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Mittwoch, 3. April 2024

Einvernehmlich abgeänderte vollstreckbare Umgangsregelung und Vollstreckung

Das Kind der Verfahrensbeteiligten wohnte bei der Mutter (Antragstellerin). Die Eltern hatten eine Umgangsregelung des Vaters (Antragsgegner) unter Ausschluss von Übernachtungen  bis zum Nachweis eines negativen Drogentests getroffen, die gerichtlich unter Hinweis durch das Gericht auf Folgen bei einer Zuwiderhandlung gebilligt wurde. Das entsprechende Protokoll wurden beiden Elternteilen zugestellt.  

Die Antragstellerin (AS) beantragte die Festsetzung von Ordnungsmitteln gegen den Antragsgegner (AG), da der AG an drei Wochenenden hintereinander das Kind nicht zur Übernachtung und in drei Fällen mit einer Abweichung von einer Stunde zurückgebracht habe. Das Amtsgericht (Familiengericht) setzte gegen den AG ein Ordnungsgeld von € 500,00 fest, der dagegen sofortige Beschwerde einlegte. Die Verspätungen seien der AS jeweils mitgeteilt worden und die Übernachtungen seien mit der AS abgestimmt gewesen. Das Familiengericht half der Beschwerde nicht ab; es sah das Ordnungsgeld als mäßig bei sechs Verstößen an. Die sofortige Beschwerde hatte vor dem OLG teilweise Erfolg.   

Bei Zuwiderhandlungen gegen einen Vollstreckungstitel zur Regelung des Umgangs könne das Gericht gem. § 87 Abs. 1 S. 1, § 89 Abs. 1 FamFG von Amts wegen ein Ordnungsgeld (und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden könne, Ordnungshaft) oder auch gleich Ordnungshaft anordnen, wenn die Anordnung eines Ordnungsgeldes keinen Erfolg verspreche. Die gerichtlich gebilligte Umgangsregelung sei  vollstreckbar, § 86 Abs. 1 Nr. 2 FamFG; der gebotene Hinweis auf die Möglichkeit der Anordnung von Ordnungsmitteln für den Fall der Zuwiderhandlung sei erteilt worden und die notwendige Zustellung (§ 87 Abs. 2 FamFG) lägen vor. Gegen die Umgangsregelung habe der AG durch die drei Verspätungen verstoßen. Gründe, aus denen sich ergeben würden, dass der AG die Verspätungen nicht zu vertreten habe, seien nicht vorgetragen worden (§ 89 Abs. 4 S. 1 FamFG). 

Der Darlegung des AG zu der Vereinbarung zu den drei Übernachtungen habe die AS nicht widersprochen. Deshalb käme diesbezüglich die Verhängung eines Ordnungsgeldes nicht in Betracht, auch wenn ein Verstoß gegen die gerichtlich im Kindeswohl gebilligte Umgangsvereinbarung vorläge. Inhaber des Umgangsbestimmungsrechts seien die Eltern, weshalb sie auch Regelungen in gerichtlich gebilligten Vereinbarungen einvernehmlich abändern könnten mit der Folge, dass insoweit deren Vollstreckbarkeit entfalle (OLG Brandenburg, Beschluss vom 05.06.2020 - 13 WF 100/20 -). Zwar seien die Eltern nach § 156 Abs. 2 S. 2 FamFG nicht iSv. § 36 FamFG verfügungsbefugt (BGH, Beschluss vom 10.07.2019 - XII ZB 507/18 -), doch betreffe dies den verfahrensrechtlichen Bereich mit der Folge, dass es den Eltern nicht möglich sei, auch ohne gerichtliche Billigung eine vollstreckbare Regelung mit den Wirkungen des § 1696 BGB zu vereinbaren. Materiellrechtlich jedoch seien sie - soweit nicht Dritte betroffen seien - verfügungsbefugt, soweit ihnen nicht das Umgangsrecht entzogen wurde. 

Durch die gerichtliche Regelung sei den Eltern das Umgangsrecht nicht (auch nicht konkludent) entzogen worden. Es sei nicht gewollt und auch nicht praktikabel, einmal getroffene gerichtliche Umgangsregelungen bis zur Volljährigkeit des Kindes ständig nach § 1696 Abs. 1 BGB abzuändern. 

