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Mittwoch, 3. April 2024

Einvernehmlich abgeänderte vollstreckbare Umgangsregelung und Vollstreckung

Das Kind der Verfahrensbeteiligten wohnte bei der Mutter (Antragstellerin). Die Eltern hatten eine Umgangsregelung des Vaters (Antragsgegner) unter Ausschluss von Übernachtungen  bis zum Nachweis eines negativen Drogentests getroffen, die gerichtlich unter Hinweis durch das Gericht auf Folgen bei einer Zuwiderhandlung gebilligt wurde. Das entsprechende Protokoll wurden beiden Elternteilen zugestellt.  

Die Antragstellerin (AS) beantragte die Festsetzung von Ordnungsmitteln gegen den Antragsgegner (AG), da der AG an drei Wochenenden hintereinander das Kind nicht zur Übernachtung und in drei Fällen mit einer Abweichung von einer Stunde zurückgebracht habe. Das Amtsgericht (Familiengericht) setzte gegen den AG ein Ordnungsgeld von € 500,00 fest, der dagegen sofortige Beschwerde einlegte. Die Verspätungen seien der AS jeweils mitgeteilt worden und die Übernachtungen seien mit der AS abgestimmt gewesen. Das Familiengericht half der Beschwerde nicht ab; es sah das Ordnungsgeld als mäßig bei sechs Verstößen an. Die sofortige Beschwerde hatte vor dem OLG teilweise Erfolg.   

Bei Zuwiderhandlungen gegen einen Vollstreckungstitel zur Regelung des Umgangs könne das Gericht gem. § 87 Abs. 1 S. 1, § 89 Abs. 1 FamFG von Amts wegen ein Ordnungsgeld (und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden könne, Ordnungshaft) oder auch gleich Ordnungshaft anordnen, wenn die Anordnung eines Ordnungsgeldes keinen Erfolg verspreche. Die gerichtlich gebilligte Umgangsregelung sei  vollstreckbar, § 86 Abs. 1 Nr. 2 FamFG; der gebotene Hinweis auf die Möglichkeit der Anordnung von Ordnungsmitteln für den Fall der Zuwiderhandlung sei erteilt worden und die notwendige Zustellung (§ 87 Abs. 2 FamFG) lägen vor. Gegen die Umgangsregelung habe der AG durch die drei Verspätungen verstoßen. Gründe, aus denen sich ergeben würden, dass der AG die Verspätungen nicht zu vertreten habe, seien nicht vorgetragen worden (§ 89 Abs. 4 S. 1 FamFG). 

Der Darlegung des AG zu der Vereinbarung zu den drei Übernachtungen habe die AS nicht widersprochen. Deshalb käme diesbezüglich die Verhängung eines Ordnungsgeldes nicht in Betracht, auch wenn ein Verstoß gegen die gerichtlich im Kindeswohl gebilligte Umgangsvereinbarung vorläge. Inhaber des Umgangsbestimmungsrechts seien die Eltern, weshalb sie auch Regelungen in gerichtlich gebilligten Vereinbarungen einvernehmlich abändern könnten mit der Folge, dass insoweit deren Vollstreckbarkeit entfalle (OLG Brandenburg, Beschluss vom 05.06.2020 - 13 WF 100/20 -). Zwar seien die Eltern nach § 156 Abs. 2 S. 2 FamFG nicht iSv. § 36 FamFG verfügungsbefugt (BGH, Beschluss vom 10.07.2019 - XII ZB 507/18 -), doch betreffe dies den verfahrensrechtlichen Bereich mit der Folge, dass es den Eltern nicht möglich sei, auch ohne gerichtliche Billigung eine vollstreckbare Regelung mit den Wirkungen des § 1696 BGB zu vereinbaren. Materiellrechtlich jedoch seien sie - soweit nicht Dritte betroffen seien - verfügungsbefugt, soweit ihnen nicht das Umgangsrecht entzogen wurde. 

