtheit, persönliche Freiheit des Patienten oder eines Dritten erforderlich ist und diese Rechtsgüter das Geheimhaltungsinteresse des Patienten überwiegen, § 35 Abs. 1 Nr. 3 LKHG M-V. Der BGH sieht darin auch die Möglichkeit des Klägers gewahrt, von dem Mitpatienten Schadensersatz zu begehren; die sprachliche Anpassung an § 34 StGB gebiete die Abwägung der widerstreitenden Interessen. Der Begriff der persönlichen Freiheit sei weit auszulegen. Bei dieser gebotenen Interessensabwägung überwiege das Schadensersatz gegenüber dem Mitpatienten begehrende Interesse des Klägers , auch wenn nicht feststünde, ob der Mitpatient die vom Kläger behauptete Körperverletzung begangen hat. Ohne Bekanntgabe der Anschrift könne der Kläger von Vornherein nicht einmal den angeblich Verantwortlichen haftbar machen. Die besonders sensiblen (und nach §§ 32ff LKHG M-V geschützten Daten (wie Krankheitsverlauf, Vorerkrankungen, Dauerschäden pp wären nicht betroffen; der Datenschutz diene nicht dazu, die Anonymität des Krankenhauses für schädigende Handlungen zu nutzen und damit faktisch den Geschädigten rechtlos zu stellen.

Nach dieser Entscheidung des BGH sind die Anschrift (und wohl auch Name) eines Patienten einem Mitpatienten herauszugeben, wenn dieser eine Schädigung durch den Mitpatienten behauptet.


BGH, Urteil vom 09.07.2015 – III ZR 329/14 -

Freitag, 21. August 2015

Dienstbarkeit für im Handelsregister gelöschte juristische Person

Häufig belasten Dienstbarkeiten Grundbücher. Sie werden eingetragen, um Dritten  - aus welchen Gründen auch immer -  bestimmte Rechte einzuräumen. Ihre Löschung bedarf grundsätzlich der Bewilligung des Berechtigten. Was aber ist, wenn dieser Berechtigte nicht mehr existiert, wie bei einer im Handelsregister gelöschten Gesellschaft ? In dem vom OLG München zu beurteilenden Fall war für die A-AG eine Grunddienstbarkeit eingetragen. Außerhalb des Grundbuchs trat die B-AG die Gesamtrechtsnachfolge der A-AG an und wollte, nachdem die A-AG bereits im Jahr 2010 im Handelsregister gelöscht war, eine Berichtigung auch im Grundbuch bewirken. Demgegenüber wollte der Eigentümer die Löschung mit der Begründung, die A-AG sei nicht mehr existent.

Die Eintragung wurde auf die B-AG umgeschrieben. Der Eigentümer unterlag. Das OLG München wies darauf hin, dass mit Löschung des Berechtigten das Recht nicht untergegangen sei. Es stelle sich unabhängig von der Frage eines Vermögenswertes als eine formale Rechtsposition dar, weshalb es zur Löschung einer solchen in Ansehung der Bewilligung des Berechtigten insoweit einer Nachtragsliquidation bedürfe. Die nachgewiesene Löschung stelle mithin nicht den Nachweis dar, dass die Gesellschaft nicht mehr existiere  und das Recht deshalb untergegangen sei.

Die Dienstbarkeit kann auch (noch) auf den jetzigen Berechtigten (infolge der Gesamtrechtsnachfolge) umgeschrieben werden. Der (hier vom Eigentümer eingewandten) Verjährung unterlägen nur Ansprüche, § 194 BGB. Dabei handelt es sich um das Recht (die Befugnis) von einem anderen ein bestimmtes Tun oder Unterlassen zu verlangen. Die Dienstbarkeit als absolutes dingliches Recht (hier Nutzung des Grundstücks für eine Transformatorenstation) verlangt aber kein Tun oder Unterlassen eines Dritten, sondern sichert nur eine bestehende Rechtsposition, die übertragbar ist und nicht der Verjährung unterliegt. 

OLG München, Beschluss vom 10.03.2015 - 34 Wx 467/14 -

Mittwoch, 19. August 2015

Kündigung trotz leerstehender Alternativwohnung

Dass der Vermieter wegen Eigenbedarfs eine Wohnung kündigen kann, ist unbestritten. Doch hat er dabei auch auf den Mieter nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) Rücksicht zu nehmen. Hat er nämlich eine freie Alternativwohnung im selben Gebäude oder Wohnblock, so muss er diese dem Mieter anbieten.