Zur Höhe des vom OLG nunmehr festgesetzten Ordnungsgeldes von € 350,00 betreffend der Verspätung würde es sich nach den Ausführungen der AS, denen der AG nicht widersprach, um ein generelles Problem handeln. Deshalb erscheine ein Betrag von € 350,00 (ersatzweise zwei Tage Ordnungshaft) erforderlich aber auch ausreichend, um den AG zu einer verlässlichen Einhaltung der Umgangsregelung anzuhalten.

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 06.02.2024 - 5 WF 166/23 -

Dienstag, 6. Dezember 2022

Ordnungsgeld bei Nichtwahrnehmung des Umgangsrechts, § 1684 Abs. 1 BGB

Das Amtsgericht (Familiengericht) hatte das Umgangsrecht des Antragsgegners mit seinen zwei Kinder geregelt, wonach er an jedem ungeraden Kalenderwochenende seine zwei Kinder von Freitag 14 Uhr bis Montag 8 Uhr und in den geraden Wochen Dienstag von 14.30 bis 19 Uhr Umgang mit ihnen haben sollte. Auf Antrag der Antragstellerin verhängte das Amtsgericht, nach vorangegangener Androhung, gegen den Antragsgegner mit diesem am 28.06.2022 zugestellten Beschluss ein Ordnungsgeld in Höhe von € 500,00, nach dieser das Umgangsrecht seit April den Umgang mit den Kindern nicht mehr wahrnahm. Gegen diesen Beschluss legte der Antragsgegner sofortige Beschwerde ein, die vom OLG als unbegründet zurückgewiesen wurde.

Beim Amtsgericht hatte der Antragsgegner argumentiert, er sei finanziell nicht in der Lage, für die Übernachtung seiner Kinder ein geeignetes Umfeld aufzubauen. Im Rahmen der Beschwerde begehrte der Antragsgegner auch neben der Aufhebung des Beschlusses auch die Abänderung der Umgangsregelung; es entspräche nicht dem Kindeswohl, den umgangsunwilligen Elternteil mittels Ordnungsgeld zum Umgang anzuhalten.

Das sah das OLG in Ansehung der tatsächlichen Umstände anders. Grundsätzlich müsse ein Elternteil einen Eingriff in dem Persönlichkeitsschutz im Hinblick auf die den Eltern durch Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG den Eltern auferlegte Verantwortung für ihre Kinder (BVerfGE 121, 68, 95). In § 1684 Abs. 1 BGB sei der Elternverantwortung durch die dort normierte Umgangsverpflichtung als elterliche Pflicht verankert. Damit könne ein Elternteil auch unter Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts zum Umgang mit seinen Kindern verpflichtet werden, wenn dies dem Kindeswohl diene. Allerdings habe die zwangsweise Durchsetzung der Umgangspflicht zu unterblieben, gebe es im konkreten Einzelfall keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der erzwungene Umgang dem Kindeswohl dienen könnte.

Hier nun sah das OLG allerdings keine Gefahr für das Kindeswohl. Es vertrat die Auffassung, dass die Berufung auf finanzielle Erwägungen emotionale Gründe habe, weshalb nicht davon auszugehen sei, dass er bei einem persönliche Umgang mit den Kindern diesen gegenüber Abneigung zum Ausdruck bringen würde, und es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass er bei einem persönlichen Umgang seiner Verantwortung gegenüber den Kindern nicht nachkäme und den Streit mit seiner ehemaligen Frau um Geld nicht vom Verhältnis zu den Kindern trennen könne. Bei der Abwägung seien auch die Folgen einer Entfremdung der Kindern von dem Antragsgegner für ihre psychosoziale Entwicklung zu berücksichtigen. Die Anhörung der Kinder habe zudem ergeben, dass sie in der Vergangenheit problemlos auch bei dem Antragsgegner (der bei seinen Eltern mit seinem Bruder wohne) waren, dort auch früher bereits übernachteten, und  Bindungen zur Großmutter und zum Onkel zum Ausdruck gekommen seien.