Durch die gerichtliche Regelung sei den Eltern das Umgangsrecht nicht (auch nicht konkludent) entzogen worden. Es sei nicht gewollt und auch nicht praktikabel, einmal getroffene gerichtliche Umgangsregelungen bis zur Volljährigkeit des Kindes ständig nach § 1696 Abs. 1 BGB abzuändern. 

Zur Höhe des vom OLG nunmehr festgesetzten Ordnungsgeldes von € 350,00 betreffend der Verspätung würde es sich nach den Ausführungen der AS, denen der AG nicht widersprach, um ein generelles Problem handeln. Deshalb erscheine ein Betrag von € 350,00 (ersatzweise zwei Tage Ordnungshaft) erforderlich aber auch ausreichend, um den AG zu einer verlässlichen Einhaltung der Umgangsregelung anzuhalten.

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 06.02.2024 - 5 WF 166/23 -

Samstag, 13. Mai 2023

Durchsetzung der Kindesanhörung im Verfahren zur Regelung des Umgangsrechts

Die Parteien waren die Eltern des Kindes L., geb. 2018, welches bei der Antragsgegnerin (AG) lebte. Vom Antragsteller wurde die Regelung des Umgangs und der Informationspflicht beim Familiengericht beantragt. Das Familiengericht bestimmte einen Termin zur Kindesanhörung; in der Verfügung wurde das persönliche Erscheinen der Antragsgegnerin angeordnet und diese aufgefordert, „für das Erscheinend es Kindes Sorge zu tragen“. Zudem wurde ein Hinweis auf Zwangsmittel nach § 35 Abs. 3 FamFG erteilt. Die Antragsgegnerin sowie ihr Kind erschienen nicht; mit Anwaltsschriftsatz wurde behauptet, sie habe mit dem Kind vor dem Gerichtsgebäude gestanden, das Kind habe sich aber geweigert, in das Gebäude zu gehen und mit dem Richter alleine zu reden. Das Familiengericht setzte unter Verweis auf § 89 FamFG gegen die Antragsgegnerin ein Ordnungsgeld in Höhe von € 500,00 fest. Gegen diesen Beschluss legte die Antragsgegnerin erfolgreich (nach Nichtabhilfe durch das Familiengericht) Beschwerde ein.

Die Festsetzung eines Ordnungsgeldes käme hier nicht in Betracht. Für das persönliche Erscheinen der Antragsgegnerin fehle es an einer eindeutigen Anordnung. Zwar sie sie zunächst angeordnet worden, durch den Zusatz aber deutlich gemacht, dass dies lediglich das Erscheinen des Kindes sichern soll. Es könne daher offen bleiben, ob das Erscheinen des betreuenden Elternteils im Rahmen einer Kindesanhörung überhaupt angeordnet werden dürfe (OLG Celle, Beschluss vom 29.07.2019 - 21 WF 123/19 -) und im Vollstreckungsverfahren nach § 33 FamFG geprüft werden dürfe. Ein Ordnungsgeld nach § 33 Abs. 3 S. 1 FamFG gegen die Mutter wegen des Nichterscheinens des Kindes käme nicht in Betracht, da dies nur für die Beteiligten selbst vorgesehen sei.

Auch die Voraussetzungen für ein Zwangsgeld nach § 35 FamFG lägen nicht vor. Es handele sich dabei, anders als die Ordnungsmittel nach § 33 FamFG, um ein in die Zukunft gerichtetes Beugemittel, durch welches eine Handlung oder Unterlassung erzwungen werden soll, ohne Sanktionscharakter zu haben (BGH, Beschluss vom 06.09.2017 - XII ZB 42/17 -). Dies würde aber eine gerichtliche Anordnung voraussetzen, die in der Zukunft noch durchgesetzt werden soll. Da der (einzige) Termin zur Vornahme der Handlung aber bereits abgelaufen war, läge die Voraussetzung nicht vor (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 06.08.1997 - 2 WF 71/97 -).

