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Sonntag, 4. August 2024

Qualifizierte und nicht qualifizierte Signatur sowie Risiken bei Versendung durch Dritte

Sowohl der BGH (Beschluss vom 28.02.2024 - IX ZB 30/23 -) wie auch der BFH (Beschluss vom 28.06.2024 - I B 21/23 (AdV) -) mussten sich mit der Frage auseinandersetzen, ob das Rechtsmittel (BGH: Berufung; BFH: Beschwerde) zulässig war, insoweit in beiden Fällen nicht der im jeweiligen Schriftsatz am Ende benannte Rechtsanwalt (BGH) bzw. Steuerberater (BFH) den jeweiligen Schriftsatz über sein besonderes elektronisches Anwaltspostfach (BGH) bzw. besonderes elektronisches Steuerberaterpostfach (BFH) versandte, sondern ein anderer Rechtsanwalt (BGH) bzw. Steuerberater (BFH) aus der gleichen Sozietät, im Fall des BGH mit qualifizierter elektronischer Signatur, im Fall des BFH ohne qualifizierte Signatur aus seinem elektronischen Postfach versandte. Der BGH nahm ein zulässiges Rechtsmittel an, der BFH sah hier ein unzulässiges Rechtsmittel.

1. Die Entscheidungen:

a) Im Fall des BGH legitimierte sich für den Beklagten die Rechtsanwaltssozietät G. (der der Beklagte angehörte) und wurde die Berufungsschrift von dem Beklagten einfach signiert (maschinenschriftliche Namensangabe mit Zusatz „Rechtsanwalt“) allerdings nicht von diesem, sondern dem der Sozietät angehörenden Rechtsanwalt J. qualifiziert elektronisch signiert und über dessen elektronisches Anwaltspostfach (beA) dem Gericht übermittelt. Das Berufungsgericht verwarf die Berufung als unzulässig.

Die dagegen erhobene Rechtsbeschwerde war erfolgreich. Die Berufungsschrift sei fristgerecht eingegangen, da die qualifizierte elektronische Signatur des RA J. ausreichend gewesen sei. Es fehle – entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – nicht an einem nach außen in Erscheinung tretenden fehlenden Bindeglied zwischen der auf den Namen des Beklagten lautenden einfachen Signatur und der qualifizierten Signatur des RA J. § 130 Abs. 3 S. 1 ZPO verlange, dass das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person oder von dieser signiert würde; die einfache Signatur sei ausreichend, wenn der einfach signierende Rechtsanwalt den Schriftsatz selbst über den sicheren Übermittlungsweg (hier: beA) nach § 130a Abs. 4 ZPO übermittle. Würde der Schriftsatz mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen, entsprächen deren Rechtswirkung unmittelbar denen einer handschriftlichen Unterschrift gem. § 130 Nr. 6 ZPO. Der das Dokument mit qualifizierter elektronischer Signatur einreichende Rechtsanwalt übernehme für dessen Inhalt – ebenso wie bei einer handschriftlichen Unterschrift – die Verantwortung.

Nicht schädlich sei, dass am Schluss des Dokuments ein anderer Rechtsanwalt als derjenige stünde, der qualifiziert signiert habe. Unter Verweis auf seine Rechtsprechung zu §§ 520 Abs. 5, 130 Nr. 6 ZPO machte der BGH deutlich, dass eine Identifizierung des Urhebers des Schriftsatzes im Anwaltsprozess nicht bedeute, dass der Schriftsatz notwendig von dem bevollmächtigten Rechtsanwalt selbst verfasst werden müsse. Maßgeblich sei stets gewesen, dass der bevollmächtigte Rechtsanwalt den gegebenenfalls von einem anderen Rechtsanwalt formulierten Schriftsatz nach eigener Prüfung genehmige und unterschreibe, wobei im Zweifel angenommen werden konnte, dass der Unterzeichner mit der Unterschrift auch die Verantwortung für den bestimmenden Schriftsatz übernehme. Es habe auch keines klarstellenden Zusatzes (wie „für“) bedurft. Denn durch die Unterzeichnung ließe sich entnehmen, dass er anstelle des Verfassers die Unterschrift leiste und damit als weiterer Hauptbevollmächtigter oder Unterbevollmächtigter auftrete. Dies gelte auch für den elektronischen Rechtsverkehr. Die qualifizierte elektronische Signatur entspräche der Unterschrift.

