Lange wurde eine grundlegende Entscheidung des BGH ersehnt: Wie wirkt sich eine COVID-19 bedingte hoheitliche Maßnahme, die die Schließung von Geschäftslokalen zur Folge hat, auf das Mietverhältnis aus ? Der BGH hat sich der Ansicht angeschlossen, die darin keinen Mietmangel sehen, auch keine Unmöglichkeit des Vermieters, die Mietsache in einem Zustand zum vertragsgemäßen Gebrauch zu überlassen. Er stellt auf § 313 Abs. 1 BGB ab und räumt dem Mieter von gewerblichen Räumen das grundsätzliche Recht ein, eine Anpassung der Miete zu begehren. Allerdings soll eine Prüfung des Einzelfalls erfolgen, ob für den Mieter eine Unzumutbarkeit besteht, ab dem unveränderten Vertrag festzuhalten, wobei im Rahmen der Prüfung auch finanziell Vorteile des Mieters (z.B. staatliche Hilfen zum Ausgleich der pandemiebedingten Leistungen ) berücksichtigt werden sollen.
Die Leitsätze der Entscheidung
des BGH vom 12.01.2022 – XII ZR 8/21 – lauten:
„1. Die durch
die COVID-19-Pandemie bedingte Schließung eines Einzelhandelsgeschäfts führt
nicht zu einem Mangel der Mietsache im Sinne von § 536 Abs. 1
Satz 1 BGB. Dem Vermieter wird dadurch die vertraglich geschuldete
Leistung zur Überlassung und Erhaltung der Mietsache in einem zum
vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand auch nicht ganz oder teilweise
unmöglich.
2. Im Fall
einer Geschäftsschließung, die auf einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung
der COVID-19-Pandemie beruht, kommt grundsätzlich ein Anspruch des Mieters von
gewerblich genutzten Räumen auf Anpassung der Miete wegen Störung der
Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB in Betracht.
3. Bei der Prüfung, ob dem Mieter ein Festhalten an dem unveränderten Vertrag unzumutbar ist, verbietet sich eine pauschale Betrachtungsweise. Maßgeblich sind vielmehr sämtliche Umstände des Einzelfalls. Daher sind auch die finanziellen Vorteile zu berücksichtigen, die der Mieter aus staatlichen Leistungen zum Ausgleich der pandemiebedingten Nachteile erlangt hat.“
Nachfolgend sollen die wesentlichen Erwägungen des BGH aufgezeigt werden, die der BGH für eine Anpassung des Mietzinses ausführte und welche Konsequenzen dies für die Darlegungs- und Beweislast der Parteien des Mietverhältnisses hat.
1.
Der BGH stellt klar, dass die Regelungen zur Leistungsstörung, so insbesondere in § 313 Abs. 1 BGB (Regelungen zur Veränderung der Geschäftsgrundlage nach Vertragsabschluss) entgegen einer in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Ansicht nicht von Art. 240 § 2 EGBGB ausgeschlossen würden, mit dem der Gesetzgeber Kündigungsmöglichkeiten des Vermieters wegen eine (coronabedingten) Leistungsverzugs ausschloss. Er schließt sich der Gegenansicht an und verwies darauf, dass die Regelung in Art. 240 § 2 Abs. 1 S. 1 EGBGB nur eine Beschränkung des Kündigungsrechts des Vermieters bei coronabedingter Nichtleistung enthalte, die Pflicht zur Mietzahlung aber nicht tangiert würde. Zudem sei nach dem Gesetzeszweck den Mietern ein Moratorium für einen bestimmten Zeitraum eingeräumt worden. Entgegen einem in Art. 240 § 1 EGBGB enthaltenen Grundsatz habe der Gesetzgeber aber davon Abstand genommen dem Mieter ein Leistungsverweigerungsrecht einzuräumen. Würde es sich um eine abschließende Regelung handeln, würde sich diese zum Nachteil der Mieter auswirken, da diese auch bei einer coronabedingten Schließung zur Zahlung der vollständigen Miete verpflichtet blieben. Das Risiko, die Räume nutzen zu können, sei in diesem Fall alleine auf den Mieter verlagert, weshalb in der Konsequenz sich diese Norm dann als Schutz des Vermieters darstellen würde. Es lägen aber keine Anhaltspunkte vor, dass hier der Gesetzgeber das Nutzungsrisiko alleine auf den Mieter verlagern wollte.
a)
Soweit teilweise ein Minderungsrecht des Mieters nach § 536 Abs. 1 BGB angenommen würde, sei dem aber zu folgen. Betriebsschließungen, die durch Allgemeinverfügungen des Staates veranlasst wurden, würden keinen Mangel der Mietsache darstellen. Öffentlich-rechtliche Gebrauchshindernisse und -beschränkungen könnten nur dann einen Mangel der Mietsache nach §§ 536ff BGB begründen, wenn sie auf der konkreten Beschaffenheit der Mietsache beruhen würden und nicht ihre Ursache in persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters ihre Ursache hätten. Gesetzgeberische Maßnahmen währen des Gebrauchs der Mietsache könnten nur dann zu einem Mangel der Mietsache führen, wenn diese Gebrauchsbeschränkung unmittelbar mit der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der geschäftlichen Lage des Mietobjekts in Zusammenhang stünde. Dies sei aber bei den coronabedingten Allgemeinverfügungen nicht der Fall, da diese nicht auf der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage des der Mietsache beruhen würden, sondern an den Geschäftsbetrieb des Mieters anknüpfen. Zwar sei der Zugang zu den entsprechenden Einrichtungen untersagt und der ungehinderte Zugang gerade bei der Vermietung von Gewerberäumen Voraussetzung für eine vertragsgemäße Nutzung, wenn dieser auf den Kundenverkehr angewiesen sei. Allerdings verbiete sich eine Ausuferung des Mangelbegriffs, weshalb auch in diesen Fällen die Zugangsbeschränkung nur dann als Mangel anerkannt werden könne, wenn die Zugangsbeschränkung mit der Lage oder der Beschaffenheit des Mietobjekts zusammenhängen würde (so bei Baumaßnahmen der öffentlichen Hand im Umfeld der Mietsache), nicht aber wenn die Zugangsbeschränkung allgemein coronabedingt für Geschäfte in dem betroffenen Gebiet ein Öffnungsverbot gilt. Die weitergehende Frage, ob bei einer Beschränkung des Öffnungsverbotes nur für einzelne Geschäftsbereiche (z.B: Gaststätten, Fitnessstudios) anders gelten müsste, ging der BGH nicht ein; man wird aber in Ansehung seiner einschränkenden Darlegung des Mangelbegriffs davon auszugehen haben, dass auch für diesen Fall ein Mangel nicht angenommen werden kann, da es nicht um das Geschäft im Einzelnen gehen würde, sondern um eine unbestimmte Anzahl von Geschäften in dem betroffenen Gebiet. Im Hinblick auf eine Entscheidung des Reichsgerichts zu einem Mangel der Mietsache wegen Verbots von Tanzveranstaltungen während des 1. Weltkriegs für eine Gaststätte mit vorwiegend Tanzveranstaltungen (RGZ 87, 277, 280; RGZ 89, 203, 205) verwies der BGH darauf, dass zum Einen der damalige der Mangelbegriff vom BGH fortentwickelt worden sei, zudem erst später die Grundsätze über die Störung der Geschäftsgrundlage entwickelt wurden.
Entsprechend negierte auch der BGH eine Befreiung von der Mietzahlungspflicht, da dem Vermieter seine vertragliche geschuldete Leistung zur Überlassung und Erhaltung der Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand ganz oder teilweise unmöglich geworden sei (§§ 326 Abs. 1, 275 Abs. 1 BGB). Ob diese Regelungen durch das mietrechtliche Gewährleistungsrecht ((§§ 536ff BGB) ausgeschlossen seien, könne dahinstehen. Dem Vermieter sei es nach den obigen Grundsätzen nicht unmöglich, dem Mieter den Gebrauch der Mietsache entsprechend dem Mietzweck zu gewähren und seine geschuldete Leistung auch während der Zeit der hoheitlich angeordneten Schließung erbracht. Er habe keine (mangels Vereinbarung) keine Einstandspflicht für den Fall einer hoheitlich angeordneten Öffnungsuntersagung im Falle einer Pandemie.
b)
In Betracht käme allerdings eine Anpassung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage, § 313 Abs. 1 BGB.
Die Anpassung könne verlangt werden, wenn sich die Umstände, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, nach Vertragsabschluss schwerwiegend verändert hätten. Diese Anpassung könne nur insoweit gefordert werden, als dem einen Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der gesetzlichen und vertraglichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden könne.
Die durch die COVID-19-Pandemie hervorgerufene weitreichende Beschränkung des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens habe den abgeschlossenen Mietvertrag (für die betroffen Geschäfte) schwerwiegend geändert, da bei Abschluss des Vertrages keine der Parteien an eine derartige Pandemie und deren verbundenen erheblichen hoheitlichen Eingriffen gedacht habe. Wegen der vielfältigen Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie (Geschäftsschließungen, Kontakt- und Zugangsbeschränkungen) und der damit verbundenen Auswirkungen auf das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben während des 1. Lockdown im Frühjahr 2020 sei die sogenannte große Geschäftsgrundlage betroffen. Unter der großen Geschäftsgrundlage verstünde man die Erwartung der Vertragsschließenden, dass die die grundlegenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen des Vertrages nicht etwa durch Revolution, Krieg, Vertreibung, Hyperinflation oder (Natur-) Katastrophen ändern und die Sozialexistenz nicht erschüttert würde. Durch die Schließung des Geschäftslokals durch die coronabedingte hoheitliche Maßnahme sei eine derartige Störung eingetreten.
Allerdings sei für die Anwendung des § 313 BGB insoweit kein Raum, als es um Erwartungen und um Umstände gehen würde, die nach der vertraglichen Vereinbarung in den Risikobereich lediglich einer Partei fallen würden. Der Mieter habe aber im vorliegenden Fall nicht alleine das Verwendungsrisiko, wenn nichts anderes vereinbart wurde, wobei derartige Vereinbarungen auch eng auszulegen seien. Es sei auch davon auszugehen, dass die Parteien, hätten sie bei Abschluss des Vertrages eine Pandemie mit der Gefahr hoheitlich angeordneter Schließungen bedacht, den Vertrag mit einem anderen Inhalt geschlossen hätten. Es sei davon auszugehen, dass „redliche Mietvertragsparteien“ das Risiko nicht einseitig zu Lasten des Mieters geregelt hätten, sondern in diesem Fall eine Möglichkeit zur Mietanpassung vorgesehen hätten.