Wie aber soll Verfahren werden, wenn eine verfahrensrechtliche Durchsetzung der Verpflichtung des betreuenden Elternteils, das Kind zur gerichtlichen Anhörung zu bringen, nicht möglich ist ?  Die Norm des § 35 FamFG sei ungeeignet (OLG Celle aaO.; Kammergericht, Beschluss vom 17.05.2019 - 18 UF 32/19 -), da sie sich nur auf einen konkreten Termin beziehe, die Festsetzung und Vollstreckung von Zwangsmitteln aber voraussetze, dass eine Zuwiderhandlung bereits erfolgt sei. Es würde eine Gesetzeslücke bestehen. Auch eine zwangsweise Vorführung des Kindes nach § 33 Abs. 3 S. 3 FamFG käme nicht in Betracht, da ein vierjähriges Kind nicht unentschuldigt fernbleiben würde.

Als Lösungsansatz sieht das OLG bei einer als zwingend vorzunehmenden persönlichen Anhörung des Kindes, welche an der notwendigen Mitwirkung des betreuenden Elternteils scheitere, die verfahrensrechtliche Prüfung, ob nicht aus Verhältnismäßigkeitsgründen ein schwerwiegender Grund für das Absehen von der Kindesanhörung nach § 159 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 FamFG vorliege. Sollte dieser Grund nicht angenommen werden können, wäre materiell-rechtlich eine vorläufige Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts nach § 1666 BGB zu überlegen, was häufig die Einleitung eines gesonderten Verfahrens erforderlich mache. Zudem könne - gegebenenfalls in einem gesonderten Verfahren - eine einstweilige Anordnung ohne vorherige Anhörung des Kindes ergehen.

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 11.01.2023 - 5 WF 138/22 -

Dienstag, 20. Dezember 2022

Umgangsrecht: Verspätete Übergabe des Kindes infolge Flugstornierung

Das Familiengericht hatte mit seinem Beschluss den Umgang zwischen Vater und dem nicht ganz vierjährigen Sohn für die Herbstferien 2021 so geregelt, dass der Vater die erste Woche mit ihm verbringt, die Übergabe an die Mutter am 17.10.2021 um 17.00 Uhr erfolgen sollte und die Mutter sodann die zweite Woche mit ihm verbringen sollte. Die Übergabe sollte, soweit sie nicht über die Kira erfolgt, von einer Umgangspflegerin begleitet werden.

 Der Vater flog mit dem Jungen nach Santiago de Compostela. Den Rückflug hatte er für den 17.10., 4:05 Uhr in Santiago de Compostela gebucht; der Flug sollte über Zürich nach Berlin-Brandenburg erfolgen sollen, mit Ankunft 8:45 Uhr. Beim Versuch des Eincheckens stellte er fest, dass dieser storniert wurde und informierte, die Umgangspflegerin, dass er am 18.10. den Ersatzpflug einer Tochtergesellschaft der Fluglinie nehme. Die Mutter ließ den Vater über die Umgangspflegerin ausrichten, sie sei damit nicht einverstanden, da sie auch eine Reise mit dem Sohn plane, und zwar nach Andalusien; die könne sie nur durchführen, wenn sie mit ihrem Sohn am 18.10. für den Flug einchecke. Es gäbe nach Internetrecherche z.B. auch genügend Flüge mit freien Plätzen, die der Kindsvater ersatzweise buchen könne. Dies tat der Vater nicht.

Das Familiengericht erließ auf Antrag der Mutter wegen Zuwiderhandlung gegen den Umgangsbeschluss gegen den Vater einen Ordnungsgeldbeschluss über ein Ordnungsgeld in Höhe von € 250,00, gegen den dieser sich wendet. Dabei wies er auf eine nach seiner Ansicht bestehende Unzumutbarkeit einer Umbuchung hin, die ihm - bei Verfall seines Flugtickets - rund € 600,00 gekostet haben würde. So habe er den Sohn der Mutter schließlich am 18.10. in Madrid übergeben, wobei ihm schon die Zugfahrt dorthin viel Geld gekostet habe.