Danach unterläge es keinem Zweifel, dass RA J. als sozietätsangehöriger und damit vom Beklagten beauftragter Rechtsanwalt diesen mit Anbringung seiner qualifizierten elektronischen Signatur habe vertreten wollen und zugleich iSv. § 130a Abs. 3 S. 1 Fall 1 ZPO die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes seines Kollegen, den dieser verfasst und nur einfach signiert hatte, übernehmen wollte.

b) Im Fall des BFH stritten die Parteien um die gewerbesteuerliche Behandlung von Dividenden. Neben einen Einspruch gegen einen Bescheid des Finanzamtes ließ die Antragstellerin bei dem Finanzgericht einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) nach § 69 Abs. 3 S. 1 FGO stellen. Das Finanzgericht wies den Antrag zurück, wogegen die Antragstellerin (die vom Finanzgericht zugelassene) Beschwerde erhob. Der BFH wies die Beschwerde als unzulässig zurück.

Dabei stellte der BFH auf § 52a Abs. 1 FGO ab und führte zur Bedeutung der qualifizierten elektronischen Signatur deren Bedeutung unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BGH vom 28.02.204 aus. Allerdings sah es die Zulässigkeit der Beschwerde als nicht gegeben an.

Dabei stellte der BFH darauf ab, dass „die Unterschrift auf dem Schriftsatz“ mit einfacher Signatur versehen gewesen sei und vom Steuerberater E. stamme, während die Übermittlung über das besondere Steuerberaterpostfach (beSt) der Steuerberaterin F. erfolgte. Zwar waren beide Sterberater Partner der prozessbevollmächtigten Steuerberaterkanzlei. Doch war dies nach dem BFH nicht ausreichend. Der durch den sicheren Übermittlungsweg ausgewiesene Absender sei nicht identisch mit der Person, die durch ihre Unterschrift die Verantwortung für den Schriftsatz übernommen habe, weshalb die Beschwerde nicht wirksam eingereicht worden sei.

2. Weitergehende Hinweise:

Der BFH verwies in seiner Entscheidung auf die o.g. Entscheidung des BGH. Der Unterscheid liegt darin, dass im Fall des BGH der übermittelnde Rechtsanwalt den bestimmenden Schriftsatz qualifiziert elektronisch signierte, was hier nicht erfolgte. Garde durch die qualifizierte Signatur konnte der BGH davon ausgehen, dass der mit qualifizierter Signatur das Schriftstück über sein elektronisches Postfach versendende Anwalt der Sozietät als Haupt- oder Unterbevollmächtigter auftritt und die Verantwortung für den Schriftsatz übernehmen wollte.  Mangels einer qualifizierten Signatur der Steuerberaterin war diese Annahme im Fall des BFH nicht möglich.

Befindet sich eine (grundsätzlich ausreichende) einfache Signatur auf dem (bestimmenden) Schriftsatz, ist darauf zu achten, dass bei Versendung über das elektronische Postfach (sei es beA, beSt oder auf einem anderen sicheren Übermittlungsweg) derjenige, der weiterleitet, qualifiziert signiert.

In diesem Zusammenhang darf noch auf folgende Entscheidungen verwiesen werden:

a) Der BGH hat im Rahmen einer Revision in einer Strafsache mit Beschluss vom 18.10.2022 - 3 StR 262/22 - die Revision als unzulässig verworfen. Die Revisionsschrift war von dem zum Pflichtverteidiger bestellten Strafverteidiger (grundsätzlich zulässig) nur maschinenschriftlich signiert. Doch wurde sie nicht von ihm aus seinem  besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) versandt, sondern – mit qualifizierter Signatur – von einem anderen, am Verfahren nicht beteiligten Rechtsanwalt, der weder Pflichtverteidiger des Angeklagten noch allgemeiner Vertreter des Pflichtverteidiger (§ 53 Abs. 2 S. 1 BRAO) war und auch keine Vollmacht des Angeklagten als Wahlverteidiger hatte. In diesem Fall wäre aufgrund der Singularität der vorliegenden Vollmacht selbst dann die Revision zu verwerfen gewesen, wenn der qualifiziert signierende Rechtsanwalt Sozietätsmitglied einer Sozietät mit dem Pflichtverteidiger gewesen wäre.

b) Gründe für eine Wiedereinsetzung hatte der BFH in dem oben benannten Verfahren nicht gesehen und ausgeführt, die Antragstellerin habe Gelegenheit gehabt, dazu vorzutragen, was nicht erfolgt sei.