Kommentar:

Damit legte das OLG dar, dass die Verweigerungshaltung, Umgang mit den eigenen Kindern Umgang zu pflegen, das Recht weder beeinträchtigt noch aus der dem Recht genüberstehenden Pflicht entbindet. Zwangsmittel, wie hier das Ordnungsgeld, sollen nur erfolgen, wenn diese Mittel dem Kindeswohl dienen. Denn das dem Umgangsrecht innenwohnende Gegenstück, die Umgangspflicht, soll nicht dazu führen, dass durch den erzwungenen Umgang das Kindeswohl gefährdet wird. Angezeigt ist damit ein Ordnungsmittel zur Erzwingung des Umgangs, wen sicher davon ausgegangen werden kann, dass dies nicht dem Kindeswohl entgegenstehen könnte. Ob dies allerdings alleine durch Anhörungen des Umgangsunwilligen und der Kinder geklärt werden kann (wie hier wohl geschehen), lässt sich kaum verallgemeinern, da dann der oder die zur Entscheidung berufenen Richter letztlich psychologische Befähigungen haben müssten, und selbst für Psychologen wäre bei gewissenhafter Expertise nicht eine kurze Anhörung nicht ausreichend. Zutreffend wird allerdings vom OLG darauf verwiesen, dass der fehlende Umgang mit (hier) dem Vater die psychosoziale Entwicklung der Kinder beeinträchtigen könnte. Es handelt sich hier also um einen Balanceakt, den das Familiengericht oder (beim OLG) der Familiensenat vollziehen muss.

Da sich hier offensichtlich der bisherige Umgang des Vaters mit den Kindern nicht al negativ erwies, er insbesondere wohl auch nicht seine Verantwortung den Kindern gegenüber vernachlässigte, dürfte die Entscheidung vor dem Hintergrund richtig sein, dass der Vater auf seine finanziellen Ressourcen zur Verweigerung der Umgangsverpflichtung verwies und wohl noch Auseinandersetzungen zwischen den (ehemaligen) Eheleuten zu finanziellen Fragen anhängig sind, die hier (wohl) vom Vater genutzt wurden. Es ist bedauerlich, wenn die Trennung der Eltern so letztlich über die Kinder ausgetragen werden, weshalb die Entscheidung des OLG zu begrüßen ist.

OLG Frankfurt, Beschluss vom 22.08.2022 - 6 WF 112/22

Freitag, 30. September 2022

Kindeswohlentscheidung, § 1666 BGB: Anforderungen an Gericht, § 159 FamFG

Das Jugendamt regte ein Verfahren beim Familiengericht an, bei dem dem Kind der nicht verheirateten Eltern eine Verfahrensbeiständin bestellt wurde und die Eltern im Termin, bei dem das Kind nach dem Protokoll zugegen war, angehört wurden. In der Sache ging es um die Verpflichtung der Eltern, Sozialpädagogische Familienhilfe vor dem Hintergrund in Anspruch zu nehmen, dass die Mutter  an einer Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ Schizophrenie litt. Dem gab das Amtsgericht auf der Grundlage von § 1666 BGB („Gerichtliche Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls“) mit der Begründung statt, die Hilfe sei zur dauerhaften Sicherstellung des Kindeswohls notwendig.

Die von den Eltern gegen den Beschluss des Familiengerichts eingelegte Beschwerde führte zur Aufhebung desselben und Zurückverweisung des Verfahrens an das Familiengericht.

Nach Auffassung des OLG lägen die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung gem. § 69 Abs. 1 S. 3 FamFG vor, da das Verfahren an einem schwerwiegenden Verfahrensmangel leide und eine umfassende und aufwändige Beweisaufnahme für eine Entscheidung erforderlich würde. Den schwerwiegenden sah das OLG darin, dass die nach § 159 FamFG vorgesehene Anhörung des Kindes unterblieb noch sich das Familiengericht einen unmittelbaren Eindruck von diesem gemacht habe, § 159 Abs. 1 FamFG. Weder seien Gründe dargelegt noch ersichtlich, § 159 Abs. 2 FamFG.

