Gegenständlich war der Abschluss
einer Zusatzvereinbarung zu einem Mietvertrag.
Die Vermietergesellschaft hatte
dem Mieter eine „Zusatzvereinbarung“, nicht unterzeichnet, zugesandt. Ob darin
bereits ein rechtsgültiges Angebot liegt, welches vom Mieter nur noch
anzunehmen ist, ist nach §§ 133, 157 BGB zu ermitteln, Da auf Vermieterseite
die vorgesehene Vereinbarung nicht unterzeichnet war, könne es, so das LG
Berlin, nur als Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes durch den Mieter (invitatio ad offerendum) angesehen
werden. Dies schloss das Landgericht zudem aus dem Umstand, dass im Anschreiben
ausdrücklich auf die fehlende Unterschrift des Geschäftsführers der
Vermietgesellschaft (Beklagte) verwiesen wurde und angemerkt wurde, erst mit
dessen Unterschrift käme die Vereinbarung zustande.
Die Mieterin (Klägerin)
unterzeichnete die ihr zugesandte „Zusatzvereinbarung“ und sandte sie zurück.
Die Vermietgesellschaft sandte einige Monate später dann das von ihr
rechtsverbindlich unterschriebene Exemplar an die Mieterin zurück. Damit aber
wurde die Zusatzvereinbarung nicht wirksam. Das Landgericht verweist auf § 146
BGB: Ein Angebot erlischt, wenn es dem Antragenden (hier Mieterin) gegenüber
abgelehnt oder nicht rechtzeitig nach §§ 147ff BGB angenommen wird. Hier
jedenfalls fehlte es an einer rechtzeitigen Annahme durch die Beklagte. Ein
Angebot ist nach § 147 BGB (bei Annahme gegenüber einem Abwesenden) innerhalb
der Frist anzunehmen, wie der Antragende nach den regelmäßigen Umständen mit
einem Eingang rechnen kann. Das Angebot vom November wurde allerdings erst
eingehend im Februar des Folgejahres angenommen. Die Zeitspanne von zwei
Monaten überschreitet die zu erwartende Frist für die Annahme eines Angebotes
auf Abänderung eines Mietvertrages, so das Landgericht.
Anmerkung: In der
verspäteten Annahme kann ein neues Angebot (jetzt von der Vermieterseite)
gesehen werden. Dieses hätte die Mieterin, was wohl nicht erfolgte, dann auch
unverzüglich (§ 147 BGB) annehmen können, was wohl nicht erfolgte.
LG Berlin, Urteil vom 28.04.2015 - 67 S 470/14 -
Aus den Gründen
Tenor
- Auf die Berufung der Beklagten wird das am 5. November 2014 verkündete Urteil des Amtsgerichts Mitte - 7 C 356/13 - unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin teilweise abgeändert.
- Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 489,45 EUR nebst Zinsen in Höhe 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18. August 2013 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
- Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz hat die Klägerin 3/5 und die Beklagte 2/5 zu tragen. Die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz hat die Klägerin zu tragen.
- Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
- I.
- Von der Darstellung der tatbestandlichen Feststellungen wird abgesehen, §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO.
- II.
- Die Berufung der Beklagten ist begründet, die der Klägerin unbegründet.
- Die auf die Verurteilung von 860,42 EUR nebst Zinsen beschränkte Berufung der Beklagten ist begründet. Der vom Amtsgericht zuerkannte Zahlungsanspruch steht der Beklagten gemäß den §§ 280, 281 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht zu. Danach kann der Gläubiger unter den Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 BGB Schadensersatz statt der Leistung verlangen, soweit der Schuldner die fällige Leistung nicht oder nicht wie geschuldet erbringt und er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, auch wenn die Beklagte die von der Klägerin geforderte Räumung und Herausgabe des “Berliner Zimmers” verweigert hat.
- Die Beklagte war zur Räumung und Herausgabe des “Berliner Zimmers” an die Klägerin nicht verpflichtet. Die streitgegenständliche Wohnung umfasste aufgrund des zwischen den Parteien im Oktober 2002 geschlossenen Mietvertrages drei Zimmer und damit auch das von der Beklagten weiterhin innegehaltene “Berliner Zimmer”.
- Eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung, durch die die Parteien das “Berliner Zimmer” der Nachbarwohnung zugeschlagen und den Sollzustand der an die Beklagten vermieteten Wohnung entsprechend beschränkt hätten, ist in der Folge nicht zustande gekommen. Sie liegt insbesondere nicht in der unter dem 25. November 2010 kläger- und unter dem 24. November 2010 beklagtenseits unterzeichneten “Zusatzvereinbarung”.
- Der Mietvertrag selbst kommt ebenso wie einen diesen abändernde Vereinbarung durch Angebot und Annahme zustande, § 151 Satz 1 BGB (vgl. BGH, Urt. v. 14. Juli 2004 - XII ZR 68/02, NJW 2004, 2962 Tz. 32). Daran fehlt es vorliegend. Übersendet der Vermieter einen zuvor von ihm unterschriebenen Vertragsentwurf an den Mieter zur Unterschrift, handelt es sich um ein Angebot, dessen Annahme der Mieter durch seine Unterschrift erklären kann (vgl. BGH, a.a.O.). Bei dem der Beklagten zur Unterschrift überlassenen Formular zur Abänderung des bereits bestehenden Mietvertrages fehlte jedoch eine Unterschrift der Klägerin, so dass es sich dabei im Lichte der Auslegungsparameter der §§ 133, 157 BGB um kein Angebot, sondern lediglich um eine sog. invitatio ad offerendum handelte, mit der der Erklärende für den Fall des Einverständnisses des Vertragspartners noch nicht vertraglich gebunden sein möchte, sondern sich seinerseits eine zum Vertragsschluss führende Annahmeerklärung erst noch vorbehält (vgl. Bork, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2010, § 145 Rz. 3 m.w.N.). Dieses bereits selbständig tragende Auslegungsergebnis entspricht dem für die Auslegung ergänzend heranzuziehenden Selbstverständnis der Klägerin, die mit Schreiben vom 17. Januar 2011 erklären ließ, dass Vereinbarungen mit ihr erst nach Unterzeichnung durch ihren geschäftsführenden Gesellschafter zustande kämen und Bindungswirkung “für den Vermieter” entfalteten. Dass diese Äußerung zeitlich erst nach dem von der Klägerin behaupteten Abschluss der Vereinbarung gefallen ist, ändert an ihrer Beachtlichkeit für die Auslegung nichts. Denn das spätere Verhalten der Parteien ist zumindest als Indiz für die Auslegung von Bedeutung (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urt. v. 6. Juli 2005 - VIII ZR 136/04, NJW 2005, 3205 Tz. 29).
- Davon ausgehend lag noch nicht mit Zugang des von der Klägerin übersandten ununterschriebenen Vertragsformulars bei der Beklagten, sondern erstmals mit Zugang des von der Beklagten am 24. November 2010 unterzeichneten - und zuvor von ihr mit einer inhaltlich Änderung versehenen - Vertragsformulars bei der Klägerin ein Angebot zur Abänderung des zwischen den Parteien bestehenden Mietverhältnisses vor. Dieses Angebot indes ist gemäß § 146 BGB erloschen, ohne das es zuvor von der Klägerin angenommen worden wäre.
- Gemäß § 146 BGB erlischt ein Angebot, wenn es dem Antragenden gegenüber abgelehnt oder wenn es diesem gegenüber nicht nach den §§ 147 bis 149 BGB rechtzeitig angenommen wird. So lag der Fall hier: Entweder hat die Klägerin das Angebot in Übereinstimmung mit dem - von ihr in Abrede gestellten - Vortrag der Beklagten durch die Zeugin X gemäß § 146 Alt. 1 BGB ausdrücklich ablehnen lassen. Oder aber die Klägerin hat das Angebot der Beklagten selbst in dem Fall, das zuvor keine wirksame Ablehnung erklärt worden sein sollte, zumindest nicht rechtzeitig angenommen, § 146 Alt. 2 BGB. Der einem Abwesenden gemachte Antrag kann nur bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden, in welchem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf. Dabei sind die dem Annehmenden einzuräumende Überlegens- und Entscheidungsfrist sowie die ebenfalls in die Annahmefrist mit einzuberechnenden Zeitspanne für die Dauer der Übermittlung von Antrag und Annahme zu berücksichtigen (BGH, Urt. v. 2. November 1995 - X ZR 135/93, NJW 1996, 919, 921).