Voraussetzung für die Verhängung des Ordnungsgeldes sei, dass der Vater die im familiengerichtlich angeordneten Umgangsbeschluss benannte Übergabe von ihm an die Mutter am 17.10. schuldhaft versäumt habe, § 89 Abs. 4 S. 1 FamFG. Verschulden erfordere ein vorsätzliches oder fahrlässiges Herbeiführen des Erfolgs der Zuwiderhandlung, § 276 Abs. 1 BGB.  Vorsatz oder Fahrlässigkeit. Fahrlässigkeit erfordere die Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt, § 276 Abs. 2 BGB.

Nach § 89 Abs. 4 S. 1 FamFG würde ein Verschulden vermutet. Danach wäre es Sache des Vaters sich in Hinblick auf die Versäumung des Übergabetermins zu entasten. Er müsse mithin darlegen und beweisen, dass der Übergabetermin versäumt wurde, obwohl er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet habe. Dies sei ihm nicht gelungen. Zwar könne ihm die Stornierung des zunächst gebuchten Fluges nicht vorgeworfen werden. Allerdings hätte er Vorkehrungen für mögliche Störungen beim Rückflug treffen müssen um zu verhindern, dass es zu der nicht ganz fernliegenden Möglichkeit der Versäumung des Rückgabetermins kommt, gerade da allgemein bekannt sei, dass es im Flugverkehr zu erheblichen Flugverschiebungen und -ausfällen käme. Es sei von daher auch anerkannt, dass selbst ein Streik bei einem verkehrsunternehmen den Umgangspflichtigen (der dadurch eine Rückreise und einen geregelten Umgangstermin versäume) nicht entlasten würde, sofern alternative Verbindungen noch bestünden (OLG Koblenz, Beschluss vom 03.06.2015 - 11 WF 415/15 -). Diese Alternativen hätten hier, wie von der Mutter aufgezeigt, bestanden.

Nicht gehört werden könne der Vater damit, die Alternative (den gebuchten Flug verfallen lassen und einen kostenpflichtigen Ersatzflug zu nehmen) sei unzumutbar. Die „Gefahrenlage“, dass er den geregelten Übergabetermin nicht einhalten kann, habe er selbst geschaffen, da er nicht sichergestellt habe, jedenfalls rechtzeitig zu dem Termin zurück zu sein. Sicherungsvorkehrungen seien auch dann zu treffen, wenn diese mit Kosten, Unannehmlichkeiten oder Zeitverlust verbunden wären (BGH, Urteil vom 27.11.1952 - VI ZR 25/52 -).

Kammergericht, Beschluss vom 22.06.2022 - 16 WF 29/22 -

Dienstag, 6. Dezember 2022

Ordnungsgeld bei Nichtwahrnehmung des Umgangsrechts, § 1684 Abs. 1 BGB

Das Amtsgericht (Familiengericht) hatte das Umgangsrecht des Antragsgegners mit seinen zwei Kinder geregelt, wonach er an jedem ungeraden Kalenderwochenende seine zwei Kinder von Freitag 14 Uhr bis Montag 8 Uhr und in den geraden Wochen Dienstag von 14.30 bis 19 Uhr Umgang mit ihnen haben sollte. Auf Antrag der Antragstellerin verhängte das Amtsgericht, nach vorangegangener Androhung, gegen den Antragsgegner mit diesem am 28.06.2022 zugestellten Beschluss ein Ordnungsgeld in Höhe von € 500,00, nach dieser das Umgangsrecht seit April den Umgang mit den Kindern nicht mehr wahrnahm. Gegen diesen Beschluss legte der Antragsgegner sofortige Beschwerde ein, die vom OLG als unbegründet zurückgewiesen wurde.