Auch wenn die Geschäftsgrundlage danach entfallen ist, bedeutet dies nicht notwendig eine Öffnung für eine Vertragsanpassung, wie der BGH feststellt. § 313 Abs. 1 BGB erfordere weiterhin, dass dem betroffenen Vertragspartner (hier Mieter) unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen und gesetzlichen Risikoverteilung, ein Festhalten am Vertrag nicht zugemutet werden könne. Das Festhalten müsste zu einem nicht mehr tragbaren Ergebnis führen. Ein Festhalten des Mieters am Vertrag zu der dortigen Miethöhe käme damit dann in Betracht, wenn ihm dies nach Abwägen aller Umstände einschließlich der Risikoverteilung zumutbar sei.
Im Verhältnis Vermieter und Mieter trage grundsätzlich der Mieter das Verwendungsrisiko. Dazu gehöre auch, mit der Mietsache Gewinne erzielen zu können. Erfülle sich dies aufgrund nachträglich eingetretener Umstände nicht, handele es sich um ein typisches Risiko des Mieters; dies würde auch für nachträgliche gesetzgeberische oder hoheitliche Maßnahmen gelten, die zu einer Beeinträchtigung des Gewerbebetriebs führen. Wenn aber die enttäuschte Gewinnerwartung des Mieters auf einer hoheitlichen Maßnahme zur Eindämmung der COVID-19-Pandemi in Form einer zeitweiligen Betriebsschließung beruhe, gehe dies über das gewöhnliche Verwendungsrisiko hinaus. Die wirtschaftlichen Nachteile würden nicht auf unternehmerischen Entscheidungen beruhen und auch nicht auf enttäuschten Vorstellungen. Sie seien Folge umfassender staatlicher Eingriffe. Es habe sich damit ein allgemeines Lebensrisiko verwirklicht, das von der mietvertraglichen Risikoverteilung ohne entsprechende Regelung nicht erfasst sei. Es sei eine Systemkrise mit weitreichenden Folgen, die zur Störung der großen Geschäftsgrundlage geführt habe.
2.
Der BGH lehnt eine schematische Teilung des Risikos durch Halbierung der Miete ab, da das Risiko der pandemiebedingten Gebrauchsbeschränkung keine der Mietvertragsparteien alleine träfe.
a)
Bei der vorzunehmenden Abwägung sei zunächst von Bedeutung, welche Nachteile der Mieter durch die Geschäftsschließung und deren Dauer habe. Diese lägen bei dem gewerblichen Mieter im Umsatzrückgang, wobei auf den Geschäftsumsatz und nicht auf einen möglichen Konzernumsatz abzustellen sei. Auch sei zu berücksichtigen, welche Maßnahmen der Mieter ergriffen hat bzw. ergreifen könnte, um die möglichen Verluste der Geschäftsschließung zu vermindern.
Um eine Überkompensation von derartigen Verlusten zu vermeiden, seien weiterhin bei der Prüfung der Unzumutbarkeit die finanziellen Vorteile zu berücksichtigen, die der Mieter aus staatlichen Leistungen zum Ausgleich der pandemiebedingten Nachteile erlangt hat oder hätte erlangen können, wozu auch Leistungen einer evtl. einstandspflichtigen Betriebsversicherung zählen würden. Hingegen würden staatliche Leistungen, die nur als Darlehen gewährt würden, außer Betracht zu bleiben haben, da durch solche Darlehen keine Kompensation (infolge der Rückzahlungspflicht) entstünde. Für die Anpassung sei aber eine tatsächliche Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Mieters nicht erforderlich.
Ferner seien bei der Abwägung auch die Interessen des Vermieters zu berücksichtigen. Welche das im Einzelnen sind, wird vom BGH nicht weiter ausgeführt. Zu denken wäre an den laufenden Unterhalt der Immobilie (Steuern, Versicherungen, Abgaben für Müllabfuhr pp., evtl. Tilgung von Darlehen).
Derjenige, der sich auf eine Störung der Geschäftsgrundlage berufe, müsse den Nachweis erbringen, dass ihm ein Festhalten am Vertrag zu den bisherigen Konditionen unzumutbar sei. Er müsse daher im Falle einer pandemiebedingten Schließung darlegen und (im Falle des Bestreitens) nachweisen, welche Nachteile ihm aus der Betriebsschließung entstanden sind, die ihm eine vollständige Mietzahlung für diesen Zeitraum unzumutbar machen, ferner, welche zumutbaren Anstrengungen er unternommen hat, um drohende Verluste auszugleichen. Behauptet er, keine staatliche Unterstützung erhalten zu haben, müsse er darlegen und evtl. beweisen, um welche Hilfeleistungen er sich vergeblich bemühte; gelänge ihm dies nicht, müsste er so behandelt werden, als hätte er die staatliche Unterstützung erhalten. Wenn der Vermieter einwendet, die Verluste würden nicht auf der COVID-19-Pandemie beruhen, so müsse dies der Vermieter darlegen und beweisen.
b)
Mit der hoheitlichen Maßnahme der Schließung von Geschäften für eine bestimmte Zeit tritt an sich bereits der Zeitpunkt ein, zu dem ersichtlich ist, dass kein Umsatz mehr erzielt werden kann, ggf. Ersatzmaßnahmen getroffen werden müssen. Wann aber soll nun der Mieter sein Verlangen auf Anpassung der Mietkonditionen wegen Wegfalls der großen Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB stellen ?
In seiner Entscheidung geht der BGH auf die Dauer der Schließung und den Verlust währen dieser Zeit ein, ebenso auf die möglichen Unterstützungen durch den Staat, eine Betriebsversicherung pp. Ob und inwieweit staatliche Stellen Zahlungen leisten, ob eine Betriebsversicherung zahlt oder zahlen muss, wird sich regelmäßig erst im Laufe der Zeit feststellen lassen, ebenso wie sich der Erfolg möglicher Ersatzmaßnahmen erst im Laufe der Zeit zeigen wird. Soll nun der Mieter weiter zahlen oder es auf einen Mietrückstand ankommen lassen (der bei dem ersten Lockdown noch - so der BGH - nach Art. 240 § 2 Abs. 1 S. 1 EGBGB ein Kündigungsrecht des Vermieters ausschloss (nicht aber im zweiten Lockdown) ?
In dem vom BGH abgehandelten Fall hatte der Mieter lediglich die Miete für April 2020 nicht gezahlt, alle anderen Mieten in 2020 hatte er gezahlt. Das hätte dem Berufungsgericht nach Auffassung des BGH Veranlassung geben müssen, sich die Frage zu stellen, ob der durch die Geschäftsschließung bedingte Umsatzrückgang tatsächlich so erheblich war, dass für den Mieter die vollständige Bezahlung der Miete für den streitgegenständlichen Zeitraum unzumutbar war.
Es ist sicherlich im Nachhinein leicht festzustellen, welcher Umsatz ausgefallen ist, welche Maßnahmen hätten ergriffen werden können, um eine n Umsatzverlust einzudämmen oder gar zur verhindern, welche staatlichen Leistungen möglich gewesen wären und ob eine Betriebsversicherung hätte zahlen müssen. Zweifelhaft ist aber, ob dies bereits zu Beginn der pandemiebedingt angeordneten Schließung für einen längeren Zeitraum möglich ist.
BGH, Urteil vom
12.01.2022 – XII ZR 8/21 -
Aus den Gründen:
Tenor
Auf die
Revisionen der Klägerin und der Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Dresden vom 24. Februar 2021 aufgehoben.
Die Sache wird
zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
Revisionsverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Von Rechts
wegen
Tatbestand
Die Klägerin
begehrt von der Beklagten Zahlung von Gewerberaummiete für den Monat April
2020.
Die Parteien
schlossen im September 2013 einen Mietvertrag über Gebäude und Parkplätze in S.
Die Vermietung erfolgte „ausschließlich zu gewerblichen Zwecken zur Nutzung als
Verkaufs- und Lagerräume eines Einzelhandelsgeschäfts für Textilien aller Art,
sowie Waren des täglichen Ge- und Verbrauchs“. Seit dem 1. Januar 2019 beträgt
die monatliche Bruttomiete 7.854,00 €. Zusätzlich trägt die Beklagte als
Mieterin im Vertrag näher beschriebene Nebenkosten. § 5 Nr. 3 des
Mietvertrags enthält folgende Regelung: „Wenn die Gas-, Strom- und
Wasserversorgung oder Entwässerung durch einen nicht von dem Vermieter zu
vertretenden Umstand unterbrochen wurde oder wenn Überschwemmungen oder
sonstige Katastrophen eintreten, steht dem Mieter ein Recht auf Mietminderung
oder Schadensersatz nicht zu.“
Aufgrund der
sich verbreitenden Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19-Pandemie) erließ das
Sächsische Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt
am 18. März 2020 auf der Grundlage von § 28 Abs. 1 IfSG die
„Allgemeinverfügung Vollzug des Infektionsschutzgesetzes Maßnahmen anlässlich
der Corona-Pandemie Verbot von Veranstaltungen“, nach deren Ziffer 1 in Sachsen
grundsätzlich alle Geschäfte geschlossen wurden, soweit sie nicht unter die in
der Allgemeinverfügung ausdrücklich benannten - hier nicht relevanten -
Ausnahmen fielen. Diese Allgemeinverfügung trat am 19. März 2020 um 0:00 Uhr in
Kraft und wurde ab dem 22. März 2020, 0:00 Uhr von der „Allgemeinverfügung
Vollzug des Infektionsschutzgesetzes Maßnahmen anlässlich der Corona-Pandemie
Verbot von Veranstaltungen“ des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und
Gesellschaftlichen Zusammenhalt vom 20. März 2020 ersetzt, nach deren Ziffer 2,
übereinstimmend mit der Allgemeinverfügung vom 18. März 2020, Geschäfte
grundsätzlich geschlossen wurden, soweit nicht die in der Allgemeinverfügung
vom 20. März 2020 formulierten Ausnahmen eingriffen. Aufgrund der genannten
Allgemeinverfügungen war das Textileinzelhandelsgeschäft der Beklagten im
Mietobjekt vom 19. März 2020 bis einschließlich 19. April 2020 geschlossen.
Nach
entsprechender Ankündigung mit Schreiben vom 24. März 2020 zahlte die Beklagte
die Miete für den Monat April 2020 nicht und rechnete gegen die Mietzahlungspflicht
für die Zeit vom 20. bis 30. April 2020 mit der aus ihrer Sicht überzahlten
Miete für die Zeit vom 19. bis 31. März 2020 auf. Die folgenden Mietzahlungen
erbrachte die Beklagte vollständig.
Das Landgericht
hat die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung der Miete für den Monat April 2020 in
Höhe von 7.854,00 € nebst Zinsen und vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten
verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das
erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Beklagte - unter Abweisung der Klage
im Übrigen - zur Zahlung von 3.720,09 € nebst Zinsen und vorgerichtlicher
Rechtsanwaltskosten verurteilt. Hiergegen wenden sich die Klägerin, die ihr
Klagebegehren vollständig weiterverfolgt, und die Beklagte, die nach wie vor
Klageabweisung begehrt, mit ihren vom Oberlandesgericht zugelassenen
Revisionen.
Entscheidungsgründe
Die Revisionen
der Klägerin und der Beklagten sind begründet. Sie führen zur Aufhebung des
angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
I.
Das
Oberlandesgericht hat seine in ZMR 2021, 476 veröffentlichte Entscheidung wie
folgt begründet:
Die Beklagte
könne sich nicht darauf berufen, der Anspruch auf Zahlung der Miete als
Gegenleistung zur Verpflichtung der Klägerin als Vermieterin zur Überlassung
des Gebrauchs der Mieträume sei gemäß § 326 Abs. 1 BGB entfallen.
Soweit es um die Gebrauchsuntauglichkeit des Mietobjekts gehe, würden die
Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts, zu denen auch diejenigen über die
Unmöglichkeit gehörten, von den mietrechtlichen Gewährleistungsregelungen nach
§§ 536 ff. BGB verdrängt, wenn das Mietobjekt - wie hier - bereits vom
Vermieter an den Mieter überlassen worden sei.
Die Regelung in
Art. 240 § 2 EGBGB entfalte keine Sperrwirkung, die eine Anwendung
der mietrechtlichen Gewährleistungsvorschriften bei behördlichen
Betriebsuntersagungen in Folge der COVID-19-Pandemie ausschließe.
Ein zur
Minderung der Miete führender Mietmangel sei durch die staatlich angeordnete
Schließung nicht begründet worden. Ohne die staatliche, nicht objektbezogene
und von der Klägerin nicht zu beeinflussende Anordnung sei das Mietobjekt
uneingeschränkt nutzbar und die Mieträume seien - im Rahmen der Beschränkungen
der Corona-Schutzverordnung - frei zugänglich gewesen. Lediglich die von der
Beklagten beabsichtigte Verwendung sei - vom Mietobjekt unabhängig - untersagt
gewesen. Auch wenn Störungen, die außerhalb der Mietsache liegen, grundsätzlich
einen Mangel begründen könnten und für den hier vereinbarten Betrieb eines
Textileinzelhandelsgeschäfts die Möglichkeit des Zugangs des Publikums eine
Voraussetzung sei, werde dem Vermieter damit nicht das Risiko der objekt- und
lageunabhängigen Nutzbarkeit der Mieträume übertragen.
Infolge des
Auftretens der COVID-19-Pandemie und der staatlichen Schließungsanordnung aus
den Allgemeinverfügungen vom 18. bzw. 20. März 2020 sei jedoch eine Störung der
Geschäftsgrundlage des Mietvertrags i.S.v. § 313 Abs. 1 BGB
eingetreten, die eine Anpassung des Vertrags dahin auslöse, dass die Kaltmiete
für die Dauer der angeordneten Schließung auf die Hälfte reduziert werde.
Zur
Geschäftsgrundlage der Parteien als Vermieterin und Mieterin von
Geschäftsräumen für die Nutzung als Textileinzelhandelsgeschäft habe die
Vorstellung gehört, dass es nicht zu einer Pandemie mit weitgehender
Stilllegung des öffentlichen Lebens infolge pandemiebedingter
Nutzungsuntersagungen und -beeinträchtigungen kommen würde. Das Auftreten der
Pandemie mit den entsprechenden weitreichenden staatlichen Eingriffen in das
wirtschaftliche und soziale Leben bedeute eine schwerwiegende Änderung der für
die Vertragslaufzeit vorgestellten Umstände. Damit sei das tatsächliche Element
der Störung der Geschäftsgrundlage verwirklicht. Es liege eine Systemkrise und
damit ein Fall der Störung der großen Geschäftsgrundlage vor, weil durch sie
das allgemeine soziale und wirtschaftliche Gefüge nachhaltig erschüttert worden
sei. Ohne dass es hierauf entscheidend ankommen würde, spreche für diese
Annahme auch der Inhalt des mit Wirkung vom 31. Dezember 2020 neu geschaffenen
Art. 240 § 7 Abs. 1 EGBGB.
Im Rahmen der
Störung der großen Geschäftsgrundlage sei das hypothetische Element regelmäßig
erfüllt, weil die Parteien den Vertrag dann nicht oder mit anderem Inhalt
geschlossen hätten. Zudem sei zu beachten, dass es sich bei der Änderung der
zur Geschäftsgrundlage gehörenden Umstände um sehr wesentliche
Rahmenbedingungen für den Betrieb des Textileinzelhandelsgeschäfts der
Beklagten gehandelt habe. Daher hätten im maßgeblichen Zeitpunkt des
Vertragsschlusses verständige und wirtschaftlich denkende Vertragspartner
dieses beide gleichermaßen betreffende und nicht zu beeinflussende Risiko nicht
einseitig zu Lasten eines Vertragspartners verteilt.
Das normative
Element des § 313 Abs. 1 BGB sei ebenfalls erfüllt. Es gehe hier
nicht um ein „normales“ Risiko der Gebrauchstauglichkeit bzw. der Verwendung
des Mietobjekts durch den Mieter, sondern um weitgehende staatliche Eingriffe
in das soziale und wirtschaftliche Leben aufgrund einer Pandemie, die als
Systemkrise eine Störung der großen Geschäftsgrundlage sei. Das mit der Störung
der großen Geschäftsgrundlage verbundene Risiko könne regelmäßig keiner
Vertragspartei allein zugewiesen werden. Von der vertraglichen Risikozuweisung
werde deshalb dieses von den Vertragsparteien nicht vorhergesehene und die
Geschäftsgrundlage des Vertrags betreffende Geschehen nicht erfasst. Das
Festhalten am unveränderten Mietvertrag sei der Beklagten nicht zumutbar,
weshalb der Mietvertrag nach § 313 Abs. 1 BGB entsprechend anzupassen
sei.
Vorliegend sei
eine Absenkung der Kaltmiete um 50 % gerechtfertigt, weil keine der
Vertragsparteien eine Ursache für die Störung der Geschäftsgrundlage gesetzt
oder sie vorhergesehen habe. Es sei demzufolge angemessen, die damit verbundene
Belastung gleichmäßig auf beide Parteien zu verteilen. Offenbleiben könne, ob
die Zahlung staatlicher Hilfen an einen der Vertragspartner des Mietvertrags zu
einer weiteren Anpassung der Höhe der Miete führen würde, weil nicht habe
festgestellt werden können, dass die Klägerin oder die Beklagte solche
staatlichen Hilfen erhalten habe. Der Klägerin sei auch keine Teilnutzung des
Mietobjekts im Sinne eines „Außer-Haus-Verkaufs“ bzw. eines entsprechenden
Liefer- und Abholservice möglich, wie dies etwa bei Gaststätten erlaubt gewesen
sei.
Dies führe
dazu, dass die Beklagte für den Monat April 2020 anstelle der vertraglich
vereinbarten Miete von 7.854,00 € nur 5.366,90 € zahlen müsse, während sie für
den Monat März 2020 6.207,19 € zu zahlen gehabt hätte, also mit ihrer vollständigen
Mietzahlung die Miete in Höhe von 1.646,81 € überzahlt habe. In dieser Höhe
habe die Beklagte hilfsweise die Aufrechnung gegen die Forderung der Klägerin
auf Zahlung der Miete für April 2020 erklärt, so dass sich im Ergebnis der
Anspruch der Klägerin von 5.366,90 € auf 3.720,09 € reduziere.
II.
Diese
Ausführungen halten in einem wesentlichen Punkt der rechtlichen Nachprüfung
nicht stand.
