Die Parteien waren die Eltern des Kindes L., geb. 2018, welches bei der Antragsgegnerin (AG) lebte. Vom Antragsteller wurde die Regelung des Umgangs und der Informationspflicht beim Familiengericht beantragt. Das Familiengericht bestimmte einen Termin zur Kindesanhörung; in der Verfügung wurde das persönliche Erscheinen der Antragsgegnerin angeordnet und diese aufgefordert, „für das Erscheinend es Kindes Sorge zu tragen“. Zudem wurde ein Hinweis auf Zwangsmittel nach § 35 Abs. 3 FamFG erteilt. Die Antragsgegnerin sowie ihr Kind erschienen nicht; mit Anwaltsschriftsatz wurde behauptet, sie habe mit dem Kind vor dem Gerichtsgebäude gestanden, das Kind habe sich aber geweigert, in das Gebäude zu gehen und mit dem Richter alleine zu reden. Das Familiengericht setzte unter Verweis auf § 89 FamFG gegen die Antragsgegnerin ein Ordnungsgeld in Höhe von € 500,00 fest. Gegen diesen Beschluss legte die Antragsgegnerin erfolgreich (nach Nichtabhilfe durch das Familiengericht) Beschwerde ein.
Die Festsetzung eines Ordnungsgeldes käme hier nicht in Betracht. Für das persönliche Erscheinen der Antragsgegnerin fehle es an einer eindeutigen Anordnung. Zwar sie sie zunächst angeordnet worden, durch den Zusatz aber deutlich gemacht, dass dies lediglich das Erscheinen des Kindes sichern soll. Es könne daher offen bleiben, ob das Erscheinen des betreuenden Elternteils im Rahmen einer Kindesanhörung überhaupt angeordnet werden dürfe (OLG Celle, Beschluss vom 29.07.2019 - 21 WF 123/19 -) und im Vollstreckungsverfahren nach § 33 FamFG geprüft werden dürfe. Ein Ordnungsgeld nach § 33 Abs. 3 S. 1 FamFG gegen die Mutter wegen des Nichterscheinens des Kindes käme nicht in Betracht, da dies nur für die Beteiligten selbst vorgesehen sei.
Auch die Voraussetzungen für ein Zwangsgeld nach § 35 FamFG lägen nicht vor. Es handele sich dabei, anders als die Ordnungsmittel nach § 33 FamFG, um ein in die Zukunft gerichtetes Beugemittel, durch welches eine Handlung oder Unterlassung erzwungen werden soll, ohne Sanktionscharakter zu haben (BGH, Beschluss vom 06.09.2017 - XII ZB 42/17 -). Dies würde aber eine gerichtliche Anordnung voraussetzen, die in der Zukunft noch durchgesetzt werden soll. Da der (einzige) Termin zur Vornahme der Handlung aber bereits abgelaufen war, läge die Voraussetzung nicht vor (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 06.08.1997 - 2 WF 71/97 -).
Wie aber soll Verfahren werden, wenn eine verfahrensrechtliche Durchsetzung der Verpflichtung des betreuenden Elternteils, das Kind zur gerichtlichen Anhörung zu bringen, nicht möglich ist ? Die Norm des § 35 FamFG sei ungeeignet (OLG Celle aaO.; Kammergericht, Beschluss vom 17.05.2019 - 18 UF 32/19 -), da sie sich nur auf einen konkreten Termin beziehe, die Festsetzung und Vollstreckung von Zwangsmitteln aber voraussetze, dass eine Zuwiderhandlung bereits erfolgt sei. Es würde eine Gesetzeslücke bestehen. Auch eine zwangsweise Vorführung des Kindes nach § 33 Abs. 3 S. 3 FamFG käme nicht in Betracht, da ein vierjähriges Kind nicht unentschuldigt fernbleiben würde.
Als Lösungsansatz sieht das OLG bei einer als zwingend vorzunehmenden persönlichen Anhörung des Kindes, welche an der notwendigen Mitwirkung des betreuenden Elternteils scheitere, die verfahrensrechtliche Prüfung, ob nicht aus Verhältnismäßigkeitsgründen ein schwerwiegender Grund für das Absehen von der Kindesanhörung nach § 159 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 FamFG vorliege. Sollte dieser Grund nicht angenommen werden können, wäre materiell-rechtlich eine vorläufige Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts nach § 1666 BGB zu überlegen, was häufig die Einleitung eines gesonderten Verfahrens erforderlich mache. Zudem könne - gegebenenfalls in einem gesonderten Verfahren - eine einstweilige Anordnung ohne vorherige Anhörung des Kindes ergehen.