Beim Amtsgericht hatte der Antragsgegner argumentiert, er sei finanziell nicht in der Lage, für die Übernachtung seiner Kinder ein geeignetes Umfeld aufzubauen. Im Rahmen der Beschwerde begehrte der Antragsgegner auch neben der Aufhebung des Beschlusses auch die Abänderung der Umgangsregelung; es entspräche nicht dem Kindeswohl, den umgangsunwilligen Elternteil mittels Ordnungsgeld zum Umgang anzuhalten.

Das sah das OLG in Ansehung der tatsächlichen Umstände anders. Grundsätzlich müsse ein Elternteil einen Eingriff in dem Persönlichkeitsschutz im Hinblick auf die den Eltern durch Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG den Eltern auferlegte Verantwortung für ihre Kinder (BVerfGE 121, 68, 95). In § 1684 Abs. 1 BGB sei der Elternverantwortung durch die dort normierte Umgangsverpflichtung als elterliche Pflicht verankert. Damit könne ein Elternteil auch unter Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts zum Umgang mit seinen Kindern verpflichtet werden, wenn dies dem Kindeswohl diene. Allerdings habe die zwangsweise Durchsetzung der Umgangspflicht zu unterblieben, gebe es im konkreten Einzelfall keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der erzwungene Umgang dem Kindeswohl dienen könnte.

Hier nun sah das OLG allerdings keine Gefahr für das Kindeswohl. Es vertrat die Auffassung, dass die Berufung auf finanzielle Erwägungen emotionale Gründe habe, weshalb nicht davon auszugehen sei, dass er bei einem persönliche Umgang mit den Kindern diesen gegenüber Abneigung zum Ausdruck bringen würde, und es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass er bei einem persönlichen Umgang seiner Verantwortung gegenüber den Kindern nicht nachkäme und den Streit mit seiner ehemaligen Frau um Geld nicht vom Verhältnis zu den Kindern trennen könne. Bei der Abwägung seien auch die Folgen einer Entfremdung der Kindern von dem Antragsgegner für ihre psychosoziale Entwicklung zu berücksichtigen. Die Anhörung der Kinder habe zudem ergeben, dass sie in der Vergangenheit problemlos auch bei dem Antragsgegner (der bei seinen Eltern mit seinem Bruder wohne) waren, dort auch früher bereits übernachteten, und  Bindungen zur Großmutter und zum Onkel zum Ausdruck gekommen seien.

Kommentar:

Damit legte das OLG dar, dass die Verweigerungshaltung, Umgang mit den eigenen Kindern Umgang zu pflegen, das Recht weder beeinträchtigt noch aus der dem Recht genüberstehenden Pflicht entbindet. Zwangsmittel, wie hier das Ordnungsgeld, sollen nur erfolgen, wenn diese Mittel dem Kindeswohl dienen. Denn das dem Umgangsrecht innenwohnende Gegenstück, die Umgangspflicht, soll nicht dazu führen, dass durch den erzwungenen Umgang das Kindeswohl gefährdet wird. Angezeigt ist damit ein Ordnungsmittel zur Erzwingung des Umgangs, wen sicher davon ausgegangen werden kann, dass dies nicht dem Kindeswohl entgegenstehen könnte. Ob dies allerdings alleine durch Anhörungen des Umgangsunwilligen und der Kinder geklärt werden kann (wie hier wohl geschehen), lässt sich kaum verallgemeinern, da dann der oder die zur Entscheidung berufenen Richter letztlich psychologische Befähigungen haben müssten, und selbst für Psychologen wäre bei gewissenhafter Expertise nicht eine kurze Anhörung nicht ausreichend. Zutreffend wird allerdings vom OLG darauf verwiesen, dass der fehlende Umgang mit (hier) dem Vater die psychosoziale Entwicklung der Kinder beeinträchtigen könnte. Es handelt sich hier also um einen Balanceakt, den das Familiengericht oder (beim OLG) der Familiensenat vollziehen muss.