Hierzu ist der Beschluss des BAG vom 14.09.2020 - 5 AZB 23/20 - von Interesse, mit dem dieses den Beschluss des Landesarbeitsgericht, mit dem die Berufung als unzulässig verworfen wurde, aufhob und Wiedereinsetzung gewährte. Die Berufungsschrift war in diesem Fall nicht nur nicht qualifiziert signiert gewesen (was grundsätzlich nicht erforderlich ist, liegt nicht z.B.  eine Ausnahme wie oben im Fall des BGH vor), sondern es fehlte auch eine einfache Signatur. Das angefochtene Urteil war am 21.02.2019 zugestellt worden, die Berufungsschrift aus dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) am 20.03.2019 dem Landesarbeitsgericht (LAG) zugeleitet. Mit Verfügung vom 21.03.2019, 14:02 Uhr, teilte der Vorsitzende den Zugang der Berufungsschrift vom Vortag und das Aktenzeichen mit. Nachdem der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Berufungsbegründung fristgerecht (und ordnungsgemäß mit einfacher Signatur) eingereicht hatte, wies das LAG auf den Mangel in der Berufungsschrift hin. In der Folge verwarf das LAG die Berufung unter Zurückweisung des zeitlich rechtzeitig gestellten Wiedereinsetzungsantrages.

Die dagegen eingelegte Beschwerde hatte Erfolg. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) ließ auf sich beruhen, ob ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten vorlag, da eine Kausalität für die Verfristung nicht festgestellt werden könne. Es sei ein faires Verfahren zu gewährleisten (Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips, Art. 2 Abs. 1 GG iVm. Art, 20 Abs. 3 GG). Aus eigenen Fehlern des Gerichts dürften keine konkreten prozessualen Nachteile für die Partei abgeleitet werden. Zwar gäbe es keine generelle Pflicht der Gerichte, die Formalien eines elektronischen Dokuments sofort zu prüfen. Hier aber sei nach der zeitlichen Folge ein Hinweis möglich gewesen, habe doch nach dem Eingang des Dokuments am 20.03.2019 noch ein voller Tag bis 24:00 Uhr zur Einreichung einer prozessordnungsgemäßen Berufungsschrift zur Verfügung gestanden. Bereits zum Zeitpunkt der Verfügung des Vorsitzenden durch Signierung um 14:02 Uhr am, 21.03.2019 war dem Vorsitzenden ersichtlich, dass die Berufungsschrift nicht ordnungsgemäß signiert war. Es hätte der Prozessbevollmächtigte informiert werden müssen und können. Ohne besondere Anstrengung hätte dies telefonisch oder mittels Telefax erfolgen können. Damit war Wiedereinsetzung zu gewähren.

Es lohnt sich also in entsprechenden Fällen Einsicht in die Gerichtsakte zu nehmen, um die zeitlichen Folgen und Möglichkeiten  festzustellen.

c) Insgesamt empfiehlt es sich, neben der einfachen Signatur auch qualifiziert elektronisch zu signieren.  

BGH, Beschluss vom 28.02.2024 – IX ZB 30/23 -

BFH, Beschluss vom 28.06.2024 – I B 41/23 (AdV) -

Freitag, 17. März 2017

Schweigepflicht und Entbindung durch Insolvenzverwalter

Die vom OLG Zweibrücken zu entscheidende Frage stellt sich leider immer wieder: Da war der zur Berufsverschwiegenheit verpflichtete Steuerberater, der sowohl für die Gesellschaft als auch deren angeklagten Geschäftsführer und faktischen Geschäftsführer tätig war. Die Wirtschaftsstrafkammer des LG Kaiserslautern wollte nun den Steuerberater als Zeugen vernehmen. Die Angeklagten erteilten keine Entbindungserklärung von der den Steuerberater treffenden Schweigepflicht, wohl aber der Insolvenzverwalter. Dir Vorsitzende der Strafkammer vertrat die Auffassung, die Aussagegenehmigung durch den Insolvenzverwalter sei ausreichend und erlegte dem Steuerberater, der sich gleichwohl weigerte eine Aussage zu machen, ein Ordnungsgeld von € 500,00 auf. Gegen den Beschluss legte der Steuerberater Beschwerde ein. Erfolgreich. Das OLG hob den Beschluss auf.

Nach Auffassung des OLG lagen die Voraussetzungen für den Ordnungsgeldbeschluss nach § 70 Abs. 1 stopp nicht vor, da dem Steuerberater nach § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StPO ein Zeugnisverweigerungsrecht zur Seite gestanden habe. Eine hinreichende Entbindung von einer Verschwiegenheitspflicht habe nicht vorgelegen. Zu berücksichtigen sei, dass die dem Steuerberater bekannt gewordenen Tatsachen über die GmbH durch das Verhalten ihrer formellen oder faktischen Organe bestimmt wurde und in Bezug auf das Strafverfahren wegen Umsatzsteuerhinterziehung deren persönliche Verantwortlichkeit betreffen. Da von der Verschwiegenheitspflicht nur derjenige entbinden kann, zu dessen Gunsten die Schweigepflicht des § 53 StPO begründet wurde, wäre es auch auf die hier verweigerte Entbindung durch die Angeklagten angekommen. Es musste notwendig auch ein Vertrauensverhältnis zu den Organen oder faktischen Organen bestehen, da es sich auch um die mandatierenden natürlichen Personen gehandelt habe. Da für eine Straftat der Täter selbst verantwortlich sei, handele es sich nicht um einen nur vom Insolvenzbeschlag erfasstes vermögenswertes Geheimnis, sondern gleichzeitig um ein Geheimnis des Täters.


OLG Zweibrücken, Beschluss vom 08.12.2016 – 1 Ws 334/16 -

Sonntag, 16. August 2015

Der Steuerberater muss nicht über zivilrechtliche Regressmöglichkeiten informieren

Steuerberater werden, aus welchen Gründen auch immer, häufig von Mandanten gewechselt. Neue Steuerberater müssen dabei teilweise in „Altfällen“ tätig werden, d.h. solchen, die sein Vorgänger bereits bearbeitet bzw. begonnen hatte. Dabei kann es ohne weiteres vorkommen, dass er Mängel in der Bearbeitung durch seinen Vorgänger feststellt, auch solche, die nicht mehr änderbar sind. So geschehen in einem Fall, der letztlich auch vom BGH zu entscheiden war.


Der (neue) Steuerberater hatte die Vertretung des Mandanten in einem Einspruchsverfahren gegen einen Steuerbescheid übernommen. Der Einspruch wurde letztlich zurückgenommen. Nunmehr machte der Mandant gegen den neuen Steuerberater Schadensersatz in Höhe von € 223,328,50 mit der Begründung geltend, dieser habe ihn nicht innerhalb der Verjährungsfrist auf einen möglichen Regress gegen seinen früheren Steuerberater hingewiesen.

Die Klage wurde abgewiesen; die Revision des Mandanten blieb erfolglos.

Der BGH stellt darauf ab, dass das Mandat auf das Steuerverwaltungs- und finanzgerichtliche Verfahren gerichtet ist und ein Steuerberater, anders als ein Rechtsanwalt, grundsätzlich auch bei umfassender Mandatierung nicht zu Hinweisen auf zivilrechtliche Regressmöglichkeiten verpflichtet ist. Während der Anwalt zur umfassenden Vertretung in allen Richtungen verpflichtet sei, sei der Steuerberater nur verpflichtet, die steuerlichen Interessen des Mandanten umfassend wahrzunehmen. Die Entscheidung des Mandanten, einen Steuerberater und nicht einen Rechtsanwalt zu beauftragen beruhe darauf, dass er sich gerade die besonderen steuerlichen Fachkenntnisse des Steuerberaters zu nutze machen will. Auf eine umfassende zivilrechtliche Beratung könne er daher nicht vertrauen.


BGH, Urteil vom 07.05.2015 – IX ZR 186/14 -