Durch § 159 FamFG in seiner jetzigen Fassung habe der Gesetzgeber (altersunabhängig) der Rechts- und Subjektstellung des Kindes im Verfahren Rechnung getragen und eine kindgerechte Justiz befördert. Auch wenn das Kind noch nicht in der Lage sei, seinen Willen und seine Neigungen zu artikulieren, habe sich das Gericht in Kinderschutzverfahren jedenfalls einen persönlich Eindruck zu verschaffen, § 159 Abs. 2 S. 2 FamFG.  

Es bedürfe hier im Rahmen der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks der expliziten Wahrnehmung des Kindes, was auch bedeute, dass das Gericht das Kind zumindest kurz in seinem Verhalten beobachtet, um so Rückschlüsse auf seine Befindlichkeit ziehen zu können. Das sei bei sehr kleinen Kindern häufig nur durch einen unmittelbaren Kontakt des Richters mit diesen möglich. Es sei zudem zum Ergebnis ein Vermerk zu fertigen, in welchem die der persönliche Eindruck und das Verhalten des Kindes geschildert würde und den Beteiligten zu diesem Vermerk rechtliches Gehör gewährt werde.

Hier wurde lediglich vermerkt, dass das Kind zugegen war. Dass sich das Gericht einen persönlichen Eindruck vom Kind verschafft habe, sei nicht vermerkt. Es sei auch nicht ersichtlich, dass die persönliche Anhörung des Kindes in irgendeiner Art und Weise in die Entscheidung, in der sie auch nicht erwähnt worden sei, berücksichtigt wurde.

Der von den Eltern beantragten Zurückverweisung sei zu entsprechen, da die Nachholung der persönlichen Anhörung des Kindes umfangreich bzw. aufwändig wäre und hinzukommen würde, dass sich in Folge der Anhörung zusätzliche Anhaltspunkte für ein derzeit noch nicht abzusehendes Ausmaß weiterer notwendiger Ermittlungen ergeben könnten. Gründe, die hier einer Zurückverweisung nach § 155 Abs. 1 FamFG (Vorrang- und Beschleunigungsgebot) entgegenstehen könnten, lägen nicht vor.

 OLG Frankfurt, Beschluss vom 12.07.2022 - 1 UF 240/21 -

Samstag, 18. Juni 2022

Wechselmodell entgegen dem Willen der Eltern

Die unverheirateten Eltern des Kindes übten die elterliche Sorge gemeinsam aus; überwiegend befand sich das Kind im Haushalt der Antragstellerin. Mit Beschluss des Familiengerichts vom 05.10.2018 hat es ein Umgangsrecht des Antragstellers mit dem Kind geregelt. Eine dagegen von beiden Elternteilen wurde vom OLG zurückgewiesen. Mit dem weiteren, streitgegenständlichen Beschluss hat das Familiengericht ein Umgangsrecht dem Antragsteller ein Umgangsrecht in Form eines Wechselmodells (aufgeteilt nach geraden und ungeraden Wochen) eingeräumt, wobei es sich im Wesentlichen auf einen entsprechenden Kindeswillen stützte. Hiergegen wandte sich die Antragsgegnerin mit ihrer vom OLG zurückgewiesenen Beschwerde.

Das OLG verwies auf § 1696 Abs. 1 BGB, demzufolge eine Entscheidung zum Umgangsrecht zu ändern angezeigt sei, wenn dies aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt sei. Anders als bei Sorgerechtsentscheidungen könnten Anpassungen an veränderte Umstände schon dann angezeigt sein, wenn dies dem Kindeswohl diene. Die Änderungsschwelle könne bereits dann erreicht sein, wenn ein geänderter Kindeswille vorläge, insbesondere dann, wenn die Änderung auch schon praktiziert würde. Deser geänderte Kindeswille läge vor und das paritätische Wechselmodell würde bereits seit Mai 2021 praktiziert.

Betont wurde vom OLG, dass es nicht übersehen habe, dass es in dem vorangegangenen Beschwerdeverfahren ausgeführt habe, dass es für ein Wechselmodell an einer ausreichenden Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit der Eltern ermangele und dies nach Einschätzung des Jugendamtes weiterhin gelte. Während eines im laufenden Meditationsverfahrens, so die Antragsgegnerin, sie sie vom Antragsteller beleidigt worden, der ihr kriminelles Verhalten vorwerfe, und der Antragsteller habe während es laufenden Meditationsverfahrens Strafanzeige gegen die Antragsgegnerin (wegen eines von ihm dem Kind geschenkten Handys, welches die Antragsgegnerin veräußert haben soll)  erstattet. Ein Fahrradunfall des Kindes im April 2021 habe wegen fehlender Einigung der Eltern über die erforderliche ärztliche Behandlung zu einem noch anhängigen Sorgerechtsstreit geführt. Das Jugendamt schätze, dass der massive Elternkonflikt, dem das Kind schutzlos ausgesetzt sei, seit 2018 anhalte.

Die Frage, ob ein Wechselmodell geboten sei, sei unter Berücksichtigung anerkannter Kriterien des Kindeswohls zu entscheiden (BGH, Beschluss vom 27.11.2019 - XII ZB 512/18 -). Das Kommunikations- und Kooperationsverhalten der Eltern sei dabei nur ein Abwägungsgesichtspunkt. Dieser könne im Einzelfall auch zurücktreten. Derselbe würde dann zurücktreten, wenn zu erwarten sei, dass das Wechselmodell die Belastung des Kindes durch den Elternkonflikt nicht noch verstärke, ggf. sogar vermindere. Damit seien die Vor- und Nachteile des jeweiligen Betreuungsmodelle wertend gegeneinander abzuwägen.

Das OLG sah in dem Wechselmodell gegenüber anderen Gestaltungen, wie den vorher praktizierten erweiterten Umgang des Antragstellers, nach dem „Prinzip der Schadensminimierung“ das für das Kind am wenigsten schädliche und damit im Vergleich beste Betreuungsmodell. Dabei sie aus seiner Sicht mir entscheidend, dass sich das Kind im Verfahren mehrfach für das Wechselmodell ausgesprochen habe. Obwohl es an der Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit der Eltern ermangele, seien alle bedeutsamen Fragen für das Wechselmodell zwischen den Eltern geklärt und es funktioniere in der Praxis im Wesentlichen reibungslos. Wie sich aus den Angaben des Kindes, im Kern auch aus jener der Eltern ergäbe.

Eine Beeinflussung des Kindes schloss das OLG aus. Vielmehr ging es von einem bei der Kindesanhörung hohen Gerechtigkeitsempfinden des 11 ¾ Jahre alten Kindes aus, welches zu respektieren sei. Eine fehlende Respektierung seines Willens durch Nichtbeachtung wurde vom OLG als mit der Gefahr verbunden angesehen, dass dies zu einer Schwächung der kindlichen Selbstwirksamkeitserwartung mit negativen Folgen für seine psychische Entwicklung verbunden sein könnte. Mit zunehmenden Alter und Einsichtsfähigkeit komme dem Willen des Kindes vermehrt Bedeutung zu. Zur schutzwürdigen Persönlichkeitsentwicklung des Kindes gehöre auch dessen auf einem tief empfundenen Gerechtigkeitsgefühl beruhenden Wunsch nach Gleichbehandlung beider Eltern. Auch wenn ein Loyalitätsdruck bei dem Kind vorhanden sein sollte und es Ruhe haben wollte, würde doch der Wunsch nach hälftiger Betreuung eine psychische Lebenswirklichkeit darstellen, die schon aus diesem Grund zu respektieren sei.

Das schon seit Mai 2021 praktizierte Wechselmodell haben nach den Berichten des Verfahrensbeistandes des Kindes und des Jugendamtes keine nachteilogen Auswirkungen auf das Kind gehabt. Auch das Kind habe einen reibungslosen Ablauf des wöchentlichen Wechsels geschildert und in der Schule seien auch keine Probleme aufgetreten, was vom Jugendamt und den Eltern bestätigt worden sei.

OLG Dresden, Beschluss vom 12.04.2022 - 21 UF 304/21 -