1. Zu
Recht ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass die
Anwendbarkeit der mietrechtlichen Gewährleistungsvorschriften und der
Regelungen des allgemeinen schuldrechtlichen Leistungsstörungsrechts,
insbesondere des § 313 Abs. 1 BGB, nicht durch Art. 240 § 2
EGBGB, mit dem die Kündigungsmöglichkeit des Vermieters wegen eines coronabedingten
Zahlungsverzugs des Mieters ausgesetzt wurde, ausgeschlossen ist.
a) Zwar
wird in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung und im Schrifttum teilweise die
Auffassung vertreten, der Gesetzgeber habe mit Einführung dieser Vorschrift
durch Art. 5 des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie
im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 27. März 2020 (BGBl. I
S. 569) eine Sonderregelung getroffen, mit der die Auswirkungen der
COVID-19-Pandemie auf die Rechte und Pflichten von Mietvertragsparteien abschließend
geregelt werden sollten (vgl. Jung BB 2021, 329, 331 f.; Klimesch/Walther ZMR
2020, 556, 557; LG München II Urteil vom 6. Oktober 2020 - 13 O 2044/20 -
BeckRS 2020, 34263). Die überwiegende Auffassung lehnt mit dem Berufungsgericht
eine entsprechende Sperrwirkung des Art. 240 § 2 EGBGB hingegen ab
(ebenso OLG München NJW 2021, 948, 950; KG GE 2021, 570, 572; OLG Frankfurt NZM
2021, 395, 396 f.; LG Mönchengladbach Urteil vom 2. November 2020 - 12 O 154/20
- BeckRS 2020, 30731 Rn. 39; LG München I Urteil vom 25. Januar 2021 - 31 O
7743/20 - BeckRS 2021, 453 Rn. 53 ff.; MünchKommBGB/Häublein 8. Aufl. EGBGB
Art. 240 § 2 Rn. 6; BeckOGK/Martens [Stand: 1. Oktober 2021] BGB
§ 313 Rn. 239; BeckOGK/Geib [Stand: 1. Oktober 2021] EGBGB Art. 240
§ 2 Rn. 18 und 20; BeckOK BGB/Wiederhold [Stand: 1. August 2021] EGBGB
Art. 240 § 2 Rn. 10; Brinkmann/Thüsing NZM 2021, 5, 9 f.; Herlitz NJ
2021, 56, 58; Zehelein NZM 2020, 390, 401; Streyl NZM 2020, 817, 823; Warmuth
COVuR 2020, 16, 17; Klose NZM 2021, 832 f.).
b) Die
letztgenannte Auffassung trifft zu. Entgegen der Ansicht der Klägerin lässt
sich weder aus dem Wortlaut der Vorschrift noch aus der Gesetzesbegründung
schließen, dass der Gesetzgeber mit Einführung des Art. 240 § 2 EGBGB
die Folgen, die sich aus den umfangreichen hoheitlichen Maßnahmen zur
Bekämpfung der COVID-19-Pandemie insbesondere für gewerbliche Mietverhältnisse
ergeben können, abschließend regeln wollte.
aa) Nach
seinem eindeutigen Wortlaut enthält Art. 240 § 2 Abs. 1
Satz 1 EGBGB nur eine Beschränkung des Kündigungsrechts des Vermieters,
sofern die Nichtleistung der vom Mieter geschuldeten Mietzahlung allein auf den
Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht. Die Vorschrift geht daher davon aus,
dass - anders als bei den in Art. 240 § 1 EGBGB genannten Dauerschuldverhältnissen
- die Verpflichtung des Mieters zur Mietzahlung grundsätzlich weiter bestehen
bleibt. Regelungen zur Höhe der Miete oder zu sonstigen Auswirkungen der
Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung auf die Verpflichtung des Mieters zur Mietzahlung
enthält die Vorschrift jedoch nicht. Auch aus der zeitlichen Beschränkung des
Kündigungsausschlusses bis zum 30. Juni 2022 in Art. 240 § 2
Abs. 4 EGBGB kann nicht darauf geschlossen werden, dass der Gesetzgeber
für die Zahlungspflicht des Mieters eine abschließende Regelung treffen wollte.
Die Vorschrift zeigt zwar ebenfalls, dass das Gesetz grundsätzlich von einer
fortbestehenden Zahlungspflicht des Mieters ausgeht. Ob der Mieter in dem
maßgeblichen Zeitraum jedoch die volle vereinbarte Miete schuldet, folgt daraus
nicht.
bb) Auch
der Gesetzeszweck lässt nicht darauf schließen, dass Art. 240 § 2
EGBGB eine abschließende Sonderregelung darstellt, die der Anwendbarkeit der
mietrechtlichen Gewährleistungsvorschriften und der Regelungen des allgemeinen
schuldrechtlichen Leistungsstörungsrechts entgegensteht.
Zum Zeitpunkt
des Erlasses des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im
Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 27. März 2020 (BGBl. I
S. 569) sah der Gesetzgeber die Gefahr, dass es aufgrund der umfangreichen
behördlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus im
März 2020 zu erheblichen Einkommensverlusten bei einer Vielzahl von Menschen
kommt, wodurch diese bis zur Aufhebung der Maßnahmen nicht oder nur eingeschränkt
in der Lage sein könnten, ihre laufenden Verbindlichkeiten zu begleichen.
Dieses Problem sollte dadurch gelöst werden, dass für den Bereich des
Zivilrechts ein Moratorium für die Erfüllung bestimmter vertraglicher Ansprüche
aus Dauerschuldverhältnissen eingeführt werden sollte, das betroffenen
Verbrauchern und Kleinstunternehmern, die wegen der COVID-19-Pandemie ihre
vertraglich geschuldeten Leistungen nicht erbringen können, im Zeitraum bis zum
30. Juni 2020 einen Zahlungsaufschub gewährt (BT-Drucks. 19/18110 S. 1).
Entgegen diesem in Art. 240 § 1 EGBGB niedergelegten Grundsatz hat
der Gesetzgeber im Bereich des Mietrechts hingegen von einem
Leistungsverweigerungsrecht des Mieters abgesehen und nur das Recht des
Vermieters zur Kündigung von Mietverhältnissen wegen Zahlungsverzugs
eingeschränkt, sofern Mietschulden aus dem Zeitraum vom 1. April 2020 bis 30.
Juni 2020 auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruhen. Die Verpflichtung
der Mieter zur Zahlung der Miete sollte jedoch im Grundsatz bestehen bleiben
(BT-Drucks. 19/18119 S. 35).
Zweck der
gesetzlichen Regelung war es, Mieter und Pächter vor dem Verlust ihres
Lebensmittelpunkts und ihrer Existenzgrundlage zu schützen, wenn diese
unverschuldet durch die Pandemie in Zahlungsverzug geraten sollten. Hätte der
Gesetzgeber mit der Einführung von Art. 240 § 2 EGBGB tatsächlich
eine abschließende Regelung im Hinblick auf die Auswirkungen der Maßnahmen zur
Pandemiebekämpfung treffen wollen, würde sich die Vorschrift jedoch zum Nachteil
des gewerblichen Mieters auswirken. Denn dieser wäre auch dann, wenn er die von
ihm angemieteten Gewerberäume aufgrund einer hoheitlichen
Betriebsschließungsanordnung nicht entsprechend seinem Geschäftszweck nutzen
kann, stets zur Zahlung der vollständigen Miete verpflichtet. Das Risiko,
während der Pandemie die Mietsache nicht oder nur eingeschränkt nutzen zu
können, wäre damit vollständig auf den Mieter verlagert. Art. 240 § 2
EGBGB, der erkennbar dem Mieterschutz dienen sollte, würde dadurch zu einer Vorschrift,
die letztlich dem Schutz des Vermieters dient, dem unabhängig von den
Auswirkungen der Pandemiebekämpfungsmaßnahmen auf die Nutzbarkeit des
Mietobjekts der Anspruch auf vollständige Miete erhalten bliebe (ähnlich auch
BeckOK BGB/Wiederhold [Stand: 1. August 2021] EGBGB Art. 240 § 2 Rn.
10; BeckOGK/Martens [Stand: 1. Oktober 2021] BGB § 313 Rn. 240). Dafür,
dass der Gesetzgeber eine solche weitreichende Regelung dahin, dass der Mieter
während der COVID-19-Pandemie das Verwendungsrisiko allein zu tragen hat, treffen
wollte, bestehen keine Anhaltspunkte. Dagegen spricht auch die Kürze der Zeit,
in der dieses Gesetzgebungsvorhaben umgesetzt worden ist (vgl. OLG Frankfurt
NZM 2021, 395, 397; MünchKommBGB/Häublein 8. Aufl. Art. 240 § 2 EGBGB
Rn. 6; Zehelein NJW 2020, 1169, 1172). Mithin hat der Gesetzgeber nur das von
ihm als dringlich identifizierte Problem, dass Mieter von Wohn- und
Geschäftsräumen aufgrund der zu erwartenden negativen wirtschaftlichen
Auswirkungen ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen und deshalb die
angemieteten Räumlichkeiten verlieren könnten, schnell einer vorübergehenden
Lösung zuführen und die Stellung der Mieter im Hinblick auf die Kündbarkeit des
Mietverhältnisses verbessern wollen.
cc)
Schließlich lassen sich auch der Gesetzesbegründung keine ausreichenden
Hinweise dafür entnehmen, dass der Gesetzgeber die Auswirkung der Maßnahmen zur
Bekämpfung der COVID-19-Pandemie auf Mietverhältnisse abschließend regeln
wollte. Zwar ist an mehreren Stellen der Gesetzesbegründung ausgeführt, dass
der Mieter grundsätzlich zur Leistung der Miete verpflichtet bleibt (vgl.
BT-Drucks. 19/18110 S. 4, 35 f.). Daraus kann jedoch nicht geschlossen
werden, dass ihm damit jede Möglichkeit genommen werden sollte, Auswirkungen
der COVID-19-Pandemie auf sein Mietverhältnis und insbesondere auf die Höhe der
geschuldeten Miete nach allgemeinen Grundsätzen geltend machen zu können (vgl.
Streyl NZM 2020, 817, 823; BeckOGK/Martens [Stand: 1. Oktober 2021] BGB
§ 313 Rn. 240.2). Zum einen enthält die Gesetzesbegründung den Hinweis,
dass die Mieter „nach allgemeinen Grundsätzen zur Leistung verpflichtet“
bleiben (BT-Drucks. 19/18110 S. 35). Dies deutet bereits darauf hin, dass
die allgemeinen Regelungen des mietrechtlichen Gewährleistungsrechts und des
allgemeinen Schuldrechts weiterhin Anwendung finden sollen (a.A. Jung BB 2021,
329, 331). Zum anderen lassen sich diese Formulierungen auch mit der
unterschiedlichen Behandlung von Miet- und Pachtverhältnissen gegenüber anderen
Dauerschuldverhältnissen im Gesetz erklären. Denn mit dem Hinweis, dass die
Verpflichtung des Mieters zur Mietzahlung bestehen bleibt, wird in der
Gesetzesbegründung deutlich gemacht, dass dem Mieter, abweichend von der
Grundregel des Art. 240 § 1 EGBGB für andere Dauerschuldverhältnisse,
kein zeitlich begrenztes Leistungsverweigerungsrecht eingeräumt, sondern nur
die Kündigungsmöglichkeit des Vermieters wegen Zahlungsverzugs eingeschränkt
wird (BT-Drucks. 19/18110 S. 35 f.). Zur Höhe der geschuldeten Miete
verhält sich die Gesetzesbegründung jedoch ebenso wenig wie zu der Frage,
welche sonstigen rechtlichen Auswirkungen die pandemiebedingten Beschränkungen
des Wirtschaftslebens insbesondere auf gewerbliche Mietverhältnisse haben
sollen. Letztlich wird in der Gesetzesbegründung als Gesetzeszweck allein die
Bestandssicherung des Mietverhältnisses genannt.