Die Anbietung der Alternativwohnung muss während der laufenden Kündigungsfrist erfolgen. Zwar ist, so das LG Berlin, der Vermieter grundsätzlich in seiner Entscheidung frei, welche Wohnung er selbst nutzen will und mithin nicht selbst auf die leere Wohnung zu verweisen. Da aber die Kündigung erheblich in die Lebensführung des Mieters eingreift, ist er gehalten, diesen Eingriff so weit möglich abzumildern. Steht im selben Haus oder Wohnblock eine der gekündigten Wohnung vergleichbare Wohnung zur Verfügung, hat er diese dem Mieter anzubieten (so bereits BGH vom 13.10.2010 – VIII ZR 78/10 -). Der Umstand geringfügiger Abweichungen der anderen Wohnung rechtfertigt nicht das Unterlassen, da es letztlich Sache des Mieters ist, ob er dies in Kauf nehmen will (BGH aaO.).

Erfolgt erst im Rahmen der Räumungsklage, also nach Ablauf der Kündigungsfrist, ein Angebot und wird dieses abgelehnt (hier mit der zusätzlichen Angabe, in der Rückschau wäre die Anmietung nicht ausgeschlossen gewesen), führt dies nicht zu einer Unbeachtlichkeit der unterbliebenen Anbietung. Das LG Berlin hat offen gelassen, ob eine Anbietung auch erfolgen müsse, wenn von vornherein fest stünde, dass der Mieter die Alternativwohnung nicht nehmen würde; hier jedenfalls war die Anbietung verfristet und von daher die Kündigung unwirksam.


LG Berlin, Urteil vom 16.04.2015 – 67 S 14/15a -

Sonntag, 16. August 2015

Der Steuerberater muss nicht über zivilrechtliche Regressmöglichkeiten informieren

Steuerberater werden, aus welchen Gründen auch immer, häufig von Mandanten gewechselt. Neue Steuerberater müssen dabei teilweise in „Altfällen“ tätig werden, d.h. solchen, die sein Vorgänger bereits bearbeitet bzw. begonnen hatte. Dabei kann es ohne weiteres vorkommen, dass er Mängel in der Bearbeitung durch seinen Vorgänger feststellt, auch solche, die nicht mehr änderbar sind. So geschehen in einem Fall, der letztlich auch vom BGH zu entscheiden war.


Der (neue) Steuerberater hatte die Vertretung des Mandanten in einem Einspruchsverfahren gegen einen Steuerbescheid übernommen. Der Einspruch wurde letztlich zurückgenommen. Nunmehr machte der Mandant gegen den neuen Steuerberater Schadensersatz in Höhe von € 223,328,50 mit der Begründung geltend, dieser habe ihn nicht innerhalb der Verjährungsfrist auf einen möglichen Regress gegen seinen früheren Steuerberater hingewiesen.

Die Klage wurde abgewiesen; die Revision des Mandanten blieb erfolglos.

Der BGH stellt darauf ab, dass das Mandat auf das Steuerverwaltungs- und finanzgerichtliche Verfahren gerichtet ist und ein Steuerberater, anders als ein Rechtsanwalt, grundsätzlich auch bei umfassender Mandatierung nicht zu Hinweisen auf zivilrechtliche Regressmöglichkeiten verpflichtet ist. Während der Anwalt zur umfassenden Vertretung in allen Richtungen verpflichtet sei, sei der Steuerberater nur verpflichtet, die steuerlichen Interessen des Mandanten umfassend wahrzunehmen. Die Entscheidung des Mandanten, einen Steuerberater und nicht einen Rechtsanwalt zu beauftragen beruhe darauf, dass er sich gerade die besonderen steuerlichen Fachkenntnisse des Steuerberaters zu nutze machen will. Auf eine umfassende zivilrechtliche Beratung könne er daher nicht vertrauen.


BGH, Urteil vom 07.05.2015 – IX ZR 186/14 -

Freitag, 14. August 2015

Vertragsabschluss: Die Bedeutung eines Angebots und die Fristen

Gegenständlich war der Abschluss einer Zusatzvereinbarung zu einem Mietvertrag.


Die Vermietergesellschaft hatte dem Mieter eine „Zusatzvereinbarung“, nicht unterzeichnet, zugesandt. Ob darin bereits ein rechtsgültiges Angebot liegt, welches vom Mieter nur noch anzunehmen ist, ist nach §§ 133, 157 BGB zu ermitteln, Da auf Vermieterseite die vorgesehene Vereinbarung nicht unterzeichnet war, könne es, so das LG Berlin, nur als Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes durch den Mieter (invitatio ad offerendum) angesehen werden. Dies schloss das Landgericht zudem aus dem Umstand, dass im Anschreiben ausdrücklich auf die fehlende Unterschrift des Geschäftsführers der Vermietgesellschaft (Beklagte) verwiesen wurde und angemerkt wurde, erst mit dessen Unterschrift käme die Vereinbarung zustande.

