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Samstag, 18. Juni 2022

Wechselmodell entgegen dem Willen der Eltern

Die unverheirateten Eltern des Kindes übten die elterliche Sorge gemeinsam aus; überwiegend befand sich das Kind im Haushalt der Antragstellerin. Mit Beschluss des Familiengerichts vom 05.10.2018 hat es ein Umgangsrecht des Antragstellers mit dem Kind geregelt. Eine dagegen von beiden Elternteilen wurde vom OLG zurückgewiesen. Mit dem weiteren, streitgegenständlichen Beschluss hat das Familiengericht ein Umgangsrecht dem Antragsteller ein Umgangsrecht in Form eines Wechselmodells (aufgeteilt nach geraden und ungeraden Wochen) eingeräumt, wobei es sich im Wesentlichen auf einen entsprechenden Kindeswillen stützte. Hiergegen wandte sich die Antragsgegnerin mit ihrer vom OLG zurückgewiesenen Beschwerde.

Das OLG verwies auf § 1696 Abs. 1 BGB, demzufolge eine Entscheidung zum Umgangsrecht zu ändern angezeigt sei, wenn dies aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt sei. Anders als bei Sorgerechtsentscheidungen könnten Anpassungen an veränderte Umstände schon dann angezeigt sein, wenn dies dem Kindeswohl diene. Die Änderungsschwelle könne bereits dann erreicht sein, wenn ein geänderter Kindeswille vorläge, insbesondere dann, wenn die Änderung auch schon praktiziert würde. Deser geänderte Kindeswille läge vor und das paritätische Wechselmodell würde bereits seit Mai 2021 praktiziert.

Betont wurde vom OLG, dass es nicht übersehen habe, dass es in dem vorangegangenen Beschwerdeverfahren ausgeführt habe, dass es für ein Wechselmodell an einer ausreichenden Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit der Eltern ermangele und dies nach Einschätzung des Jugendamtes weiterhin gelte. Während eines im laufenden Meditationsverfahrens, so die Antragsgegnerin, sie sie vom Antragsteller beleidigt worden, der ihr kriminelles Verhalten vorwerfe, und der Antragsteller habe während es laufenden Meditationsverfahrens Strafanzeige gegen die Antragsgegnerin (wegen eines von ihm dem Kind geschenkten Handys, welches die Antragsgegnerin veräußert haben soll)  erstattet. Ein Fahrradunfall des Kindes im April 2021 habe wegen fehlender Einigung der Eltern über die erforderliche ärztliche Behandlung zu einem noch anhängigen Sorgerechtsstreit geführt. Das Jugendamt schätze, dass der massive Elternkonflikt, dem das Kind schutzlos ausgesetzt sei, seit 2018 anhalte.

Die Frage, ob ein Wechselmodell geboten sei, sei unter Berücksichtigung anerkannter Kriterien des Kindeswohls zu entscheiden (BGH, Beschluss vom 27.11.2019 - XII ZB 512/18 -). Das Kommunikations- und Kooperationsverhalten der Eltern sei dabei nur ein Abwägungsgesichtspunkt. Dieser könne im Einzelfall auch zurücktreten. Derselbe würde dann zurücktreten, wenn zu erwarten sei, dass das Wechselmodell die Belastung des Kindes durch den Elternkonflikt nicht noch verstärke, ggf. sogar vermindere. Damit seien die Vor- und Nachteile des jeweiligen Betreuungsmodelle wertend gegeneinander abzuwägen.

Das OLG sah in dem Wechselmodell gegenüber anderen Gestaltungen, wie den vorher praktizierten erweiterten Umgang des Antragstellers, nach dem „Prinzip der Schadensminimierung“ das für das Kind am wenigsten schädliche und damit im Vergleich beste Betreuungsmodell. Dabei sie aus seiner Sicht mir entscheidend, dass sich das Kind im Verfahren mehrfach für das Wechselmodell ausgesprochen habe. Obwohl es an der Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit der Eltern ermangele, seien alle bedeutsamen Fragen für das Wechselmodell zwischen den Eltern geklärt und es funktioniere in der Praxis im Wesentlichen reibungslos. Wie sich aus den Angaben des Kindes, im Kern auch aus jener der Eltern ergäbe.

Eine Beeinflussung des Kindes schloss das OLG aus. Vielmehr ging es von einem bei der Kindesanhörung hohen Gerechtigkeitsempfinden des 11 ¾ Jahre alten Kindes aus, welches zu respektieren sei. Eine fehlende Respektierung seines Willens durch Nichtbeachtung wurde vom OLG als mit der Gefahr verbunden angesehen, dass dies zu einer Schwächung der kindlichen Selbstwirksamkeitserwartung mit negativen Folgen für seine psychische Entwicklung verbunden sein könnte. Mit zunehmenden Alter und Einsichtsfähigkeit komme dem Willen des Kindes vermehrt Bedeutung zu. Zur schutzwürdigen Persönlichkeitsentwicklung des Kindes gehöre auch dessen auf einem tief empfundenen Gerechtigkeitsgefühl beruhenden Wunsch nach Gleichbehandlung beider Eltern. Auch wenn ein Loyalitätsdruck bei dem Kind vorhanden sein sollte und es Ruhe haben wollte, würde doch der Wunsch nach hälftiger Betreuung eine psychische Lebenswirklichkeit darstellen, die schon aus diesem Grund zu respektieren sei.