2.
Ebenfalls zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Miete in dem
streitgegenständlichen Zeitraum nicht nach § 536 Abs. 1 BGB gemindert
war, weil die auf den Allgemeinverfügungen des Sächsischen Staatsministeriums
für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt vom 18. und 20. März 2020
beruhende Betriebsschließung nicht zu einem Mangel des Mietgegenstands i.S.v.
§ 536 Abs. 1 Satz 1 BGB geführt hat.
a) Ob
eine staatlich angeordnete Geschäftsschließung wegen der COVID-19-Pandemie
einen Mangel der Mietsache darstellt, ist umstritten. Teilweise wird dies mit
der Begründung bejaht, die Schließungsanordnung knüpfe unmittelbar an das
Mietobjekt und dessen Lage im Epidemiegebiet an und beziehe sich daher nicht
auf die persönlichen oder betrieblichen Umstände des Mieters (vgl. OLG Nürnberg
MDR 2021, 56; LG Kaiserlautern Urteil vom 13. April 2021 - 4 O 284/20 - juris;
Jauernig/Teichmann BGB 18. Aufl. § 536 Rn. 12a; BeckOGK/Geib [Stand: 1. Oktober
2021] EGBGB Art. 240 § 2 Rn. 16; Selk NZM 2021, 369, 374 ff.;
Sentek/Ludley NZM 2020, 406, 410; Krepold WM 2020, 726, 729 ff.;
Säcker/Schubert BB 2020, 2563).
Die
überwiegende Auffassung in der Rechtsprechung und im Schrifttum lehnt hingegen
das Vorliegen eines Mangels i.S.v. § 536 Abs. 1 BGB ab (vgl. OLG
München NJW 2021, 948, 949; OLG Karlsruhe NJW 2021, 945 f.; KG GE 2021, 570,
571; OLG Schleswig NZM 2021, 605, 607; OLG Frankfurt NZM 2021, 395, 397 f.;
Butenberg/Drasdo/Först/Hannemann/Heilmann NZM 2020, 493, 497; Häublein/Müller
NZM 2020, 481, 484 f.; Leo/Götz NZM 2020, 402, 403; Zehelein NZM 2020, 390, 392
ff.; Sittner NJW 2020, 1169, 1171; Sachsinger ZMR 2020, 1002 ff.;
Gerlach/Manzke ZMR 2020, 551, 554; Klimesch/Walther ZMR 2020, 353, 354; Both in
Zehelein Miete in Zeiten von Corona § 3 Rn. 18 ff.; Klose NZM 2021, 832,
833 f.). Zur Begründung wird überwiegend darauf abgestellt, dass eine
pandemiebedingte Betriebsuntersagung ein Gebrauchshindernis darstelle, das
nicht auf Beschaffenheit, Zustand oder Lage der Mietsache beruhe, sondern
allein das Verwendungsrisiko des Mieters betreffe.
b) Die
letztgenannte Meinung trifft im Ergebnis zu. Die behördliche Untersagung der
Öffnung der Filiale der Beklagten stellt keinen Mangel der Mietsache i.S.v.
§ 536 Abs. 1 BGB dar.
aa)
Unter einem Mangel i.S.v. § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB ist die für
den Mieter nachteilige Abweichung des tatsächlichen Zustands der Mietsache von
dem vertraglich geschuldeten zu verstehen, wobei sowohl tatsächliche Umstände
als auch rechtliche Verhältnisse in Bezug auf die Mietsache als Mangel in
Betracht kommen können. Öffentlich-rechtliche Gebrauchshindernisse und
Gebrauchsbeschränkungen, die dem vertragsgemäßen Gebrauch eines Mietobjekts
entgegenstehen, begründen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
allerdings nur dann einen Sachmangel im Sinne der §§ 536 ff. BGB, wenn sie
auf der konkreten Beschaffenheit der Mietsache beruhen und nicht in
persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters ihre Ursache haben
(Senatsurteil vom 2. November 2016 - XII ZR 153/15 - NJW 2017, 1104 Rn. 15
mwN).
Ergeben sich
aufgrund von gesetzgeberischen Maßnahmen erst während eines laufenden
Mietverhältnisses Beeinträchtigungen des vertragsmäßigen Gebrauchs eines
gewerblichen Mietobjekts, kann auch dies einen Mangel i.S.v. § 536
Abs. 1 Satz 1 BGB begründen. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass
die durch die gesetzgeberische Maßnahme bewirkte Gebrauchsbeschränkung
unmittelbar mit der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage des Mietobjekts
in Zusammenhang steht. Andere gesetzgeberische Maßnahmen, die den
geschäftlichen Erfolg beeinträchtigen, fallen dagegen in den Risikobereich des
Mieters. Denn der Vermieter von Gewerberäumen ist gemäß § 535 Abs. 1
Satz 2 BGB lediglich verpflichtet, den Mietgegenstand während der
Vertragslaufzeit in einem Zustand zu erhalten, der dem Mieter die vertraglich
vorgesehene Nutzung ermöglicht. Das Verwendungsrisiko bezüglich der Mietsache
trägt bei der Gewerberaummiete dagegen grundsätzlich der Mieter. Dazu gehört
vor allem das Risiko, mit dem Mietobjekt Gewinne erzielen zu können. Erfüllt
sich die Gewinnerwartung des Mieters aufgrund eines nachträglich eintretenden
Umstandes nicht, so verwirklicht sich damit ein typisches Risiko des
gewerblichen Mieters. Das gilt auch in Fällen, in denen es durch nachträgliche
gesetzgeberische oder behördliche Maßnahmen zu einer Beeinträchtigung des
Gewerbebetriebs des Mieters kommt (Senatsurteil vom 13. Juli 2011 - XII ZR
189/09 - NJW 2011, 3151 Rn. 8 f. mwN).
bb) Auf
dieser rechtlichen Grundlage führt die auf den Allgemeinverfügungen des
Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt
vom 18. und 20. März 2020 beruhende Schließung des Einzelhandelsgeschäfts der
Beklagten nicht zu einem Mangel der Mietsache i.S.v. § 536 Abs. 1
Satz 1 BGB, weil die mit der Schließungsanordnung zusammenhängende
Gebrauchsbeschränkung nicht auf der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder
der Lage der Mietsache beruht, sondern an den Geschäftsbetrieb der Beklagten
als Mieterin anknüpft.
(1)
Durch Ziffer 1 der Allgemeinverfügung des Sächsischen Staatsministeriums für
Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt vom 18. März 2020 wurde mit
Wirkung zum 19. März 2020 im gesamten Freistaat Sachsen die Schließung aller
Geschäfte und Einrichtungen angeordnet, die nicht der Grundversorgung der
Bevölkerung dienen. Damit sollte die dynamische Ausbreitung des
SARS-CoV-2-Virus eingedämmt werden, um die besonders vulnerablen
Personengruppen vor einer Ansteckung mit dem neuartigen Virus zu schützen und
eine Überlastung des Gesundheitswesens zu verhindern. Da eine besonders hohe
Ansteckungsgefahr dort gesehen wurde, wo es zu einem Zusammentreffen einer
Vielzahl von Menschen kommt, sollte durch die Schließung aller Geschäfte und
Einrichtungen, die nicht der täglichen Daseinsvorsorge dienen, eine deutliche
Reduzierung menschlicher Kontakte erreicht werden (vgl. Allgemeinverfügung des
Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt
vom 18. März 2020, S. 4).
Die mit der
Schließungsanordnung verbundene Gebrauchsbeschränkung der Beklagten beruhte
damit nicht auf der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage des
Mietobjekts. Die behördlich angeordnete Geschäftsschließung knüpft allein an
die Nutzungsart und den sich daraus ergebenden Publikumsverkehr an, der die
Gefahr einer verstärkten Verbreitung des SARS-CoV-2-Virus begünstigt und der
aus Gründen des Infektionsschutzes untersagt werden sollte. Durch die
Allgemeinverfügung wird jedoch weder der Beklagten die Nutzung der angemieteten
Geschäftsräume im Übrigen noch der Klägerin tatsächlich oder rechtlich die
Überlassung der Mieträumlichkeiten verboten. Das Mietobjekt stand daher trotz
der Schließungsanordnung weiterhin für den vereinbarten Mietzweck zur Verfügung.
(2) Eine
Mangelhaftigkeit der Mietsache lässt sich auch nicht damit begründen, dass
durch die behördliche Schließungsanordnung faktisch der Zugang zu den
Mieträumen für potentielle Kunden der Beklagten verhindert oder beschränkt war.
Zwar ist der ungehinderte Zugang zu den Mieträumen gerade bei der Vermietung
von Gewerberäumen Voraussetzung für eine vertragsgemäße Nutzung des
Mietobjekts, wenn das dort betriebene Gewerbe auf Kundenverkehr angewiesen ist.
Eine Zugangsbehinderung kann daher einen Mangel i.S.v. § 536 Abs. 1
Satz 1 BGB darstellen (vgl. Schmidt-Futterer/Eisenschmid Mietrecht 15.
Aufl. § 536 BGB Rn. 210 mwN). Um eine Ausuferung des Mangelbegriffs zu
verhindern, ist aber Voraussetzung hierfür, dass die Zugangsbeschränkung unmittelbar
mit der Lage oder der Beschaffenheit des Mietobjekts in Verbindung steht. Dies
kann etwa der Fall sein, wenn durch Baumaßnahmen der öffentlichen Hand im
Umfeld des Mietobjekts der Zugang zu den Mieträumen erschwert ist (vgl.
Schmidt-Futterer/Eisenschmid Mietrecht 15. Aufl. § 536 BGB Rn. 210 mwN).
Im vorliegenden Fall beruht die Zugangsbeeinträchtigung jedoch nicht auf der
konkreten baulichen Gegebenheit der Mietsache, sondern auf einer hoheitlichen
Maßnahme, die flächendeckend für alle im gesamten Bereich des Freistaats Sachsen
liegenden Geschäfte ein Öffnungsverbot anordnete, die nicht zu den in den
Allgemeinverfügungen genannten Ausnahmen zählen. Auf die konkreten
Umfeldbedingungen kam es dabei nicht an. Deshalb ist entgegen der Auffassung
der Beklagten auch die Belegenheit des Mietobjekts im Pandemiegebiet für die
Einordnung als Mangel ohne Bedeutung (vgl. OLG München NJW 2021, 948, 949).
(3) Das
Vorliegen eines Mangels i.S.v. § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB ergibt
sich auch nicht daraus, dass die Mietvertragsparteien im vorliegenden Fall als
Mietzweck die „Nutzung als Verkaufs- und Lagerräume eines
Einzelhandelsgeschäfts für Textilien aller Art, sowie Waren des täglichen Ge-
und Verbrauchs“ vereinbart haben. Der Umfang der mit der Vereinbarung eines
Mietzwecks übernommenen Leistungspflicht des Vermieters ist grundsätzlich durch
Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont aus Sicht eines Mieters gemäß
§§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Ohne besondere Umstände, die hier nicht
vorgetragen wurden, gehören nur rechtliche Umstände, die die körperliche
Beschaffenheit, den Zustand oder die Lage der Mietsache betreffen oder Einfluss
auf sie haben, zu der vom Vermieter geschuldeten Leistung (vgl. Streyl NZM
2020, 817, 819). Für öffentlich-rechtliche Gebrauchsbeschränkungen, Verbote
oder Gebrauchshindernisse, die sich aus betriebsbezogenen Umständen ergeben
oder in der Person des Mieters ihre Ursache haben, hat der Vermieter hingegen
ohne eine anderslautende Vereinbarung nicht einzustehen (vgl. Günter NZM 2016,
569, 570). Ein redlicher Mieter darf daher das Leistungsversprechen seines
Vermieters im Zweifel nicht dahin verstehen, dieser wolle ihm die vereinbarte
Nutzung unter allen erdenklichen Umständen gewährleisten (Häublein/Müller NZM
2020, 481, 484). Deshalb konnte im vorliegenden Fall die Beklagte nicht davon
ausgehen, dass die Klägerin mit der Vereinbarung des konkreten Mietzwecks eine
unbedingte Einstandspflicht auch für den Fall einer hoheitlich angeordneten
Öffnungsuntersagung im Falle einer Pandemie übernehmen wollte (vgl. OLG München
NJW 2021, 948, 949).
(4)
Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich ein Mangel der Mietsache im
Falle der pandemiebedingten Schließung von gewerblich genutzten Mieträumen auch
nicht aus der Rechtsprechung des Reichsgerichts.
Zwar hat das
Reichsgericht (RGZ 87, 277, 280; 89, 203, 205) in Fällen, in denen die
Durchführung von Tanzveranstaltungen wegen des Ersten Weltkriegs polizeilich
untersagt worden war, für eine gepachtete Gastwirtschaft, in der vorwiegend
Tanzveranstaltungen durchgeführt wurden, das Vorliegen eines Mangels bejaht.
Nach Auffassung des Reichsgerichts hat das polizeiliche Tanzverbot den
Pachtgegenstand selbst betroffen. Denn dieser sei der Eigenschaft einer
Tanzwirtschaft beraubt worden und deshalb mit einem die Tauglichkeit zu der vertragsgemäßen
Nutzung mindernden Fehler i.S.v. § 537 BGB a. F. behaftet.
Diese
Rechtsprechung kann auf den vorliegenden Fall indes nicht übertragen werden,
weil ihr noch ein anderes Verständnis des mietrechtlichen Mangelbegriffs
zugrunde lag (vgl. OLG Frankfurt NZM 2021, 395, 397 f.). Zwischenzeitlich hat
der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechung zum Vorliegen eines Mangels i.S.v.
§ 536 Abs. 1 Satz 1 BGB insbesondere bei öffentlich-rechtlichen
Gebrauchsbeschränkungen fortentwickelt und hierbei gerade im Bereich der
Vermietung von Gewerberäumen verstärkt die grundsätzliche Risikoverteilung
zwischen Vermieter und Mieter in den Blick genommen (vgl. Senatsurteil vom 13.
Juli 2011 - XII ZR 189/09 - NJW 2011, 3151 Rn. 9 mwN). Hinzu kommt, dass das
Reichsgericht die Grundsätze über die Störung der Geschäftsgrundlage, über die
ein interessengerechter Ausgleich zwischen den Mietvertragsparteien bei
Einschränkung der Nutzbarkeit der Mietsache infolge von höherer Gewalt wie
Kriegsereignissen oder einer weltweiten Pandemie erreicht werden kann, erst zu
einem späteren Zeitpunkt entwickelt hat (vgl. RGZ 100, 129, 132 f.;
MünchKommBGB/Finkenauer 8. Aufl. § 313 Rn. 23 mwN; Streyl NZM 2020, 817,
819).
3. Die
Beklagte ist auch nicht deshalb von ihrer Verpflichtung zur Mietzahlung
befreit, weil der Klägerin ihre vertraglich geschuldete Leistung zur
Überlassung und Erhaltung der Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch
geeigneten Zustand ganz oder teilweise unmöglich gewesen wäre (§§ 326
Abs. 1, 275 Abs. 1 BGB). Dabei kann dahinstehen, ob diese Regelungen
auch dann nach der Überlassung der Mietsache an den Mieter nicht mehr anwendbar
und von den speziellen Regelungen des mietrechtlichen Gewährleistungsrechts
(§§ 536 ff. BGB) verdrängt werden, wenn die Mietsache - wie hier - keinen
Mangel aufweist (vgl. dazu MünchKommBGB/Häublein 8. Aufl. Vor § 536 Rn. 7;
BeckOGK/Bieber [Stand: 1. April 2021] § 536 BGB Rn. 9; Staudinger/V.
Emmerich BGB [2021] Vorb. zu §§ 536 ff. Rn. 5). Wie bereits ausgeführt,
war es der Klägerin während des streitgegenständlichen Zeitraums trotz der
behördlichen Schließungsanordnung nicht unmöglich, der Beklagten den Gebrauch
der Mietsache entsprechend dem vereinbarten Mietzweck zu gewähren. Die Klägerin
hat daher auch während der Zeit der Betriebsschließung die von ihr gemäß
§ 535 Abs. 1 BGB geschuldete Leistung erbracht. Eine Einstandspflicht
für den Fall einer hoheitlich angeordneten Öffnungsuntersagung im Falle einer
Pandemie hatte sie nicht übernommen.
4. Im
Fall einer Geschäftsschließung, die auf einer hoheitlichen Maßnahme zur
Bekämpfung der COVID-19-Pandemie beruht, kommt allerdings ein Anspruch des
Mieters von gewerblich genutzten Räumen auf Anpassung der Miete wegen Störung
der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB in Betracht. Dies hat
das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend erkannt; seine Erwägungen zu
einer möglichen Vertragsanpassung sind jedoch nicht frei von Rechtsfehlern.
a) Gemäß
§ 313 Abs. 1 BGB kann eine Anpassung des Vertrags verlangt werden,
wenn sich die Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach
Vertragsabschluss schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag
nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung
vorausgesehen hätten. Dabei kann eine Anpassung nur insoweit verlangt werden,
als dem einen Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls,
insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das
Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.
aa)
Durch die COVID-19-Pandemie und die damit verbundenen weitreichenden
Beschränkungen des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens hat sich die
Geschäftsgrundlage für den zwischen den Parteien abgeschlossenen Mietvertrag
schwerwiegend geändert.
(1) Nach
der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird die Geschäftsgrundlage eines
Vertrags durch die bei Vertragsabschluss bestehenden gemeinsamen Vorstellungen
der Parteien oder die dem Geschäftsgegner erkennbaren und von ihm nicht
beanstandeten Vorstellungen der einen Vertragspartei vom Vorhandensein oder dem
künftigen Eintritt gewisser Umstände gebildet, sofern der Geschäftswille der
Parteien auf dieser Vorstellung aufbaut (vgl. BGH Urteil vom 1. Dezember 2012 -
VIII ZR 307/10 - NJW 2012, 1718 Rn. 26 mwN).
Unstreitig
hatte keine der Parteien bei Abschluss des Mietvertrags im Jahr 2013 die
Vorstellung, während der vereinbarten Mietzeit werde es zu einer Pandemie und
damit verbundenen erheblichen hoheitlichen Eingriffen in den Geschäftsbetrieb
der Beklagten kommen, durch die die beabsichtigte Nutzung der Mieträume
eingeschränkt wird. Aufgrund der vielfältigen Maßnahmen zur Bekämpfung der
COVID-19-Pandemie wie Geschäftsschließungen, Kontakt- und Zugangsbeschränkungen
und der damit verbundenen massiven Auswirkungen auf das gesellschaftliche und
wirtschaftliche Leben in Deutschland während des ersten Lockdowns im Frühjahr
2020 ist im vorliegenden Fall die sogenannte große Geschäftsgrundlage
betroffen. Darunter versteht man die Erwartung der vertragschließenden Parteien,
dass sich die grundlegenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen
Rahmenbedingungen eines Vertrags nicht etwa durch Revolution, Krieg,
Vertreibung, Hyperinflation oder eine (Natur-)Katastrophe ändern und die
Sozialexistenz nicht erschüttert werde (MünchKommBGB/Finkenauer 8. Aufl.
§ 313 Rn. 17; Palandt/Grüneberg BGB 80. Aufl. § 313 Rn. 5; OLG
München NJW 2021, 948, 949 f.; KG GE 2021, 570, 572; OLG Frankfurt NZM 2021,
395; Häublein/Müller NZM 2020, 482, 486 f.; Zehelein NZM 2020, 390, 398; Streyl
NZM 2020, 817, 821; Warmuth COVuR 2020, 16, 18). Diese Erwartung der Parteien
wurde dadurch schwerwiegend gestört, dass die Beklagte aufgrund der zur
Bekämpfung der COVID-19-Pandemie erlassenen Allgemeinverfügungen des
Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt
vom 18. März 2020 und 20. März 2020 ihr Geschäftslokal in der Zeit vom 19. März
2020 bis einschließlich 19. April 2020 schließen musste.