OLG Karlsruhe, Beschluss
vom 11.01.2023 - 5 WF 138/22 -
Aus den Gründen:
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der
Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Lörrach
vom 20.10.2022 aufgehoben.
2.
Gerichtskosten werden in beiden Instanzen nicht erhoben; außergerichtliche
Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Die Beschwerde
richtet sich gegen die Anordnung einer Zahlungspflicht der Antragsgegnerin,
weil diese ihre Tochter nicht zur gerichtlichen Kindesanhörung gebracht hatte.
Antragsteller
und Antragsgegnerin sind Eltern des Kindes L. S., geb. 2018, das bei der Antragsgegnerin
lebt. Mit Schriftsatz vom 21.03.2022 begehrt der Antragsteller die Regelung des
Umgangs und der Informationspflicht. Die Antragsgegnerin beantragt die
Abweisung der Anträge.
Für den eigenen
Anhörungstermin legte die Antragsgegnerin ein Attest ihres Hausarztes vor, nach
dem für sie bei einem Zusammentreffen mit dem Antragsteller „das erhebliche
Risiko einer psychischen Verschlechterung“ bestehe. Ein Termin zur
Kindesanhörung musste - u.a. wegen Erkrankungen des Kindes - mehrfach
verschoben werden. Zum Termin vom 23.09.2022 erschien die Antragstellerin mit
dem Kind ohne Angabe von Gründen nicht. Mit Verfügung vom gleichen Tag
bestimmte das Familiengericht Termin zur Kindesanhörung auf den 04.10.2022. Die
Verfügung enthält folgende Regelungen:
Das persönliche
Erscheinen zur Aufklärung des Sachverhalts folgender Verfahrensbeteiligter wird
angeordnet:
Antragsgegnerin
S. B.
Die
Antragsgegnerin wird aufgefordert, für das Erscheinen des Kindes Sorge zu
tragen.
Außerdem wurde
ein Hinweis auf Zwangsmittel nach § 35 Abs. 3 FamFG erteilt. Die
Verfügung wurde der Antragsgegnerin per Zustellungsurkunde am 28.09.2022
zugestellt, die anderen Beteiligten erhielten eine Nachricht vom Termin.
Am 04.10.2022
erschien die Antragsgegnerin nicht mit dem Kind. Mit Anwaltsschriftsatz vom
18.10.2022 teilte sie mit, dass sie zur Terminsstunde vor dem Amtsgericht
gestanden habe, das (damals 3jährige) Kind sich aber geweigert habe, das
Gebäude zu betreten und mit dem Richter allein zu reden.
Mit dem
angefochtenen Beschluss vom 20.10.2022 setzte das Familiengericht gegen die
Antragsgegnerin ein Ordnungsgeld in Höhe von 500 € fest, in der Begründung
wurde auf § 89 FamFG verwiesen. Der Beschluss wurde der Antragsgegnerin am
26.10.2022 zugestellt.
Gegen den
Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin mit
Anwaltsschriftsatz vom 08.11.2022, eingegangen per beA am gleichen Tag. Die
Antragsgegnerin macht geltend, sie habe die Terminsladung nicht erhalten, die
Rechtsnorm sei nicht einschlägig. Außerdem sei der Umgangsantrag nicht
schlüssig.
Das
Familiengericht half mit Verfügung vom 11.11.2022 der Beschwerde nicht ab und
führte aus, dass Rechtsgrundlage der Festsetzung § 35 FamFG sei.
Die Beteiligten
hatten im Beschwerdeverfahren Gelegenheit zur Stellungnahme.
Wegen der weiteren
Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Das
Rechtsmittel der Antragsgegnerin ist als sofortige Beschwerde gemäß § 35
Abs. 5 FamFG mit §§ 567 ff. ZPO statthaft. Es ist form- und
fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig.
Die sofortige
Beschwerde der Antragsgegnerin hat in der Sache auch Erfolg.
1.
Zutreffend hat das Familiengericht in der Nichtabhilfeentscheidung ausgeführt,
dass hier - anders als im angefochtenen Beschluss ausgeführt - keine
Festsetzung eines Ordnungsgeldes in Betracht kommt. Die Voraussetzungen eines
Ordnungsgeldes nach § 33 FamFG gegen die Antragsgegnerin liegen nicht vor.
a.