- Gemessen an diesen Grundsätzen durfte die Beklagte am 1. Februar 2011, dem Tag des Zugangs des von dem geschäftsführenden Gesellschafter der Klägerin unter dem 25. November 2010 gegengezeichneten Vertragsexemplars, nicht mehr mit der Annahme ihres Angebotes vom 24. November 2010 rechnen. Denn eine Zeitspanne von über zwei Monaten überschreitet die unter regelmäßigen Umständen zu erwartende Frist für die Annahme eines Angebotes auf Abänderung eines (Wohnraum-)Mietvertrages bei Weitem.
- Dahinstehen konnte, ob und unter welchen Voraussetzungen die Annahme eines Angebotes auch durch konkludentes Handeln, etwa durch Bewirken oder Entgegennahme der Leistung erfolgen kann (vgl. dazu Ellenberger, in: Palandt, BGB, 74. Auf. 2015, § 147 Rz. 2 m.w.N.). Eine konkludente Annahme kann von der Klägerin frühestens durch die - von der Beklagten bestrittene und nach ihrem unwidersprochenen Vortrag weder akustisch noch visuell wahrgenommene - Aufnahme von Rückbauarbeiten in der Nachbarwohnung am 17. Januar 2011 erklärt worden sein. Aber auch zu diesem, knapp zwei Monate nach Abgabe ihres Angebotes liegenden Zeitpunkt durfte die Beklagte unter regelmäßigen Umständen nicht mehr davon ausgehen, dass ihr Angebot vom 24. November 2010 noch angenommen werden würde. Aus denselben Erwägungen vermag die Klägerin auch aus dem Zusammentreffen der Parteien am 24. Januar 2011 in der Wohnung der Beklagten keine konkludente Angebotsannahme herzuleiten. Davon abgesehen diente dieser Termin nach dem unwiderlegten Vortrag der Beklagten allein dem im Ergebnis gescheiterten Versuch des erstmaligen wirksamen Abschlusses einer den Mietvertrag abändernden Vereinbarung.
- Die Annahme des von der Beklagten unterbreiteten Angebotes war auch nicht ausnahmsweise gemäß § 151 Satz 1 BGB entbehrlich, da die Beklagte auf eine Annahme weder ausdrücklich noch stillschweigend verzichtet hatte und eine Annahmeerklärung nach der Verkehrsitte auch zu erwarten war. Eine auf die Erklärung der Annahme verzichtende Verkehrssitte besteht - mit Ausnahme hier nicht in Betracht zu ziehender vertraglicher Sonderkonstellationen - grundsätzlich nur bei unentgeltlichen Zuwendungen und Rechtsgeschäften, die für den Antragsteller lediglich vorteilhaft sind (BGH, Urt. v. 14. Oktober 2003 - XI ZR 101/02, NJW 2004, 287 Tz. 18). An diesen Ausnahmevoraussetzungen indes fehlte es hier.
- Da eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung der Parteien, die die Beklagte zur Räumung und Herausgabe des “Berliner Zimmers” verpflichtet hätte, auch zu einem sonstigen Zeitpunkt nicht wirksam zustande gekommen ist, begründet die unterlassene Räumung und Herausgabe keine Pflichtverletzung, so dass Schadensersatzansprüche der Klägerin schon dem Grunde nach ausscheiden. Anders als dem in der Sache erfolgreichen Rechtsmittel der Beklagten war der allein gegen die Höhe des vom Amtsgericht zuerkannten Schadensersatzes gerichteten Berufung der Klägerin bereits deshalb der Erfolg versagt.
- Die Entscheidung über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 91 Abs. 1, 91a Abs. 1, 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10 Satz 1, 713 ZPO. Soweit die Parteien den Rechtsstreit bereits im ersten Rechtszug übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist die vom Amtsgericht insoweit gemäß § 91a Abs. 1 ZPO getroffene - und von beiden Berufungen unangegriffene - Kostengrundentscheidung, auf die die Kammer Bezug nimmt und der nichts hinzuzufügen ist, zutreffend. Gründe die Revision zuzulassen, bestanden gemäß § 543 Abs. 2 ZPO mangels Zulassungsgrundes nicht.
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