Da sich hier offensichtlich der bisherige Umgang des Vaters mit den Kindern nicht al negativ erwies, er insbesondere wohl auch nicht seine Verantwortung den Kindern gegenüber vernachlässigte, dürfte die Entscheidung vor dem Hintergrund richtig sein, dass der Vater auf seine finanziellen Ressourcen zur Verweigerung der Umgangsverpflichtung verwies und wohl noch Auseinandersetzungen zwischen den (ehemaligen) Eheleuten zu finanziellen Fragen anhängig sind, die hier (wohl) vom Vater genutzt wurden. Es ist bedauerlich, wenn die Trennung der Eltern so letztlich über die Kinder ausgetragen werden, weshalb die Entscheidung des OLG zu begrüßen ist.

OLG Frankfurt, Beschluss vom 22.08.2022 - 6 WF 112/22

Samstag, 18. Juni 2022

Wechselmodell entgegen dem Willen der Eltern

Die unverheirateten Eltern des Kindes übten die elterliche Sorge gemeinsam aus; überwiegend befand sich das Kind im Haushalt der Antragstellerin. Mit Beschluss des Familiengerichts vom 05.10.2018 hat es ein Umgangsrecht des Antragstellers mit dem Kind geregelt. Eine dagegen von beiden Elternteilen wurde vom OLG zurückgewiesen. Mit dem weiteren, streitgegenständlichen Beschluss hat das Familiengericht ein Umgangsrecht dem Antragsteller ein Umgangsrecht in Form eines Wechselmodells (aufgeteilt nach geraden und ungeraden Wochen) eingeräumt, wobei es sich im Wesentlichen auf einen entsprechenden Kindeswillen stützte. Hiergegen wandte sich die Antragsgegnerin mit ihrer vom OLG zurückgewiesenen Beschwerde.

Das OLG verwies auf § 1696 Abs. 1 BGB, demzufolge eine Entscheidung zum Umgangsrecht zu ändern angezeigt sei, wenn dies aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt sei. Anders als bei Sorgerechtsentscheidungen könnten Anpassungen an veränderte Umstände schon dann angezeigt sein, wenn dies dem Kindeswohl diene. Die Änderungsschwelle könne bereits dann erreicht sein, wenn ein geänderter Kindeswille vorläge, insbesondere dann, wenn die Änderung auch schon praktiziert würde. Deser geänderte Kindeswille läge vor und das paritätische Wechselmodell würde bereits seit Mai 2021 praktiziert.

Betont wurde vom OLG, dass es nicht übersehen habe, dass es in dem vorangegangenen Beschwerdeverfahren ausgeführt habe, dass es für ein Wechselmodell an einer ausreichenden Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit der Eltern ermangele und dies nach Einschätzung des Jugendamtes weiterhin gelte. Während eines im laufenden Meditationsverfahrens, so die Antragsgegnerin, sie sie vom Antragsteller beleidigt worden, der ihr kriminelles Verhalten vorwerfe, und der Antragsteller habe während es laufenden Meditationsverfahrens Strafanzeige gegen die Antragsgegnerin (wegen eines von ihm dem Kind geschenkten Handys, welches die Antragsgegnerin veräußert haben soll)  erstattet. Ein Fahrradunfall des Kindes im April 2021 habe wegen fehlender Einigung der Eltern über die erforderliche ärztliche Behandlung zu einem noch anhängigen Sorgerechtsstreit geführt. Das Jugendamt schätze, dass der massive Elternkonflikt, dem das Kind schutzlos ausgesetzt sei, seit 2018 anhalte.

Die Frage, ob ein Wechselmodell geboten sei, sei unter Berücksichtigung anerkannter Kriterien des Kindeswohls zu entscheiden (BGH, Beschluss vom 27.11.2019 - XII ZB 512/18 -). Das Kommunikations- und Kooperationsverhalten der Eltern sei dabei nur ein Abwägungsgesichtspunkt. Dieser könne im Einzelfall auch zurücktreten. Derselbe würde dann zurücktreten, wenn zu erwarten sei, dass das Wechselmodell die Belastung des Kindes durch den Elternkonflikt nicht noch verstärke, ggf. sogar vermindere. Damit seien die Vor- und Nachteile des jeweiligen Betreuungsmodelle wertend gegeneinander abzuwägen.

Das OLG sah in dem Wechselmodell gegenüber anderen Gestaltungen, wie den vorher praktizierten erweiterten Umgang des Antragstellers, nach dem „Prinzip der Schadensminimierung“ das für das Kind am wenigsten schädliche und damit im Vergleich beste Betreuungsmodell. Dabei sie aus seiner Sicht mir entscheidend, dass sich das Kind im Verfahren mehrfach für das Wechselmodell ausgesprochen habe. Obwohl es an der Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit der Eltern ermangele, seien alle bedeutsamen Fragen für das Wechselmodell zwischen den Eltern geklärt und es funktioniere in der Praxis im Wesentlichen reibungslos. Wie sich aus den Angaben des Kindes, im Kern auch aus jener der Eltern ergäbe.

Eine Beeinflussung des Kindes schloss das OLG aus. Vielmehr ging es von einem bei der Kindesanhörung hohen Gerechtigkeitsempfinden des 11 ¾ Jahre alten Kindes aus, welches zu respektieren sei. Eine fehlende Respektierung seines Willens durch Nichtbeachtung wurde vom OLG als mit der Gefahr verbunden angesehen, dass dies zu einer Schwächung der kindlichen Selbstwirksamkeitserwartung mit negativen Folgen für seine psychische Entwicklung verbunden sein könnte. Mit zunehmenden Alter und Einsichtsfähigkeit komme dem Willen des Kindes vermehrt Bedeutung zu. Zur schutzwürdigen Persönlichkeitsentwicklung des Kindes gehöre auch dessen auf einem tief empfundenen Gerechtigkeitsgefühl beruhenden Wunsch nach Gleichbehandlung beider Eltern. Auch wenn ein Loyalitätsdruck bei dem Kind vorhanden sein sollte und es Ruhe haben wollte, würde doch der Wunsch nach hälftiger Betreuung eine psychische Lebenswirklichkeit darstellen, die schon aus diesem Grund zu respektieren sei.

Das schon seit Mai 2021 praktizierte Wechselmodell haben nach den Berichten des Verfahrensbeistandes des Kindes und des Jugendamtes keine nachteilogen Auswirkungen auf das Kind gehabt. Auch das Kind habe einen reibungslosen Ablauf des wöchentlichen Wechsels geschildert und in der Schule seien auch keine Probleme aufgetreten, was vom Jugendamt und den Eltern bestätigt worden sei.

OLG Dresden, Beschluss vom 12.04.2022 - 21 UF 304/21 -

Donnerstag, 31. Oktober 2019

Umfang des Umgangsrechts des biologischen (nicht rechtlichen) Vaters


Der Beschwerdeführer (BF) ist der leibliche Vater der 2012 geborenen B., dessen rechtliche Eltern die verheirateten Beteiligten zu 2. und 3. sind. Im Rahmen eines vorangegangenen Verfahrens zum Umgangsrecht schlossen die Parteien einen Vergleich dahingehend, dass der BF seine leibliche Tochter B. jeweils zweiwöchentlich jeweils am Samstag von 9 bis 18 Uhr zu sich nehmen könne. Mit dem streitgegenständlichem Antrag begehrte er die Erweiterung des Umgangsrechts dahingehend, dass er alle 14 Tage seine Tochter von jeweils von Freitag 9 Uhr bis Sonntag 18 Uhr zu sich nehmen könne, sowie eine Ferien und Feiertagsregelung. In einem Zwischenvergleich vereinbarten die Parteien eine Regelung dahingehend, dass der BF an jedem ersten Wochenende im Monat seine Tochter von Samstag 9 Uhr bis Sonntag 18 Uhr zu sich nehmen könne. Im übrigen wurde ein Ruhen angeordnet; nachdem eine weitergehende Einigung nicht stattfand, der BF das Verfahren wieder anrief, beließ es das Amtsgericht bei der bisherigen Regelung nebst dem Zwischenvergleich und wies den weitergehenden Antrag zurück. Die dagegen gerichtete Beschwerde wurde zurückgewiesen.

Das Umgangsrecht des leiblichen Vaters ist in § 1686a Abs. 1 Nr. 1 BGB geregelt. Vorliegend war zudem die gerichtlich gebilligte Umgangsregelung nach § 1696 Abs. 1 BGB zu berücksichtigen. Diese Regelung, so das OLG, könne aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt sein. Insoweit sei nach den vom Amtsgericht getätigten Ermittlungen eine Ausweitung des Umgangsrechts dem Wohl der B. entsprechend im Hinblick auf das erste Wochenende im Monat angezeigt gewesen, wie im Zwischenvergleich festgehalten. Im übrigen lägen aber die gesetzlichen Voraussetzungen nach § 1686a Abs. 1 Nr. 1 BGB nicht vor. Zwar sei vorliegend nicht im Streit, dass der BF als leiblicher Vater ein ernsthaftes Interesse am Kind gezeigt habe und daher nach der Bestimmung ein Umgangsrecht habe, welches dem Kindeswohl diene. Allerdings würde der BF verkennen, dass sich das Umgangsrecht nicht an den zu Art. 6 Abs. 2 GG iVm. § 1684 BGB (Anm.: § 1684 BGB wird explizit für das Recht nach § 1684a Abs. 1 Nr. 1 BG in § 1684a Abs. 2 BGB benannt) entwickelten Kriterien beurteile, da das Recht des leiblichen Vaters nicht durch das Elternrecht des rechtlichen Vaters nach § 1686a BGB geschützt würde. Vielmehr würde sich fad Umgangsrecht des leiblichen Vaters an den zu § 1685 BGB entwickelten Kriterien orientieren, weshalb auch ein 14-tägiger Umgang über das Wochenende des nur leiblichen Vaters nicht als Regelfall nach § 1681a BGB angenommen werden könne. Zwar sei eine Einzelfallbetrachtung geboten, orientiert am Kindeswohl. Zu berücksichtigen sei dabei aber auch, wie groß die Akzeptanz der rechtlichen Familie sei und vor allem der Umstand, ob das Kind durch das Umgangsrecht seines weiteren Vaters in einen Loyalitätskonflikt gebracht werde. Dies sei hier, wie den ausführlichen Berichten des für das Kind bestellten Verfahrensbeistandes zu entnehmen sei, der Fall. B. sei den unterschiedlichen Wünschen der rechtlichen Eltern und des leiblichen Vaters in besonderem Maße ausgesetzt und würde dadurch verunsichert; sie wolle keine der drei Elternteile enttäuschen, was sich auch in den widersprüchlichen Willensäußerungen gegenüber beiden Teilen widerspiegele. Es bedürfe von daher einer stabilen und verlässlichen Umgangsregelung, die dem Kind den inneren Frieden bringe und nicht mit der Gefahr verbunden sei, dass es mit Ablehnung eines Elternteils darauf reagiere. Dies würde durch die vom Amtsgericht getroffene Umgangsregelung getragen, mit der auch der von § 1686a BGB verfolgte Zweck, dem Kind eine Bindung zu seinem leiblichen Vater zu ermöglichen, gesichert sei. Es bedürfe dazu nicht einer darüberhinaus gehenden Übernachtungsregelung, ebensowenig einer Ferien- und Feiertagsregelung. Eine andere Beurteilung könne sich ergeben, wenn B. älter sei und ihrem Willen stärkere Beachtung zu schenken sei, wenn der derzeitige Loyalitätskonflikt abgebaut werden könne.

OLG Frankfurt, Beschluss vom 11.06.2019 - 5 UF 72/19 -