Das schon seit Mai 2021 praktizierte Wechselmodell haben nach den Berichten des Verfahrensbeistandes des Kindes und des Jugendamtes keine nachteilogen Auswirkungen auf das Kind gehabt. Auch das Kind habe einen reibungslosen Ablauf des wöchentlichen Wechsels geschildert und in der Schule seien auch keine Probleme aufgetreten, was vom Jugendamt und den Eltern bestätigt worden sei.

OLG Dresden, Beschluss vom 12.04.2022 - 21 UF 304/21 -

Donnerstag, 31. Oktober 2019

Umfang des Umgangsrechts des biologischen (nicht rechtlichen) Vaters


Der Beschwerdeführer (BF) ist der leibliche Vater der 2012 geborenen B., dessen rechtliche Eltern die verheirateten Beteiligten zu 2. und 3. sind. Im Rahmen eines vorangegangenen Verfahrens zum Umgangsrecht schlossen die Parteien einen Vergleich dahingehend, dass der BF seine leibliche Tochter B. jeweils zweiwöchentlich jeweils am Samstag von 9 bis 18 Uhr zu sich nehmen könne. Mit dem streitgegenständlichem Antrag begehrte er die Erweiterung des Umgangsrechts dahingehend, dass er alle 14 Tage seine Tochter von jeweils von Freitag 9 Uhr bis Sonntag 18 Uhr zu sich nehmen könne, sowie eine Ferien und Feiertagsregelung. In einem Zwischenvergleich vereinbarten die Parteien eine Regelung dahingehend, dass der BF an jedem ersten Wochenende im Monat seine Tochter von Samstag 9 Uhr bis Sonntag 18 Uhr zu sich nehmen könne. Im übrigen wurde ein Ruhen angeordnet; nachdem eine weitergehende Einigung nicht stattfand, der BF das Verfahren wieder anrief, beließ es das Amtsgericht bei der bisherigen Regelung nebst dem Zwischenvergleich und wies den weitergehenden Antrag zurück. Die dagegen gerichtete Beschwerde wurde zurückgewiesen.

Das Umgangsrecht des leiblichen Vaters ist in § 1686a Abs. 1 Nr. 1 BGB geregelt. Vorliegend war zudem die gerichtlich gebilligte Umgangsregelung nach § 1696 Abs. 1 BGB zu berücksichtigen. Diese Regelung, so das OLG, könne aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt sein. Insoweit sei nach den vom Amtsgericht getätigten Ermittlungen eine Ausweitung des Umgangsrechts dem Wohl der B. entsprechend im Hinblick auf das erste Wochenende im Monat angezeigt gewesen, wie im Zwischenvergleich festgehalten. Im übrigen lägen aber die gesetzlichen Voraussetzungen nach § 1686a Abs. 1 Nr. 1 BGB nicht vor. Zwar sei vorliegend nicht im Streit, dass der BF als leiblicher Vater ein ernsthaftes Interesse am Kind gezeigt habe und daher nach der Bestimmung ein Umgangsrecht habe, welches dem Kindeswohl diene. Allerdings würde der BF verkennen, dass sich das Umgangsrecht nicht an den zu Art. 6 Abs. 2 GG iVm. § 1684 BGB (Anm.: § 1684 BGB wird explizit für das Recht nach § 1684a Abs. 1 Nr. 1 BG in § 1684a Abs. 2 BGB benannt) entwickelten Kriterien beurteile, da das Recht des leiblichen Vaters nicht durch das Elternrecht des rechtlichen Vaters nach § 1686a BGB geschützt würde. Vielmehr würde sich fad Umgangsrecht des leiblichen Vaters an den zu § 1685 BGB entwickelten Kriterien orientieren, weshalb auch ein 14-tägiger Umgang über das Wochenende des nur leiblichen Vaters nicht als Regelfall nach § 1681a BGB angenommen werden könne. Zwar sei eine Einzelfallbetrachtung geboten, orientiert am Kindeswohl. Zu berücksichtigen sei dabei aber auch, wie groß die Akzeptanz der rechtlichen Familie sei und vor allem der Umstand, ob das Kind durch das Umgangsrecht seines weiteren Vaters in einen Loyalitätskonflikt gebracht werde. Dies sei hier, wie den ausführlichen Berichten des für das Kind bestellten Verfahrensbeistandes zu entnehmen sei, der Fall. B. sei den unterschiedlichen Wünschen der rechtlichen Eltern und des leiblichen Vaters in besonderem Maße ausgesetzt und würde dadurch verunsichert; sie wolle keine der drei Elternteile enttäuschen, was sich auch in den widersprüchlichen Willensäußerungen gegenüber beiden Teilen widerspiegele. Es bedürfe von daher einer stabilen und verlässlichen Umgangsregelung, die dem Kind den inneren Frieden bringe und nicht mit der Gefahr verbunden sei, dass es mit Ablehnung eines Elternteils darauf reagiere. Dies würde durch die vom Amtsgericht getroffene Umgangsregelung getragen, mit der auch der von § 1686a BGB verfolgte Zweck, dem Kind eine Bindung zu seinem leiblichen Vater zu ermöglichen, gesichert sei. Es bedürfe dazu nicht einer darüberhinaus gehenden Übernachtungsregelung, ebensowenig einer Ferien- und Feiertagsregelung. Eine andere Beurteilung könne sich ergeben, wenn B. älter sei und ihrem Willen stärkere Beachtung zu schenken sei, wenn der derzeitige Loyalitätskonflikt abgebaut werden könne.

OLG Frankfurt, Beschluss vom 11.06.2019 - 5 UF 72/19 -