Die Mieterin (Klägerin) unterzeichnete die ihr zugesandte „Zusatzvereinbarung“ und sandte sie zurück. Die Vermietgesellschaft sandte einige Monate später dann das von ihr rechtsverbindlich unterschriebene Exemplar an die Mieterin zurück. Damit aber wurde die Zusatzvereinbarung nicht wirksam. Das Landgericht verweist auf § 146 BGB: Ein Angebot erlischt, wenn es dem Antragenden (hier Mieterin) gegenüber abgelehnt oder nicht rechtzeitig nach §§ 147ff BGB angenommen wird. Hier jedenfalls fehlte es an einer rechtzeitigen Annahme durch die Beklagte. Ein Angebot ist nach § 147 BGB (bei Annahme gegenüber einem Abwesenden) innerhalb der Frist anzunehmen, wie der Antragende nach den regelmäßigen Umständen mit einem Eingang rechnen kann. Das Angebot vom November wurde allerdings erst eingehend im Februar des Folgejahres angenommen. Die Zeitspanne von zwei Monaten überschreitet die zu erwartende Frist für die Annahme eines Angebotes auf Abänderung eines Mietvertrages, so das Landgericht.


Anmerkung: In der verspäteten Annahme kann ein neues Angebot (jetzt von der Vermieterseite) gesehen werden. Dieses hätte die Mieterin, was wohl nicht erfolgte, dann auch unverzüglich (§ 147 BGB) annehmen können, was wohl nicht erfolgte.  

LG Berlin, Urteil vom 28.04.2015 - 67 S 470/14 -

Dienstag, 11. August 2015

Schadensersatz bei Vollstreckung aus nicht rechtskräftigen Urteilen

Aus vorläufig vollstreckbaren Urteilen kann die Vollstreckung betrieben werden, unabhängig davon, ob es sich um Versäumnisurteile oder die Instanz abschließende Urteile handelt. Was aber ist, wenn das Urteil abgeändert wird, die Klage ganz oder teilweise abgewiesen wird ? In diesem Fall steht dem Vollstreckungsschuldner ein Schadensersatzanspruch zu, § 717 Abs. 2 ZPO; diese Vorschrift gilt allerdings nicht für Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Angelegenheiten (§§ 717 Abs. 3 iVm. 708 Nr. 10 ZPO), es sei denn, es handelt sich hier um ein Versäumnisurteil. Während bei der Fallvariante der §§  717 Abs. 3 iVm. § 708 Nr. 10 ZPO auf Antrag des Beklagten (der auch im gleichen Verfahren gestellt werden kann) zur Rückzahlung des Gezahlten/Geleisteten nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung (§ 812 BGB)  zu verurteilen ist, § 717 Abs. 3 Satz 2f, hat der Beklagte im übrigen nach § 717 Abs. 2 ZPO einen Schadensersatzanspruch. Der Schadensersatzanspruch nach § 717 Abs. 2 ZPO geht weiter als der Anspruch nach § 717 Abs. 3 ZPO, da der Beklagte in diesem Fall auch die Kosten der Vollstreckungsmaßnahme, die er tragen musste. Ersetzt verlangen kann.

In seinem Urteil vom 25.06.2015 hat der BGH die Berechnung des Schadensersatzanspruchs dargelegt (unter B. III. der Urteilsgründe). Der dortige Beklagte hatte auf das vorläufig vollstreckbare Urteil 1. Instanz € 220.879,99 gezahlt. Dem Kläger standen allerdings lediglich € 114.808,79 zuzüglich Rechtshängigkeitszinsen (5%-Punkte über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage, § 291 BGB), die sich hier bis zur Zahlung auf € 63.618,72 summierten. Darüberhinaus hatte der Beklagte dem Kläger die Vollstreckungskosten gem. § 788 ZPO mit € 730,15 (Anwaltsgebühren und Gerichtsvollzieherkosten) erstattet, weshalb er einen vom BGH zuerkannten Schadensersatzanspruch in Höhe von € 179.167,30 hatte. Dieser Anspruch ist vom Kläger seit Zustellung der Widerklage (auf Schadensersatz nach § 717 Abs. 2 ZPO) mit 5%-Punkten über dem Basiszinssatz (§ 291 BGB) zu verzinsen.


BGH, Urteil vom 25.06.2015 – VII ZR 220/14 -