Hinsichtlich des persönlichen Erscheinens der Antragsgegnerin ist bereits keine
eindeutige Anordnung ergangen. Das persönliche Erscheinen der Antragsgegnerin
wird zwar in der Terminsladung zunächst angeordnet, durch den Zusatz wird aber
deutlich, dass dies lediglich das Erscheinen des Kindes sichern soll, für das
das Erscheinen der Antragsgegnerin nicht erforderlich ist. Insofern kommt es
nicht darauf an, ob das persönliche Erscheinen des betreuenden Elternteils im
Rahmen einer Kindesanhörung überhaupt angeordnet werden darf (vgl. dazu OLG
Celle, FamRZ 2019, 1875, juris Rn. 9) und ob die Rechtmäßigkeit dieser
Anordnung im Vollstreckungsverfahren nach § 33 FamFG zu prüfen wäre.
b. Die
Festsetzung eines Ordnungsgeldes nach § 33 Abs. 3 S. 1 FamFG
gegen die Mutter wegen des Nichterscheinens des Kindes kommt nicht in Betracht,
da dies nur für den Beteiligten selbst vorgesehen ist.
2. Auch
die Voraussetzungen für die Festsetzung eines Zwangsgeldes gegen die Mutter
nach § 35 FamFG liegen hier nicht vor.
Die
Zwangsmittel des § 35 FamFG sind (anders als die Ordnungsmittel nach
§ 33 FamFG) in die Zukunft gerichtete Beugemittel, durch die eine Handlung
oder Unterlassung erzwungen werden soll. Sie sollen nicht den in der
Vergangenheit liegenden Verstoß gegen eine gerichtliche Anordnung bestrafen,
sie haben keinen Sanktionscharakter (vgl. BGH FamRZ 2017, 1948, juris Rn. 21;
Prütting/Helms/Hammer, FamFG, 6. Auflage 2023, § 35 Rn. 10 m.w.N.). Damit
setzen sie eine gerichtliche Anordnung voraus, die in der Zukunft noch
durchgesetzt werden soll. Daran fehlt es aber, wenn der in der gerichtlichen
Anordnung genannte (einzige) Termin zur Vornahme der Handlung vorüber ist (vgl.
OLG Karlsruhe vom 06.08.1997, FamRZ 1998, 1131, juris Rn. 9 m.w.N.).
Im vorliegenden
Fall hat sich die gerichtliche Anordnung gegen die Antragsgegnerin vom
23.09.2022, das Kind zum Termin vom 04.10.2022 zu bringen, erledigt. Eine in
die Zukunft gerichtete weitere gerichtliche Anordnung - wie von § 35 FamFG
verlangt - besteht hier nicht.
3. Damit
dürfte eine verfahrensrechtliche Durchsetzung der Verpflichtung des betreuenden
Elternteils, das Kind zur gerichtlichen Anhörung zu bringen, nicht möglich
sein.
Die Vorschrift
des § 35 FamFG (so obiter dictum in OLG Celle FamRZ 2019, 1875, juris Rn.
9 und KG Berlin FamRZ 2019, 1702, juris Rn. 28) dürfte dafür ungeeignet sein.
Eine gerichtliche Anordnung, das Kind zur Anhörung zu bringen, kann sich immer
nur auf einen konkreten Termin beziehen. Die Festsetzung und Vollstreckung von
Zwangsmitteln nach § 35 FamFG setzt aber wiederum voraus, dass eine
Zuwiderhandlung bereits erfolgt ist.
Insoweit
besteht wohl eine Gesetzeslücke. Hinsichtlich gerichtlicher Anordnungen zu
terminsbezogenen Verpflichtungen von Beteiligten sieht das Gesetz in § 33
Abs. 3 FamFG eine Sanktion in Form von Ordnungsmitteln nur für das
persönliche Erscheinen des Beteiligten selbst vor, eine Festsetzung gegen den
Inhaber der tatsächlichen Obhut des Kindes ist nicht vorgesehen. Die
Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen das Kind nach § 33 Abs. 3
S. 1 FamFG dürfte jedenfalls bei einem 4jährigen Kind daran scheitern,
dass dieses nicht unentschuldigt fehlt. Damit kommt auch eine zwangsweise
Vorführung des Kindes nach § 33 Abs. 3 S. 3 FamFG nicht in
Betracht.
4.
Sollte eine nach § 159 FamFG zwingend vorzunehmende persönliche Anhörung
des Kindes an der fehlenden Mitwirkung des betreuenden Elternteils scheitern,
wäre verfahrensrechtlich zu prüfen, ob nicht aus Verhältnismäßigkeitsgründen
ein schwerwiegender Grund für das Absehen nach § 159 Abs. 2 S. 1
Nr. 1 FamFG vorliegt. Anderenfalls wäre materiell-rechtlich über eine
(vorläufige) punktuelle Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts nach
§ 1666 BGB nachzudenken. Dies wird häufig die Einleitung eines gesonderten
Verfahrens erforderlich machen.
Außerdem könnte
ggfs. in der Sache - ggfs. in einem gesonderten Verfahren - eine einstweilige
Anordnung ohne vorherige Anhörung des Kindes ergehen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 FamFG.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen