Die unverheirateten Eltern des Kindes übten die elterliche Sorge gemeinsam aus; überwiegend befand sich das Kind im Haushalt der Antragstellerin. Mit Beschluss des Familiengerichts vom 05.10.2018 hat es ein Umgangsrecht des Antragstellers mit dem Kind geregelt. Eine dagegen von beiden Elternteilen wurde vom OLG zurückgewiesen. Mit dem weiteren, streitgegenständlichen Beschluss hat das Familiengericht ein Umgangsrecht dem Antragsteller ein Umgangsrecht in Form eines Wechselmodells (aufgeteilt nach geraden und ungeraden Wochen) eingeräumt, wobei es sich im Wesentlichen auf einen entsprechenden Kindeswillen stützte. Hiergegen wandte sich die Antragsgegnerin mit ihrer vom OLG zurückgewiesenen Beschwerde.
Das OLG verwies auf § 1696 Abs. 1 BGB, demzufolge eine Entscheidung zum Umgangsrecht zu ändern angezeigt sei, wenn dies aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt sei. Anders als bei Sorgerechtsentscheidungen könnten Anpassungen an veränderte Umstände schon dann angezeigt sein, wenn dies dem Kindeswohl diene. Die Änderungsschwelle könne bereits dann erreicht sein, wenn ein geänderter Kindeswille vorläge, insbesondere dann, wenn die Änderung auch schon praktiziert würde. Deser geänderte Kindeswille läge vor und das paritätische Wechselmodell würde bereits seit Mai 2021 praktiziert.
Betont wurde vom OLG, dass es nicht übersehen habe, dass es in dem vorangegangenen Beschwerdeverfahren ausgeführt habe, dass es für ein Wechselmodell an einer ausreichenden Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit der Eltern ermangele und dies nach Einschätzung des Jugendamtes weiterhin gelte. Während eines im laufenden Meditationsverfahrens, so die Antragsgegnerin, sie sie vom Antragsteller beleidigt worden, der ihr kriminelles Verhalten vorwerfe, und der Antragsteller habe während es laufenden Meditationsverfahrens Strafanzeige gegen die Antragsgegnerin (wegen eines von ihm dem Kind geschenkten Handys, welches die Antragsgegnerin veräußert haben soll) erstattet. Ein Fahrradunfall des Kindes im April 2021 habe wegen fehlender Einigung der Eltern über die erforderliche ärztliche Behandlung zu einem noch anhängigen Sorgerechtsstreit geführt. Das Jugendamt schätze, dass der massive Elternkonflikt, dem das Kind schutzlos ausgesetzt sei, seit 2018 anhalte.
Die Frage, ob ein Wechselmodell geboten sei, sei unter Berücksichtigung anerkannter Kriterien des Kindeswohls zu entscheiden (BGH, Beschluss vom 27.11.2019 - XII ZB 512/18 -). Das Kommunikations- und Kooperationsverhalten der Eltern sei dabei nur ein Abwägungsgesichtspunkt. Dieser könne im Einzelfall auch zurücktreten. Derselbe würde dann zurücktreten, wenn zu erwarten sei, dass das Wechselmodell die Belastung des Kindes durch den Elternkonflikt nicht noch verstärke, ggf. sogar vermindere. Damit seien die Vor- und Nachteile des jeweiligen Betreuungsmodelle wertend gegeneinander abzuwägen.
Das OLG sah in dem Wechselmodell gegenüber anderen Gestaltungen, wie den vorher praktizierten erweiterten Umgang des Antragstellers, nach dem „Prinzip der Schadensminimierung“ das für das Kind am wenigsten schädliche und damit im Vergleich beste Betreuungsmodell. Dabei sie aus seiner Sicht mir entscheidend, dass sich das Kind im Verfahren mehrfach für das Wechselmodell ausgesprochen habe. Obwohl es an der Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit der Eltern ermangele, seien alle bedeutsamen Fragen für das Wechselmodell zwischen den Eltern geklärt und es funktioniere in der Praxis im Wesentlichen reibungslos. Wie sich aus den Angaben des Kindes, im Kern auch aus jener der Eltern ergäbe.
Eine Beeinflussung des Kindes schloss das OLG aus. Vielmehr ging es von einem bei der Kindesanhörung hohen Gerechtigkeitsempfinden des 11 ¾ Jahre alten Kindes aus, welches zu respektieren sei. Eine fehlende Respektierung seines Willens durch Nichtbeachtung wurde vom OLG als mit der Gefahr verbunden angesehen, dass dies zu einer Schwächung der kindlichen Selbstwirksamkeitserwartung mit negativen Folgen für seine psychische Entwicklung verbunden sein könnte. Mit zunehmenden Alter und Einsichtsfähigkeit komme dem Willen des Kindes vermehrt Bedeutung zu. Zur schutzwürdigen Persönlichkeitsentwicklung des Kindes gehöre auch dessen auf einem tief empfundenen Gerechtigkeitsgefühl beruhenden Wunsch nach Gleichbehandlung beider Eltern. Auch wenn ein Loyalitätsdruck bei dem Kind vorhanden sein sollte und es Ruhe haben wollte, würde doch der Wunsch nach hälftiger Betreuung eine psychische Lebenswirklichkeit darstellen, die schon aus diesem Grund zu respektieren sei.
Das schon seit Mai 2021 praktizierte Wechselmodell haben nach den Berichten des Verfahrensbeistandes des Kindes und des Jugendamtes keine nachteilogen Auswirkungen auf das Kind gehabt. Auch das Kind habe einen reibungslosen Ablauf des wöchentlichen Wechsels geschildert und in der Schule seien auch keine Probleme aufgetreten, was vom Jugendamt und den Eltern bestätigt worden sei.
OLG Dresden, Beschluss vom
12.04.2022 - 21 UF 304/21 -