(2)
Dafür, dass bei einer zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie behördlich
angeordneten Betriebsschließung die tatsächliche Voraussetzung des § 313
Abs. 1 Satz 1 BGB einer schwerwiegenden Störung der
Geschäftsgrundlage erfüllt ist, spricht auch die durch Art. 10 des
Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur
Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-,
Vereins- und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Patentrecht vom 22. Dezember
2020 (BGBl. I S. 3328) eingefügte Vorschrift des Art. 240 § 7
EGBGB. Danach wird vermutet, dass sich ein Umstand im Sinne des § 313
Abs. 1 BGB, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach
Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat, wenn vermietete Grundstücke oder
vermietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur
Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit
erheblicher Einschränkung verwendbar sind (vgl. Klose NZM 2021, 832, 835).
Zwar wird im
Schrifttum vereinzelt die Auffassung vertreten, die Vorschrift, die zum 31. Dezember
2020 in Kraft getreten ist (vgl. Art. 14 Abs. 2 des Gesetzes zur
weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung
pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-
und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Patentrecht vom 22. Dezember 2020),
entfalte eine echte Rückwirkung und könne deshalb auf Sachverhalte, die zum
Zeitpunkt ihres Inkrafttretens abgeschlossen waren, nicht angewendet werden
(Klimesch IMR 2021, 47 f.).
In der
Gesetzesbegründung ist jedoch ausgeführt, dass die Vorschrift auch auf
zurückliegende Sachverhalte anwendbar sein soll (BT-Drucks. 19/25322
S. 24). Auch in Rechtsprechung und Literatur wird die Auffassung
vertreten, dass die Vorschrift auf Sachverhalte anwendbar ist, die zum Zeitpunkt
ihres Inkrafttretens abgeschlossen waren, über die aber noch nicht
rechtskräftig entschieden worden ist (OLG Karlsruhe NJW 2021, 945;
BeckOGK/Siegmund [Stand. 1. Oktober 2021] EGBGB Art. 240 § 7 Rn. 15;
Blatt/Stobbe IMR 2021, 45). Diese Streitfrage kann jedoch dahinstehen.
Art. 240 § 7 EGBGB hat nur einen eng begrenzten Regelungsgehalt. Die
Vorschrift beschränkt sich auf die Vermutung, dass bei Mietverträgen über
gewerblich genutzte Räumlichkeiten Gebrauchsbeschränkungen infolge von
staatlich angeordneten Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie zu einer
schwerwiegenden Störung der Geschäftsgrundlage führen. Der Regelungsgehalt der
Vorschrift bezieht sich damit nur auf das reale Element des § 313
Abs. 1 BGB (BT-Drucks. 19/25322 S. 20), das in den Fällen einer
Störung der großen Geschäftsgrundlage ohnehin unproblematisch erfüllt ist. Zu
den weiteren Voraussetzungen für eine Vertragsanpassung wegen Störung der
Geschäftsgrundlage verhält sich die Vorschrift nicht (BT-Drucks. 19/25322
S. 20 f.). Insbesondere sagt sie auch nichts darüber aus, ob und
gegebenenfalls in welcher Form eine Vertragsanpassung erfolgen soll
(BeckOGK/Martens [Stand. 1. Oktober 2021] BGB § 313 Rn. 247; BT-Drucks.
19/25322 S. 21).
bb) Für
eine Berücksichtigung der Regelungen über die Störung der Geschäftsgrundlage
(§ 313 BGB) ist allerdings grundsätzlich insoweit kein Raum, als es um
Erwartungen und um Umstände geht, die nach den vertraglichen Vereinbarungen in
den Risikobereich einer der Parteien fallen sollen. Eine solche vertragliche Risikoverteilung
bzw. Risikoübernahme schließt für die Vertragspartei regelmäßig die Möglichkeit
aus, sich bei Verwirklichung des Risikos auf eine Störung der
Geschäftsgrundlage zu berufen (Senatsurteil BGHZ 223, 290 = NJW 2020, 331 Rn.
37 mwN).
Entgegen der
Auffassung der Klägerin hat die Beklagte im vorliegenden Fall nicht vertraglich
das alleinige Verwendungsrisiko für den Fall einer pandemiebedingten Schließung
ihres Einzelhandelsgeschäfts übernommen.
Zwar können die
Mietvertragsparteien durch eine entsprechende vertragliche Abrede die
Risikoverteilung ändern. Ob das der Fall ist, ist durch Auslegung der
getroffenen Vertragsvereinbarungen zu ermitteln. Soweit die Klägerin meint,
vorliegend sei in § 5 Nr. 3 des Mietvertrags eine entsprechende Vereinbarung
getroffen worden, kann dem jedoch nicht gefolgt werden. Nach ihrem eindeutigen
Wortlaut bezieht sich diese Regelung nur auf Mängel- und
Schadensersatzansprüche des Mieters. Da Vertragsbestimmungen, mit denen die
Mietvertragsparteien die Risikoverteilung abändern wollen, grundsätzlich eng
auszulegen sind, kann aus dieser Regelung nicht geschlossen werden, dass die
Beklagte über den umfangreichen Verzicht auf mietrechtliche
Gewährleistungsansprüche in den von der Vertragsbestimmung erfassten
Ereignissen hinaus auch im Fall einer weltweiten Pandemie das alleinige Risiko
dafür übernehmen wollte, die Mietsache nicht vertragsgemäß verwenden zu können.
cc)
Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte kann auch davon ausgegangen werden,
dass die Parteien den Mietvertrag mit einem anderen Inhalt abgeschlossen
hätten, wenn sie bei Vertragsschluss im Jahr 2013 die Möglichkeit einer
Pandemie und die damit verbundene Gefahr einer hoheitlich angeordneten
Betriebsschließung vorausgesehen und bedacht hätten. Es ist anzunehmen, dass
redliche Mietvertragsparteien für diesen Fall das damit verbundene
wirtschaftliche Risiko nicht einseitig zu Lasten des Mieters geregelt, sondern
in dem Vertrag für diesen Fall eine Möglichkeit zur Mietanpassung vorgesehen
hätten.
dd)
Allein der Wegfall der Geschäftsgrundlage gem. § 313 Abs. 1 BGB
berechtigt jedoch noch nicht zu einer Vertragsanpassung. Vielmehr verlangt die
Vorschrift als weitere Voraussetzung, dass dem betroffenen Vertragspartner
unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der
vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am
unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Durch diese Formulierung
kommt zum Ausdruck, dass nicht jede einschneidende Veränderung der bei
Vertragsschluss bestehenden oder gemeinsam erwarteten Verhältnisse eine
Vertragsanpassung oder eine Kündigung (§ 313 Abs. 3 BGB)
rechtfertigt. Hierfür ist vielmehr erforderlich, dass ein Festhalten an der
vereinbarten Regelung für die betroffene Partei zu einem nicht mehr tragbaren
Ergebnis führt (Senatsbeschluss vom 3. Dezember 2014 - XII ZB 181/13 - FamRZ
2015, 393 Rn. 19 mwN; BGH Urteil vom 1. Februar 2012 - VIII ZR 307/10 - NJW
2012, 1718 Rn. 30 mwN). Deshalb kommt eine Vertragsanpassung zugunsten des
Mieters jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn ihm ein unverändertes
Festhalten an der vertraglich vereinbarten Miethöhe unter Abwägung aller
Umstände einschließlich der vertraglichen Risikoverteilung zumutbar ist (vgl.
BGH Urteil vom 11. Dezember 2019 - VIII ZR 234/18 - NJW-RR 2020, 523 Rn. 20
ff.).
(1) Im
Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter trägt grundsätzlich der Mieter das
Verwendungsrisiko bezüglich der Mietsache. Dazu gehört bei der gewerblichen
Miete vor allem die Chance, mit dem Mietobjekt Gewinne erzielen zu können (Senatsurteil
vom 21. September 2005 - XII ZR 66/03 - NJW 2006, 899, 901). Erfüllt sich die
Gewinnerwartung des Mieters aufgrund eines nachträglich eintretenden Umstandes
nicht, so verwirklicht sich damit ein typisches Risiko des gewerblichen
Mieters. Das gilt auch in Fällen, in denen es durch nachträgliche
gesetzgeberische oder behördliche Maßnahmen zu einer Beeinträchtigung des
Gewerbebetriebs des Mieters kommt (Senatsurteil vom 13. Juli 2011 - XII ZR
189/09 - NJW 2011, 3151 Rn. 9).
Beruht die
enttäuschte Gewinnerwartung des Mieters jedoch auf einer hoheitlichen Maßnahme
zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie wie einer Betriebsschließung für einen
gewissen Zeitraum, geht dies über das gewöhnliche Verwendungsrisiko des Mieters
hinaus (vgl. OLG München NJW 2021, 948, 951 f.; KG GE 2021, 570, 572;
Häublein/Müller NZM 2020, 482, 487; Streyl NZM 2020, 817, 822; Warmuth COVuR
2020, 16; 20; Römermann NJW 2021, 265, 268). Die wirtschaftlichen Nachteile,
die ein gewerblicher Mieter aufgrund einer pandemiebedingten Betriebsschließung
erlitten hat, beruhen nicht auf unternehmerischen Entscheidungen oder der
enttäuschten Vorstellung, in den Mieträumen ein Geschäft betreiben zu können,
mit dem Gewinne erwirtschaftet werden. Sie sind vielmehr Folge der
umfangreichen staatlichen Eingriffe in das wirtschaftliche und
gesellschaftliche Leben zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie, für die keine der
beiden Mietvertragsparteien verantwortlich gemacht werden kann. Die Art der
Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie wurde zudem von dem Ziel
bestimmt, menschliche Kontakte aus Gründen des Infektionsschutzes weitgehend zu
reduzieren. Die Maßnahmen waren nach epidemiologischen Gesichtspunkten
ausgewählt, knüpften dabei aber grundsätzlich weder an spezifische
Eigenschaften des vom Mieter geführten Gewerbebetriebs noch an solche des
Mietobjekts an (BeckOGK/Martens [Stand: 1. Oktober 2021] BGB § 313 Rn.
246). Durch die COVID-19-Pandemie hat sich damit letztlich ein allgemeines
Lebensrisiko verwirklicht, das von der mietvertraglichen Risikoverteilung ohne
eine entsprechende vertragliche Regelung nicht erfasst wird. Diese Systemkrise
mit ihren weitreichenden Folgen hat vielmehr zu einer Störung der großen
Geschäftsgrundlage geführt. Das damit verbundene Risiko kann regelmäßig keiner
Vertragspartei allein zugewiesen werden (KG GE 2021, 570, 572; Häublein/Müller
NZM 2020, 482, 487; Römermann NJW 2021, 265, 268). Schließlich ging auch der
Gesetzgeber bei der Schaffung des Art. 240 § 7 EGBGB davon aus, dass
ohne entsprechende vertragliche Regelungen Belastungen infolge staatlicher
Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie regelmäßig weder der Sphäre des
Vermieters noch des Mieters zuzuordnen sind (BT-Drucks. 19/25322 S. 21).
Danach hat das
Berufungsgericht zu Recht angenommen, dass die pandemiebedingte Schließung von
Geschäften nicht allein das Verwendungsrisiko der Beklagten betrifft und ihr
daher auch nicht einseitig aufgebürdet werden kann.
(2) Auch
wenn die mit einer pandemiebedingten Betriebsschließung verbundene
Gebrauchsbeeinträchtigung der Mietsache nicht allein dem Verwendungsrisiko des
Mieters zugeordnet werden kann, bedeutet dies aber nicht, dass der Mieter stets
eine Anpassung der Miete für den Zeitraum der Schließung verlangen kann. Ob dem
Mieter ein Festhalten an dem unveränderten Vertrag unzumutbar ist, bedarf auch
in diesem Fall einer umfassenden Abwägung, bei der sämtliche Umstände des
Einzelfalls zu berücksichtigen sind (§ 313 Abs. 1 BGB). Eine
pauschale Betrachtungsweise wird den Anforderungen an dieses normative Tatbestandsmerkmal
der Vorschrift nicht gerecht. Deshalb kommt eine Vertragsanpassung dahingehend,
dass ohne Berücksichtigung der konkreten Umstände die Miete für den Zeitraum
der Geschäftsschließung grundsätzlich um die Hälfte herabgesetzt wird, weil das
Risiko einer pandemiebedingten Gebrauchsbeschränkung der Mietsache keine der
beiden Mietvertragsparteien allein trifft, nicht in Betracht (vgl. auch OLG
München NJW 2021, 948, 952; OLG Hamm Urteil vom 24. September 2021 - 30 U
114/21 - juris Rn. 79; OLG Karlsruhe NJW 2021, 945, 947; Klose NZM 2021, 832,
839; a.A. KG GE 2021, 570, 572; OLG Köln NJW-RR 2021, 1218, 1221; Zehelein NZM
2020, 390, 399 f.; Römermann NJW 2021, 265, 269; Säcker/Schubert BB 2020, 2563,
2570; Klimesch/Walther ZMR 2020, 556, 557 f.).
Bei der vorzunehmenden
Abwägung ist zunächst von Bedeutung, welche Nachteile dem Mieter durch die
Geschäftsschließung und deren Dauer entstanden sind. Diese werden bei einem
gewerblichen Mieter primär in einem konkreten Umsatzrückgang für die Zeit der
Schließung bestehen, wobei jedoch nur auf das konkrete Mietobjekt und nicht auf
einen möglichen Konzernumsatz abzustellen ist (Streyl NZM 2020, 817, 825). Zu
berücksichtigen kann auch sein, welche Maßnahmen der Mieter ergriffen hat oder
ergreifen konnte, um die drohenden Verluste während der Geschäftsschließung zu
vermindern.
Da eine
Vertragsanpassung nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage aber
nicht zu einer Überkompensierung der entstandenen Verluste führen darf, sind
bei der Prüfung der Unzumutbarkeit grundsätzlich auch die finanziellen Vorteile
zu berücksichtigen, die der Mieter aus staatlichen Leistungen zum Ausgleich
dieser pandemiebedingten Nachteile erlangt hat (OLG München NJW 2021, 948, 952;
OLG Karlsruhe NJW 2021, 945, 946 f.; KG GE 2021, 570, 572; Häublein/Müller NZM
2020, 482, 489; Zehelein NZM 2020, 390, 401; Saxinger ZMR 2020, 1002, 1007 f.;
Tölle/Ehrentreich IMR 2021, 178, 179; Klimesch IMR 2021, 47; Güther ZMR 2021,
296 f.). Auch Leistungen einer einstandspflichtigen Betriebsversicherung des Mieters
können zu berücksichtigen sein (OLG Frankfurt NZM 2021, 395, 402;
Häublein/Müller NZM 2020, 482, 488 f.; vgl. auch den Verhandlungstermin des BGH
am 26. Januar 2022 in dem Verfahren IV ZR 144/21). Staatliche
Unterstützungsmaßnahmen, die nur auf Basis eines Darlehens gewährt wurden,
bleiben hingegen bei der gebotenen Abwägung außer Betracht, weil der Mieter
durch sie keine endgültige Kompensation der erlittenen Umsatzeinbußen erreicht
(Häublein/Müller NZM 2020, 482, 489). Eine tatsächliche Gefährdung der
wirtschaftlichen Existenz des Mieters ist dagegen nicht erforderlich (KG GE
2021, 570, 572; OLG Frankfurt NZM 2021, 395, 402; Streyl NZM 2020, 817, 824;
Römermann NJW 2021, 265, 268).
Schließlich
sind bei der gebotenen Abwägung auch die Interessen des Vermieters in den Blick
zu nehmen (vgl. OLG München NJW 2021, 948, 952).
(3)
Dabei obliegt es grundsätzlich der Vertragspartei, die sich auf eine Störung
der Geschäftsgrundlage beruft, nachzuweisen, dass ihr ein Festhalten am
unveränderten Vertrag unzumutbar ist (MünchKommBGB/Finkenauer 8. Aufl.
§ 313 Rn. 135 mwN). Im Falle einer pandemiebedingten Geschäftsschließung
muss daher der Mieter darlegen und gegebenenfalls beweisen, welche Nachteile
ihm aus der Betriebsschließung entstanden sind, die ihm eine vollständige
Mietzahlung für diesen Zeitraum unzumutbar machen (Saxinger ZMR 2020, 1002,
1007 f.; Tölle/Ehrentreich IMR 2021, 178, 180), und welche zumutbaren
Anstrengungen er unternommen hat, um drohende Verluste auszugleichen. Behauptet
der Mieter, keine staatlichen Unterstützungsleistungen erhalten zu haben, muss
er darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass er sich um mögliche
Hilfeleistungen vergeblich bemüht hat. Gelingt ihm dies nicht, muss er sich so
behandeln lassen, als hätte er die staatlichen Unterstützungsleistungen
erhalten (Häublein/Müller NZM 2020, 481, 489). Wendet hingegen der Vermieter
ein, dass die vom Mieter behaupteten Verluste nicht auf der COVID-19-Pandemie
beruhen, trifft ihn hierfür die Darlegungs- und Beweislast (BeckOGK/Martens [Stand:
1. Oktober 2021] BGB § 313 Rn. 251).
Auf dieser
Grundlage hat das Gericht in tatrichterlicher Verantwortung und unter
Berücksichtigung von § 287 ZPO für den konkreten Einzelfall die
Voraussetzungen des § 313 BGB festzustellen und gegebenenfalls eine Vertragsanpassung
vorzunehmen.
b) Nach diesen
Grundsätzen ist die Auffassung des Berufungsgerichts, im vorliegenden Fall sei
der Mietvertrag dahingehend anzupassen, dass die Beklagte für die Zeit der
Geschäftsschließung nur die hälftige Miete schuldet, nicht frei von
Rechtsfehlern.
Das
Berufungsgericht hat verkannt, dass die Frage, ob dem Mieter ein Festhalten an
dem Vertrag zumutbar ist, auch im Fall einer pandemiebedingten
Geschäftsschließung eine konkret auf den Einzelfall bezogene Abwägung aller
relevanten Umstände erfordert, die nicht durch eine pauschale Aufteilung der
Miete ersetzt werden kann. Deshalb lässt sich die vom Berufungsgericht
vorgenommene Absenkung der Kaltmiete um 50 % nicht mit der gegebenen Begründung
rechtfertigen, die mit der pandemiebedingten Geschäftsschließung verbundenen
Belastungen seien gleichmäßig auf beide Mietvertragsparteien zu verteilen, weil
keine der Parteien eine Ursache für die Störung der Geschäftsgrundlage gesetzt
habe. Das Berufungsgericht hätte vielmehr tragfähige Feststellungen dazu
treffen müssen, welche konkreten wirtschaftlichen Auswirkungen die
Geschäftsschließung in dem streitgegenständlichen Zeitraum für die Beklagte
hatte und ob diese Nachteile ein Ausmaß erreicht haben, das eine Anpassung des
Mietvertrags erforderlich macht. Deshalb durfte das Berufungsgericht es auch
nicht dahinstehen lassen, ob die Beklagte für die Zeit der Geschäftsschließung
entsprechende staatliche Hilfen erhalten hat oder hätte erhalten können. Die
Beklagte hat zwar in den Instanzen vorgetragen, ihr seien keine staatlichen
Unterstützungsleistungen zugeflossen. Die Klägerin hat diese Behauptung jedoch
- auch noch im Berufungsverfahren - bestritten. Hinzu kommt, dass die Beklagte
nur die Miete für April 2020 ausgesetzt und die weiteren Mieten im Jahr 2020
vollständig bezahlt hat. Auch dies hätte für das Berufungsgericht Anlass sein
müssen, sich die Frage vorzulegen, ob der durch die Geschäftsschließung
entstandene Umsatzrückgang tatsächlich so erheblich war, dass der Beklagten die
vollständige Zahlung der Miete für den streitgegenständlichen Zeitraum
unzumutbar war.
III.
Die
angefochtene Entscheidung ist daher gemäß § 562 Abs. 1 ZPO aufzuheben
und die Sache ist nach § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO an das
Berufungsgericht zurückzuverweisen.
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